Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 5 U 199/10

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 08.10.2010 - 10 O 166/09 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 1.543.785,- EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin baut Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland. Die spanische Beklagte vertreibt solche Fahrzeuge in Spanien. Die Klägerin verlangt Kaufpreiszahlung für vier Fahrzeuge, bei denen sie im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung vier von der Beklagten gestellte neue D.-LKWs zu Feuerwehrfahrzeugen aufgebaut hat. Der Transport erfolgte jeweils durch eine Spedition, der die Klägerin die Fahrzeuge übergeben hatte. Die Zahlungspflicht ist unstreitig, jedoch rechnet die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen auf, die daraus entstanden sein sollen, dass die Klägerin ihre Alleinvertriebsrechte in Spanien verletzt habe. Wegen dieser Ansprüche hat sie die Klägerin inzwischen auch in Spanien verklagt. In erster Linie wendet sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit gegen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
1.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Eine internationale Zuständigkeit bestehe nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1a EuGVVO).
Vertragscharakteristische Leistung im Sinn dieser Norm sei die Lieferpflicht der Klägerin, die nach der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung auch beim Versendungskauf am Bestimmungsort, also am Sitz der Beklagten zu erfüllen sei. Einen Erfüllungsort in Deutschland hätten die Parteien nicht vereinbart, weil die Beklagte mit der Klausel „F.O.C.“ bestellt habe, während die Klägerin ihre Auftragsbestätigungen, soweit solche erstellt bzw. übersandt wurden, mit der Klausel „ex works“ versehen habe. Die Beklagte habe die Lieferbedingungen der Klägerin nicht gegenbestätigt, das bloße Schweigen sei nicht mit einer Annahme gleichzusetzen. Trotzdem seien die Kaufverträge wirksam zustande gekommen, weil der Dissens über die Transportverpflichtung gem. Art. 19 Abs. 3 CISG unwesentlich sei. Im Übrigen stelle unter den gegebenen Umständen „ex works“ nur eine Kostentragungsklausel dar und keine Vereinbarung über den Erfüllungsort.
Die internationale Zuständigkeit bestehe auch nicht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, weil die Schriftform nach Art. 23 Abs. 1a EuGVVO nicht eingehalten sei. Die Liefer- und Zahlungsbedingungen der Klägerin, die Entsprechendes vorsähen, seien von der Beklagten nicht schriftlich bestätigt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber auch nicht vorher mündlich vereinbart worden. Eine generelle Vereinbarung über die Einbeziehung der klägerischen AGB sei nicht festzustellen, zumal die Klägerin in jedem Einzelfall um Gegenbestätigung ihrer Auftragsbestätigungen gebeten habe. Aus diesem Grund ergebe sich eine Gerichtsstandsvereinbarung auch nicht aus den Gepflogenheiten der Geschäftsbeziehung der Parteien (Art. 23 Abs. 1 lit. b EuGVVO). Der mit Schriftsatz vom 27.09.2010 gehaltene Vortrag der Klägerin gebe keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 14.10.2010 zugestellt (Bl. 445). Die Berufung ging am 29.10.2010 (Bl. 444/445) ein, die Berufungsbegründung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 10.12.2010 (Bl. 450).
2.
Mit der Berufungsbegründung rügt die Klägerin zunächst, dass ihr Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 27.09.2010 zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Sie habe über die mit diesem Schriftsatz vorgelegten Dokumente aus dem Besitz der Beklagten nicht früher verfügt. So habe die Beklagte im Rahmen ihrer Klage in Spanien jetzt erst schriftliche Auftragsbestätigungen der Klägerin vorgelegt, die die Aussage der Zeugin S. im hiesigen Rechtsstreit widerlegten, wonach die Klägerin solche nie an die Beklagte übermittelt habe.
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie vertritt weiter den Standpunkt, dass die Parteien Vereinbarungen sowohl über den Erfüllungsort als auch über den Gerichtsstand getroffen hätten.
