Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 5 W 214/11 - 96

Tenor

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Saarbrücken vom 14. März 2011 wird aufgehoben.

Gründe

Mit notarieller Urkunde vom 5. Juni 1997 des Notars Dr. H. (UR Nr. .../1997, Bl. 3 ff. d.A.) vereinbarten die Eheleute W.W. und H.H. bezüglich ihres im Grundbuch von Sch., Blatt 2315, eingetragenen Grundbesitzes die Aufteilung gemäß § 8 WEG in zwei ½ Miteigentumsanteile. Die Teilungserklärung enthält unter Ziff. 9 folgende Bestimmung: „Die Veräußerung einer Eigentumseinheit, ausgenommen die Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung auf Antrag eines Grundpfandrechtgläubigers, bedarf der Zustimmung des anderen Sondereigentümers. Die Zustimmung darf nur aus einem wichtigen Grund versagt werden“. Die beiden ½ Miteigentumsanteile wurden im Grundbuch von Sch. unter Blatt 2824 und Blatt 2825 eingetragen. In der Folge erwarben die Eheleute G. und E.S.Sch. aufgrund notarieller Urkunden vom 5. Juni 1997 (UR .../1997 Notar Dr. H., Bl. 7 ff. d.A. 2825) und vom 30. Juli 2004 (UR .../2004 Notar Dr. K., Bl. 81 d.A.) jeweils hälftiges Miteigentum an beiden Miteigentumsanteilen. Mit notarieller Urkunde vom 23. Juli 2010 des Notars Dr. B. (UR …/2010B, Bl. 114 ff. d.A.) veräußerten sie den unter Blatt 2824 eingetragenen ½ Miteigentumsanteil an die Beschwerdeführer. Der Vertrag enthält im Abschnitt E unter Ziff. V folgende Bestimmung: „Vorsorglich stimmt der Veräußerer als Sondereigentümer des im Wohnungsgrundbuch von Sch. Blatt 2825 eingetragenen Wohnungseigentums der vorstehenden Veräußerung in vollem Umfang zu“. Mit weiterer notarieller Urkunde vom selben Tage (UR …/2010B, Bl. 74 ff. d.A. 2825) veräußerten sie auch den unter Blatt 2825 eingetragenen ½ Miteigentumsanteil an Herrn C.S. und Frau J.J. Dieser Vertrag enthält im Abschnitt E unter Ziff. V. eine gleichlautende Zustimmungserklärung bezüglich des in Blatt 2824 eingetragenen Wohnungseigentums. Auf Antrag der Erwerber vom 2. November 2010 wurde bezüglich des ½ Miteigentumsanteils Nr. 2825 der Eigentümerwechsel im Grundbuch vollzogen.

Die Beschwerdeführer haben mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 4. März 2011 (Bl. 112 d.A.) u.a. die Eintragung des Eigentumswechsels bezüglich des von ihnen erworbenen ½ Miteigentumsanteils Nr. 2824 beantragt. Das Amtsgericht Saarbrücken - Saarländisches Grundbuchamt - hat unter dem 14. März 2011 eine Zwischenverfügung erlassen (Bl. 132 d.A.), wonach der beantragten Eintragung entgegenstehe, dass die Veräußerung gem. § 12 WEG der Zustimmung des anderen Wohnungseigentümers Blatt 2825, C.S. und J.J., bedürfe, die nicht vorliege. Hiergegen richtet sich die mit Schreiben des Notars Dr. B. vom 26. August 2011 (Bl. 141 d.A.) eingelegte Beschwerde, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 9. September 2011 (Bl. 143 d.A.) nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes (§ 18 Abs. 1 GBO) ist zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO). Sie ist im Namen der die Umschreibung begehrenden Beschwerdeführer eingelegt, denn der beurkundende Notar, der im Rahmen seiner vermuteten Vollmacht tätig wird, handelt grundsätzlich im Namen der Antragsberechtigten, sofern sich nicht aus den Umständen eindeutig etwas anderes ergibt (BGH, Beschl. v. 18.5.1989 - V ZB 4/89 - NJW 1989, 2059). Zuständiges Beschwerdegericht ist gemäß § 72 GBO (i.V.m. Artikel 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG) das Saarländische Oberlandesgericht.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das in der angefochtenen Zwischenverfügung vom Amtsgericht Saarbrücken - Grundbuchamt - angenommene Eintragungshindernis - die fehlende Zustimmung der neuen Eigentümer des unter Blatt 2825 eingetragenen ½ Miteigentumsanteils - besteht nicht.

a)

Allerdings weist das Grundbuchamt zu Recht darauf hin, dass die Veräußerung einer Eigentumseinheit (ausgenommen die Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung auf Antrag eines Grundpfandrechtgläubigers) gemäß Ziff. 9 der Teilungserklärung vom 5. Juni 1997 (Bl. 17 ff. d.A.) grundsätzlich der Zustimmung des anderen Sondereigentümers bedarf. Ein solches nach § 12 Abs. 1 WEG zulässiges Zustimmungserfordernis beschränkt den betroffenen Wohnungseigentümer in seiner Verfügungsbefugnis und stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 137 Satz 1 BGB dar, wonach die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht üblicherweise nicht eingeschränkt werden kann (BGH, Beschl. v. 21. Februar 1991 - V ZB 13/90 - NJW 1991, 1613; OLG Celle - NZM 2005, 260; OLG Hamm - NJW-RR 2010, 1524; Bassenge, in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 12 WEG Rn. 1; Commichau, in: MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 12 WEG Rn. 1; zu § 5 ErbbauVO: BGH, Urt. v. 27. September 1962 - III ZR 83/61 - NJW 1963, 36; a.A. - Inhaltsbeschränkung des Eigentums: OLG Düsseldorf - DNotZ 2011, 625, m.w.N. auch zur Gegenauffassung).

Wurde - wie hier - eine Vereinbarung gemäß § 12 Abs. 1 WEG als Inhalt des Sondereigentums getroffen, so ist eine Veräußerung des Wohnungseigentums und ein Vertrag, durch den sich der Wohnungseigentümer zu einer solchen Veräußerung verpflichtet, unwirksam, solange nicht die erforderliche Zustimmung erteilt ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 WEG). Nach der in Ziff. 9 der Teilungserklärung getroffenen Regelung ist die Zustimmung vom „anderen Sondereigentümer“ zu erteilen. Da das Zustimmungserfordernis nicht nur den schuldrechtlichen Vertrag, sondern auch die dingliche Rechtsänderung betrifft, muss die Verfügungsbefugnis des Berechtigten grundsätzlich in dem Augenblick vorhanden sein, in dem die Zustimmung wirksam werden soll. Das ist regelmäßig (vgl. aber § 873 Abs. 2, § 878 BGB) der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch Einigung des Berechtigten und des Erwerbers und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB). Verliert der Zustimmende seine Verfügungsbefugnis, weil er sein Sondereigentum zwischenzeitlich veräußert hat, ist deshalb grundsätzlich die Zustimmung des neuen Eigentümers einzuholen (OLG Celle - NZM 2005, 260; OLG Hamm - NJW-RR 2010, 1524; Palandt/Bassenge a.a.O. § 12 WEG Rn. 7; Commichau, in: MünchKomm-BGB, a.a.O. § 12 WEG Rn. 19; Bärmann/Pick, Wohnungseigentumsgesetz, 19. Aufl., § 12 Rn. 26; a.A. für den Fall, dass die Person des zustimmungsberechtigten Verwalters gewechselt hat, OLG Düsseldorf - DNotZ 2011, 625; OLG München - 34 Wx 135/11; Commichau, in: MünchKomm-BGB, a.a.O. § 12 WEG Rn. 14).

b)

Dennoch durfte das Grundbuchamt hier die Wirksamkeit der Veräußerung der Einheit 2824 und die Eintragung der neuen Eigentümer in das Grundbuch nicht davon abhängig machen, dass die Erwerber die Zustimmung der zwischenzeitlich im Grundbuch eingetragenen neuen Eigentümer der Einheit 2825 beibringen. Denn der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass die Veräußerer als Eigentümer des gesamten Anwesens neben der hier gegenständlichen Wohneinheit 2824 auch die einzige weitere Wohneinheit Nr. 2825 und damit das Grundstück insgesamt veräußert haben. Eine solche Veräußerung aller Wohneinheiten unterfällt nach Sinn und Zweck nicht dem gemäß § 12 Abs. 1 WEG vereinbarten Zustimmungserfordernis (H. Kreuzer, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 2005, § 12 WEG RN. 19; Bärmann/Pick, a.a.O., § 12 Rn. 26; Hügel, in: BeckOK WEG, § 12 Rn. 6).

aa)

Als rechtlich zulässige Ausnahme zu § 137 Satz 1 BGB ist eine gemäß § 12 Abs. 1 WEG zulässigerweise vereinbarte Verfügungsbeschränkung eng und nicht weiter auszulegen, als es Sinn und Zweck erfordert (BayObLG - DNotZ 1992, 229; OLG Düsseldorf - NJW-RR 2005, 1254; Palandt/Bassenge a.a.O. § 12 WEG Rn. 1; Commichau, in MünchKomm-BGB, a.a.O., § 12 WEG Rn. 1; Bärmann/Pick, a.a.O., § 12 Rn. 6). Dieser besteht hier in der Kenntnis über die Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Schutze der Gemeinschaft, die vor nachteiligen Veränderungen im weitesten Umfange geschützt und durch das Mitbestimmungsrecht bei Veräußerungen von Sondereigentum in die Lage versetzt werden soll, erkennbar problematischen Eintritten eines neuen Wohnungseigentümers in die Gemeinschaft zu begegnen (OLG Celle - NZM 2005, 260; Hügel, in: BeckOK, a.a.O. § 12 WEG Rn. 1; Commichau, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 12 Rn. 7 ff.). Im übrigen hat die Auslegung den für Grundbucheintragungen maßgeblichen Regeln zu folgen, so dass vorrangig auf deren Wortlaut und Sinn, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt, abzustellen ist und Umstände außerhalb der Eintragung und der in ihr in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung nur insoweit herangezogen werden dürfen, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Beschl. v. 21. Februar 1991 - V ZB 13/90 - NJW 1991, 1613).

bb)

Werden - wie hier - alle Wohnungseinheiten des gesamten Grundstücks veräußert, so bestehen die aufgezeigten Gründe, die das Erfordernis einer Zustimmung des anderen Sondereigentümers rechtfertigen könnten, nicht. Die Erwerber treten hier nicht in eine bereits bestehende, in ihrer Zusammensetzung auf Dauer angelegte Gemeinschaft ein, sondern die Gemeinschaft wird durch den Veräußerungsakt gerade erst neu gebildet. Der Zweck des Zustimmungserfordernisses, die Gemeinschaft vor Erwerbern zu schützen, die eine Schädigung des Gemeinschaftsinteresses befürchten lassen, ist in einem solchen Fall ersichtlich nicht tangiert (H. Kreuzer, in: Staudinger, BGB, 13. Bearb. 2005, § 12 WEG RN. 19; Bärmann/Pick, a.a.O., § 12 Rn. 26; Hügel, in: BeckOK WEG, § 12 Rn. 6; vgl. auch OLG Hamm - NZM 2009, 914 zum Erwerb einer Einheit durch den Wohnungseigentümerverband). Weder bedarf es des Schutzes des Bestandes vor ungewollten Eintritten in die Gemeinschaft, noch besteht auf Seiten der Erwerber berechtigte Hoffnung auf Beitritt in einen bekannten und gefestigten Bestand. Die gegenteilige Auffassung hätte zur - ersichtlich nicht gewollten - Konsequenz, dass bei Veräußerung eines gesamten Objektes an mehrere unterschiedliche Personen der zeitlich zuerst eingetragene Erwerber es in der Hand hätte, die erst später vollzogenen weiteren Veräußerungen zu torpedieren, ohne dass ihm hierfür ein rechtliches Interesse zuzubilligen wäre. Schließlich steht auch der Wortlaut der Teilungserklärung dieser finalen Auslegung nicht entgegen. Vielmehr zeigt die Wendung, wonach es bei Veräußerung „einer“ Eigentumseinheit der Zustimmung „des anderen“ Sondereigentümers bedarf, dass der hier gegenständliche Fall einer Veräußerung aller Einheiten durch ein und denselben Eigentümer nicht erfasst werden sollte.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gemäß § 131 Abs. 3 KostO ist das Verfahren im Beschwerderechtszug gebührenfrei.

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