Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 19 VA 3/14

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 9. August 2013 wird als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Geschäftswert: 5.000,00 EUR.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin hatte mit Anwaltsschriftsatz vom 21. März 2013 (Anlage AS 9; hinter GA 81) dem zuständigen Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht S… unter Hinweis auf § 51 Nr. 3 InsO i.V.m. §§ 369 ff. HGB den schriftlichen Auftrag zu einer öffentlichen Versteigerung von Werkzeugmaschinen erteilt, welche in einer von der Antragstellerin eigens angemieteten Halle in I… eingelagert sind.
Diesen Auftrag lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 9. August 2013 (DRII-1200/13; Anlage AS 15; hinter GA 81) mit der Begründung ab, dass er sich an dessen Ausführung durch ein Vollstreckungsverbot nach § 89 InsO gehindert sehe, nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts C… vom 5. Dezember 2012 (14 IN 2851/12; Anlage AS 7; hinter GA 81) das Insolvenzverfahrens über das Vermögen der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen M… eröffnet worden sei.
Gegen die Ablehnung der Durchführung des Versteigerungsantrags legte die Antragstellerin am 20. August 2013 beim Amtsgericht S… mit Schriftsatz vom 16. August 2013 (Anlage AS 16; hinter GA 81 = GA 1 ff.) „Erinnerung nach § 766 ZPO“ ein. Dieser Rechtsbehelf der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts S… vom 23. Oktober 2013 (2 M 3123/13; Anlage AS 18; hinter GA 81 = GA 33 f.) mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen für ein Befriedigungsrecht kraft Zurückbehaltungsrechts nach § 371 HGB nicht gegeben seien.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 10. November 2013 mit Schriftsatz vom 9. November 2013 (Anlage AS 19; hinter GA 81) sofortige Beschwerde ein und berief sich hierbei zusätzlich auf das gesetzliche Pfandrecht des Frachtführers wie auch des Lagerhalters. Dem Rechtsmittel wurde mit Beschluss des Amtsgerichts S… vom 23. Januar 2014 (2 M 3123/13; Anlage AS 21; hinter GA 81) mit der Begründung nicht abgeholfen, dass im hier gegebenen Fall der Weigerung des Gerichtsvollziehers zur Durchführung der öffentlichen Versteigerung nicht die Erinnerung gem. § 766 ZPO statthaft sei, sondern gem. §§ 23 ff. EGGVG das Oberlandesgericht anzurufen sei.
Nach erfolgter Zustellung dieses Beschlusses am 28. Januar 2014 (vgl. GA 79) nahm die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. Februar 2014 (GA 66) ihre sofortige Beschwerde zurück und reichte am 19. Februar 2014 mit Schriftsatz vom 17. Februar 2014 (GA 75 ff.) beim Oberlandesgericht Stuttgart Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG (GA 75 ff.) ein, wobei sie gleichzeitig vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte.
Während sich der Antragsgegner hierzu innerhalb der bis 10. März 2014 gewährten Stellungnahmefrist (vgl. GA 84) nicht geäußert hat, hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M… eingewandt, dass die Insolvenzschuldnerin nicht Eigentümerin der streitgegenständlichen Maschinen sei.
II.
1.
Zwar ist nach einhelliger Auffassung gegen eine von einem Gerichtsvollzieher ausgesprochene Ablehnung einer öffentlichen Versteigerung in einem ihm gesetzlich zugewiesenen Bereich grundsätzlich ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. September 2012 – I-3 VA 4/12, 3 VA 4/12; Rz. 16 bei juris m.w.N.).
Auch stünde der Zulässigkeit des Antrags per se nicht entgegen, dass die Antragstellerin verkannt hat, dass ein solcher Antrag nicht gegen die Schuldnerin, sondern gegen den betreffenden Gerichtsvollzieher zu richten ist. Denn die Antragstellerin hat jedenfalls deutlich gemacht, dass sie sich gegen die Ablehnung ihres Versteigerungsauftrags durch den Antragsgegner wendet (vgl. hierzu OLG Köln, Beschl. v. 30. Dezember 1999 - 7 VA 2/99, OLGR Köln 2000, 340, 341).
2.
Im vorliegenden Fall war der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners vom 9. August 2013 (DRII-1200/13; Anlage AS 15; hinter GA 81) allerdings als unzulässig zu verwerfen, da er nicht innerhalb der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG eingereicht wurde und die Voraussetzungen für eine Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 26 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
a)
10 
Die Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung beträgt gem. § 26 Abs. 1 EGGVG einen Monat nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides oder, soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG) vorausgegangen ist, nach Zustellung des Beschwerdebescheides.
aa)
11 
Da vorliegend die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners vom 9. August 2013 nicht von Gesetzes wegen der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterlag (vgl. § 24 Abs. 2 EGGVG) und damit kein Fall des § 26 Abs. 1, 2. Alt. EGGVG gegeben ist, ist für den Beginn des Fristlaufs gem. § 26 Abs. 1, 1. Alt. EGGVG der Zeitpunkt der Zustellung oder der schriftlichen Bekanntgabe jenes Bescheides maßgeblich.
bb)
12 
Die ablehnende Entscheidung wurde der Antragstellerin spätestens am 16. August 2013 schriftlich bekannt gegeben, nachdem deren hiergegen beim Amtsgericht S… eingereichte „Erinnerung“ (Anlage AS 16; hinter GA 81 = GA 1 ff.) jenes Datum trägt.
13 
Die Antragsfrist endete damit am 16. September 2013 (vgl. §§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB), weswegen der ausweislich des Eingangsstempels (GA 75) erst am 19. Februar 2014 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereichte Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. Februar 2014 verspätet ist.
cc)
14 
Dem Lauf der Frist stand insbesondere auch nicht der Umstand entgegen, dass der Bescheid des Antragsgegners keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, da eine diesbezügliche Pflicht für Akte, die § 23 EGGVG unterliegen, generell nicht besteht (vgl. nur Lückemann in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 26 EGGVG Rz. 3 m.w.N.).
3.
15 
Was den vorsorglich gestellten Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (GA 80) betrifft, welcher in der am 19. Februar 2014 eingereichten Antragsschrift vom 17. Februar 2014 enthalten ist, so fehlt es bereits an dessen Zulässigkeit.
a)
16 
Zwar war die Antragstellerin ohne Verschulden gehindert, die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG einzuhalten (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EGGVG).
17 
Denn im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG führt gerade im hier gegebenen Fall eines wenig bekannten Rechtsbehelfs, wie es der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG darstellt, das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung dazu, dass die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als unverschuldet anzusehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27. September 2012 - 2 BvR 1766/12, NJW 2013, 39 Tz. 14).
18 
Insbesondere findet dieser Grundsatz seinen Niederschlag in der - allerdings erst ab 1. Januar 2014 in Kraft getretenen - Bestimmung des § 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG n.F., der zufolge hinsichtlich der Fristversäumung ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn in dem Bescheid oder - soweit ein Beschwerdeverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG) vorausgegangen ist, in dem Beschwerdebescheid - eine Belehrung über die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung sowie über das Gericht, bei dem er zu stellen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist unterblieben oder unrichtig erteilt ist.
b)
19 
Allerdings hat die Antragstellerin die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nicht gewahrt, welcher gem. § 26 Abs. 3 Satz 1 EGGVG binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen ist.
aa)
20 
Der Wegfall des Hindernisses ist am 28. Januar 2014 eingetreten, nachdem der Antragstellerin an diesem Tage der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts S… vom 23. Januar 2014 (2 M 3123/13; Anlage AS 21; hinter GA 81) zugestellt worden war (vgl. GA 79), in dessen Gründen ihr erstmals vor Augen geführt worden war, dass der von ihr eingelegte Rechtsbehelf der Erinnerung gem. § 766 ZPO nicht statthaft war, sondern vielmehr ein Anwendungsfall des § 23 EGGVG gegeben ist.
bb)
21 
Die Wiedereinsetzungsfrist endete daher am 11. Februar 2014 (vgl. §§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB), weswegen der - ausweislich des Eingangsstempels (GA 75) - erst am 19. Februar 2014 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet ist.
III.
22 
Selbst wenn man Vorstehendes außer Acht ließe, hätte der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch in der Sache keinen Erfolg.
23 
Denn der Antragsgegner durfte die Ausführung des Auftrags der Antragstellerin dann ablehnen, wenn diese damit – wie im vorliegenden Fall - einen offensichtlich unzulässigen Pfandverkauf begehrt (vgl. § 238 Nr. 2 Satz 5 GVGA a.F. bzw. den seit 1. September 2013 in Kraft befindlichen § 181 Abs. 2 Satz 5 GVGA n.F.).
1.
24 
Zwar hat sich der Antragsgegner bei seiner ablehnenden Entscheidung zu Unrecht auf § 89 InsO berufen, da diese Vorschrift lediglich Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens untersagt, wohingegen die Antragstellerin auf ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 2 InsO (i.V.m. §§ 369, 371 HGB) bzw. nach § 50 Abs. 1 InsO (i.V.m. § 441 HGB bzw. § 475 b HGB) rekurriert und auf dieser Grundlage eine Befriedigung außerhalb der Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften des Pfandverkaufs im Wege der öffentlichen Versteigerung erstrebt.
2.
25 
Allerdings ist angesichts des Inhalts des - von der Antragstellerin selbst vorgelegten -Lagerscheins vom 29. September 2012 (Anlage AS 6; hinter GA 81) von der offensichtlichen Unzulässigkeit des Pfandverkaufs im Wege der öffentlichen Versteigerung auszugehen.
26 
Denn aus diesem Lagerschein geht hervor, dass die Antragstellerin den unmittelbaren Besitz an den streitgegenständlichen Werkzeugmaschinen aufgrund Einlagerung für eine M…GmbH – nicht hingegen für die Insolvenzschuldnerin M… GmbH & Co. KG – erlangt hat.
IV.
1.
27 
Infolge des Wegfalls von § 30 Abs. 1 EGGVG a.F. mit Wirkung vom 1. August 2013 durch das 2. KostRMoG vom 23. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2586; zum Übergangsrecht s. § 136 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 GNotKG) resultiert die Kostenentscheidung aus §§ 1 Abs. 2 Nr. 19, 22 GNotKG i.V.m. Teil 1, Hauptabschnitt 5, Abschnitt 3, Nr. 15301 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 28. August 2013 - 2 VAs 10/13, JurBüro 2014, 85).
2.
28 
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG, dem zufolge in Ermangelung genügender Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Wertes ein Geschäftswert von 5.000,00 EUR anzusetzen ist (vgl. OLG Celle, aaO).
V.
29 
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 29 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EGGVG):

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen