Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (16. Zivilsenat) - 16 W 114/13

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts vom 31. Oktober 2013 aufgehoben.

Der Kostenantrag der Streithelferin zu 2. vom 18. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin zu 2.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin ein selbständiges Beweisverfahren zur sachverständigen Begutachtung von Pflasterarbeiten geführt, die nach der Meinung der Antragsstellerin mangelhaft ausgeführt worden sind. Die Antragsgegnerin hat im Hinblick auf gerügte Verfärbungen der Pflastersteine der Lieferantin und der Herstellerin den Streit verkündet, die ihr - als Streithelferinnen zu 1. und 2. - beigetreten sind. Das Gutachten des Sachverständigen B. vom 16. März 2012 hat die Mängelbehauptungen weitestgehend bestätigt. Bevor eine ergänzende Begutachtung zu weiteren Fragen der Antragstellerin erfolgen konnte, ist, wie der Sachverständige in Erfahrung gebracht hatte, die Antragsgegnerin wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister (Amtsgericht Kiel HRB …) gelöscht worden. Die Antragstellerin hat nach Vorlage des weiteren Gutachtens vom 3. Juni 2013, das ihre weiteren Mängelbehauptungen bestätigt hat, mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Ungewissheit des Bestehens der Antragsgegnerin bzw. einer entsprechend positiven Vermögenslage das selbständige Beweisverfahren beendet werden könne.

2

Auf Antrag der Streithelferin zu 2. hat das Landgericht der Antragstellerin sodann eine Frist zur Klagerhebung gesetzt, die diese hat verstreichen lassen. Auf weiteren Antrag hin hat es der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 2. auferlegt; die Streithelferin zu 2. sei antragsbefugt, solange ihre Erklärungen nicht im Widerspruch zur Hauptpartei stünden, was nicht der Fall sei, da die Antragsgegnerin sich nicht geäußert habe und auch keine Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen bestünden.

3

Dagegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die geltend macht, das Gericht könne eine positive Haltung der Antragsgegnerin zum Antrag der Streithelferin zu 2. nicht unterstellen. Es sei im Gegenteil vielmehr zu unterstellen, dass die Antragsgegnerin damit nicht einverstanden gewesen wäre, weil bei ihrem Fortbestehen die Antragstellerin nach Bestätigung ihrer Mängelrügen selbstverständlich Hauptsacheklage auf Kostenvorschuss erhoben hätte.

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Die Streithelferin zu 2., hingewiesen auf die nachfolgend darzustellende Ansicht des Senats, hat sich binnen der ihr gesetzten Frist nicht weiter erklärt.

II.

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Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 494a Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.

6

Die Antragstellerin hat nicht die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 2. deshalb zu tragen, weil sie nicht binnen der vom Landgericht mit unanfechtbarem Beschluss vom 31. Juli 2013 gesetzten Monatsfrist Klage erhoben hat, §§ 494a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO.

7

Der Zweck der Bestimmungen des § 494a ZPO liegt nicht darin, den Antragsteller besonders zur Klagerhebung anzuhalten. Die Vorschriften sollen es vielmehr ermöglichen, zu einem sachgerechten Kostenausspruch in solchen Fällen zu kommen, in denen der Antragsteller von einem Hauptsacheverfahren, in dem regelmäßig auch über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden wäre, aufgrund eines für ihn ungünstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren absieht. Der Kostentragungspflicht liegt damit der innere - materiell-rechtliche - Gedanke zugrunde, dass der Antragsteller nicht durch Unterlassen der Hauptsacheklage der Kostenpflicht soll entgehen können, die ihn bei Abweisung einer solchen Klage treffen würde; die Kostentragungspflicht des § 494a Abs. 2 ZPO wurzelt mithin in dem mutmaßlichen Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache (vgl. Stein/Jonas-Leipold, ZPO, Kommentar, 22. Auflage, § 494a Rn. 2).

8

Entsprechend ist es rechtsmissbräuchlich, eine Kostenentscheidung gegen eine Partei herbeiführen zu wollen, deren Sachposition das selbständige Beweisverfahren bestätigt hat und die von der weiteren Verfolgung ihrer Ansprüche allein aus wirtschaftlichen Gründen absieht. Das entspricht der herrschenden Meinung (OLG Rostock, BauR 1997, 169; OLG Karlsruhe, BauR 2003, 1931; KG, BauR 2004, 1037; Wieczorek/Schütze-Ahrens, ZPO, Kommentar, 3. Auflage, § 494a Rn. 20 a. E.), der der Senat folgt. Die Gegenansicht (OLG Düsseldorf, BauR 2007, 2118; daran anschließend OLG Frankfurt, NJW-RR 2008, 1552), die argumentiert, dass es an einer verbindlichen Klärung der Sache fehle und den Gründen für das Absehen von der Hauptsacheklage, die „vielschichtig“ sein könnten, im selbständigen Beweisverfahren nicht nachgegangen werden könne, bleibt nach Auffassung des Senats zu formal und verkennt den eingangs dargelegten materiell-rechtlichen Gehalt des § 494a ZPO. Jedenfalls in Fällen, in denen ohne weiteres sowohl der sachliche Erfolg im Hinblick auf die Beweisfragen als auch die wirtschaftliche Sinnlosigkeit eines Hauptsacheprozesses handgreiflich ist, verdient die herrschende Meinung den Vorzug. So liegt es hier.

