Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (3. Zivilsenat) - 3 Wx 11/13

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts Rendsburg vom 29. November 2012 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 21. Januar 2013 hinsichtlich der Vergütungsbeträge dahin geändert, dass die Vergütung des Beteiligten zu 1) als Nachlasspfleger auf 2.221,23 € festgesetzt wird und eine zusätzliche Vergütung für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht festgesetzt wird.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 744,94 €.

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 1) ist durch Beschluss des Amtsgerichts vom 13.08.2012 zum Nachlasspfleger mit dem Hinweis bestellt worden, dass er sein Amt beruflich ausübt (Bl. 33 f d.A.). Mit zwei Antragsschreiben jeweils vom 22.10.2012 hat er die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger im Zeitraum vom 14.08.2012 bis zum 19.10.2012 in Höhe von 2.266,93 € (einschl. Auslagen, Bl. 69 ff d.A.) und - gestützt auf § 1835 Abs. 3 BGB iVm Nr. 3313 VV RVG - eine anwaltliche Vergütung für das Betreiben des Insolvenzantragsverfahren in Höhe von 744,94 € (Bl. 73 d.A.) geltend gemacht. Letzterem liegt der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit Schreiben an das AG Neumünster vom 22.10.2012 (Bl. 74 - 78 d.A.) zugrunde, wo darauf verwiesen wird, es bestehe Nachlassüberschuldung, weil einem Nachlassvermögen von 18.575,19 € Verbindlichkeiten von 77.743,60 € gegenüberstünden.

2

Das Amtsgericht hat den beiden Vergütungsanträgen mit Beschluss vom 29.11.2012 stattgegeben (Bl. 93 f d.A.).

3

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit einem am 07.12.2012 eingegangenen Schreiben den „zulässigen Rechtsbehelf“ eingelegt, soweit pauschale Porto- und Telefonkosten von 20 € und soweit die Rechtsanwaltsvergütung von 744,94 € zugesprochen worden sei. Letztere sei nicht festsetzungsfähig, denn ein Nichtrechtsanwalt als Nachlasspfleger hätte die fragliche Tätigkeit selbst ausüben können, ohne einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Stellung des Insolvenzantrags sei rechtlich nicht schwierig.

4

Der Beteiligte zu 1) ist dem Rechtsbehelf des Bezirksrevisors in Bezug auf die Rechtsanwaltsvergütung entgegengetreten und hat argumentiert, die Prüfung der Voraussetzungen und Aussichten sowie anschließende Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gehöre unabhängig von der Schwierigkeit der zugrundeliegenden Umstände nicht zu den berufsspezifischen Aufgaben und Kenntnissen eines nichtanwaltlichen Nachlasspflegers, der vielmehr berechtigt sei, hierfür Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Die Vergütungsbestimmung in Nr. 3317 VV RVG zeige, dass es sich bei der Einleitung des Insolvenzverfahrens um eine berufsspezifische Aufgabe des Rechtsanwalts handele.

5

Das Amtsgericht hat mit dem Teilabhilfebeschluss vom 21.01.2013, Bl. 113 d.A., der Beschwerde insoweit nicht abgeholfen, als diese die festgesetzten 744,94 € betrifft. Es hat sich der Meinung des Beteiligten zu 1) angeschlossen und auch auf die Entscheidung des BGH vom 20.12.2006 (XII ZB 118/03, NJW 2007, 844 ff) verwiesen.

II.

6

Der eingelegte Rechtsbehelf ist als Beschwerde nach den §§ 58 ff FamFG zulässig. Der Staatskasse steht gemäß § 304 FamFG ein Beschwerderecht zu. Auf die Nachlasspflegschaft (§ 342 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG) ist das 3. Buch des FamFG (§§ 271 - 341 FamFG) anzuwenden, weil es sich dabei auch um eine betreuungsgerichtliche Zuweisungssache i.S.d. §§ 340 Ziff. 3, 341 FamFG handelt (Zimmermann in Keidel, 17. A. 2011, § 342 Rn. 5; Schaal in Bahrenfuss, FamFG, 2009, § 342 Rn. 4).

