Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 220/03

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7.3.2003 - 2 T 47/03 - wird

zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Sie haben dem Antragsgegner dessen außergerichtliche Auslagen im Rechtsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 3.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Die beiden Antragsteller sind Mitglieder des 1967 erstmals ins Vereinsregister eingetragenen Antragsgegners, eines religiösen Vereins mit knapp 500 Mitgliedern. Sie haben am 30.7.2002 die Eintragung eines am 20.7.2002 bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gewählten Vorstands beantragt. Ihr Antrag ist jedoch vom Amtsgericht Leonberg als zuständigem Registergericht mit Beschluss vom 15.11.2002 abgelehnt worden. Die Beschwerde der Antragsteller gegen diese Entscheidung hat das Landgericht Stuttgart mit Beschluss vom 7.3.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die dem Senat vorliegende Rechtsbeschwerde der Antragsteller.
1. Hintergrund des Verfahrens ist ein heftiger Richtungsstreit, dem der Antragsgegner seit rund zwei Jahren ausgesetzt ist. Das hat schon im Jahr 2001 dazu geführt, dass bei konkurrierenden außerordentlichen Mitgliederversammlungen (Nürnberg 24.11.01, Hannover 1.12.01) neue Vorstände gewählt wurden, die personell unterschiedlich zusammengesetzt waren. Während es danach zur Eintragung des in Hannover gewählten Vorstand ins Vereinsregister gekommen ist, hat das Registergericht die Eintragung der in Nürnberg beschlossenen Vorstandsänderung wegen formaler Mängel der Einberufung zur Versammlung abgelehnt. Beide Antragsteller sind durch diese Entscheidung betroffen, da sie dem nicht eingetragenen Vorstand angehört hätten.
In der Folgezeit haben die Antragsteller zusammen mit weiteren 129 Vereinsmitgliedern unter dem Namen "Arbeitskreis zum Erhalt der X-gemeinschaft in Deutschland" (im folgenden: "Arbeitskreis") den eingetragenen Vorstand zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gem. § 10 Ziff. 2 der Satzung aufgefordert; wesentliche Aufgabe der außerordentlichen Mitgliederversammlung sollte die Wahl eines neuen Vorstands sein. Nachdem der eingetragene Vorstand dem Begehren nicht entsprach, haben die Mitglieder des Arbeitskreises im April 2002 beim Registergericht beantragt, sie gem. § 37 BGB zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu ermächtigen. Mit Beschluss vom 6.6.2002 hat das Registergericht eine solche Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit der Tagesordnung
1. Feststellung der Vereinssituation
2. Aussprache
3. Abberufung bzw. Neuwahl des Vorstands
4. Verschiedenes
ausgesprochen. Nach Erhalt dieses Beschlusses hat der zur Einberufung einer Mitgliederversammlung ermächtigte Arbeitskreis mit Schreiben vom 15.6.2002 zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung auf den 20.7.2002 nach Frankfurt eingeladen. Der eingetragene Vorstand des Antragsgegners hat indes mit Schreiben vom 17.6.2002 eine Einladung zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 27.7.2002 in Hannover versandt. Beide Versammlungen wurden durchgeführt. In beiden Versammlungen fanden Vorstandswahlen statt, die, wie schon im November/Dezember des Vorjahres, zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Der vom Registergericht abgelehnte Antrag der Antragsteller auf Eintragung des am 20.7.2002 in Frankfurt gewählten Vorstandes ist - wie eingangs schon dargelegt - Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte wird auf Abschnitt I des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts vom 7.3.2003 verwiesen.