So sei entsprechend der Aussage des Zeugen K. stets Ulm als Lieferort vereinbart worden, indem die Klägerin der Beklagten dort die Fahrzeuge zur Prüfung und Abholung zur Verfügung gestellt habe. Insoweit habe das Landgericht dessen Aussage nicht richtig gewürdigt. Dagegen stelle die von der Beklagten verwendete Handelsklausel “F.O.C.” keinen Incoterm dar und habe keinen nachvollziehbaren Inhalt. Auch die Kommunikation per e-Mail (e-Mail K. vom 26.06.2008, Anl. K 19; e-Mail vom 25.03.2008, Anl. 2 zur Berufungsbegründung) bestätige (teilweise) eine Erfüllungsortvereinbarung. Eine solche liege weiter darin, dass die Beklagte auf die klägerischen Auftragsbestätigungen, die einen Hinweis darauf enthalten hätten, dass Schweigen als Zustimmung gelte, nicht reagiert habe. Zum selben Ergebnis führe die Anwendung von Art. 19 Abs. 2 CISG, weil der Zusatz „ex works“ keine wesentliche Änderung gegenüber der Bestellung sei.
Maßgeblich seien allein die bis zum Zeitpunkt der Auftragsbestätigungen getroffenen Vereinbarungen. Entgegen der Feststellung des Landgerichts und entgegen dem Beklagtenvorbringen seien die Lieferverträge nicht erst mit Entgegennahme der Fahrzeuge zustande gekommen seien, sondern bereits durch die Kommunikation zuvor. Mit der Übergabe der Fahrzeuge an die Spedition habe die Klägerin alle Verpflichtungen erfüllt gehabt. Aus diesem Grund habe die Beklagte jahrelang bei früheren Geschäften bis auf wenige Sonderfälle auch die Transportkosten getragen. Auch insofern habe das Landgericht die Aussage des Zeugen K. nicht richtig gewürdigt.
10 
Weiter bleibt die Klägerin bei ihrer Auffassung, neben einer Vereinbarung über den Erfüllungsort hätten die Parteien auch eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn von Art. 23 EuGVVO getroffen, weil entsprechende mündliche Vereinbarungen schriftlich bestätigt worden seien. Das Landgericht habe zu Unrecht eine mündliche Einigung vermisst. Jedenfalls konkludent sei seit 1994 vereinbart gewesen, dass die Verkaufs- und Lieferbedingungen der I. GmbH Bestandteil jeden Vertrags seien. Das zeige auch die Tatsache, dass eine von der Beklagten gegengezeichnete Auftragsbestätigung - von einem früheren Geschäft - habe vorgelegt werden können. Eine solche Einbeziehung habe den Gepflogenheiten der Parteien entsprochen und sei nach der Aussage des Zeugen K. im Januar 2008 sogar ausdrücklich erfolgt. Abwegig sei es, der Klägerin zu unterstellen, sie habe aus Unsicherheit über die Vertragslage um Gegenbestätigung ihrer Auftragsbestätigung gebeten. Die Gegenbestätigung sei primär zur Kontrolle der jeweils vereinbarten, nicht immer gleichen technischen Ausstattung der Fahrzeuge erbeten worden.
11 
Schließlich hätte das Landgericht nach Auffassung der Klägerin eine Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund entsprechender Gepflogenheiten der Parteien annehmen müssen (Art. 23 Abs. 1 lit. b EuGVVO), weil in den ständig mit den Auftragsbestätigungen und den Rechnungen übersandten Geschäftsbedingungen eine Gerichtsstandsklausel enthalten gewesen sei und die Klägerin immer zum Ausdruck gebracht hätte, dass diese Basis der Vertragsbeziehung sein sollten.
12 
Dass die Klägerin die Fahrzeuge dem Transporteur übergeben habe, stehe den obigen Rechtstatsachen nicht entgegen, weil das Landgericht nicht zur Kenntnis genommen habe, dass sie, die Klägerin, nach dem Willen beider Streitparteien nicht Versenderin der Fahrzeuge im Sinn des Transportrechts habe sein sollen.
3.
