Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Strafsenat) - 1 Ws (s) 318/16

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 08. September 2016 aufgehoben und

1. die Beiordnung von Rechtsanwalt M. Sch. aufgehoben sowie

2. der Angeklagten Rechtsanwalt K. als Verteidiger beigeordnet.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

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Der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg hat mit Beschluss vom 08. September 2016

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1. den Antrag der Angeklagten, die Bestellung des Rechtsanwalts M. Sch. als Pflichtverteidiger aufzuheben und der Angeklagten stattdessen Rechtsanwalt K. als Verteidiger zu bestellen, abgelehnt und 2. den Antrag der Angeklagten Rechtsanwalt K. als weiteren Verteidiger zu bestellen, abgelehnt.

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Gegen diesen Beschluss hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers Rechtsanwalt K. vom 12. September 2016 Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses die Bestellung des Rechtsanwalts M. Sch. als Pflichtverteidiger zurückzunehmen und für diesen Rechtsanwalt S. K. beizuordnen.

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Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat der Vorsitzende der 4. großen Strafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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Die Beschwerde der Angeklagten ist gemäß §§ 304 Abs. 1, 305, 306 Abs. 1 StPO zulässig und begründet.

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Eine Auswechselung des Verteidigers ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.12.2007, 3 Ws 1205/07, zitiert nach juris, Rdnr. 4; KG Berlin, Beschluss vom 20.11.1992, 4 Ws 228/92, NStZ 1993, 201, OLG Naumburg, Beschluss vom 14.04.2010, 2 Ws 52/10, zitiert nach juris, Rdnr. 8).

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Hiervon ist vorliegend auszugehen.

8

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat hierzu u.a. ausgeführt:

9

"Im konkreten Fall sind auch die Voraussetzungen für einen "kostenneutralen" Wechsel des Pflichtverteidigers gegeben:

10

Rechtsanwalt M. Sch. hat mit Schriftsatz vom 01.08.2016 um eine einvernehmliche Rücknahme der Beiordnung gebeten und erklärt, dass die Gründe, die zu diesem Ergebnis geführt haben, nicht offengelegt werden können (Bd. XXVII Bl. 119 f. d. A.), da gerade das bestehende Beiordnungsverhältnis ihn daran hindere.

11

Ferner hat er ausgeführt, dass die Angeklagte selbst Rechtsanwalt K. zunächst ein Wahlmandat erteilt habe. Dieser werde versichern, das Mandat im jetzigen Stand zu übernehmen, sich bis zum 24.08.2016 in den Prozessstoff einzuarbeiten und für einen nahtlosen Übergang ohne jegliche Verzögerung zu sorgen. Im Übrigen sollen durch den Wechsel Mehrkosten für die Staatskasse nicht entstehen (Bd. XXVII Bl. 120 d. A.).

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Im anwaltlichen Schriftsatz vom 02.08.2016 (Bd. XXVII Bl. 121 f. d. A.) bestätigt Rechtsanwalt K. die Einvernehmlichkeit über den o. a. "Wechsel" und versichert, seine Einarbeitung in das Verfahren bis zur Fortsetzung des Verfahrens am 24.08.2016.

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Durch die Entpflichtung von Rechtsanwalt M. Sch. und die Beiordnung von Rechtsanwalt K. entstehen der Staatskasse auch keine Mehrkosten. Rechtsanwalt K. hat – ebenfalls im Schriftsatz vom 02.08.2016 – erklärt, er werde auf diejenigen Kosten und Gebühren, die der Staatskasse bisher für die Pflichtverteidigung durch Rechtsanwalt Sch. angefallen seien, ausdrücklich verzichten (Bd. XXVII Bl. 122 d. A.). Zwar hat Rechtsanwalt K. mit seinem weiteren Schriftsatz vom 10.08.2016 diesen erklärten Gebührenverzicht zurückgenommen (Bd. XXVII Bl. 191 ff., 194 d. A.). Insoweit kann es aber dahingestellt bleiben, ob diese Rücknahme rechtlich zulässig und wirksam war, da Rechtsanwalt K. in seiner Beschwerdebegründung vom 12.09.2016 eine (erneute) Verzichtserklärung abgegeben hat (Bd. XXVII Bl. 173 ff., 185 f. d. A.).

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Die Rechtsfrage, ob ein Anwalt – hier: Rechtsanwalt K. – auf seinen Gebührenanspruch in Höhe der bereits durch die Vertretung durch einen anderen Anwalt – hier: Rechtsanwalt Sch. – angefallenen Gebühren verzichten darf und deshalb durch den Verteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen, wird zwar in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise – wie wohl auch von der Kammer – im Hinblick auf § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO für unzulässig erachtet (OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.; OLG Jena a.a.O.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dem von § 49b BRAO verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, in der vorliegenden Fallkonstellation ausreichend dadurch begegnet wird, dass ein Wechsel nur bei Einverständnis beider beteiligter Anwälte möglich ist (OLG Karlsruhe, a.a.O., im Ergebnis auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.07.2008 – Ws 262/08; OLG Bamberg a.a.O.). Im Übrigen betrifft diese Vorschrift ausschließlich den Fall einer vertraglichen Vereinbarung über die Höhe der Gebühren und erfasst den Verzicht gegenüber der Staatskasse nicht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 3 Ws 1205/07, Rn. 8 f, OLG Bamberg, a.a.O.). Die Gebührenverzichtserklärung ist daher zulässig.

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Aus den oben dargelegten Gründen ist die Beschwerde somit begründet. Dem Wunsch der Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist daher zu entsprechen. "

16

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im Ergebnis an. Selbst wenn man eine Auswechselung der Verteidiger im Hinblick auf eine fehlende Kostenneutralität ablehnen wollte, wäre eine Auswechselung jedenfalls auch aus anderen Gründen im Hinblick auf einen bestehenden Interessenkonflikt geboten ist.

17

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat zu dieser Thematik ausgeführt:

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"Ein konkret manifestierter Interessenkonflikt ist ein Grund, von der Verteidigerbestellung abzusehen oder eine bereits bestehende Bestellung aufzuheben (vgl. BGH, Beschluss vom 01.12.2015 – 4 StR 270/15; BGH, Beschluss vom 15.01.2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11.06.2014 – 2 StR 489/13, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Verteidigerbestellung 1). Ob die im angefochtenen Beschluss vom zuständigen Gerichtsvorsitzenden im Rahmen seines Beurteilungsspielraums vorgenommene Bewertung vertretbar erscheint, nämlich dass eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers aus wichtigem Grund nicht vorliege, weil die dazu erforderliche nachhaltige und endgültige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 143 Rn. 5 m.w.N.), nicht gegeben sei, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Wenngleich – aus den Gründen der Beschwerde aus hiesiger Sicht – vorliegend nicht nur eine abstrakte Gefahr einer Interessenkollision bestehen dürfte, braucht hier dennoch nicht geklärt zu werden, ob ein solcher Interessenkonflikt hier die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung geboten hätte." Insoweit bezieht sie sich auf die obigen Ausführungen.

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Vorliegend spricht für einen Interessenkonflikt, dass Rechtsanwalt Sch. im Namen der A. Sp.z.o.u. gegenüber dem Insolvenzverwalter der A. GmbH in Insolvenz Ansprüche zur Insolvenztabelle angemeldet hat. Gleichzeitig hat er die Verteidigung der damaligen Geschäftsführerin der A. GmbH, der Angeklagten St. , übernommen. In dem weiteren Verfahren macht der Insolvenzverwalter nunmehr aber wegen verspäteter Insolvenzanmeldung Ansprüche gegen die Angeklagte geltend.

III.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473, 467 StPO.


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