Urteil vom Oberlandesgericht Rostock (3. Zivilsenat) - 3 U 87/17

Tenor

1.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts S. vom 28.09.2017 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht S. zurückverwiesen.

2.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

3.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 6.666,66 €

Gründe

I.

1

Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO ab.

II.

2

Die statthafte Berufung der Klägerin hat Erfolg.

1.

3

Die Frage der Parteifähigkeit der Klägerin ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, weil die fehlende Parteifähigkeit der Klägerin nicht die Unzulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Berufung zur Folge hat (vgl. Zöller - Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 511, Rn. 6 m. w. N.).

2.

4

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung, dass die Klägerin ihre Parteifähigkeit nicht nachgewiesen habe, als unzulässig abgewiesen. Parteifähig ist, wer im Rechtsstreit Partei sein kann. Die Parteifähigkeit stellt daher eine zwingende Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit der Klage dar. Würde sie fehlen, wäre das ganze Verfahren unzulässig und die Klage abzuweisen (vgl. Zöller - Althammer, ZPO, 32. Aufl., Vor § 50, Rn. 15 m.w.N.).

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Dies ist vorliegend indes nicht der Fall gewesen. Zutreffend geht das Landgericht noch davon aus, dass die rechtliche Existenz und damit die Parteifähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten Partei zu den Prozessvoraussetzungen gehört, deren Mangel das Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Urteil v. 04.05.2004 - XI ZR 40/03 -, zit. n. juris, Rn. 16;BGH, Urteil v. 09.01.1996 - VI ZR 94/95 -, zit. n. juris, Rn. 8).

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Dabei hat das Gericht jedoch so lange von der Parteifähigkeit einer Partei auszugehen, wie nicht sachliche Bedenken aufgezeigt werden (vgl. BGH, Urteil v. 04.05.2004 - XI ZR 40/03 -, zit. n. juris, Rn. 20). Insbesondere bei einer juristischen Person, von der, wie hier, außer Frage steht, dass sie ursprünglich rechts- und parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO war, ist im Allgemeinen vielmehr sogar vom Fortbestand dieser Eigenschaft auszugehen und eine Überprüfung nur dann veranlasst, wenn hinreichende Anhaltspunkte für das Gegenteil gegeben sind (vgl. BGH a.a.O.). Solche Bedenken, die der Beklagte ausdrücklich geltend macht, ergeben sich vorliegend allenfalls aus der Behauptung der Beklagten, dass die Zweigniederlassung der Klägerin am 02.02.2016 aus dem Handelsregister gelöscht und die von der Klägerin angegebene Geschäftsanschrift seit dem 16.06.2014 nicht mehr aktuell sei.

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Obwohl die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sie in Rumänien gegründet worden, weiterhin existent und lediglich die Zweigniederlassung aufgegeben worden sei, hat das Landgericht dies zum Anlass genommen, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie für ihre Parteifähigkeit darlegungs- und beweispflichtig sei. Weitere Ausführungen, worauf sich die Bedenken des Gerichts begründen, fehlen indes im Hinweisbeschluss vom 09.11.2016.

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Das Landgericht hat dabei jedoch bereits verkannt, dass der vorgelegte Auszug des Handelsregisters vom 10.10.2016 keinen Anlass gibt, an der Parteifähigkeit der Klägerin zu zweifeln. Aus diesem lässt sich nämlich eindeutig entnehmen, dass es sich bei der Geschäftsanschrift in Cloppenburg lediglich um eine Zweigniederlassung der Klägerin handelt, die ihren eigentlichen Sitz in Rumänien in B. (Kreis P.) hat und dort im Handelsregister unter der Nummer J29/2324/1994 registriert ist. Ferner ergibt sich aus dem Handelsregisterauszug, dass lediglich der Sitz der Zweigniederlassung aufgehoben worden ist, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das Handelsregister ohnehin nur über wesentliche rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse („Tatsachen“) von Kaufleuten und Unternehmen allein in Deutschland informiert. Insoweit ist bereits nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht aufgrund der Löschung einer Zweigniederlassung zu dem Schluss kommen konnte, dass hierdurch die Parteifähigkeit der Klägerin in Zweifel zu ziehen sei.

9

Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Entscheidungen "Centros", "Überseering" und "Inspire Art" (ZIP 1999, 438; 2002, 2037; 2003, 1885) hat sich der Bundesgerichtshof für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen. Danach ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06 –, zit. n. juris, Rn. 19). Es fehlt vorliegend im landgerichtlichen Urteil jedoch jegliche Ausführungen darüber, unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung einer Zweigniederlassung der Klägerin in Deutschland nach dem Gründungsrecht auch den Verlust der dortigen Rechtsfähigkeit zur Folge haben könnte. Eine diesbezügliche Prüfung hat vielmehr gar nicht stattgefunden, weil das Landgericht offenbar übersehen hat, dass von der Aufhebung im Handelsregister lediglich eine Zweigniederlassung betroffen war.

10

Dass die Klägerin nach wie vor in Rumänien existent ist, hat sie im Übrigen im Berufungsverfahren unter Vorlage einer sogenannten Feststellungsbescheinigung des nationalen rumänischen Handelsregisteramtes vom 25.10.2017 nachgewiesen.

11

Die Klage hätte daher nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen.

3.

12

Ist eine Klage zu Unrecht in der 1. Instanz als unzulässig abgewiesen worden, dann darf das Berufungsgericht die Sache, soweit - wie hier - zumindest eine weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückverweisen.

13

Der hierfür erforderliche Zurückverweisungsantrag ist von der Klägerin in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 13.06.2019 gestellt worden.

4.

14

Soweit der Senat in der öffentlichen Sitzung vom 13.06.2019 unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des XII. und des VIII. Senats des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.1999, XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160; BGH, Urt. v. 18.01.2006, VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422) hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil v. 20.07.2016 (BGH, Urt. v. 20.07.2016, VIII ZR 263/14, NJW 2016, 3231 = NZM 2016, 762 = ZMR 2016, 768) ausgeführt hat, dass der Anspruch des Mieters auf Rückgabe einer Mietsicherheit erst fällig wird, wenn eine angemessene Überlegungsfrist abgelaufen ist und dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis mehr zustehen, wegen derer er sich aus der Sicherheit befriedigen darf, hält er hieran nicht mehr fest, da der Bundesgerichtshof mit aktuellem Urteil vom 24.07.2019 (Az.: VIII ZR 141/17) seine bisherige diesbezügliche Rechtsauffassung revidiert hat.

5.

15

Eine Kostenentscheidung ist bei einem zurückverweisenden Urteil nicht veranlasst. Diese ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (vgl. Zöller - Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 538, Rn. 58 m. w. N.).

16

Indes war das zurückverweisende Urteil als vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. Zöller - Heßler, ZPO, § 538, Rn. 59 m. w. N.).

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