Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 40/11

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 30. Dezember 2010, Az. 20 O 234/10,

abgeändert:

Auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Anerkenntnisurteils des Landgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 2010, Az. 20 O 234/10, sind von dem Beklagten an den Kläger an Kosten zu erstatten:

weitere 1.519,63 EUR,

insgesamt 6.098,51 EUR

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 8. November 2010.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Beklagte die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 1.519,63 Euro

Gründe

 
1.
Im Hauptsacheverfahren gaben die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie Mitteilung der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichts im Anschluss an eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2010 zur Verfahrensbeendigung die Erklärungen ab, dass durch den Beklagten die Widerklage zurückgenommen und der Klageantrag Ziff. 1 anerkannt sowie durch den Kläger der Klageantrag Ziff. 2 (Zinsen) zurückgenommen wird. Nach Erlass eines Anerkenntnisurteils, mit dem dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden, verzichtete der Kläger auf die Vollstreckung aus dem Urteil bis zum 17. Dezember 2010 und der Beklagte nahm diesen Verzicht an.
Im Kostenfestsetzungsverfahren streiten die Parteien darüber, ob durch diese Erklärungen eine Einigungsgebühr angefallen und erstattungsfähig ist. Diese wurde vom Kläger mit 1.519,63 EUR (einschl. Umsatzsteuer) in Ansatz gebracht und von der Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Dezember 2010 nicht berücksichtigt.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger rechtzeitig durch seinen Prozessbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt, der der Beklagte entgegengetreten ist.
Die Rechtspflegerin hat die Akte ohne Abhilfe dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache auch begründet.
Das Entstehen einer 1,0-Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1, 1003 RVG-VV setzt die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, wobei dieser Vertrag sich nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder einen Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch beschränken darf (vgl. zu den Voraussetzungen einer Einigungsgebühr: BGH NJW-RR 2007, 359; BGH NJW 2007, 2187 unter Aufgabe von BGH NJW 2006, 1523; OLG München AGS 2010, 423; OLG Rostock AGS 2008, 326; je m.w.N.).
Für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr wird entgegen der Auffassung des Beklagten die Protokollierung eines als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleichs nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht mehr verlangt (BGH NJW 2007, 2187) - wie seither (BGH NJW 2006, 1523).
Auch wenn die anwaltlich vertretenen Parteien an Stelle eines formgerechten gerichtlichen Vergleichs mit den sich aus Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1, 1003 RVG-VV ergebenden Kostenfolgen absichtlich eine abweichende Form gewählt haben, die für sich genommen diese kostenrechtlichen Folgen vermeidet - hier Teilanerkenntnis und Teilrücknahme (Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 RVG-VV) - hindert dies nicht das Entstehen und die Erstattungsfähigkeit der 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV.
Denn abgesehen davon, dass bereits kein Anerkenntnis und keine Rücknahme bezüglich des gesamten Anspruchs erfolgt ist, sondern gerade nach Erörterung und rechtlicher Hinweise durch das Gericht im Anschluss an eine Sitzungsunterbrechung die wechselseitigen Erklärungen aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien - wie vom Kläger unstreitig vorgetragen (Beschwerdeschrift vom 13. Januar 2011 und Erwiderung des Beklagten vom 2. Februar 2011) - abgegeben wurden, beruhen diese gerade auf dem Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wurde, so dass die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV angefallen und als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO erstattungsfähig ist. Die Parteien haben ihre jeweiligen Prozesshandlungen dagegen nicht unabhängig von der Erklärung des anderen vorgenommen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, Nr. 1000 RVG-VV Rn. 44 ff, 190; N. Schneider in Schneider/Wolf, Anwaltkommentar, RVG, 5. Aufl. 2010, Nr. 1000 RVG-VV Rn. 80, 85 ff; obige Rechtsprechungszitate; je m.w.N.).
10 
Hinzu kommt vorliegend, dass sich die Parteien auch über eine Stundung der titulierten Forderung bis zum 17. Dezember 2010 geeinigt haben, indem der Kläger einen Vollstreckungsverzicht bis zu diesem Zeitpunkt erklärt hat, der vom Beklagten angenommen wurde. Auch dieser Verzichtsvertrag war geeignet, die Einigungsgebühr auszulösen (Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 232 ff; OLG Rostock, a.a.O.; je m.w.N.), worauf es aber hier nicht entscheidungserheblich ankommt, da bereits die zuvor aufgrund der Vereinbarung der Parteien abgegebenen wechselseitigen Erklärungen den Anfall der Einigungsgebühr bewirkt haben.
11 
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers war deshalb der Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abzuändern, dass weitere 1.519,63 EUR, damit insgesamt 6.098,51 EUR von dem Beklagten an den Kläger zu erstatten sind.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus Nr. 1812 GKG-KV und § 91 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen