Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4a Ss 318/12

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 27. März 2012 mit den Feststellungen

a u f g e h o b e n .

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts

z u r ü c k v e r w i e s e n .

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht … verurteilte den Angeklagten wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen jeweils in Höhe von 20,-- EUR. Hiergegen hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. In der Hauptverhandlung vom 27. März 2012 sprach das Landgericht ihn frei. Es hat festgestellt:
Der Angeklagte lebte ab 2006 mit … zusammen. Infolge seines übermäßigen Alkoholgenusses gerieten beide zunehmend in Streit. Als … Mitte April 2009 aus der Kur zurückkehrte, kam es zu einem Streit, weil sich das Schlafzimmer in großer Unordnung befand und die Lampe zerstört war. Als Frau … versuchte, mit den Kindern zu ihrer Mutter nach … zu gehen, versuchte der Angeklagte dies zu verhindern, indem er sie am Hals würgte, so dass sie Atemnot erlitt. Noch im Frühjahr 2009 versetzte der Angeklagte ihr mit der flachen Hand einen Schlag gegen den Kopf (Ohrfeige). Am 16. Februar 2010 beantragte … beim Familiengericht … den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Angeklagten nach dem GewSchG. Danach sollte ihr die Wohnung in … zur alleinigen Benutzung überlassen werden, so dass er diese sofort zu verlassen und herauszugeben habe. Darüber hinaus stellte sie Anträge nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 GewSchG. Zur Glaubhaftmachung legte sie eine eidesstattliche Versicherung vor, in der sie neben den genannten Vorfällen darlegte, dass der Angeklagte sie am 5. Februar 2010 gestoßen habe; einen Sturz habe sie grade noch vermeiden können. Der Angeklagte beantragte am 23. Februar 2011, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurückzuweisen. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom gleichen Tage behauptete er, er sei während der gesamten Beziehung gegenüber Frau … niemals gewalttätig geworden. Am 5. Februar 2010 habe er sie weder berührt noch angefasst, schon gar nicht geschuckt. Er habe Frau … nie körperlich angegangen. Das Amtsgericht lehnte den Erlass der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 3. März 2010 ab. Hinsichtlich des Antrages auf Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung sei der Antrag verfristet (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 GewSchG). Hinsichtlich des Vorfalls vom 5. Februar 2010 sei sehr fraglich, ob dadurch eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 GewSchG verwirklicht worden sei.
Das Landgericht hat den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen. Zwar sei seine eidesstattliche Versicherung inhaltlich falsch, sie sei jedoch rechtlich nicht erheblich. Die Vorfälle aus dem Jahre 2009 seien verfristet. Der Vortrag der … hinsichtlich des Vorfalls vom 5. Februar 2010 erfülle nicht die Voraussetzungen des § 1 GewSchG. Die Anträge, die auf § 1 Abs. 1 GewSchG gestützt seien, stünden in untrennbarem Zusammenhang mit den Anträgen bezüglich § 2 GewSchG. Die Ablehnung der letzteren Anträge beinhalte gleichzeitig auch die Ablehnung der auf § 1 GewSchG gestützten Anträge.
Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die sie mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Eine Strafbarkeit wegen falscher Versicherung an Eides Statt gem. § 156 StGB setzt voraus, dass die Versicherung vor einer hierfür zuständigen Behörde abgegeben worden ist. Die Behörde muss hierfür nicht nur allgemein zuständig sein; erforderlich ist, dass die Versicherung über den Gegenstand, auf den sie sich bezieht, und in dem Verfahren, zu dem sie eingereicht wird, abgegeben werden darf und dass sie rechtlich nicht völlig wirkungslos ist (BGH StV 1985, 505). Angaben, die für den Ausgang des konkreten Verfahrens ohne jede mögliche Bedeutung sind, werden von der Wahrheitspflicht nicht erfasst (OLG Düsseldorf StV 1985, 61). Die Versicherung muss eine rechtliche Wirkung entfalten (BGH bei Dallinger MDR 1972, 923 [924]). Auszuscheiden haben nach dem Schutzzweck des § 156 StGB diejenigen Tatsachenbehauptungen, die für das konkrete Verfahren ohne jede mögliche Bedeutung sind (BGH NJW 1990, 918 [920] mit Anm. Keller JR 1990 480 [481]).
