Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (Vergabesenat) - 17 Verg 3/17

Tenor

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 04.07.2007 auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 30.06.2017 - 1 VK 3/17 - wird verworfen.

2. Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18.07.2007 auf einstweilige Untersagung der Bautätigkeiten der 'O. GmbH' wird abgelehnt.

Gründe

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1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde (§ 173 Abs. 1 S. 3 GWB) ist als unzulässig zu verwerfen, da ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

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Die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen eine den Nachprüfungsantrag ablehnende Entscheidung der Vergabekammer soll die Erteilung des Zuschlags während des Beschwerdeverfahrens nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 173 Abs. 1 S. 2 GWB verhindern. Der Zuschlag ist hier indes schon am 23.05.2017 erteilt worden, die Beschwerdeführerin begehrt insoweit auch die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertragsschlusses gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 GWB. Zumindest wenn keine Gefahr besteht, dass die Vergabestelle durch Wiederholung des streitigen Zuschlags - ggfls. unter Vermeidung eines zuvor gerügten Fehlers - einseitig vollendete Tatsachen schafft, bedarf es einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.5.2012 - VII Verg 15/12, juris). Hier besteht die Gefahr einer erneuten Erteilung des Zuschlags vor Durchführung des von der Beschwerdeführerin begehrten europaweiten Vergabeverfahrens offenkundig nicht.

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2. Der zulässige Antrag der Beschwerdeführerin auf einstweilige Untersagung der Bautätigkeiten der von der Antragsgegnerin beauftragten 'O. GmbH' ist als unbegründet zurückzuweisen.

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Zwar kann der Senat wie die Vergabekammer entsprechend § 169 Abs. 3 GWB in das Vergabeverfahren eingreifen, wenn die Rechte der Beschwerdeführerin auf andere Weise als durch einen drohenden Zuschlag gefährdet sind. Insoweit wäre auch eine einstweilige Untersagung der Bautätigkeiten des beauftragten Unternehmens möglich, die in Vollzug eines unwirksamen Zuschlags erfolgen, denn selbst wenn später die Auftragserteilung gem. § 135 Abs. 2 GWB für unwirksam erklärt und der Vertrag nach Bereicherungsrecht rückabgewickelt wird, wären die ausgeschriebenen Arbeiten tatsächlich ausgeführt und es entfiele deshalb die ursprüngliche Beschaffungsabsicht mit der Folge, dass der auf Erteilung des Auftrags gerichtete Primärrechtsschutz der Antragstellerin leerliefe.

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Einstweilige Maßnahmen gem. § 169 Abs. 3 GWB sind hier nach der gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung indes nicht veranlasst, weil die sofortige Beschwerde der Antragstellerin unbegründet ist. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag vom 29.05.2017 mit zutreffender Begründung als unzulässig verworfen, da ein Bauauftrag gem. § 103 Abs. 3 GWB vorliegt, der für eine EU-weite Ausschreibung gem. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 4 RL 2014/24/EU maßgebliche Schwellenwert von 5,225 Mio. € nicht erreicht wird und somit der Rechtsweg nach §§ 155, 156 GWB nicht eröffnet ist.

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Gem. § 103 Abs. 3 Nr. 1 GWB gehören zu den Bauaufträgen u.a. Verträge über die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU genannt sind. Diese Definition entspricht Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 a) der Richtlinie 2014/24/EU. Nach Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2014/24/EU soll ein Auftrag dagegen nur dann als öffentlicher Bauauftrag gelten, wenn er speziell die Ausführung der in Anhang II aufgeführten Tätigkeiten zum Gegenstand hat, und zwar auch dann, wenn er sich auf andere Leistungen erstreckt, die für die Ausführung dieser Tätigkeiten erforderlich sind.

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Hier fallen die ausgeschriebenen Arbeiten unmittelbar unter Nr. 45.1 und 45.11 des Anhangs II der RL 2014/24/EU - Vorbereitende Baustellenarbeiten/Erdbewegungsarbeiten, so dass es auf einen möglichen Widerspruch zwischen Erwägungsgrund 8 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 a) RL 2014/24/EU nicht ankommt.

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Die ausgeschriebene Munitionsbergung ist mit umfangreichen Erdbewegungsarbeiten verschiedener Tiefe verbunden. Sowohl die Munitionsbergung als auch die Erdbewegungsarbeiten sollen in erster Linie nicht der Gefahrenabwehr dienen, sondern stellen eine Vorbereitung des gesamten Baufeldes für die anschließend beabsichtigte Errichtung von Gebäuden dar. Die Tiefe der Erdarbeiten sowie das Wiedereinbringen und Verdichten des Erdreiches sollen in Abhängigkeit von der späteren Gebäudeerrichtung erfolgen. Die Aufzählung in Nr. 45.11 „Erdbewegungen: Ausschachtung, Erdauffüllung, Einebnung und Planierung von Baugelände, Grabenaushub, Felsabbau, Sprengen usw.“ ist nicht abschließend (vgl. Zeiss in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-VergR, 5. Aufl. 2016, § 103 GWB Rn. 56), so dass auch die mit Erdbewegungsarbeiten verbundene Munitionsbergung, die funktionell mit Felsabbau und Sprengungen vergleichbar ist, unter Nr. 45.11 fällt. Die vorbereitenden Baustellenarbeiten müssen nicht gleichzeitig mit der eigentlichen Baumaßnahme erfolgen, da das Erfordernis der Gleichzeitigkeit gem. § 103 Abs. 3 GWB nur die Planung und Ausführung von Bauleistungen betrifft.

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Da die Auslegung des Gemeinschaftsrechts hier nicht zweifelhaft erscheint (vgl. auch VK Bund, Beschluss v. 8.8.2001 - VK 2 - 22/01 zum gleichlautenden Art. 1 Abs. 2 b) RL 2004/18/EG; Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 103 Rn. 411), hat keine Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV zu erfolgen und stellt sich nicht die Frage, ob dies schon im Eilverfahren angezeigt wäre.

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3. Eine Kostenentscheidung ist erst mit der Entscheidung in der Hauptsache zu treffen.

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