7

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

8

Dem Beteiligten zu 1) steht eine nach RVG zu berechnende anwaltliche Vergütung gemäß den §§ 1960, 1915, 1835 Abs. 3 BGB nur dann zu wenn es - so der Wortlaut von § 1835 Abs. 3 BGB - um Dienste geht, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören. Betrifft die Aufgabenwahrnehmung einen Rechtsanwalt, muss es sich nach der Rechtsprechung des BGH und der Kommentarliteratur um eine Aufgabe handeln, die sich als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt und die ein Laie üblicherweise bzw. vernünftigerweise auf einen Rechtsanwalt übertragen würde. Dahinter steht die Überlegung, dass der Nachlass bzw. die Erben - bei mittellosem Nachlass (wie hier) die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass der Nachlasspfleger zufällig aufgrund seiner besonderen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280 ff bei juris rn. 28; BGH NJW 2007, 844 ff bei juris Rn. 14 m.w.N.; Wagenitz in Müko-BGB, 6. A. 2012, § 1835 Rn. 40; Bienwald in Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 1835 Rn. 30 f).

9

Im Ergebnis ist im Einzelfall eine Abgrenzung zu leisten, ob die Aufgabe - wenn sie nicht aufgrund der Gesetzeslage zwingend von einem Rechtsanwalt zu erledigen ist - bereits eine derartige rechtliche Schwierigkeit aufweist, dass ein Laie dafür einen Rechtsanwalt heranziehen würde (vgl. auch BVerfG FamRZ 2000, 1280 ff bei juris Rn. 30 a.E.). Soweit eine abweichende Literaturmeinung dahin geht, die Vergütung über § 1835 Abs. 3 BGB nur dann stattfinden zu lassen, wenn es sich um eine fachliche Tätigkeit (hier als Rechtsanwalt) außerhalb der Amtstätigkeit (hier als Nachlasspfleger) handelt (Wagenitz in MüKo-BGB, a.a.O., § 1835 Abs. 42) ist dem nicht zu folgen, weil sich eine solche einschränkende Auslegung mit der systematischen Stellung der Norm - geregelt wird gerade die Amtstätigkeit - und ihrem Sinn und Zweck nicht verträgt (so zutreffend auch Bienwald in Staudinger, a.a.O., § 1835 Rn. 34).

10

Im vorliegenden Fall geht es um den vom dem Beteiligten zu 1) gestellten Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Insoweit ist durchaus zu bedenken, dass es zu den Aufgaben eines Rechtsanwalts gehören kann, den Schuldner in einem Insolvenzverfahren zu vertreten und für ihn auch bereits den Antrag auf Eröffnung dieses Verfahrens zu stellen. Allein der Umstand, dass das Vergütungsverzeichnis zum RVG für diese Tätigkeiten auch gesondert Gebühren vorsieht (in Nr. 3313, 3317) führt aber nicht dazu, dass es sich deshalb in jedem Fall und unabhängig von der Schwierigkeit der Aufgaben um solche handelt, die nach den obigen Grundsätzen von dem anwaltlichen Nachlasspfleger über § 1835 Abs. 3 BGB nach RVG-Sätzen abgerechnet werden können. Zwingend ist eine anwaltliche Vertretung beim Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens jedenfalls nicht. Was die Schwierigkeit der Aufgabe in rechtlicher Hinsicht angeht, können im Einzelfall sicherlich rechtliche Probleme auftreten, bei denen ein Laie vernünftigerweise und vor dem Hintergrund der drohender Schadensersatzpflicht (aus § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB) einen Rechtsanwalt einschaltet. Das gilt nicht zuletzt, wenn die Eröffnungsgründe „Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“ nicht leicht festzustellen sind. So kann der Fall etwa liegen, wenn ein Nachlass zwar durchaus werthaltig ist, allerdings kurzfristig Liquiditätsprobleme anlässlich zu bedienender Nachlassschulden auftreten. Andererseits kann aber gerade eine Überschuldung auch so eindeutig sein, dass ein nichtanwaltlicher Nachlasspfleger für den Insolvenzantrag einen Rechtsanwalt nicht einschalten, sondern den Antrag selbst stellen würde.