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält das Urteil des Landgerichts rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Amtsgericht … war für die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung zuständig. In Gewaltschutzsachen können auf Antrag vorläufige Regelungen durch eine einstweilige Anordnung erfolgen (§ 214 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Zur Glaubhaftmachung von tatsächlichen Behauptungen ist in diesem Verfahren die Versicherung an Eides Statt zulässig (§ 31 Abs. 1 FamFG), der sich nicht nur der Antragsteller, sondern auch der Antragsgegner bedienen kann (vgl. Zöller-Geimer/Greger, ZPO, 28. Auflage, § 294 Rn. 2).
b) Zwar ist dem Landgericht insoweit zuzustimmen, als die beiden Vorfälle vom April 2009 und vom Frühjahr 2009 (Würgen am Hals und Ohrfeige) nicht geeignet sind, den Angeklagten im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 2 Abs. 1 GewSchG aus der Wohnung zu weisen, denn dieser Anspruch ist nicht innerhalb von drei Monaten nach der Tat geltend gemacht worden (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 GewSchG). Jedoch sind die Vorfälle für Anordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GewSchG nicht ohne jede Bedeutung. So ist es denkbar, dem Angeklagten ein Zusammentreffen mit Frau … zu verbieten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GewSchG), indem bestimmt wird, dass er sich ihr nicht bis auf eine bestimmte Entfernung nähern darf. Ob dies in diesem Fall praktisch durchführbar gewesen wäre, kann offen bleiben. Maßgebend ist, dass es im Zeitpunkt der Abgabe der Versicherung möglich erschien. Unerheblich ist deshalb, dass das Familiengericht hierauf in seinem Beschluss vom 3. März 2010 nicht eingegangen ist.
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c) Auch im Hinblick auf den Vorfall vom 5. Februar 2010 (Stoßen) kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtlich völlig bedeutungslos war. Nach den Darlegungen des Landgerichts hat das Familiengericht diesen Antrag abgelehnt, da es „sehr fraglich“ sei, ob dadurch eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 GewSchG verwirklicht worden sei. Auch hätten Zeugen an Eides Statt versichert, dass es zu keiner körperlichen Gewalt gekommen sei. Das Familiengericht hat demnach die Behauptung der damaligen Antragstellerin … einer inhaltlichen Würdigung unterzogen. Damit ist auch die eidesstattliche Versicherung des Angeklagten hierzu rechtlich nicht völlig bedeutungslos.
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Darüber hinaus war das Familiengericht gehalten, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG) und die erforderlichen Beweise in geeigneter Form zu erheben, ohne hierbei an das Vorbringen der Beteiligten gebunden zu sein (§ 29 Abs. 1 FamFG). Ein Stoß kann durchaus den Tatbestand einer Körperverletzung verwirklichen. Das Familiengericht hätte - sofern es hierzu Anlass gehabt hätte - entsprechende Aufklärungen veranlassen können. In diesem Zusammenhang kann durchaus von Bedeutung sein, wie sich der Angeklagte im Jahre 2009 der damaligen Antragstellerin … gegenüber verhalten hat. Somit sind die Vorfälle dieses Jahres, die für sich genommen für den Antrag nach § 2 GewSchG verfristet sind, im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich des Vorfalls vom 5. Februar 2010 möglicherweise durchaus von Bedeutung. Sie sind rechtlich nicht völlig unerheblich und werden deshalb bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von der Wahrheitspflicht umfasst.
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3. Auf der Grundlage der Feststellungen der Strafkammer hat sich der Angeklagte somit nach § 156 StGB schuldig gemacht, da die Beweiswürdigung des Landgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Das Urteil ist deshalb mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 1 StPO). Eine Verurteilung durch das Revisionsgericht unter Zurückweisung an die Strafkammer zur Festsetzung der Strafe ist nicht zulässig, da der Angeklagte nicht geständig war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 354 Rn. 20 m. w. N.).

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