13 
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig, auch soweit nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltener Vortrag zurückgewiesen worden sei. Die Kopie der Schadensersatzklage in Spanien habe der Klägerin schon vor dem zweiten Verhandlungstermin beim Landgericht vorgelegen. Die nachgereichten Unterlagen stammten ohnehin aus dem eigenen Besitz der Klägerin. Die Einreichung neuer Unterlagen sei vom Schriftsatzrecht der Klägerin nicht gedeckt gewesen.
14 
Die nachgereichten Auftragsbestätigungen belegten ohnehin keine generelle Einbeziehungsvereinbarung für die Geschäftsbedingungen der Klägerin, weil die Klägerin für jeden Einzelvorgang eine Gegenbestätigung erbeten (und im Übrigen nicht erhalten) habe. Zudem sei unklar geblieben, welche Geschäftsbedingungen der Klägerin, die unterschiedliche Bezeichnungen trügen - z.T. „General Termins and Conditions for the Sale of Brand-New Vehicles“, z.T. „General Terms and Conditions für the Sale of New Fire Fighting Vehicles and Trailers - New Vehicles Conditions of Sale / Fire Fighting Vehicles“ -, hätten einbezogen werden sollen. Folglich könne von einer Vereinbarung über den Erfüllungsort kraft Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht ausgegangen werden. Das zeige sich auch daran, dass der Transport der Fahrzeuge nach Spanien Sache der Klägerin gewesen sei. Ebenso unterstreiche dies die in den Aufträgen der Beklagten aufgenommene „F.O.C.“-Klausel, die ohne weiteres als „kostenfrei“ zu verstehen sei. Eine Geschäftspraxis, dass „ex works Ulm“ geliefert werde, habe sich nicht herausgebildet und sei auch nicht vereinbart worden, jedenfalls nicht im Sinn einer Festlegung des Erfüllungsorts. Deswegen sei die Klägerin gegenüber dem Spediteur als Versender aufgetreten und habe - nicht anders als in früheren Fällen - für die noch nicht bezahlten Transportkosten aufzukommen.
15 
Eine Gerichtsstandsvereinbarung habe das Landgericht zu Recht nicht angenommen, weil eine diesbezügliche schriftliche oder mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung nicht dargelegt sei. Eine etwaige Absprache zwischen dem Zeugen K. und seinem Gesprächspartner N. aus dem Januar 2008 gelte nicht für spätere Aufträge. Eine einzige schriftliche Gegenbestätigung zu einer klägerischen Auftragsbestätigung bei einem anderen Vertrag (die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten hatte) reiche in 17 Jahren der Zusammenarbeit nicht einmal, ein Indiz für eine solche Abrede annehmen zu können. Eine längere Geschäftsbeziehung stelle noch keine Geschäftsgepflogenheit dar.
16 
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2011 Bezug genommen. Die Parteien haben danach in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiter vorgetragen.
II.
17 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat richtig entschieden.
1.
18 
Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liegt nicht vor.
19 
Grundsätzlich verlangt Art. 23 Abs. 1 EuGVVO zweierlei: eine inhaltliche Einigung auf einen Gerichtsstand und die Einhaltung einer bestimmten Form. Nur in der zweiten Komponente unterscheiden sich die Varianten des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO (BGH, U. v. 06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150, 152; Geimer/Schütze, Art. 23 Rn. 101, 115, 118a). Als Formen stehen die vom Landgericht erörterten Varianten zur Verfügung, nämlich beiderseitige Unterzeichnung („Vollschriftlichkeit“), formlose Einigung mit nachfolgender schriftlicher Bestätigung einer Seite („Halbschriftlichkeit“) sowie - als Ersatz für eine Dokumentation - eine entsprechende Gepflogenheit im Geschäftsverkehr zwischen den Parteien. Diese Anforderungen erfüllen die Unterlagen, Absprachen und Handhabungen der Parteien im vorliegenden Fall nicht.
20 
a) Vollschriftlichkeit nach der ersten Variante kommt im Streitfall nicht in Betracht.
21 
Zwar bestimmen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Gerichte am Sitz der Klägerin als zuständig (Anl. K 1, Ziff. IX.1). Die Beklagte hat die vier streitgegenständlichen Auftragsbestätigungen jedoch nicht gegengezeichnet. Vielmehr existiert nur für einen einzigen früheren Auftrag eine Gegenbestätigung zu einer Auftragsbestätigung (Anl. K 18). Dieser Vertrag hat mit den vorliegenden Aufträgen nichts zu tun.
22 
b) Hinsichtlich der zweiten Variante der halbschriftlichen Form spricht viel dafür, dass die Beklagte laufend Auftragsbestätigungen erhalten hat, auch wenn sie und die von ihr benannte Zeugin S. dies in Abrede gestellt haben. Diese Auftragsbestätigungen nehmen Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten zu Gunsten der deutschen Gerichtsbarkeit.
23 
Auch wenn hiervon zu Gunsten der Klägerin ausgegangen wird, reicht dies für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. b EuGVVO aber deshalb nicht aus, weil der schriftlichen Bestätigung jeweils eine mündliche Vereinbarung hätte vorausgehen müssen. Solche mündlichen Vereinbarungen sind weder konkret dargelegt noch nachgewiesen. Der von der Klägerin benannte Zeuge K. gibt an, ausdrückliche Gespräche über die Geltung der Geschäftsbedingungen bzw. des Gerichtsstands Ulm habe es nie gegeben (Protokoll v. 07.09.2010, S. 7, Bl. 321 d.A.). Die einmalige Diskussion im Januar 2008 zwischen dem Zeugen K. und seinem Ansprechpartner bei der Beklagten N. hatte schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht den Inhalt, dass vereinbart worden wäre, ab diesem Zeitpunkt hätten ständig die Geschäftsbedingungen der Klägerin gelten sollen. Vielmehr ging es um die ganz andere Frage, ob die Ausschreibungsbedingungen aus dem Verhältnis der Beklagten zu den spanischen Endkäufern der Fahrzeuge in die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien einbezogen werden müssten, wozu es im Übrigen nie kam.
24 
Die erforderliche ausdrückliche oder konkludente Einigung kann nicht ersetzt werden durch laufend übersandte Auftragsbestätigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es für die Schriftform nicht einmal aus, wenn die Partei, zu deren Lasten die Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung unterzeichnet, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat (BGH, Urteil vom 06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150, 151). Ebenso hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden, dass es grundsätzlich nicht reicht, wenn Gerichtsstandsvereinbarungen auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen abgedruckt sind und laufend übersandt werden (BGH, Urteil vom 25.02.2004, VIII ZR 119/03, NJW-RR 2004, 1292, 1293).
25 
c) Aus ähnlichen Gründen scheitert eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. c) EuGVVO. Aus der Art und Weise, wie die Parteien ihre Geschäfte miteinander abgewickelt haben, lässt sich zwar möglicherweise die Gepflogenheit - also die tatsächliche Übung - entnehmen, Auftragsbestätigungen zu übersenden. Das hat nicht nur der Zeuge K. ausgesagt, sondern die Klägerin legt auch Auftragsbestätigungen vor, die die Beklagte erhalten haben muss, weil sie diese nämlich in den spanischen Schadensersatzprozess gegen die Klägerin selbst eingeführt hat.
26 
Der Zweck der Auftragsbestätigungen bestand allerdings hauptsächlich darin, die Ausstattung der bestellten Fahrzeuge im Einzelnen niederzulegen. Die erforderliche inhaltliche Einigung auf allgemeine Geschäftsbedingungen kann darin noch nicht gesehen werden. Dies gilt vor allem, weil mit der Übersendung der Auftragsbestätigungen noch nicht feststeht, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen auch tatsächlich "gelebt" worden sind, was für die Annahme einer ständigen Gepflogenheit aber erforderlich wäre.
