Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Ws 128/19

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Die nach Anrechnung auf die Strafe im Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) nach § 67 Abs. 4 StGB verbleibende Zeit des Vollzugs der Maßregel wird im Sinne der § 67 Abs. 4, Abs. 6 Satz 1 StGB auf die Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Februar 2017 - 2 Ns 27/15 - und sodann auf die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 24. Juli 2017 - 27 Ls 571 Js 38166/16 (138/16) - angerechnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1

Mit Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 11. Januar 2016, Az: 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15), wurde der Angeklagte wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Urteil ist seit dem 19. Januar 2016 rechtskräftig.

2

Das Landgericht Kiel hat durch die 7. kleine Strafvollstreckungskammer am 15. März 2018 beschlossen, dass der Verurteilte mit Ablauf der Unterbringungshöchstfrist am 12. April 2018 vom Maßregelvollzug in den Strafvollzug zu verlegen ist, die durch das Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 11. Januar 2016 angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt damit erledigt ist, und setzte die dann noch nicht verbüßte Reststrafe nicht zur Bewährung aus.

3

Mit Urteil vom 19. August 2015 des Amtsgerichts Neumünster, Az.: 29 Ls jug. 500 Js 34339/14 (56/15), rechtskräftig nach Maßgabe des Urteils des Landgerichts Kiel vom 20. Februar 2017 (Az. 2 Ns 27/15) seit dem 1. August 2017, wurde der Verurteilte wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person unter Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafen zu 5. – 9. aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 26. Januar 2015 (Az.: 23 Ds 374/14) sowie der Einzelfreiheitsstrafe der Tat zu 5. aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 6. Juli 2015 (Az. 23 Ds 143/15) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 24. Juli 2017, Az.: 27 Ls 571 Js 38166/16 (138/16), rechtskräftig nach Maßgabe des Urteils des Landgerichts Kiel vom 29. November 2018 (Az.: 4 Ns 66/17) seit dem 7. Dezember 2018, wurde der Verurteilte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Ferner wurde der Verurteilte mit Urteil vom 6. Juli 2015 des Amtsgerichts Neumünster, Az.: 23 Ds 568 Js 4366 15 (143/15), rechtskräftig seit dem 12. März 2016, wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in zwei Fällen sowie gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in Tateinheit mit gemeinschaftlichem unbefugten Gebrauch eines Kraftfahrzeuges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

4

Die Maßregel aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 11. Januar 2016, Az.: 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) wurde nach vorläufiger Festnahme des Verurteilten am 5. Juli 2015 und nach der Verbüßung von Untersuchungshaft in der Zeit vom 20. September 2015 bis 18. Januar 2016 sowie von Organisationshaft in der Zeit vom 19. Januar 2016 bis zum 20. Januar 2016 vom 21. Juni 2016 bis 12. April 2018 vollstreckt. Von der Strafe aus dem Verfahren 23 Ds 568 Js 4366 15 (143/15) hat der Verurteilte bislang zwei Drittel der Strafe verbüßt (Beginn 12. April 2018, Unterbrechung zum Zwei-Drittel-Termin am 29. November 2018). Die Strafe aus dem Verfahren 29 Lsjug. 500 Js 34339/14 (56/15) verbüßt der Verurteilte seit dem 30. November 2018, der Zwei-Drittel-Termin steht am 9. Mai 2021 an. Als Anschlussvollstreckung ist die Verbüßung der Strafe aus dem Verfahren 27 Ls 571 Js 38166/16 (138/16) vorgesehen.