11

Allerdings wird von Zimmermann (in: Die Nachlasspflegschaft, 2. A. 2009, S. 408 f) ohne nähere Diskussion angemerkt, der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens könne vom Anwalts-Nachlasspfleger nach RVG VV 3313 abgerechnet werden. Dies gelte allerdings nicht, wenn eindeutig so wenig Masse vorhanden sei, dass eine Eröffnung ausscheide, denn in einem solchen Fall sei der Antrag überflüssig oder nicht mit solchen Schwierigkeiten verbunden, dass ein Laie als Nachlasspfleger einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde.

12

Die genannte Einschränkung zeigt aber gerade, dass auch Zimmermann im Grundsatz eine Einzelfallabgrenzung nach den obigen Kriterien vornehmen möchte (er beruft sich für die Einschränkung auf LG Berlin RPfleger 1975, 435). Nicht ersichtlich ist, warum dann jeglicher Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nach RVG abgerechnet werden können und mithin unter § 1835 Abs. 3 BGB fallen soll, außer in dem Fall, dass zu wenig Masse vorhanden ist. Der Auffassung von Zimmermann kann deshalb nicht gefolgt werden.

13

Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte zu 1) ausweislich seiner Vermögensaufstellung per 19.10.2012 Bl. 75 ff d.A. eindeutige Feststellungen dahin getroffen, dass dem Aktivnachlass von 18.575,19 € Nachlass-Passiva von 77.743,60 € gegenüberstehen. Allein auf diese klaren Zahlen gestützt hat er seinen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bei dem Insolvenzgericht entsprechend knapp in wenigen Sätzen begründet (Bl. 74 d.A.). Bei einer wertenden Betrachtung kann nicht davon gesprochen werden, dass sich der Fall insoweit als rechtlich schwierig erweist (als Abgrenzungsargument gemäß BVerfG FamRZ 2000, 1280 ff bei juris Rn. 30 a.E.) und ein Laie in der Situation des Beteiligten zu 1) als Nachlasspfleger deshalb einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe vernünftigerweise betraut hätte.

14

Danach ist der Beschwerde stattzugeben und die Vergütung um 744,94 € geringer festzusetzen bzw. klarzustellen, dass die beantragte Vergütung für die anwaltliche Tätigkeit nicht festgesetzt werden kann. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Überlegung, dass bereits im Rahmen einer Eignungsprüfung vor der Bestellung eines Nachlasspflegers festzustellen ist, welche Eignung der zu wählende Nachlasspfleger im vorliegenden Fall mit sich bringen muss und ob die konkret in Aussicht genommene Person diese Eignung aufweist (vgl. Bienwald in Staudinger a.a.O., § 1835 Rn. 35). Vor diesem Hintergrund hat das Amtsgericht hier gerade den Beteiligten zu 1) bestellt und dabei festgestellt, dass er sein Amt berufsmäßig ausübt. Ist der Beteiligte zu 1) mit dieser Maßgabe als geeignet ausgewählt worden, gehört zu seiner Eignung aber auch das zu unterstellende Wissen, dass in einem einfachen Fall auf der Hand liegender Überschuldung des Nachlasses Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt werden muss. Die entsprechende Tätigkeit ist dann gerade durch die Vergütung für die berufsmäßig ausgeübte Nachlasspflegertätigkeit abgegolten.

15

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Kostenerstattung ist gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht angeordnet worden. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren ist nach den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO bestimmt worden.


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