27 
Hinzu kommt, dass die Parteien in mehrerlei Hinsicht tatsächlich anders verfahren sind als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgeben. So sehen etwa die Geschäftsbedingungen in Ziff. III Zahlung bei Übergabe vor, während in Wirklichkeit die Fahrzeuge ohne Zahlung übergeben und die Zahlungsfristen weit hinausgesetzt wurden, um die Zulassung der Fahrzeuge in Spanien abzuwarten. Auch bei den Transportkosten gibt es keine ständige Übung. Nach der Aussage des Zeugen K. waren die Transportkosten Verhandlungsmasse und wurden je nach Verhandlungssituation von der einen oder von der anderen Seite getragen (näher zu den Transportkosten und dem letzten Klägervortrag dazu siehe unten Ziff. II.2).
28 
Gegen eine inhaltliche, formlose Einigung über einen Gerichtsstand spricht ferner, dass die Parteien immer wieder Verhandlungen über den Abschluss eines Vertragshändlervertrages geführt haben, die jedoch nie zum Abschluss gekommen sind, weil die Beklagte die Vertragsentwürfe der Klägerin nicht zu akzeptieren vermochte. Solange aber Parteien in Verhandlungen über grundsätzliche Konditionen der Zusammenarbeit stehen und bis zu einer generellen Einigung von Fall zu Fall individuell verfahren, kann von einer inhaltlichen Einigung und einer ständigen Gepflogenheit nicht ausgegangen werden.
29 
Nicht zuletzt steht, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, auch entgegen, dass die Klägerin in ihren Auftragsbestätigungen zwar auf ihre Geschäftsbedingungen verwiesen, aber gleichzeitig um Gegenbestätigung gebeten hat. Das lässt sich zwar auch mit dem eigenen Gegenargument der Klägerin erklären, dass es dabei in erster Linie darum gegangen sei, die vielen technischen Daten zu bestätigen, die in den Auftragsbestätigungen (im Gegensatz zur pauschalen Bestellung der Beklagten) aufgelistet werden, es aber nicht Sinn und Zweck gewesen sei, die immer gleichen Rahmenbedingungen der Einzelbestellung festzulegen. Die verbleibende Unsicherheit geht jedoch zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin.
30 
d) Auf die Frage, ob die als Anl. K 1 vorgelegten Geschäftsbedingungen überhaupt diejenigen der Klägerin sind, nachdem sie anders bezeichnet sind als die in Anl. K 3 in Bezug genommen Bedingungen, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.
2.
31 
Mit überzeugenden Gründen und im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht verneint, dass eine Erfüllungsortvereinbarung im Sinn von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte führt. Eine solche wäre gegenüber der Anknüpfung an die im Verordnungstext geregelten Tatbestände vorrangig, wie sich aus dem Wortlaut ergibt (s. auch Geimer/Schütze, Eur. Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 Rn. 92, 124).
32 
a) Der Zeuge K. hat im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem Landgericht angegeben, als „Lieferklausel“ sei jeweils „ab Werk (ex works)“ vereinbart worden, was bedeute, dass die Gefahr übergehe, sobald das Fahrzeug das Werk verlasse (Protokoll v. 07.09.2010, dort S. 7, Bl. 321). Hintergrund sei gewesen, dass die Beklagte die Fahrzeuge im Werk bereitgestellt habe, damit sie dort von den Mitarbeitern der Beklagten hätten besichtigt werden können, ehe sie abtransportiert wurden. Dabei kann es sich um eine Art Vorabnahme (bzw. -entgegennahme) gehandelt haben, um etwaigen Mängeln oder Änderungswünschen ohne großen Aufwand Rechnung tragen zu können. Mehr spricht aber dafür, dass dieser Prüfungstermin die Schnittstelle der beiderseitigen Pflichten und der Gefahrtragung darstellen sollte. Dieser Sachverhalt ist aber Geschichte. Denn der Zeuge hat auch berichtet, dass diese Praxis Ende 2006 aufgegeben worden sei, weil die Beklagte Zeit und Geld sparen wollte. Seit dieser Zeit seien die Fahrzeuge ohne weiteres nach Spanien transportiert worden, wobei die Beklagte das Lieferziel - entweder ihre eigene Anschrift oder gleich die des Endabnehmers - jeweils vorgegeben habe. Von einer Bereitstellung zur Prüfung und Abholung kann unter solchen Bedingungen jedoch nicht mehr gesprochen werden. Dass die Parteien dieser geänderten Handhabung in ihren Dokumenten nicht durch entsprechende Anpassungen Rechnung getragen haben und die Klägerin ihre Auftragsbestätigungen mit dem Zusatz „ex works“ versah (bzw. ihre Rechnungen mit dem Vermerk „Method of disp. Customer collection, ready for deliver …“), unterstreicht das Gesamtbild der Vertragsabwicklung, wie sie sich dem Senat darstellt, dass Dokumente und tatsächliche Vertragsabwicklung letztlich teilweise voneinander unabhängig waren. Die „Bereitstellung zur Prüfung und Abholung“ steht daher buchstäblich auf dem Papier und gibt für eine Erfüllungsortvereinbarung nichts her, wenn diese nicht gelebt worden ist.