5

Die Zeit des Vollzuges der Maßregel vom 21. Januar 2016 bis zum 11. April 2016 wurde in dem Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) gemäß § 67 Abs. 4 StGB auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

6

Der Verurteilte beantragte am 22. Juli 2019, den nicht angerechneten Teil der Zeit des Maßregelvollzugs aus dem Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) auf die Freiheitsstrafen aus den Verfahren 500 Js 34339/14 JUG V sowie ggf. 571 Js 38166/16 V gemäß § 67 Abs. 6 StGB anzurechnen, bis zwei Drittel der dortigen Strafen verbüßt sind. Das Landgericht hat diesen Antrag durch die 2. kleine Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 21. November 2019 als unbegründet zurückgewiesen. Das Landgericht begründete dies damit, dass kein Härtefall vorliege, weil allein der Therapieerfolg hierfür nicht ausreichend und nicht ersichtlich sei, dass der Therapieerfolg durch den Vollzug weiterer Strafhaft gefährdet werden könnte. Es seien erhöhte Anforderungen an das Vorliegen eines Härtefalles zu stellen, weil die Dauer des bisherigen Freiheitsentzuges nur knapp über zwei Dritteln der insgesamt verhängten Freiheitsstrafen läge. Bezüglich der weiteren Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

II.

7

Die gem. §§ 463 Abs. 6 Satz 1, 462 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO statthafte und zulässig ausgeführte sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache Erfolg.

1.

8

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, da die 7. kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kiel in dem in der Sache 573 Js 43221/15 StA Kiel ergangenen Beschluss vom 15. März 2018 - 7 StVK 41/18 - (dortiges VH I, Bl. 314 ff. d.A.; hiesiges VH zu 500 Js 34339/14 Jug V, Bl. 55 ff.) nur über die Verlegung des Verurteilten nach Ablauf der Unterbringungshöchstfrist des Maßregelvollzuges in den Strafvollzug entschieden hat und nach eigenen Worten keine „abschließende Entscheidung“ über eine Anrechnung im Sinne von § 67 Abs. 6 StGB treffen wollte.

2.

9

Die jetzt angegriffene Entscheidung der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer vom 21. November 2019 - 2 StVK 55/19 -, keine Anrechnung von Zeiten der Unterbringung im Maßregelvollzug im Verfahren 573 Js 43221/15 auf verfahrensfremde Strafen vorzunehmen, war aufzuheben, da die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach § 67 Abs. 6 StGB gegeben sind. Eine Nichtanrechnung der verbleibenden Zeit des Maßregelvollzugs auf verfahrensfremde Strafen stellt sich für den Verurteilten als unbillige Härte dar.

10

Nach § 67 Abs. 4 StGB wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel zunächst in dem der Anordnung zugrundeliegenden Verfahren auf die dort verhängte Freiheitsstrafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Eine vollständige Berücksichtigung der Unterbringungszeit war dabei nicht möglich, weil die Unterbringung vom 26. Januar 2016 bis zum 12. April 2018 die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe, welche zehn Monate betrug, deutlich überstieg. Damit verblieb nach Anrechnung auf die im Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) verhängte Freiheitsstrafe noch ein Rest, welcher grundsätzlich auf verfahrensfremde Strafen nach § 67 Abs. 6 StGB angerechnet werden kann.

11

Voraussetzung für eine solche Anrechnung ist nach § 67 Abs. 6 Satz 1 StGB, dass der Vollzug dieser verfahrensfremden Freiheitsstrafen für den Verurteilten vor dem Hintergrund der Dauer der Maßregel eine unbillige Härte ist. Bei der Abwägung, ob eine unbillige Härte vorliegt, sind nach § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB „insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen“. Darüber hinaus ist bei der Auslegung, wann eine unbillige Härte für den Verurteilten vorliegt, auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. März 2012 (2 BvR 2258/09) zu berücksichtigen, welche Anlass für die Einführung des § 67 Abs. 6 StGB war. Das Bundesverfassungsgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass bei der Anordnung von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung grundsätzlich in das Freiheitsrecht des Verurteilten nicht mehr als notwendig eingegriffen werden dürfe. Zumindest in Härtefällen müsse daher die Zeit des Maßregelvollzugs auch auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen angerechnet werden können. Voraussetzung einer Anrechnung auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen sei dabei stets, dass die Taten in den anderen Verfahren sämtlich vor dem Beginn der Maßregel begangen worden waren.

