Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 6 UF 395/12

Tenor

1. Der Deutschen Rentenversicherung Saarland wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Saarland gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs in dem am 13. Juni 2012 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Homburg – 9 F 200/11 S - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See 11,9268 Entgeltpunkte, bezogen auf den 31. Mai 2011, übertragen werden.

3. Die Deutsche Rentenversicherung Saarland trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Beschwerdewert: 9.800 EUR.

Gründe

I.

Die beteiligten Eheleute haben am 13. Mai 1988 geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder R., geboren am ... August 1991, und N., geboren am ... Juni 1995, hervorgegangen. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 10. Juni 2011 zugestellt.

Während der Ehezeit (1. Mai 1988 bis 31. Mai 2011; § 3 Abs. 1 VersAusglG) hat die Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See (DRV Knappschaft Bahn See, weitere Beteiligte zu 1) Rentenanwartschaften der allgemeinen Rentenversicherung in Höhe eines Ausgleichswertes von 9,3538 Entgeltpunkten sowie in der knappschaftlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 0,6176 Entgeltpunkten erworben. Außerdem hat die Antragstellerin Anrechte bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (KZVK, weitere Beteiligte zu 3) sowie zwei Anwartschaften auf eine private Altersversorgung bei der A. Lebensversicherungs-AG (A., weitere Beteiligte zu 4) erlangt.

Der Antragsgegner hat bei der Deutschen Rentenversicherung Saarland (DRV Saarland, weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe eines Ausgleichswertes von 19,5534 Entgeltpunkten erworben und Anrechte aus einer privaten Altersvorsorge bei der S. AG (weitere Beteiligte zu 5) sowie aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der F. Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung, (F., weitere Beteiligte zu 6) erlangt. Das Familiengericht hat den beteiligten Eheleuten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Dabei hat es die korrespondierenden Kapitalwerte der jeweiligen Anrechte gegenübergestellt und daraus ermittelt, dass zu Gunsten der Antragstellerin ein Ausgleich mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 71.838,87 EUR zu erfolgen hätte, woraus sich umgerechnet 11,9268 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung ergäben; im Hinblick darauf hat es vorgeschlagen, den Versorgungsausgleich durch Übertragung der Anrechte des Antragsgegners bei der DRV Saarland in entsprechender Höhe auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV Knappschaft Bahn See durchzuführen.

Im Verhandlungstermin vom 13. Juni 2012 haben sich die beteiligten Eheleute in einem Vergleich entsprechend geeinigt. In dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der beteiligten Eheleute – insoweit rechtskräftig - geschieden (Ziffer 1 des Beschlusstenors) und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV Saarland auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV Knappschaft Bahn See 11,9268 Entgeltpunkte übertragen (Ziffer 2 des Beschlusstenors) und festgestellt hat, dass im Übrigen ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet (Ziffer 3. des Beschlusstenors).

Hiergegen wendet sich die DRV Saarland mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass die in dem Vergleich vorgenommene Saldierung den verbindlichen Rechtsvorschriften zur Durchführung des Versorgungsausgleichs widerspreche; hierdurch würden auch mehr Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen, als bei korrekter Durchführung des Versorgungsausgleichs. Dieser habe daher nach den gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und vertreten die Auffassung, dass der abgeschlossene Vergleich der Dispositionsfreiheit der beteiligten Eheleute unterliege und auch im Übrigen wirksam sei.

Die KZVK trägt vor, dass der von ihr vorgeschlagene Ausgleichswert einem korrespondierenden Kapitalwert von 1.533,98 EUR und nicht, wie vom Familiengericht in seinem Vergleichsvorschlag zu Grunde gelegt, von 1.638,08 EUR entspreche. Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist zulässig. Zwar ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeschrift nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt wurde, nachdem das Familiengericht mitgeteilt hat, dass zunächst der Eingang einer Beschwerdeschrift nicht habe festgestellt werden können. Die DRV Saarland hat aber die versäumte Rechtshandlung noch vor Beginn der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung nachgeholt, indem sie die Beschwerdeschrift am 20. September 2012 beim Familiengericht eingereicht hat. Zu diesem Zeitpunkt hat die Wiedereinsetzungsfrist noch nicht einmal zu laufen begonnen, denn hinreichende Kenntnis davon, dass die Beschwerdeschrift vom 22. Juni 2012 nicht beim Familiengericht eingegangen war, hatte die DRV Saarland erst, nachdem sie am 5. November 2012 vom Inhalt des Vermerks des Familiengerichts vom 12. Oktober 2012 erfahren hatte, wonach dort die Beschwerdeschrift erst mit dem per Fax übermittelten Schreiben vom 20. September 2012 eingegangen sein soll. Die DRV Saarland hat rechtzeitig mit am 9. November 2012 eingereichtem Schriftsatz durch Vorlage der entsprechenden Verfügungen glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdeschrift am 25. Juni 2012 und damit fristwahrend an das Familiengericht abgesandt worden war, was im Übrigen auch von keinem der Beteiligten bestritten wird. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die DRV Saarland an der Einhaltung der Beschwerdefrist schuldlos verhindert war, so dass ihr - auch ohne ausdrücklichen Antrag - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Die DRV Saarland ist auch nach § 59 Abs. 1 FamFG als von der Übertragung der Anrechte betroffener Versorgungsträger beschwerdebefugt (vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 2012, 851; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Oktober 2012 – 10 UF 137/12 -).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn das Familiengericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Versorgungsausgleich zutreffend unter Berücksichtigung des gerichtlichen Vergleichs der beteiligten Ehegatten geregelt. Entgegen der Auffassung der DRV Saarland ist die getroffene Vereinbarung zur Modifizierung des Versorgungsausgleichs weder unwirksam, noch ist sie von der Zustimmung eines Versorgungsträgers abhängig.

Die hier in Rede stehende Vereinbarung über den Versorgungsausgleich ist nach §§ 7 VersAusglG, 127 a BGB formwirksam zustandegekommen, da die beteiligten Eheleute insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2012 vor dem Familiengericht einen Vergleich abgeschlossen haben. Die Vereinbarung unterliegt auch der Regelungsbefugnis der beteiligten Eheleute. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich schließen und dabei insbesondere diesen ganz oder teilweise ausschließen. Wenn und soweit keine Wirksamkeits- bzw. Durchsetzungshindernisse bestehen, ist das Gericht an die Vereinbarung gebunden (§ 6 Abs. 2 VersAusglG). Solche Hindernisse bestehen hier nicht.

Entgegen der Auffassung der DRV Saarland verstößt der Vergleich nicht gegen § 8 Abs. 2 VersAusglG. Danach können zwar durch eine Vereinbarung der Ehegatten Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen. § 8 Abs. 2 VersAusglG bestimmt jedoch lediglich, dass die Ehegatten ohne Zustimmung der Versorgungsträger nicht durch Vereinbarung Versorgungsanrechte unmittelbar übertragen oder begründen dürfen. Hingegen betrifft § 8 Abs. 2 VersAusglG nicht gerichtliche Entscheidungen, die in Umsetzung einer Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 VersAusglG ergangen sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O.; Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 8 VersAusglG, Rz. 12; Schulz/Hauß, Familienrecht, 2. Aufl., § 8 VersAusglG, Rz. 9; Reetz, NotBZ 2012, 329; Münch, FamRB 2012, 320).

Eine Grenze für die Disposition der beteiligten Ehegatten über Anrechte in dem öffentlich-rechtlichen Sicherungssystem ergibt sich aus den §§ 32, 46 Abs. 2 SGB I oder auch aus § 3 Beamtenversorgungsgesetz. Nach zutreffender Auffassung bedeutet dies aber lediglich, dass hinsichtlich dieser Anrechte ohne Zustimmung des Versorgungsträgers keine höhere Ausgleichsquote als die gesetzlich vorgesehene Quote von 50 %, wohl aber eine geringere Quote vereinbart werden kann. Demgemäß ist es grundsätzlich zulässig, das auszugleichende Anrecht aufgrund einer Vereinbarung in einem geringeren Umfang zu kürzen, als dies dem Ausgleichswert dieses Anrechts entspricht. Denn die Ehegatten sind bis zur Höhe des Ausgleichswertes eines Anrechts grundsätzlich dispositionsbefugt. Insbesondere gibt es kein Recht des beteiligten Versorgungsträgers auf Durchführung des Versorgungsausgleichs. Ebenso wenig gibt es ein Recht des Versorgungsträgers auf hälftige Teilung der Versorgungsanrechte der beteiligten Ehegatten (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 10. August 2012, - 10 UF 139/12 -; Borth, FamRZ 2012, 1146 und 1681; Münch, a.a.O.; Erman/Norpoth, BGB, 13. Aufl., § 8 VersAusglG, Rz. 21; Götsche, Versorgungsausgleich, § 8 VersAusglG, Rz. 55; Norpoth, FamRB 2010, 233; Reetz, a.a.O.; Bregger in jurisPK, 6. Aufl., § 8 VersAusglG, Rzn. 47 ff, 50; a.A. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, FamRZ 2012, 1144; Eichenhofer, NJW 2012, 2078).

Nach diesen Grundsätzen ist die der Entscheidung des Familiengerichts zugrundeliegende Vereinbarung nicht zu beanstanden. Die beteiligten Eheleute haben den Versorgungsausgleich außer in Bezug auf das Anrecht des Antragsgegners bei der DRV Saarland vollständig ausgeschlossen und hinsichtlich der Rentenanwartschaften des Antragsgegners bei der DRV Saarland vereinbart, dass weniger ausgeglichen wird, als es dem mitgeteilten Ausgleichswert entspricht. Denn nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Saarland vom 20. Januar 2012 (Bl. 41 ff d.A. VA) wären zu Gunsten der Antragstellerin und zulasten des Versicherungskontos des Antragsgegners Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 19,5534 Entgeltpunkten auszugleichen; nach der angefochtenen Entscheidung des Familiengerichts findet ein Ausgleich jedoch lediglich in Höhe von 11,9268 Entgeltpunkten und damit in deutlich geringerem Umfang statt. Dass hierdurch der Deutschen Rentenversicherung Saarland die Möglichkeit genommen wird, die zulasten des Antragsgegners auszugleichenden Anrechte mit den bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Regeln ebenfalls auszugleichenden Anrechten der Antragstellerin bei der DRV Knappschaft Bahn See nach § 10 Abs. 2 VersAusglG zu verrechnen, steht dem nicht entgegen und ist eine Folge dessen, dass die Anrechte jeweils gesondert zu betrachten sind und auch ein Teilausschluss des Versorgungsausgleichs von den jeweiligen Versorgungsträgern im Allgemeinen hingenommen werden muss. Im Übrigen betrifft § 10 Abs. 2 VersAusglG ausschließlich den Vollzug eines gerichtlich angeordneten Ausgleichs und kann daher auf die Entscheidung des Familiengerichts grundsätzlich keinen Einfluss haben.

Weitere Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung bestehen nicht. Insbesondere hält diese einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Übrigen nach § 8 Abs. 1 VersAusglG stand. Dies folgt bereits daraus, dass die getroffene Vereinbarung im Ergebnis von der gesetzlichen Regelung nur insoweit abweicht, als zur Vermeidung eines Hin- und Her- Ausgleichs verschiedener Anrechte eine Gesamtsaldierung auf der Grundlage der mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerte vorgenommen worden ist und insbesondere der Halbteilungsgrundsatz gewahrt werden sollte. Dass dem die getroffene Vereinbarung nicht entspricht, wird von keinem der Beteiligten vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dabei ist es insbesondere auch nicht zu beanstanden, dass die jeweiligen Ausgleichswerte ohne Berücksichtigung der in den Auskünften der Versorgungsträger angegebenen Teilungskosten zu Grunde gelegt worden sind, denn dies ist schon deshalb sachgerecht, weil bei der hier in Rede stehenden Handhabung Teilungskosten ohnehin nicht anfallen.

Nach alledem hält der angefochtene Beschluss den Beschwerdeangriffen stand. Er bedarf lediglich insoweit klarstellend der Korrektur, als nach der Auffassung des Senats der Bezug auf das Ehezeitende in den Tenor aufzunehmen ist (vgl. auch BGH, FamRZ 2012, 1545; Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2012 – 6 WF 68/12 -, juris).

Der Senat sieht von einer – von den Beteiligten auch nicht angeregten – mündlichen Erörterung der Sache (§ 221 Abs. 1 FamFG) ab, da bei den vorliegenden Gegebenheiten keine weitergehenden entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. BGH FamRZ 1983, 267).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach hat derjenige die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, der es eingelegt hat. Anlass hiervon abzuweichen, besteht unter den gegebenen Umständen nicht.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf der unangegriffen gebliebenen Wertfestsetzung des Familiengerichts und berücksichtigt, dass mit dem Rechtsmittel der DRV Saarland sämtliche in Betracht kommenden Anrechte zur Disposition gestellt werden.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf der Erwägung, dass sich eine einheitliche Rechtsprechung zu den Grenzen der vertraglichen Gestaltungsmöglichen in den Fällen, in denen wie hier Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung betroffen sind, noch nicht herausgebildet hat.

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