33 
Im Übrigen war auch bei der früheren Handhabung nicht ohne Weiteres von einer Holschuld auszugehen. Die Beklagte hat nämlich auch seinerzeit die Fahrzeuge nicht mitgenommen; diese sind vielmehr nach Besichtigung per Spedition nach Spanien geliefert worden.
34 
b) Abgesehen davon sprechen auch die schriftlichen Unterlagen gegen eine Erfüllungsortvereinbarung. Während die Klägerin in den Auftragsbestätigungen durch die Klausel "ex works" zum Ausdruck brachte, dass sie ab Werktor für die Ware nicht mehr verantwortlich sein wollte, verwendete die Beklagte in den Aufträgen ständig die Klausel „F.O.C.“. Die im Rechtsstreit aufgestellte Behauptung der Klägerin, wonach "F.O.C." keinen nachvollziehbaren Inhalt habe und der "ex works"-Klausel nicht widerspreche, trifft nicht zu. Zwar gehört „F.O.C.“ nicht zu den Incoterms, ist also keine Handelsklausel mit fest definiertem Inhalt, aber sie ist durchaus gebräuchlich (vgl. etwa Gabler Wirtschaftslexikon, 17. Aufl., "FOC", online unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/foc.html) und bedeutet "free of charge", d.h. Ablehnung jeder Kostentragung. Auch wenn die exakte Bedeutung teilweise variieren mag, kann sie in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang mit dem Transport der Feuerwehrfahrzeuge (vgl. Anl. K 2: „Carrier/Transportista: F.O.C.“) nicht anders verstehen werden als vom Landgericht angenommen, nämlich dass die Beklagte keine Transportkosten übernehmen wollte, zumal die Klausel im Formular unter der Rubrik „Transport“ angefügt wird.
35 
c) Soweit im e-Mail-Verkehr (Anl. K 19, e-Mail vom 26.06.2008, e-Mail vom 25.03.2008, Anl. 2 zur Berufungsbegründung) Geschäftsbedingungen angehängt wurden, folgt daraus ebenfalls keine Erfüllungsortvereinbarung für die hier gegenständlichen Lieferungen. Die Klägerin hat dadurch nur im Einzelfall ihre AGB einseitig bekannt gegeben. Soweit der Zeuge K. in der als Anl. K 19 eingereichten e-Mail bei der Preisangabe die Klausel „ex works Ulm“ verwendet, wiederholt er nur den Inhalt der Auftragsbestätigungen, für die das oben Ausgeführte gilt.
36 
d) Für eine Erfüllungsortvereinbarung reicht es auch nicht aus, dass die Beklagte auf die Auftragsbestätigungen der Klägerin geschwiegen hat. Dadurch hat sie nicht etwa die Klausel "ex works" akzeptiert. Was Inhalt einer Erfüllungsortvereinbarung wird, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des anwendbaren Sachrechts. Nach dem letzten Sachstand der Berufungsverhandlung war das zur Herstellung der Feuerwehrfahrzeuge benötigte Material hautsächlich von der Klägerin zu beschaffen und die Beklagte hatte nur die wertmäßig weit niedriger liegenden "nackten" LKWs zu stellen. Nach Klägervortrag haben die von der Beklagten angelieferten D. einen Wert von rund 85.000 EUR je Stück, während die von der Klägerin gelieferten Aufbauten - je nach Ausstattung - mehr als 300.000,- bzw. mehr als 400.000,- EUR je Fahrzeug ausmachen. Demnach handelt es sich bei den Verträgen der Parteien um Werklieferverträge, auf die national nach Art. 1, 3 CISG das UN-Kaufrecht anzuwenden ist (Staudinger/Magnus, BGB (2005), Art. 3 CISG Rn. 14). Schweigen oder Untätigkeit bedeutet nach Art. 18 Abs. 1 S. 2 CISG jedoch ausdrücklich keine Annahme. Zwar könnte sich nach Art. 18 Abs. 3 CISG ein konkludenter Vertragsschluss auch aus den „Gepflogenheiten und Gebräuchen“ ergeben. Gepflogenheit der Parteien war es aber gerade nicht, die ständig verwendete „ex works“-Klausel hinzunehmen, sondern die Beklagte bestellte gleichwohl ständig mit der Klausel „F.O.C.“.
37 
e) Das Argument der Klägerin, der Zusatz „ex works“ stelle keine wesentliche Änderung gegenüber der Bestellung dar, weshalb der Vertrag gem. Art. 19 Abs. 2 CISG mit diesem Inhalt zustande gekommen sei, trifft wegen Art. 19 Abs. 3 CISG nicht zu. Wenn man, wie die Klägerin es tun will, in dieser Klausel eine Vereinbarung über den Lieferort/Erfüllungsort sähe und nicht bloß eine Kostentragungsklausel, wäre diese Abweichung nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 19 Abs. 3 CISG erheblich und würde verhindern, dass die Klausel der Klägerin stillschweigend zum Vertragsinhalt wird.
38 
f) Eine Vereinbarung der Parteien darüber, wo die Leistungspflichten der Klägerin enden, lässt sich entgegen der Behauptung der Klägerin nicht feststellen. Dabei sind die strittigen Absprachen über die Transportkosten ein wichtiges Indiz. Diese sollen dem klägerischen Zeugen K. zufolge „in der Regel“ von der Beklagten zu tragen gewesen sein, wobei es bis zu 50 % Ausnahmen gegeben haben soll, weil die Transportkosten als Verhandlungsmasse im Rahmen der Preisverhandlungen genutzt worden seien. Selbst wenn man insoweit die anderslautende Angaben der Zeugin S., Mitarbeiterin der Beklagten, und des Geschäftsführers der Beklagten außer Betracht lässt, wonach die Beklagte nie den Transport von Neufahrzeugen bezahlt habe, und wenn man die Angaben des Zeugen R., Mitarbeiter der Spedition, nicht stark gewichtet, der keinen Einblick in die Interna der Parteien und die zwischen ihnen bestehenden Abmachungen hatte, ist damit eine laufende Transportkostenübernahme durch die Beklagte nicht bewiesen.
39 
Der von Klägerseite dazu nach Schluss der Berufungsverhandlung nachgeschobene Vortrag im Schriftsatz vom 11.04.2011 gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung oder für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Abgesehen davon, dass die Klägerin sich kein Schriftsatzrecht für ergänzenden Vortrag hat einräumen lassen und die vorläufigen Angaben ohne Substanz sind, scheinen die Nachforschungen ihre früheren Behauptungen nicht zu stützen, wenn nur noch die Rede davon ist, die Beklagte habe teilweise die Transportkosten getragen. Weil die Vereinbarung über die Übernahme der Transportkosten Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin ist, hätte sie konkrete Angaben dazu auch bereits viel früher machen können und müssen, wenn sie insoweit wesentlichen Tatsachenstoff hätte liefern können oder wollen.
3.
40 
Nachdem von Vereinbarungen über Gerichtsstand bzw. Erfüllungsort nicht auszugehen ist, richtet sich die Frage der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO. Danach sind die spanischen Gerichte zuständig.
41 
a) Die streitgegenständlichen Verträge sind als Kaufverträge im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b erster Spiegelstrich EuGVVO zu qualifizieren.