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2. Das Landgericht hat die Zurückweisung der Beschwerde gegen den den Eintragungsantrag ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts im wesentlichen wie folgt begründet : Die Vorstandswahl in Frankfurt sei (wie auch die Vorstandswahl in Hannover eine Woche später) ungültig, weil die Einladungen zu diesen Versammlungen wegen Verwirrung der Mitglieder unwirksam seien. Zwar seien die im Arbeitskreis verbundenen 131 Vereinsmitglieder durch die gerichtliche Ermächtigung des Registergerichts vom 6.6.2002 und der eingetragene Vorstand der Antragsgegnerin durch die Satzung des Vereins gleichermaßen zur Einberufung einer Mitgliederversammlung legitimiert gewesen. Jedoch hätten beide Seiten ihre Einladungen zur gleichen Zeit versandt und diese seien den Mitgliedern jedenfalls im wesentlichen zur gleichen Zeit zugegangen. Außerdem seien sie hinsichtlich der Tagesordnungspunkte im wesentlichen identisch; die Einladung nach Hannover enthalte über die Tagesordnungspunkte der Einladung nach Frankfurt hinaus nur noch einen einzigen zusätzlichen Tagesordnungspunkt "Satzungsänderung". Solchermaßen nach Zeit und Inhalt deckungsgleiche Einladungen führten aber zur Verwirrung der Mitglieder und seien deshalb unwirksam. Sie hätten die Unwirksamkeit der Beschlüsse, die bei einer solchen Mitgliederversammlung getroffen würden, zur Folge. Eine Eintragung ins Vereinsregister sei daher nicht möglich.
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3. Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller weiterhin das Ziel der Eintragung des in Frankfurt gewählten Vorstands. Sie begründen ihre Rechtsbeschwerde im wesentlichen damit, dass das Landgericht § 37 BGB und § 121 Abs. 1 BGB rechtsfehlerhaft angewandt habe. Außerdem habe das Landgericht den Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG verletzt. Sie führen hierzu Folgendes näher aus:
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Durch die gerichtliche Ermächtigung des Arbeitskreises vom 6.6.02 zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung sei das entsprechende Recht des Vorstands auf den Arbeitskreis unter Federführung von dessen Sprecher Y. übergegangen. Dem Vorstand habe daher kein Recht zur Einberufung einer konkurrierenden Mitgliederversammlung zugestanden. Das satzungsgemäße Einberufungsrecht des Vorstands sei wegen Verspätung seiner Ausübung verwirkt. Auf Grund der gerichtlichen Ermächtigung hätte nunmehr bezüglich des Einberufungsrechts der Arbeitskreis die Stellung eines Vereinsorgans; insoweit sei in die satzungsgemäße Kompetenzordnung durch gerichtliche Ermächtigung eingegriffen worden. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, sei die Entscheidung des Landgerichts deshalb falsch, weil dieses verkannt habe, dass die durch gerichtliche Ermächtigung legitimierte Einladung des Arbeitskreises Schutz vor einer verspätet und nachträglich ausgesprochenen konkurrierenden Einladung des Vorstands genieße. Andernfalls würde der Schutzzweck des § 37 Absatz 2 BGB verfehlt. Der Vorstand sei in einer solchen Situation auch zur Abstimmung mit der zur Einberufung einer Mitgliederversammlung ermächtigten Gruppe verpflichtet, bevor er eine konkurrierende Einladung versende; auch dies sei nicht geschehen. Schließlich sei die Einladung des Vorstands wegen ihrer Rechtsmissbräuchlichkeit unwirksam. Denn sie sei heimlich im Bewusstsein der bereits erfolgten Einladung des Arbeitskreises erfolgt. Die Einladung des Arbeitskreises habe deshalb Vorrang vor der rechtsmissbräuchlichen nachfolgenden Einladung des Vorstands. Nicht richtig sei obendrein, dass die konkurrierenden Einladungen hinsichtlich der zu behandelnden Themen übereinstimmen würden; die Einladung des Vorstands sei um den Punkt "Satzungsänderung" erweitert. Die Voraussetzungen der Annahme einer Verwirrung der Mitglieder durch die konkurrierenden Einladungen mit der Folge einer Unwirksamkeit derselben, sei nicht gegeben.
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Der Antragsgegner ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten. Er hält die angefochtene Entscheidung des Landgerichts für zutreffend.
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Hinsichtlich des umfangreichen Vortrags beider Seiten wird insbes. auf die Schriftsätze der Antragsteller vom 28.4.03, 8.5.03, 26.6.03 und 18.7.03 und des Antragsgegners vom 20.5.03, 25.6.03 und 4.7.03 verwiesen. Die in der Vorinstanz als Beschwerdeführer beteiligten Y. und Z. haben mit Schreiben vom 7.4.03 bzw. 12.4.03 klargestellt, dass ihre eingereichten kritischen Äußerungen zur Beschwerdeentscheidung nicht als eigene weitere Beschwerde gewollt sind.