12

Der Senat geht dabei in Anlehnung an die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass eine jede freiheitsentziehende Maßnahme, also jede Freiheitsstrafe und auch die Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 64 StGB, erheblich in das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) eingreift und jeder Eingriff des Staates in dieses Grundrecht, der über das notwendige Maß hinausgeht, dabei - so auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, a.a.O.) - einen unzulässigen Grundrechtseingriff darstellt. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Härtefalles im Sinne von § 67 Abs. 6 Satz 1 StGB ist daher stets zu prüfen, ob die freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Summe das notwendige Maß überschreiten. Hieraus ergibt sich, dass die Annahme eines Härtefalls - wie sich auch aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB bereits ergibt - auch nicht auf die dort genannten Fallgruppen beschränkt ist, sondern stets eine Gesamtabwägung zwischen dem Grundrecht auf Freiheit des Verurteilten und dem Strafanspruch des Staates vorzunehmen ist.

13

Vor diesem Hintergrund bedeutet es zur Überzeugung des Senats für den Verurteilten eine unbillige Härte, wenn eine Anrechnung von Teilen des Unterbringungszeitraums auf die verfahrensfremden Freiheitsstrafen, die sämtlich für Taten verhängt wurden, die vor dem Beginn der Maßregel begangen wurden, unterbliebe. Die unbillige Härte folgt daraus, dass weder die in § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB genannten, noch anderweitig erkennbare Gesichtspunkte gegen eine Anrechnung der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit auf verfahrensfremde Strafen sprechen, die Dauer des Maßregelvollzugs die Dauer der dort verhängten Freiheitsstrafe übersteigt und die Maßregel im Ergebnis erfolgreich war. Es reicht nach Auffassung des Senats nämlich nicht aus, lediglich zu prüfen, ob einer der in § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB genannten Aspekte positiv vorliegt. Diese Kriterien sind nämlich nur „zu berücksichtigen“, also offen und neutral formuliert und können daher - wie es die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/2744, S. 27) auch zum Ausdruck bringt, „je nach Einzelfall für oder gegen die Annahme eines Härtefalls sprechen“. Keinesfalls müssen die drei in § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB genannten Aspekte zugunsten des Verurteilten kumulativ vorliegen und allein ausschlaggebend sein (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. Dezember 2017 – 1 Ws 241/17 –, juris).

14

Es wird daher entgegen teilweise in der Rechtsprechung vertretener Auffassungen in der Regel nicht nur dann von einem Härtefall auszugehen sein, wenn die in § 67 Abs. 6 Satz 2 StGB genannten Kriterien geradezu eine Anrechnung gebieten und insbesondere die bisherige Dauer der Freiheitsentziehung zwei Drittel der insgesamt verhängten Freiheitsstrafen erreicht hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. August 2018, 5 Ws 264-267/18- juris; Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 8. Mai 2014, 1 Ws 48-52/14, juris Rn. 28), sondern auch schon dann, wenn unter Berücksichtigung der Kriterien insgesamt keine Gründe ersichtlich sind, die gegen eine Anrechnung auf verfahrensfremde Strafen sprechen. Denn auch dann wird durch die Vollstreckung dieser Strafen mehr als notwendig in das Freiheitsrecht des Betroffenen eingegriffen werden, da dem Verurteilten mit dem Maßregelvollzug bereits ein auch dem Schuldausgleich dienendes Übel zugefügt worden ist (vgl. BVerfGE 95, 1, 32).

15

So liegt es gerade auch im vorliegenden Fall:

16

Betrachtet man die Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus der Verurteilung im Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15), die Anlass für die Anordnung der Maßregel war, und die im Urteil des Landgerichts Kiel vom 20. Februar 2017 - 2 Ns 27/15; 500 Js 34339/14 JUG - verhängte weitere Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten, so ergibt sich zusammen eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten, also von 54 Monaten. Setzt man dazu die Zeit der Unterbringung in Relation, ergibt sich zwar allein aus dem Zeitraum der Dauer der Unterbringung von etwa 27 Monaten noch nicht, dass die Nichtanrechnung schon deshalb eine unbillige Härte darstellen würde, weil der Verurteilte anderenfalls in der Summe bereits eine erheblich längere Zeit in Unfreiheit verbracht hätte, als sich aus der Summe der verhängten Freiheitsstrafen ergab. Bestenfalls wäre in der Summe gerade - wenn auch immerhin - ein fiktiver Halbstrafenzeitpunkt erreicht oder unter Berücksichtigung von Untersuchungshaft bereits etwas überschritten. Allerdings spricht die Betrachtung der Zeiträume auch nicht gegen eine Anrechnung oder gegen das Vorliegen eines Härtefalles. Sowohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. März 2012 (a.a.O., Rn. 71) als auch die Gesetzesbegründung zu § 67 Abs. 6 (BT-Drs. 18/7244, S. 27 f.) gehen davon aus, dass ein Härtefall sich aus verschiedenen Umständen ergeben kann, wobei einer dieser Umstände eben die erheblich über die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe hinausgehende Dauer der Unterbringung sein kann, aber nicht sein muss; auch die Gesetzesbegründung hält einzelfallbezogene „Abstriche“ vom Kriterium einer erheblichen Überschreitung der Summe der Freiheitsstrafen für möglich (BT-Drs. 18/7244, S. 28).

17

Gleiches gilt für die Gefährdung des Therapieerfolgs für den Fall einer Nichtanrechnung. Auch eine solche vermag nicht stets die Annahme eines Härtefalles zu begründen, ist aber auch nicht stets erforderlich, damit von einem Härtefall auszugehen ist. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass eine solche Gefährdungssituation vorliegend nicht ersichtlich ist. Zudem wäre sie auch selbst bei einer Vollanrechnung im Zeitpunkt des Antrags des Verurteilten und bei Ende der Maßregel nicht sicher zu vermeiden, weil der Verurteilte aufgrund der insgesamt gegen ihn rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafen selbst bei einer vollständigen Anrechnung seiner Unterbringungszeit entsprechend seines Antrags nicht aus dem Strafvollzug - ggf. auf Bewährung - zu entlassen gewesen wäre. Schließlich sind in zwei weiteren Verfahren Freiheitsstrafen von einem Jahr (Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 6. Juli 2015; rechtskräftig seit 12. März 2016, 23 Ds 568 Js 4366/15 (143/15)) und von sieben Monaten (Urteil des Landgerichts Kiel vom 29. November 2018, 4 Ns 66/17) gegen den Verurteilten verhängt worden. Andererseits spricht der Umstand, dass der Therapieerfolg bei einer Nichtanrechnung wahrscheinlich nicht unbedingt mehr gefährdet wäre als bei einer Anrechnung, eben auch nicht gegen eine Anrechnung.

18

Soweit das Verhalten des Verurteilten während der Unterbringung zu betrachten ist, ergibt sich daraus ebenfalls nicht, dass eine Anrechnung unterbleiben müsste. Vielmehr stellen gerade der Verlauf und das Ergebnis der Unterbringung hier Kriterien dafür dar, welche die Nichtanrechnung in der Gesamtschau als Härtefall erscheinen lassen.

19

So hat sich nämlich der Verurteilte im Ergebnis - auch wenn die Unterbringung durch Zwischenfälle und Regelverstöße des Verurteilten erschwert worden sein mag - als therapiewillig gezeigt und es ist nicht erkennbar, dass er mutwillig die Unterbringung in die Länge gezogen hätte, etwa um die Strafhaft zu umgehen. Zudem führte die Unterbringung ausweislich des Gutachtens des Dr. X. vom 22. Februar 2018 (hiesiges V-Heft, Bl. 170 ff. d.A.) dazu, dass der Verurteilte im Maßregelvollzug eine persönliche Reifung erfuhr und zuletzt keine Gefahr mehr bestand, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Die Dauer der Unterbringung wirkte sich also positiv auf die Persönlichkeit des Verurteilten und seine Resozialisierung aus. Läge es anders, käme in der Tat eine Anrechnung kaum in Betracht.

