Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (1. Strafsenat) - 20 Ws 256/17

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund - Strafvollstreckungskammer - vom 04.09.2017 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Stralsund - Strafvollstreckungskammer - zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten vom 09.09.2017 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 04.09.2017, mit dem die Strafvollstreckungskammer die durch Beschluss vom 04.07.2014 zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für die Dauer von 3 Monaten wieder in Vollzug gesetzt und die Anordnung der Maßnahme nach § 67h StGB gemäß § 463 Abs. 6 Satz 2 StPO für sofort vollziehbar erklärt hat.

II.

2

Die statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Verurteilten hat zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

3

Für eine befristete Wiederinvollzugsetzung gemäß § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB ist kein Raum, wenn die Voraussetzungen für eine Erledigungserklärung der Unterbringung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 StGB vorliegen. Gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1, 2. Alt. StGB ist die Unterbringung für erledigt zu erklären, wenn die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre. Gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB ist eine Unterbringung, die 6 Jahre andauert, nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden.

a)

4

Diese Vorschrift ist entgegen der Auffassung der Kammer anwendbar. Aus § 13 EGStPO und § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB ergibt sich nichts anderes. Art. 13 EGStPO gilt nur für die Neuregelung der Verfahrensvorschriften in § 463 Abs. 4 StPO. Art. 13 Satz 1 Halbsatz 2 EGStPO stellt daher klar, dass die materielle Vorschrift des § 67d Abs. 6 StGB gemäß § 2 Abs. 6 StGB seit dem 01.08.2016 anzuwenden ist (OLG Rostock, Beschluss vom 21. September 2016 - 20 Ws 234/16 -, Rn. 13, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. September 2017 - 2 Ws 251/17 -, Rn. 22, juris).

b)

5

Die Eingangsvoraussetzung des § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB - eine bereits sechs Jahre andauernde Unterbringung - ist erfüllt. Die Verurteilte war in der Zeit vom 17.04.2007 bis zum 23.07.2014 untergebracht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts setzt eine Erledigungserklärung nicht voraus, dass die Verurteilte im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erledigungserklärung untergebracht ist. Maßgebend ist, ob die „Fortdauer“ der Unterbringung - auch in der Gestalt der Krisenintervention gemäß § 67h StGB - nicht mehr verhältnismäßig ist. Eine andere Auslegung machte auch keinen Sinn. Denn bei einem Widerruf der Bewährung oder der Anordnung einer Krisenintervention müsste die Kammer sofort in die Prüfung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB eintreten, weil die Verurteilte dann untergebracht wäre und auch nach der Auffassung der Kammer die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB vorlägen.

6

Danach gilt die Regelvermutung der Unverhältnismäßigkeit (OLG Rostock, a.a.O., Rn. 15, juris). Es wäre daher konkret festzustellen, dass die Verurteilte eine ungünstige Prognose hat (Peglau, Das neue Recht der strafrechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, NJW 2016, 2298, 2301). Ob das der Fall ist, vermag der Senat nicht zu beurteilen, weil es dafür bislang an einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlt. Zwar sind die Anlasstaten vom 28.06.2005, 31.05. und 14.08.2006 als gefährliche Körperverletzungen und damit als prognoserelevante Taten i.S.v. § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB zu qualifizieren (vgl. dazu OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 27, juris). Die Konkretisierung der Art und des Grades der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten, die von der Verurteilten drohen, ist dem Senat jedoch verwehrt. Die Kammer führt dazu lediglich aus, dass wegen der geschilderten Vorkommnisse erhebliche rechtswidrige Taten drohen (S. 9 BA). Der Klinikbericht vom 28.08.2017 setzt sich nur mit der Unfähigkeit der Verurteilten auseinander, die auferlegten Weisungen und Auflagen zu befolgen. Schwere und Ausmaß der „Handgreiflichkeiten“, die zur Einweisung der Verurteilten nach dem PsychKG M-V geführt haben (S. 6 BA), sind weder dem angefochtenen Beschluss noch dem Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 29.06.2017, Az. 44 XIV 103/17 (L) (Bl. 195 Bd. I BewH) zu entnehmen. Das reicht nicht.

2.

7

Wegen der deshalb erforderlichen weiteren Sachverhaltsaufklärung war die Sache abweichend vom Grundsatz des § 309 Abs. 2 StPO an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. September 2017 - 2 Ws 251/17 -, Rn. 34, juris).

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