II.
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Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist gem. §§ 29, 27 FGG als Rechtsbeschwerde zulässig. Die Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG ist gewahrt. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts keine Rechtsfehler aufweist.
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1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Juni 2002 sowohl der Arbeitskreis mit den in ihm organisierten Mitgliedern des Antragsgegners als auch der eingetragene Vorstand des Antragsgegners selbst zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung befugt waren.
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a) Die Befugnis des Arbeitskreises beruht auf der Ermächtigung des Amtsgerichts - Registergericht - gem. § 37 Abs. 2 BGB mit Beschluss vom 6.6.2002. Die Befugnis des Vorstands ergibt sich aus § 10 Ziff. 2 der Satzung des Antragsgegners. Der Vorstand des Antragsgegners handelte durch seinen Vorsitzenden und den Stellvertreter, womit der Vertretungsregelung des § 12 Nr. 5 der Satzung genüge getan war. Letzteres ist auch nicht im Streit.
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b) Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Befugnis des Vorstands des Antragsgegners zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht durch den Ermächtigungsbeschluss des Registergerichts vom 6.6.2003 auf die Mitglieder des Arbeitskreises übergeleitet worden. Vielmehr ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die gerichtliche Ermächtigung der Mitglieder des Arbeitskreises zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit konkret benannten Themen das satzungsmäßige Einberufungsrecht des Vorstands unberührt lässt und nur ein zusätzliches Einberufungsrecht (der Mitglieder des Arbeitskreises) schafft. Dies ist allgemeine Meinung sowohl im Vereinsrecht als auch im Bereich des strukturell eng verwandten Aktien- und Genossenschaftsrechts und auch im GmbH-Recht. Die Einberufungsberechtigten können unabhängig voneinander von ihrer Befugnis Gebrauch machen (zum Vereinsrecht: Reichert, Handbuch des Vereins - und Verbandsrechts, 9. Aufl., Rdnr. 777, 818; Sauter/Speyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 17. Aufl., Rdnr. 169; Soegel/Hadding, BGB, 13. Aufl., § 37 Rdnr. 17; zu § 122 Nr. 3 Aktiengesetz: Werner in Großkomm. zum AktG, 4. Aufl. § 122 Rdnr. 67; zu § 45 Abs. 3 GenG: Beuthien, GenG, 13.Aufl., § 45 Rdnr. 4; Gräser in Hettrich/Pöhlmann, GenG, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 7; OLG Naumburg JW 1938, 182; zum GmbH-Recht: Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., §§ 49 Rdnr. 13, § 51 Rdnr. 25; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 50 Rdnr. 10 und 11; BGH WM 1985, 567, 568). Ob die nach § 37 Abs. 2 BGB Ermächtigten von der ihnen erteilten Ermächtigung Gebrauch machen, bleibt ihnen überlassen.
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c) Das satzungsgemäße Einberufungsrecht des Vorstands der Antragsgegnerin war zum Zeitpunkt seiner Ausübung im Juni 2002 nicht verwirkt.
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Das Rechtsinstitut der Verwirkung kann (nur) im Verhältnis eines Berechtigten zum Verpflichteten Auswirkungen haben. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte einerseits es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete andererseits sich hierauf eingerichtet hat und sich darauf einrichten durfte, dass dieses Recht auch in der Zukunft nicht geltend gemacht werde (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 242 Rdnr. 87).
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Dieses Rechtsinstitut kann vorliegend nicht zur Anwendung kommen. Denn das Einberufungsrecht eines Vorstands ist nicht nur Recht, sondern gleichzeitig Pflicht im Verhältnis zum Verein (§ 36 BGB, § 10 Ziff. 4 der Satzung). Recht und Pflicht sind nicht voneinander zu trennen. Die Verpflichtung zur Einberufung einer Mitgliederversammlung wird aber durch Verzögerung des Vorstands nicht geringer, sondern im Gegenteil dringlicher. Hier hat die satzungswidrige Verzögerung der Einberufung einer Mitgliederversammlung bereits zur Ermächtigung zur Einberufung einer Mitgliederversammlung durch das Registergericht geführt. Von dieser Ermächtigung kann, muss aber nicht Gebrauch gemacht werden; der Vorstand aber bleibt verpflichtet, die längst überfällige Einberufung vorzunehmen. Einer selbst illoyal verspäteten Ausübung einer Verpflichtung kann aber deren Verwirkung nicht entgegengehalten werden.
