Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg - 12 W 15/15

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Streitwertbeschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 05. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Der Streitwert wird - zugleich in Abänderung des angefochtenen Beschlusses - von Amts wegen auf 834.005,00 Euro festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

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Die nach § 68 Abs. 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige - auf eine Herabsetzung des Streitwertes gerichtete - Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet.

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1. Streitwert der Klage:

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Der Einzelstreitwert des auf Zustimmung des Beklagten auf Erwerberseite zur Auflassung und zur Bewilligung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch gerichtete Klageantrages bemisst sich nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO, also nach dem Verkehrswert des in die Gesellschaft einzubringenden Grundstücks, und zwar ohne Abzug etwaiger Grundpfandrechte. Denn es entspricht der herrschenden Meinung, dass sich der Streitwert eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks durch Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch nach dem Verkehrswert des Grundstücks bestimmt (z. B. OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 395; OLG München OLGR München 1994, 264; OLG Köln MDR 2005, 298; OLG Nürnberg AGS 2012, 307; OLG Rostock JurBüro 2012, 196 jeweils m. w. N.). Zwar regelt § 6 ZPO unmittelbar nur den Streit um den Besitz an der Sache; geht es dem Kläger aber - wie hier - letztlich um die umfassendere Eigentumsverschaffung, so ist diese Regelung erst Recht anzuwenden (z. B. OLG Köln MDR 2005, 298).

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Nach dem vorgelegten Verkehrswertgutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. K. vom 23. September 2014, beläuft sich der Verkehrswert des Grundstücks unstreitig auf insgesamt 360.000,-Euro. Dieser Betrag ist in voller Höhe in Ansatz zu bringen.

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a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist ein Abschlag nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Rechtsstreit nur noch über seine Zustimmung als Mitgesellschafter auf Erwerberseite zur notariell beurkundeten Auflassung und zur Bewilligung der Eigentumsumschreibung verhält, während seine Auflassungserklärung als einbringender Gesellschafter bereits durch das rechtskräftige Urteil des 1. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Dezember 2012 (Gesch.Nr.: 1 U 64/12) nach § 894 ZPO ersetzt worden ist. Denn dies ändert nichts daran, dass auch in dem hier zur Entscheidung stehenden Folgeprozess die Auflassung der Flurstücke den Streitgegenstand des Klageantrages bildete, der nunmehr auf Mitwirkung des Beklagten an der Eigentumsverschaffung auf Erwerberseite gerichtet ist. Wie der Kläger in seiner Beschwerdeerwiderungsschrift zutreffend ausgeführt hat, kann es für die Bemessung des Streitwertes keinen Unterschied machen, ob der Beklagte - wie im Vorprozess - zur vereinbarten Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft oder nunmehr zur Mitwirkung als Gesellschafter auf Erwerberseite bei der Auflassung verurteilt wird. In beiden Fällen handelt es sich um eine auf Eigentumsverschaffung gerichtete Auflassungsklage. Bei verständiger Würdigung kann es der Sache nach aber nicht zu einer Reduzierung des Streitwertes führen, dass der Beklagte schon zuvor zur Erfüllung seiner Einlageverpflichtung verklagt werden musste und das rechtskräftige Urteil des Vorprozesses seine Auflassungserklärung nach § 894 ZPO ersetzt.

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b) Da der Kläger hier einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten aus dem Gesellschaftsverhältnis eingeklagt hat, ist der Klageantrag auch nicht auf seinen Geschäftsanteil an der GbR zu reduzieren. Es ist vielmehr nach dem wirtschaftlichen Interesse der GbR der volle Verkehrswert der Grundstücke anzusetzen. Macht ein Gesellschafter Sozialansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter im Wege der actio pro socio geltend, so zwingt weder der Wortlaut des § 3 ZPO noch der Justizgewährungsanspruch dazu, den Streitwert allein von seinem persönlichen wirtschaftlichen Interesse entsprechend seinem Geschäftsanteil abhängig zu machen. Vielmehr ist bei der Streitwertfestsetzung das damit verfolgte höhere Interesse der Gesellschaft zu berücksichtigen (z. B. BVerfG NJW 1997, 311; ebenso für die Klage eines Erben gegen einen Miterben auf Leistung an die Erbengemeinschaft, z. B. OLG Nürnberg AGS 2012, 307). Hintergrund der Wertbemessung bildet der Umstand, dass die Mitgesellschafter über das Gesellschaftsvermögen nur gemeinsam verfügen dürfen und hier Leistung an die Gesellschaft begehrt wird. Erhebt insoweit ein Gesellschafter gegen einen anderen Mitgesellschafter Klage auf Mitwirkung bei der Auflassung an die Gesellschaft, so bemisst sich der Streitwert nicht nach dem Teil der Grundstückswerte, der dem Gesellschaftsanteil des klagenden Gesellschafters entspricht, sondern nach dem vollen Wert der Grundstücke.

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2. Einzelstreitwert des Widerklageantrages zu 2):

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Den Widerklageantrag zu 1), mit dem der Beklagte einen Ausgleich wegen behaupteter Aufwendungen für die Sanierung und bauliche Umgestaltung der Aufbauten der Liegenschaft gegen den Kläger geltend macht, hat dieser mit 50 % seines Kostenaufwandes mit 252.225, 00 Euro beziffert. Nach diesem Forderungsbetrag bemisst sich der Einzelstreitwert der Widerklage, der mit dem Streitwert der Klage nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zu addieren ist. Dem steht auch die Regelung des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nicht entgegen. Denn der auf Mitwirkung an der Auflassung gerichtete Anspruch der Klage und der mit der Widerklage verfolgte Aufwendungsersatzanspruch betreffen wirtschaftlich nicht denselben Gegenstand.

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Der kostenrechtliche Gegenstandsbegriff erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung der Werte von Klage und Widerklage hat danach grundsätzlich dort zu erfolgen, wo durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht, beide also nicht das wirtschaftlich identische Interesse betreffen. Auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff kommt es dabei nicht an (z. B. BGH NJW-RR 2005, 506; BGH WRP 2014, 192; Hartmann, KostG, Rdn.8 ff). Eine solche wirtschaftliche Identität von Klage und Widerklage liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten „Identitätsformel“ nur vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrages nach sich zieht (z. B. BGH NJW-RR 2005, 506; Hartmann a. a. O.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Anträge aus Klage und Widerklage schließen sich nicht wechselseitig aus, sondern können ohne weiteres nebeneinander geltend gemacht werden und zielen auf unterschiedliche wirtschaftliche Interessen. Auch wenn die hier in Rede stehenden Aufwendungen zu einer Wertsteigerung der Flurstücke geführt haben mögen, um deren Auflassung es bei dem Klageantrag zu 1) geht, ist der Erstattungsanspruch jedoch auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht mit dem auf Eigentumsverschaffung gerichteten Klagebegehren gleichzusetzen.

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3. Hilfswiderklageantrag zu 2):

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Da die innerprozessuale Bedingung, unter die der Hilfswiderklageantrag gestellt war, eingetreten ist und auch über den Feststellungsantrag zu entscheiden war, ist es grundsätzlich auch auf den Einzelstreitwert des Eventualwiderklageantrages zu 2) angekommen.

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Mit seiner Hilfswiderklage hat der Beklagte die Feststellung verlangt, dass wegen der Einbringung der Grundstücke in die Gesellschaft aufgrund der wertsteigernden Verwendungen eine Einlage in Höhe von 277.225, 00 Euro zugunsten des Beklagten in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen sei. Insoweit geht es dem Beklagten um eine Bilanzierung seiner Einlage in Höhe der Hälfte der geleisteten baulichen Investitionen von beziffert 252.225,00 Euro zuzüglich des Eigenanteils am Grundstückskaufpreis von 25.000,- Euro. Insoweit beläuft sich der Wert des Gegenstandes der Feststellung auf insgesamt 277.225,00 Euro. Da es sich hier um eine positive Feststellungsklage handelt, ist im Allgemeinen ein Abschlag von 20 % gegenüber dem Wert einer Leistungsklage angebracht (z. B. BGH NZBau 2012, 566; Zöller/Herget, Rdn. 16 zu § 3 ZPO „Feststellungsklage“). Danach beläuft sich der Einzelwert des Eventualklageantrages auf 221.780,00 Euro.