42 
Sowohl der Begriff „Verkauf beweglicher Sachen“ als auch der Begriff der Erbringung von „Dienstleistungen“ gemäß Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO sind prozessrechtlich autonom, d.h. anhand der Zielsetzung und der Systematik der EuGVVO zu ermitteln (BGH, Urteil v. 02.03.2006, IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806, 1807; Musielak/Stadler, 8. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 10). Zu Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO gehören sämtliche Kaufverträge über bewegliche Sachen und ihre Unterformen, in der Regel auch die mit einer Dienstleistung verbundenen Kaufverträge. Bei Werklieferungsverträgen berühren Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung nicht die Einordnung als Kaufvertrag, es sei denn, der Besteller hat einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung gestellt (EuGH, Urteil vom 25.02.2010, C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 - "Car Trim"; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2008, 19 U 5/08, OLGR Karlsruhe 2008, 724; Musielak/Stadler a.a.O. Rn. 9). Letzteres ist hier nicht der Fall, da die fertigen Feuerwehrzeuge hauptsächlich auf den von der Klägerin erbrachten Leistungen beruhen, wie oben bereits ausgeführt ist. Es handelt sich vielmehr um typische Werklieferungsverträge, bei denen der Verkäufer die Ware im Wesentlichen herzustellen und anschließend zu liefern und zu übereignen hat. Auch bei wertender Betrachtung überwiegt dabei die kaufvertragliche Komponente, nämlich die vereinbarte Lieferung und Übereignung der fertigen Sache gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Die tätigkeitsbezogene Dienstleistung, nämlich die Herstellung des Produkts, mag sie für die Klägerin auch zeit- und kostenintensiv sein, tritt dahinter - anders als bei den typischen Dienstleistungsverträgen wie Geschäftsbesorgungs-, Beratungs- und Werkverträgen - zurück. Erst die Lieferungs- und Übereignungspflicht gibt den Verträgen ihr typisches Gepräge.
43 
b) Nach dem ersten Spiegelstrich von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO ist damit Erfüllungsort für alle aus den Verträgen folgenden Verpflichtungen Spanien - auch für die Zahlungspflicht der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2010, VIII ZR 135/08, NJW 2010, 3452, Tz. 19; Musielak/Stadler a.a.O. Rn. 10).
44 
Es kann offen bleiben, ob die Klägerin die Fahrzeuge nach Spanien zu verbringen oder sie nur an den Transporteur zu übergeben hatte. Denn der EuGH hat entschieden, dass auch beim Versendungskauf der Erfüllungsort beim Käufer liegt, wenn dieser - wie hier - die Ware letztlich an seinem Wohnsitz in Besitz nehmen sollte (EuGH v. 25.02.2010 a.a.O. NJW 2010, 1059, 1061).
45 
Anders wäre es nur, wenn die Parteien eine Holschuld vereinbart hätten. Dafür spricht nach dem oben Gesagten jedoch nichts, nachdem in der Zeit der streitgegenständlichen Verträge schon keine gemeinsamen Prüfungen mehr im Werk der Klägerin in Deutschland durchgeführt wurden. Dass die deutsche Spedition ausschließlich im Namen und im Auftrag der Beklagten die Fahrzeuge bei der Klägerin abgeholt hätte, ist trotz der Aussage des Zeugen R. nicht bewiesen, zumal die Kommunikation mit der Spedition über die Klägerin lief.
4.
46 
Die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen wirkt sich auf die Zuständigkeitsfragen im Zusammenhang mit der Klage nicht aus, denn sie ist nur Verteidigungsmittel. Art 6 Nr. 3 EuGVVO ist nicht anzuwenden, denn die Aufrechnung ist keine Widerklage (EuGH v. 13.7.1995, Rs. 341/93 - „Danvaern Production“; Kropholler, 8. Aufl., Art. 6 Rn. 43). Es kommt daher nicht darauf an, ob für einzelne Ansprüche der Beklagten eine internationale Zuständigkeit im Inland bestünde.
III.
47 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
48 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 541 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des Rechtsstreits sind überwiegend Tatsachenfragen.

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