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2. Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die durch gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung berechtigten Mitglieder des Arbeitskreises einen Vorrang ihrer Einberufung gegenüber der des Vorstands des Antragsgegners nicht daraus herleiten können, dass ihre Einberufung früher erfolgt sei. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Einladungen des Arbeitskreises einerseits und des Vorstands des Antragsgegners andererseits zeitgleich erfolgt sind. Diese Feststellung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren bindend (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 9. Aufl. § 27 Rdnr. 23 m.w.N.). Die Bindung entfiele nur, wenn diese Feststellung verfahrensfehlerhaft getroffen worden wäre. Diesbezügliche Verfahrensfehler sind jedoch weder konkret behauptet noch ersichtlich:
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Die Antragsteller behaupten zwar, die Einladung des Arbeitskreises zu der von ihnen einberufenen Mitgliederversammlung habe die Mitglieder vor der Einladung des Vorstands erreicht. Hierfür gibt es jedoch keinen ernstzunehmenden Anhalt: Das Schreiben des Mitglieds M. vom 22.6.02, auf das sie sich zum Beweis dafür berufen, ihre Einladung habe die Mitglieder bereits am 16.6.2002 erreicht, belegt die aufgestellte Behauptung nicht. Dieses Schreiben bestätigt nur, dass das Mitglied die Einladung des Arbeitskreises erhalten hat, nicht aber, wann er sie erhalten hat. Die Behauptung der Antragsteller lässt sich auch nicht damit vereinbaren, dass, wie das Mitglied N. dem Registergericht mitgeteilt hat, es persönlich am 17.6.02 die Einladungen des Arbeitskreises im Auftrag des Sprechers des Arbeitskreises, Y., zur Post gegeben hat. Die Einladungen des Arbeitskreises können daher bei den Mitgliedern nicht vor dem 18.6.02 angekommen sein. Am 18.6.02 aber sind auch die Einladungen des Vorstands bei den Mitgliedern eingetroffen. Dies belegt überzeugend das Schreiben des Sprechers des Arbeitskreises Y. an das Registergericht vom 18.6.02, in dem er mitteilt, dass ihm die "Gegen-Einladung" des Vorstands der Antragsgegnerin zugegangen sei. Außerdem hat das Mitglied S. dem Sprecher des Arbeitskreises Y. unter dem 18.6.02 geschrieben, er habe beide konkurrierenden Einladungen an diesem Tag erhalten; dass dieses Schreiben nachträglich zu Täuschungszwecken gefertigt worden wäre, ist durch nichts belegt. Vielmehr deckt es sich im Ergebnis mit der Angabe des Vereinsmitglied N., wobei die Einladungen erst am 17.6. zur Post gegangen sind, und der Mitteilung des Herrn Y. an das Registergericht vom 18.6.02. Bei dieser Sachlage ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einem gleichzeitigen Zugang der konkurrierenden Einladungen ausgegangen ist.
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3. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den hier vorliegenden Konflikt gleichzeitiger Einladungen zu örtlich und zeitlich versetzten Mitgliederversammlungen mit gleichem Themenkreis unter Heranziehung des rechtlichen Grundsatzes gelöst hat, dass solche Einladungen wegen Verwirrung der Mitglieder unwirksam sind und deshalb auf den Versammlungen keine wirksamen Beschlüsse gefasst werden konnten:
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a) Im Schrifttum werden Doppeleinladungen mit gleichen Tagesordnungspunkten, die die Mitglieder zur gleichen Zeit erreichen, als unwirksam angesehen, weil sie die eingeladenen Mitglieder verwirren (Reichert aaO, Rdnr. 778; Zöllner, Kölner Komm. z. AktG, § 121 Rdnr. 42; Werner in Großkomm. z. AktG, § 121 Rdnr.72). Rechtsprechung zu dieser Frage ist bisher nicht veröffentlicht. Das Landgericht ist dieser Auffassung gefolgt. Der Senat hält dies ebenfalls für richtig.