9

Aufgrund der Begutachtung durch den Sachverständigen B. (Gutachten vom 16. März 2012, Gutachten vom 3. Juni 2013) haben sich nahezu sämtliche Mängelrügen der Antragstellerin (Ziffer 1.1. bis 1.6 aus dem Antrag vom 22. Juli 2011, Bl. 2f.; Ziffer 1.7 bis 1.14. aus dem Schriftsatz vom 5. Juni 2012, Bl. 100) als begründet bestätigt; tatsächlich muss nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht nur das verlegte Pflaster aufgenommen werden, sondern muss auch, jedenfalls im Bereich der Verkehrsflächen, die den größten Anteil der bearbeiteten Fläche ausmachen, die Tragschicht neu hergestellt werden (vgl. das Gutachten vom 3. Juni 2013, S. 8/9). Offen geblieben ist lediglich, ob - gemäß den dem Sachverständigen nicht gestellten Fragen der Streithelferin zu 1. aus dem Schriftsatz vom 28. März 2013 (Bl. 97f.) - die Verunreinigungen von Teilen des Pflasters und eine ganze Reihe von Abplatzungen an Kanten und Ecken der Betonsteine der Antragsgegnerin bzw. Mängeln des von ihr verwendeten Materials zuzurechnen sind oder nicht; dies betrifft, bezogen auf die streitgegenständliche Werkleistung insgesamt, nur die in ihrer finanziellen Bedeutung überschaubare Frage der Wiederverwendbarkeit eines verhältnismäßig geringfügigen Teils des verbauten Materials.

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Unter diesen Umständen liegt auf der Hand, dass die Antragstellerin in einem Prozess um die Mängelbeseitigung mindestens weitestgehend obsiegen würde. Umgekehrt versteht sich, dass in solcher Lage ein Antragsgegner vernünftigerweise Anträge gemäß §§ 494a Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht stellen würde; denn er würde den Antragsteller damit zu einem für ihn selbst verlustreichen Prozess zwingen - mit entsprechender Kostenbelastung auch der ihm dabei etwa beitretenden Streithelfer, § 101 Abs. 1 ZPO.

11

Gleichermaßen evident ist, dass die Antragstellerin von einem Hauptsacheprozess nicht etwa wegen Unsicherheiten bezüglich des prozessualen Erfolges oder sonst irgendwelcher latenten „vielschichtigen“ Gründe absieht, sondern allein deshalb, weil ein Prozess gegen die wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH, deren letzter Geschäftsführer X (gemäß der Erklärung des vormaligen Geschäftsführers, U-Nr. … des Notars …, Bl. 144) nach polizeilichen Angaben nicht auffindbar ist, so er denn - nach der Erreichung einer Nachtragsliquidation - überhaupt geführt werden könnte, wirtschaftlich sinnlos wäre. Umgekehrt versteht sich aufgrund der vorbezeichneten Kostenfolge des § 101 ZPO, dass auch die Streithelferin zu 2. nicht ernstlich auf eine Klagerhebung antragen würde, wenn sie ernstlich damit rechnen müsste, dass es tatsächlich zur Durchführung eines Hauptsacheverfahrens kommen könnte.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

13

Der wegen der Festgebühr nach Nr. 1810 KV-GKG nur für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebliche Beschwerdewert beträgt 632,50 €. Die hier streitgegenständlichen Kosten der Streithelferin bemessen sich nicht ohne weiteres nach dem Wert der Hauptsache (den das Landgericht im Beschluss vom 7. Oktober 2013, Bl. 179, auf 10.000,- € festgesetzt hat). Für die Streithilfe ist vielmehr ein eigener Wert zu bestimmen, der sich an ihrem spezifischen Interesse an dem Verfahren bemisst (Senat, Beschluss vom 16. Februar 2013, 16 W 16/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2011, BauR 2012, 548; Schneider/ Herget, Streitwertkommentar, 13. Auflage, Rn. 4248ff. mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 4). Vorliegend war die Streithelferin zu 2. inhaltlich lediglich von der Frage betroffen, ob einzelne der von ihr hergestellten Steine Mängel aufwiesen, was ggf. die Antragsgegnerin zu einem Regress gegen sie berechtigt hätte. Den Wert des betroffenen Teils der Pflastersteine nimmt der Senat aus dem Gesamtvolumen des Auftrags von rd. 40.000,- € mit 4.000,- € an. Eine 1,3-Gebühr gemäß Nr. 3100 KV-RVG und 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 KV-RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 KV-RVG auf diesen Wert ergibt zzgl. Auslagenpauschale den genannten Betrag.


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