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4. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, dass der Hilfswiderklageantrag nicht im vollen Umfang streitwerterhöhend zu berücksichtigen sei, eine Zusammenrechnung der Einzelstreitwerte vielmehr nach § 45 Abs.1 S. 3 GKG ausscheiden müsse. Wie der Kläger in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend ausgeführt hat, trifft es nicht zu, dass der Hauptwiderklageantrag und der Eventualwiderklageantrag zu 2) nach der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung denselben Gegenstand betreffen.

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Wirtschaftliche Identität liegt nur vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen könnten, dass - die von dem Beklagten gesetzte Bedingung fortgedacht - allen statt gegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrages zur Folge haben würde (z. B. BGH WRP 2014, 192). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, die von dem Beklagten mit seiner Widerklage verfolgten Ansprüche sind nicht wirtschaftlich identisch.

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Aufgrund der Eventualantragstellung ist eine klagestattgebende Entscheidung über beide Widerklageanträge im Streitfall zwar von vorneherein prozessual ausgeschlossen gewesen, die Widerklageanträge hätten aber durchaus selbständig nebeneinander und damit kumulativ geltend gemacht werden können und betreffen überdies keineswegs dasselbe wirtschaftliche Interesse. Während der Beklagte mit dem Widerklageantrag zu 1) den Kläger auf Erstattung der Hälfte der geleisteten Aufwendungen bzw. baulichen Investitionen, die sich nach seinem Vorbringen aus der Klageerwiderungsschrift vom 03. April 2014 auf insgesamt 504.450,00 Euro belaufen haben sollen, in Anspruch nehmen will, begehrt er mit dem Hilfswiderklageantrag die Feststellung der Werthaltigkeit seiner Einlage in Höhe der anderen Hälfte an Verwendungen. Der mit dem Widerklageantrag zu 1) verfolgte Ausgleichsanspruch betrifft somit ersichtlich den die Einlage in Höhe von 252.225,00 Euro zuzüglich 25.000,- Euro Kaufpreisanteil überschießenden Investitionsbetrag, so dass das behauptete Investitionsvolumen von 504.450,00 Euro mit beiden Widerklageanträgen wirtschaftlich abgedeckt ist.

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Die Anträge bilden nach alledem ungeachtet der Eventualantragsstellung jeweils einen eigenen Gegenstand und sind daher nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG zu addieren gewesen.

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4. Eine Addition der Einzelstreitwerte von Klage und Widerklage ergibt hier einen Gesamtstreitwert in Höhe von 834.005 Euro, nämlich im einzelnen:

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- Klage gemäß § 6 ZPO in Höhe des Verkehrswertes von    

360.000,- Euro,

- Hauptwiderklageantrag zu 1) in Höhe von

252.225,- Euro,

- Hilfswiderklage mit 20%-Feststellungsabschlag

221.780,- Euro.

II.

19

Der Senat hat den Streitwertbeschluss des Landgerichts insoweit von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 S. 1 GKG abgeändert und auf den Gesamtbetrag von 834.005 Euro angehoben. Denn das im Zivilprozessrecht geltende Verschlechterungsverbot gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (z. B. OLG Düsseldorf MDR 2009, 1187; OLG Nürnberg AGS 2012, 307; Zöller/Herget Rdn. 13 zu § 3 ZPO), weil dieses Verfahren im überwiegend öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiv richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände nach §§ 63 ff GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist. Die (Rechtsmittel-)Gerichte sind nach § 61 GKG nicht an Bemessungserwägungen oder Schätzangaben der Parteien zum Wert gebunden, sondern in den zeitlichen Grenzen des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG jederzeit befugt, den Streitwert jederzeit von Amts wegen festzusetzen und abzuändern. Die divergierenden und ohnehin je nach Parteirolle wechselnden privaten Interessen der Prozessbeteiligten, die Rechtsverfolgung für sich möglichst kostengünstig, für den Gegner hingegen möglichst kostspielig zu gestalten, sind dabei nicht schutzwürdig und treten hier vollständig zurück (z. B. OLG Düsseldorf MDR 2009, 1187).

III.

20

Eine Kostenentscheidung ist § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.


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