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Wenn den Mitgliedern eines Vereins von gleichermaßen zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Legitimierten zur gleichen Zeit Einladungen zugehen, die gleiche Tagesordnungspunkte enthalten, so entsteht hieraus unvermeidlich Verwirrung darüber, in welchen Verhältnis solche Einladungen zueinander stehen, insbes. ob etwa die zur zeitlich früheren Versammlung ausgesprochene Ladung Vorrang hat oder ob beide Einladungen gleichrangig sind, aber mit Beschlüssen der zweiten Versammlung die auf der ersten Versammlung getroffene Beschlüsse wirksam abgeändert werden können. Daraus entsteht Unsicherheit unter den Mitgliedern darüber, welche der konkurrierenden Einladungen wahrgenommen werden soll. Folge wären Zufallsbeschlüsse des obersten Organs des Vereins, die durch Mehrheiten herbeigeführt würden, die sich daraus ergäben, dass Mitglieder wegen der geschilderten Einladungskonkurrenz nur zu einer oder zur anderen, weitere in ihrer Unsicherheit zu keiner der konkurrierenden Veranstaltungen kommen würden. Einladungen, die solche Verwirrung auslösen, sind solchermaßen objektiv mangelbehaftet, dass ihnen zum Schutz der Mitglieder und des Vereins jede Wirksamkeit abgesprochen werden muss.
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b) Soweit die Antragsteller dagegenhalten, dass der Grundsatz der Verwirrung hier deshalb nicht herangezogen werden könne, weil die konkurrierenden Einladungen nicht die gleiche Tagesordnung zum Gegenstand der Mitgliederversammlung machen würden, ist schon das Landgericht ihnen mit zutreffender Begründung nicht gefolgt. Denn die Tagesordnungen sind hinsichtlich aller vom Arbeitskreis verlangten Punkte identisch; dass der Vorstand einen weiteren Punkt angehängt hat, ist unbeachtlich. Die Verwirrung wird durch die übereinstimmenden Teile der Tagesordnung ausgelöst.
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c) Eine Verpflichtung des Vorstands des Antragsgegners, seine Einladung zur Mitgliederversammlung mit dem zur Einladung einer Mitgliederversammlung gerichtlich ermächtigten Arbeitskreis abzustimmen, bestand im Verhältnis zum Arbeitskreis nicht. Die Einberufungsbefugnis des Arbeitskreises (im Rahmen der gerichtlichen Ermächtigung) und die des Vorstands bestehen, wie schon oben dargelegt, unabhängig voreinander. Das Einberufungsrecht des Vorstands ruht nicht deshalb, weil eine Mitgliedergruppe vom Gericht zur Einberufung einer Mitgliederversammlung ermächtigt worden ist. Ziel der gerichtlichen Ermächtigung nach § 37 Ab. 2 BGB ist nicht die Durchführung einer Mitgliederversammlung durch den gerichtlich Ermächtigten, sondern die Durchführung der verlangten Mitgliederversammlung. Lädt ein Vorstand unter dem Druck der erfolgten Ermächtigung von Mitgliedern nach § 37 Abs. 2 BGB zu der geforderten Versammlung ein, ist das von § 37 Abs. 1 und 2 BGB geschützte Ziel erreicht und die gerichtliche Ermächtigung sachlich erledigt; Gleiches gilt, wenn die ermächtigte Gruppe von ihrem Einberufungsrecht Gebrauch gemacht hat. (vgl. BayObLG Rpfleger 1978, 377 zu § 45 GenG; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 7. Aufl., Rdnr. 437; Soergel/Hadding, aaO, § 37 Rdnr. 17; BGH WM 1985, 567,568 für das GmbH-Recht).
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Ob der Vorstand dagegen seiner Verpflichtung, Schaden von dem Verein abzuwenden, ausreichend nachkommt, wenn er bei drohender Einberufung einer Mitgliederversammlung durch eine gerichtlich ermächtigte Gruppe selbst einlädt, ohne dies mit der ermächtigten Gruppe abzustimmen, ist hier nicht zu beurteilen. Denn dies berührt die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der ausgesprochenen Einberufung nicht.
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Dahinstehen kann auch, ob, wie die Antragsteller behaupten, der Antragsgegner aber bestreitet, der Vorstand zur konkurrierenden Mitgliederversammlung erst einlud, als er Kenntnis davon hatte, dass der Arbeitskreis konkret dabei war, eine Einberufung zur Mitgliederversammlung durchzuführen. Selbst wenn man hiervon ausgehen würde, würde dies allein die Einberufung des Vorstands nicht unwirksam machen. Zwar vertritt Karsten Schmidt (in Scholz aaO, § 49 GmbHG, Rdnr. 13) die Auffassung, "eine missbräuchlich überholende Einberufung" könne fehlerhaft sein. Diese - schwer objektivierbare - Meinung ist jedoch weder mit der Entscheidung des BGH vom 28.1.85 (WM 1985,567) in Übereinstimmung zu bringen, noch damit, dass dem Vorstand keine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die speziellen Interessen des Arbeitskreises an einem diesem genehmen Tagungsort oder Zeitpunkt obliegt. Der Vorstand ist nur dem Wohl des Vereins als Ganzem verantwortlich. Ob er von seinem satzungsgemäßen Einberufungsrecht in einer Weise Gebrauch macht, die zu Schäden für den Verein führen kann (z.B. verlorene Kosten der eigenen Einberufung; Kostenersatz für die Einberufungskosten des Arbeitskreises), berührt allein seine Verantwortlichkeit gegenüber dem Verein. Einen Verlust des satzungsmäßigen Einberufungsrechts lässt sich hieraus nicht ableiten. Dieses Recht besteht als solches nach der Satzung im Verhältnis zum Verein und ist unabhängig von Störungen im Verhältnis zu einzelnen Mitgliedern.
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Deshalb ergibt sich die rechtliche Bewertung aus dem zeitlichen Vorrang: wessen Einberufung zuerst die Mitglieder erreicht, hat Vorrang, weil damit das Ziel des § 37 BGB, die Veranstaltung der von einer legitimierten Mitgliedergruppe verlangten Versammlung, erreicht ist. Bei Gleichzeitigkeit des Zugangs der Einladungen dagegen sind beide konkurrierenden Einladungen wegen der dadurch ausgelösten Verwirrung der Mitglieder unwirksam. Das Datum, mit dem die Einladungen versehen sind, hat dagegen keine selbständige rechtliche Bedeutung. Nur der Zeitpunkt des Zugangs ist ein - gegebenenfalls durch Beweisaufnahme - feststellbares objektives Ereignis. Es bezeichnet den Zeitpunkt, in dem die Verwirrung der Mitglieder als maßgebliches Beurteilungskriterium einsetzt.
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d) Soweit schließlich geltend gemacht wird, die Einberufung des Vorstands sei deshalb unwirksam, weil als Tagungsort Hannover gewählt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Es kann dahinstehen, wie die Mitglieder des Antragsgegners regional auf die Bundesrepublik verteilt sind. Selbst wenn im süddeutschen Raum ein Wohnort-Schwerpunkt der Vereinsmitglieder bestünde, würde dies kein Grund zur Beanstandung sein. Denn Frankfurt, der von den Antragstellern als Tagungsort für geeignet gehaltene Ort, und Hannover sind gleichermaßen gut mit öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln zu erreichen. Auch ist Hannover vom süddeutschen Raum aus nicht so viel weiter entfernt als Frankfurt, dass den süddeutschen Mitgliedern diese Stadt als Tagungsort nicht mehr zugemutet werden könnte.
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Sind somit beide Einladungen wegen der von ihnen ausgehenden objektiven Verwirrung unwirksam, erfasst die Unwirksamkeit die bei den konkurrierenden Veranstaltungen in Frankfurt und Hannover getroffene Beschlüsse (vgl. hierzu Stöber, aaO, Rdnr. 581,584). 4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO und § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Der Wert der weiteren Beschwerde entspricht dem der Vorinstanz.

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