20

Auch im Übrigen sind keine Umstände erkennbar, welche dafür sprechen könnten, einen Härtefall im Sinne von § 67 Abs. 6 StGB abzulehnen.

21

Sprechen aber keine Gründe gegen eine Anrechnung auf die verfahrensfremden Strafen, so würde die Ablehnung einer Anrechnung ein klares Signal für Verurteilte dahingehend setzen, dass eben damit zu rechnen sei, dass selbst bei vorbildhaftem Mitwirken der Verurteilten in der Therapie die Zeiten des Vollzugs einer Maßregel, welche über zwei Drittel der in dem Verfahren verhängten Freiheitsstrafe hinausgehen, nicht auf insgesamt gegen die Verurteilten verhängte Freiheitsstrafen angerechnet werden. Ein solches Signal könnte bewirken, dass Verurteilte - um die ihnen insgesamt drohende Freiheitsentziehung möglichst gering zu halten - eine Mitwirkung in der Entziehungsanstalt über den Zeitraum von zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe hinaus verweigern, damit die Maßregel dann für erledigt erklärt wird. Auswirkungen auf eine Anrechnung nach § 67 Abs. 4 StGB hätte ein solches Verhalten nicht, da diese ohne weitere Prüfung zu erfolgen hat. Es ist aus der Gesetzesbegründung nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die Verurteilten zu einem solchen Verhalten anhalten wollte.

22

Umgekehrt spricht das teilweise in der Rechtsprechung vertretene Argument (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. August 2018, 5 Ws 264-267/18, juris Rn. 34), dass unter Umständen eine Anrechnung der Zeit des Maßregelvollzugs auch auf verfahrensfremde Strafen dazu führen könnte, dass Mehrfachtäter privilegiert werden, nur scheinbar gegen die Annahme eines Härtefalles. Wie § 67 Abs. 6 Satz 3 StGB zu entnehmen ist, bezieht sich zum einen die Anrechenbarkeit regelmäßig nur auf Taten, die vor der Maßregel begangen wurden. Einem Täter ist es daher nicht möglich, während der Zeit der Unterbringung quasi Gutschriften anzusammeln, welche mit Freiheitsstrafen für Taten verrechnet werden könnten, welche nach Beginn der Maßregel begangen wurden. Zum anderen nimmt das Strafrecht auch im Bereich der Gesamtstrafenbildung hin, dass Mehrfachtäter in gewisser Weise - wenn man es so bezeichnen wollte - privilegiert werden. Es ist daher nach Auffassung des Senats bei der Anrechnung nach § 67 Abs. 6 StGB in vergleichbarer Weise hinzunehmen, dass es einem Straftäter, der noch andere Vorverurteilungen gegen sich stehen hat, ermöglicht wird, dass Unterbringungszeit auf diese Strafen bis zu einem gewissen Punkt angerechnet wird.

23

Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber grundsätzlich ein Nebeneinander von Maßregel und Freiheitsstrafe vorgesehen hat und es bei Vorwegvollstreckung einer Maßregel stets zu einer Freiheitsentziehung kommen kann, welche in der Summe über der verhängten Freiheitsstrafe liegt, spricht aus den dargestellten Gründen, insbesondere um einem Verurteilten nicht die Therapiemotivation während der Unterbringung zu nehmen, nicht dagegen, hier einen Härtefall anzunehmen.

24

Im Ergebnis war dem Antrag des Verurteilten daher zu entsprechen, so dass die verbleibende Zeit des Maßregelvollzugs, welche nicht auf die Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus den Verfahren 27 Ls 573 Js 43221/15 (95/15) bis zur Verbüßung von zwei Dritteln angerechnet wurde, auf die im Tenor genannten beiden verfahrensfremden Strafen jeweils bis zum zwei Drittel Zeitpunkt anzurechnen sind.

3.

25

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens erfolgt in analoger Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


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