Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 6 U 141/14

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens und des Rechtsstreits im ersten Rechtszug wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Gegenstand des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen war die von den Klägern begehrte Feststellung, dass ein mit der Beklagten geschlossener Verbraucherdarlehensvertrag durch Widerruf beendet worden ist.
Der Streitwert der Klage war gemäß § 48 Abs.1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen. Der Wert eines Feststellungsbegehrens ist nach dem wahren Interesse des Klägers an dem Urteil zu schätzen (BGH v. 1.6.1976 – VI ZR 154/75). Für den Streit um die Wirksamkeit des Widerrufs bedeutet dies, dass es auf die wirtschaftlichen Vorteile ankommt, die sich der Kläger infolge des Widerrufs im Gegensatz zur Erfüllung des Vertrages verspricht. Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 6120 f.).
Anders als bei der schlichten Unwirksamkeit des Darlehensvertrages (dazu OLG Karlsruhe v. 11.4.2005 – 17 W 21/05 für den Fall einer negativen Feststellungsklage), bei der ein Wegfall der Verpflichtung zur Rückzahlung des erhaltenen Darlehens denkbar ist, wandelt sich der Darlehensvertrag infolge des Widerrufs gemäß §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB unmittelbar in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um, kraft dessen der Darlehensnehmer – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 358 BGB – in gleicher Weise wie beim Fortbestehen des Kreditvertrages verpflichtet ist, die Darlehensvaluta zu erstatten. Das wahre Interesse des Darlehensnehmers, der die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs begehrt, liegt deshalb nicht darin, von der Rückzahlung des Darlehens befreit zu werden. Der Streitwert der Feststellungsklage kann also nicht mit der Darlehensrestschuld im Zeitpunkt des Widerrufs gleichgesetzt werden. Auch der Wert der Sicherheiten, die der Darlehensnehmer geleistet hat, ist nicht maßgebend, denn diese dienen dem Darlehensgeber wie im Falle der Erfüllung des Darlehensvertrages regelmäßig auch nach Widerruf des Darlehensvertrages als Sicherheit für die Rückzahlung des Darlehens (BGH v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00). Der wirksame Widerruf begründet deshalb keinen Anspruch auf sofortige Rückgewähr der Sicherheit ohne Ablösung der Darlehensrestschuld.
Klammert man die von den Klägern sowohl bei Fortführung des Vertrages als auch im Falle des wirksamen Widerrufs geschuldete Erstattung des überlassenen Darlehens aus, könnte sich ein wirtschaftlicher Vorteil der Kläger mit Blick auf die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen ergeben, wenn die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus § 346 BGB zu einem Saldo zugunsten der Kläger führen würde. Dass dies vorliegend der Fall ist, machen die Kläger nicht geltend.
Das wirtschaftliche Interesse der Kläger an der Wirksamkeit des Widerrufs kann deshalb nur darin gesehen werden, dass sie durch den Widerruf von ihrer Verpflichtung befreit werden, künftig bis zum Ablauf der Zinsbindung die vereinbarten Zinsen für das Darlehen zu entrichten (so auch OLG Stuttgart v. 28.1.2015 – 9 U 119/14). Da es sich bei den Zinszahlungen um wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 9 ZPO handelt, ist diese Vorschrift im Rahmen der Schätzung gemäß § 3 ZPO ergänzend heranzuziehen. Ungeachtet der Klageart erfasst § 9 ZPO allgemein den Wert eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen (BGH v. 17.5.2000 - XII ZR 314/99). Die Voraussetzung für die Anwendung des § 9 ZPO, dass das Stammrecht selbst im Streit ist (Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 9 Rn. 1; OLG Karlsruhe v. 11.4.2005 – 17 W 21/05), ist gegeben. Bezogen auf die Zukunft ist die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs auf den Wegfall des Bezugsrechts des Darlehensgebers gerichtet, künftig die vertraglich vereinbarten Zinsen zu verlangen. Angesichts der – lediglich auf gewandeltem Rechtsgrund – fortbestehenden Verpflichtung das Darlehensnehmers, das Darlehen zurückzuzahlen, kann der Wert dieses Stammrechts aber nicht mit der offenen Valuta bemessen werden, vielmehr ist nach den Grundsätzen des § 9 ZPO zu verfahren.
Demnach ist bei der Wertfestsetzung gemäß § 3 ZPO regelmäßig der Betrag der im Zeitpunkt des Widerrufs nach dem Vertrag bis zum Ablauf der Zinsbindung noch anfallenden Zinsen zu schätzen, allerdings begrenzt durch den dreieinhalbfachen Jahresbetrag (§ 9 ZPO). Eine Wertfestsetzung in Höhe der offenen Darlehensrestschuld stünde demgegenüber – bei hoher Restschuld – außer Verhältnis zur wahren wirtschaftlichen Bedeutung der Sache und wäre für den nicht rechtsschutzversicherten Verbraucher mit unverhältnismäßigen Kostenrisiken verbunden, die geeignet wären, ihn von der Durchsetzung seiner gesetzlichen Rechte abzuhalten.
Ausgehend von den vertraglich vereinbarten Darlehenskonditionen schätzt der Senat den Streitwert der Klage nach den dargestellten Grundsätzen auf rund 20.000 EUR. Dieser Wert ist gemäß § 47 Abs. 1 GKG auch für das Berufungsverfahren maßgebend.

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