Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 483/15

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Gläubigerin werden die Beschlüsse der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 10.11.2015 (Az. 19 T 381/15) und des Amtsgerichts Waiblingen vom 25.08.2015 (Az. 14 M 1374/15)

aufgehoben.

2. Der Kostenansatz des Obergerichtsvollziehers vom 23.07.2015 (DR II 1045/15) wird insoweit abgeändert, als die Kosten der Zustellung auf EUR 7,05 ermäßigt werden.

3. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Mit Schriftsatz an die Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge beim Amtsgericht Waiblingen vom 18.06.2015 hat die Gläubigerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802 c ZPO gestellt. Für den Fall, dass der Schuldner dem Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Auskunft unentschuldigt verweigert, wurde beantragt, den Erlass eines Haftbefehls und die Verhaftung des Schuldners zu bewirken. Zudem teilte die Gläubigerin mit, sie sei, sollte der Schuldner im Rahmen der Vermögensauskunft eine gütliche Erledigung beantragen, einverstanden.
Der Vollstreckungsauftrag enthielt die folgende Weisung: „Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen!“.
Mit Schreiben an die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin vom 23.07.2015 teilte der Obergerichtsvollzieher mit, die Schuldnerin habe im Termin die Vermögensauskunft antragsgemäß abgegeben. Ein Ausdruck derselben lag dem Schreiben bei. Zugleich erstellte der Obergerichtsvollzieher die Kostenrechnung über EUR 58,10 (persönliche Zustellung KV 100: EUR 10,00; Abnahme der Vermögensauskunft KV 260: EUR 33,00; 2 x Wegegeld KV 711 10-20 km: EUR 6,50; Auslagenpauschale KV 716: EUR 8,60).
Die Gläubigerin erhob mit Schreiben vom 05.08.2015 beim Amtsgericht Waiblingen Kostenerinnerung wegen des Ansatzes der Gebühr für die persönliche Zustellung (KV 100) und der sich hieraus ergebenden Erhöhung der Auslagenpauschale. Der Obergerichtsvollzieher hat mit Schreiben vom 19.08.2015 der Erinnerung nicht abgeholfen und seine Ermessenserwägungen zu Gunsten der persönlichen Zustellung dargelegt.
Das Amtsgericht Waiblingen - Vollstreckungsgericht - hat mit Beschluss vom 25.08.2015 (14 M 1374/15) die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Diese wurde im folgenden von der Gläubigerin eingelegt. Der Vertreter der Staatskasse ist der Beschwerde entgegengetreten.
Die 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat die Beschwerde der Gläubigerin durch Beschluss vom 10.11.2015 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer antragsgemäß zugelassenen weiteren Beschwerde.
Die Gläubigerin ist der Auffassung, der Ansatz der Gebühr gemäß Nr. 100 KVGv für die persönliche Zustellung sei unzulässig, da der Gerichtsvollzieher angewiesen gewesen sei, erforderliche Zustellungen durch die Post zu bewirken. Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers unterliege der Disposition des Gläubigers. Der Gerichtsvollzieher sei durch die Regelungen der GVGA als Verwaltungsanordnung nur in der Weise gebunden, dass er sie dienstrechtlich zu beachten habe. Die GVGA sei kein Gesetz, im Außenverhältnis seien die Regelungen der ZPO allein maßgebend. Das dem Gerichtsvollzieher gemäß § 15 Abs. 2 GVGA hinsichtlich der Wahl der Zustellungsart eröffnete pflichtgemäße Ermessen zwischen der persönlichen Zustellung und der Zustellung durch die Post werde durch den ausdrücklichen Auftrag des Gläubigers verdrängt. Weisungen des Gläubigers seien bindend, wenn sie zu Gesetzen oder der GVGA nicht im Widerspruch stünden. Der Gerichtsvollzieher sei nach § 802 a Abs. 1 ZPO gehalten, nur die notwendigen Kosten entstehen zu lassen. Mangels besonderer Anhaltspunkte für eine Eilbedürftigkeit sei der Gerichtsvollzieher vorliegend weisungsgemäß gehalten gewesen, die Zustellung per Post durchzuführen. Allgemeine Erwägungen und Erfahrungswerte seien nicht zu berücksichtigen, da sonst eine Überprüfung des Ermessens unmöglich sei. Weiter verweist die Gläubigerin auf § 58 Abs. 2 GVGA, wonach der Gerichtsvollzieher hinsichtlich der Ausführung der Zwangsvollstreckung auf etwaige Wünsche des Gläubigers und des Schuldners Rücksicht zu nehmen habe, soweit dies ohne überflüssige Kosten und Schwierigkeiten und der Beeinträchtigung des Zwecks der Zwangsvollstreckung geschehen könne. Nur wenn der Gläubiger keine Disposition treffe, komme es überhaupt zur Ermessensentscheidung des Gerichtsvollziehers. Die Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft sei dem Schuldner grundsätzlich per Post zu übersenden. Das Beschwerdegericht verkenne, dass im Rahmen der Ermessensnorm des § 15 Abs. 2 Satz 1 GVGA die zu erledigende Aufgabe in der Zustellung der Ladung bestehe. Weitere Aufgaben, die in diesem Zusammenhang erledigt werden können, etwa der Versuch einer gütlichen Einigung, hätten außer Betracht zu bleiben. Dies ergebe sich schon aus der systematischen Stellung des § 15 GVGA, der sich im 1. Abschnitt des zweiten Teils der GVGA finde, während die Zwangsvollstreckung im 2. Abschnitt geregelt sei.
Der Gerichtsvollzieher habe das ihm eingeräumte Ermessen vorliegend ermessensfehlerhaft ausgeübt. Die von ihm in seiner Stellungnahme vom 19.08.2015 vorgetragenen Gründe, dass die persönliche Zustellung der Ladung auch der Kontaktaufnahme mit dem Schuldner und damit zu dem Versuch einer gütlichen Einigung in einem frühen Stadium führen könne, seien nicht zu berücksichtigen. Zudem habe der Gerichtsvollzieher in seiner Ermessenentscheidung die Weisung des Gläubigers, die Zustellung durch die Post zu erledigen, nicht berücksichtigt. Der Gerichtsvollzieher habe damit einen unzutreffenden Ansatz für seine Ermessensentscheidung gewählt und nicht alle maßgeblichen Kriterien eingestellt. Das mache die Entscheidung ermessensfehlerhaft, was auch vom Beschwerdegericht verkannt werde. Weiter verkenne das Beschwerdegericht, dass auch eine postalische Zustellung nicht gegen § 31 Abs. 2 GVGA verstoße. Das Ergebnis der Ermessensentscheidung des Gerichtsvollziehers sei mithin durch die normative Lage dahin vorgeprägt, dass grundsätzlich die Ladung per Post zuzustellen sei, eine andere Verfahrensweise dem Gerichtsvollzieher zwar offen stehe, aber keine Kostenlast des Gläubigers und Schuldners über die für die postalische Zustellung anfallende Vergütung hinaus auslöse. Dagegen könnten nur konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall stehen, die den Erfolg der persönlichen (wohl gemeint: postalischen) Ladung in Frage stellen. Die Verpflichtung zu einer kostensparenden Beitreibung nach § 802 a Abs. 1 ZPO sowie die allgemeine Weisungs- und Dispositionsbefugnis des Gläubigers gehörten zu den allgemeinen Erwägungen. Diese hätten das Gericht sowie der Gerichtsvollzieher jedoch vorliegend völlig außer Acht gelassen. Das Beschwerdegericht verkenne vorliegend somit zwingende Gründe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen seien, und komme zu dem fehlerhaften Ergebnis, das die vom Gerichtsvollzieher eingestellten Gründe ausreichend seien, die persönliche Zustellung zu rechtfertigen.
Die Beschwerdekammer des Landgerichts hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
10 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Beschlüsse, die Rechtsmittelbegründungen der Gläubigerin sowie auf die Stellungnahmen des Obergerichtsvollziehers und des zentralen Prüfungsbeamten für Gerichtsvollzieher beim Landgericht Stuttgart als Vertreter der Staatskasse verwiesen.
II.
11 
Die weitere Beschwerde der Gläubigerin ist auf Grund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG). Dies ist hier der Fall.
1.
12 
Nach § 802 f Abs. 4 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zuzustellen. Hierbei handelt es sich um eine Zustellung im Parteibetrieb gemäß §§ 191 ff. ZPO. Der Gerichtsvollzieher nimmt sie auf Grund des Vollstreckungsauftrages selbst vor (§ 193 ZPO) oder er lässt sie durch die Post durchführen (§ 194 ZPO; Thomas/Putzo/Seiler, 36. Auflage 2015, § 802 f ZPO, Rdnr. 8, § 802 c ZPO, Rdnr. 2). Die Wahl zwischen beiden Zustellungsarten trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Köln Rpfleger 2015, 661; OLG Stuttgart/Senat NJW 2015, 2513; Zöller/Stöber, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 192 ZPO, Rdnr. 3; MüKoZPO/Häublein, 4. Auflage 2013, § 192 ZPO, Rdnr. 2; Musielak/Wittschier, Zivilprozessordnung, 12. Auflage 2015, § 194 ZPO, Rdnr. 2; Beck OK ZPO/Dorndörfer, Stand 01.03.2016, § 192 ZPO, Rdnr. 2; Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, 7. Auflage 2015, § 802 f ZPO, Rdnr. 4; Schröder-Kay/Gerlach, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 13. Auflage 2014, § 7 GvKostG, Rdnr. 11). In § 15 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) hat diese Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen ausdrücklich Niederschlag gefunden. Als Konkretisierung dessen sind in § 15 Abs. 2 Satz 2 GVGA auch Fälle genannt, in denen die persönliche Zustellung „insbesondere“ zu erfolgen hat. Die GVGA hat den Charakter einer Verwaltungsvorschrift (Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Auflage 2010, § 25, Rdnr. 11; Schwörer DGVZ 2010, 73).
2.
13 
Inwieweit eine auf die Zustellungsart bezogene Weisung des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist, den Gerichtsvollzieher per se bindet oder jedenfalls das dem Gerichtsvollzieher eingeräumte Ermessen - gegebenenfalls „auf Null“ (offengelassen in OLG Stuttgart/Senat NJW 2015, 2513) - reduziert, wird unterschiedlich beurteilt.
a)
14 
Eine Bindung des Gerichtsvollziehers an eine Weisung des Gläubigers ergibt sich - wie das Beschwerdegericht zu Recht ausgeführt hat - nicht bereits aus der im Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich geltenden Dispositionsmaxime. Diese bewirkt nicht, dass im Falle einer konkreten Weisung hinsichtlich der Zustellungsart der Gerichtsvollzieher gleichsam bereits jenseits des ihm grundsätzlich eröffneten Ermessens von vornherein bindend festgelegt wäre. Das Prinzip der Parteiherrschaft gilt im Zwangsvollstreckungsverfahren insoweit, als der Gläubiger Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt (Zöller/Stöber, a.a.O., vor § 704 ZPO, Rdnr. 19; vgl. Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, a.a.O. § 5, Rdnr. 76). Das bedeutet, dass Weisungen des Gläubigers, die Beginn, Art und Ausmaß der Zwangsvollstreckung betreffen, für den Gerichtsvollzieher gemäß § 31 Abs. 2 GVGA dann bindend sind, wenn sie zu den Gesetzen und zur GVGA nicht in Widerspruch stehen (Gottwald/Mock, a.a.O., § 753 ZPO, Rdnr. 1).
15 
Demgegenüber lässt sich eine „allgemeine Dispositionsbefugnis“ des Gläubigers in einem weiter verstandenen Sinne aus dem Gesetz nicht begründen. Der Gerichtsvollzieher übt die staatliche Zwangsgewalt unter eigener Verantwortung als selbständiges Organ der Rechtspflege aus (BVerwGE 65, 260; BGHZ 93, 287). Bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung handelt er selbständig und in eigener Verantwortung (BGHZ 93, 287). Der Gerichtsvollzieher handelt stets hoheitlich und wird nicht als Vertreter der Gläubiger tätig (BGH NJW 2011, 2149). Ein „Verzicht“ des Gläubigers auf bestimmte Vorteile der einen oder anderen Zustellungsart ist deshalb nicht ohne weiteres maßgebend. Eine Pflicht, Weisungen des Gläubigers zu befolgen, besteht wegen der eigenen Verantwortung des Gerichtsvollziehers nur insoweit, als die Prozessgesetze oder ihnen nicht widersprechende Dienstanweisungen das nicht ausschließen (Stein/Jonas/Münzberg, Zivilprozessordnung, 22. Auflage 2002, § 753 ZPO, Rdnr. 9). Bei der vorliegend in Rede stehenden Frage der Art der Zustellung der Ladung zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802 f Abs. 4 ZPO) ist zu berücksichtigen, dass die den Gerichtsvollzieher gemäß § 802 a Abs. 1 ZPO treffenden Gebote teils gegenläufiger Natur sind. Auf der einen Seite soll der Gerichtsvollzieher die Zustellung zügig veranlassen, andererseits soll er kostensparend handeln (s. auch § 58 GVGA). Zudem soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein (§ 802 b Abs. 1 ZPO). Vor dem Hintergrund dieser vom Gesetz vorgegebenen Ziele hat der Gerichtsvollzieher in eigener Verantwortung zu entscheiden, auf welche Weise er die Zustellung vornimmt. Für ein allein entscheidendes Weisungsrecht des Gläubigers ist insoweit kein Raum, ein solches findet im Gesetz keine Grundlage.
b)
16 
Aus dem Vorgesagten ergibt sich bereits, dass auch eine Ermessenreduzierung „auf Null“ nicht ohne Weiteres durch eine Weisung des Gläubigers hinsichtlich der Art der Zustellung angenommen werden kann (anders wohl aber OLG Köln Rpfleger 2015, 661 obiter für den Fall, dass der Gläubiger „im Einzelfall die Zustellung per Post beauftragt“). Vielmehr geben insbesondere die genannten gesetzlichen Gebote, die an den Gerichtsvollzieher gerichtet sind, den Rahmen der Ermessenentscheidung vor. Das Begehren eines Gläubigers, dass Zustellungen durch die Post - und damit kostensparend - erledigt werden, ist dabei einer der im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden maßgebenden Umstände. Um den Anforderungen gerecht zu werden, die sich aus den verschiedenen sachlichen Gesichtspunkten, die zu beachten sind, ergeben, muss indes dem Gerichtsvollzieher ein weiter Ermessensspielraum zugestanden werden (OLG Köln Rpfleger 2015, 661). Der Senat hält auch die Erwägung für richtig, dass angesichts des Umstandes, dass es sich um ein Massenverfahren handelt, im Einzelfall an die Ermessensausübung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden können und dürfen, um nicht die Effektivität des Verfahrens als solches in Frage zu stellen (OLG Köln Rpfleger 2015, 661). Gleiches muss für das Maß der Darlegung der Ermessenserwägungen gelten. Damit einher geht, dass es der Senat weiterhin für richtig hält, dass der Gerichtsvollzieher bei der Wahl der Zustellungsart nicht ausschließlich die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat, sondern auch auf allgemeine Erwägungen und insbesondere generelle Erfahrungswerte bezüglich der Vereinfachung und Beschleunigung der ihm erteilten Vollstreckungsaufträge zurückgreifen darf. Insoweit wird im Einzelnen auf den Beschluss des Senats vom 23.02.2015 (NJW 2015, 2513) verwiesen. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass solche allgemeinen Erwägungen und Erfahrungswerte jeweils im konkreten Fall und bezogen auf die hier ersichtlichen Umstände herangezogen werden, also tatsächlich eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Ermessensentscheidung getroffen wird. Dabei kann etwa eine Kenntnis der Verhältnisse des Schuldners und seiner Erreichbarkeit eine Rolle spielen, es können aber auch außergewöhnliche Umstände wie der Poststreik im Sommer 2015 maßgeblich sein. Was die Kenntnis des Schuldners und seiner Verhältnisse anbelangt, ist auch zu bedenken, dass im Unterschied zur früheren Rechtslage gemäß § 807 ZPO a.F. die Zustellung der Ladung zur Vermögensauskunft nach neuem Recht häufig bereits zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens erfolgt. Ein zuvor tatsächlich erfolgter oder voraussichtlich fruchtloser Pfändungsversuch ist nicht mehr Voraussetzung für die Auskunftspflicht des Schuldners.
17 
Das Oberlandesgericht Koblenz (DGVZ 2015, 252) vertritt demgegenüber die Auffassung, die Zustellung der Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft habe aus Gründen der kostenschonenden Forderungsbeitreibung (§ 802 a ZPO) sowie einer allgemeinen Dispositionsbefugnis des Gläubigers, der Beginn, Art und Ausmaß der Zwangsvollstreckung bestimme, grundsätzlich durch die Beauftragung der Post zu erfolgen. Für eine andere Verfahrensweise - die persönliche Zustellung - müsse der Gerichtsvollzieher sachliche Gründe des Einzelfalles benennen können (im Ergebnis ähnlich Musielak-Wittschier, a.a.O., § 194 ZPO, Rdnr. 2). Allgemeine Erwägungen trügen vor dem Hintergrund der normativen Vorprägung der Ermessensentscheidung nicht. Dieser Auffassung liegt die auch im vorliegenden Fall von der Gläubigerin vorgebrachte Annahme zugrunde, „die zu erledigende Aufgabe“ bestehe in der Zustellung der Ladung. Weitere Aufgaben, die in diesem Zusammenhang erledigt werden können, etwa der Versuch einer gütlichen Einigung, hätten außer Betracht zu bleiben. Dies ergebe sich schon aus der systematischen Stellung von § 15 GVGA, der sich im Ersten Abschnitt des Zweiten Teils der GVGA finde, während die Zwangsvollstreckung im Zweiten Abschnitt geregelt sei. Es sei deshalb schon fraglich, ob § 15 Abs. 2 Satz 1 GVGA tatsächlich einschlägig sei oder aber nur Anwendung finde, wenn ein isolierter Zustellungsauftrag erteilt werde. Zudem stelle § 802 a Abs. 1 ZPO die Aufgabe, die Beitreibung von Geldforderungen zügig, vollständig und kostensparend durchzuführen. Damit streite schon die gegenüber § 15 GVGA vorrangige gesetzliche Regelung für die postalische Zustellung, da sie nach Nrn. 101, 701, 716 KVGv kostenschonender durchzuführen sei.
18 
Dem vermag der Senat so nicht zu folgen. Dass die Kosten als ein Faktor der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind, zumal wenn vom Gläubiger wie vorliegend ausdrücklich die Zustellung per Post begehrt wird, ist richtig, es kommen aber wie oben ausgeführt andere Faktoren hinzu. Dem steht die systematische Stellung des § 15 GVGA nicht entgegen. Die Regelungen der GVGA zur Zwangsvollstreckung (Zweiter Abschnitt des Zweiten Teils der GVGA) enthalten keine gesonderten Bestimmungen zur Zustellung, weshalb mangels abweichender Regelungen auf die allgemeinen Vorschriften der GVGA zur Zustellung (§§ 9-15 GVGA) zurückzugreifen ist. Der Senat vermag daher dem zitierten Ansatz des Oberlandesgerichts Koblenz nicht zu folgen und sieht im Übrigen wie ausgeführt auch keine allgemeine Dispositionsbefugnis.
3.
19 
Ausgehend von dem Vorgesagten, ist die angegriffene Entscheidung des Beschwerdegerichts zwar hinsichtlich der Verortung des Ermessensrahmens für den Gerichtsvollzieher in keiner Weise zu beanstanden. Einen Rechtsfehler sieht der Senat indes darin, dass das Beschwerdegericht die Ausübung des Ermessens im konkret vorliegenden Fall als ausreichend angesehen hat. Diesbezüglich beruht die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts (§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG).
20 
Die Handhabung des Ermessens ist der Nachprüfung des Revisionsgerichts - hier des Gerichts der weiteren Beschwerde - im Allgemeinen entzogen. Zu überprüfen ist aber, ob die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorgelegen haben, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde, ob dessen Grenzen eingehalten wurden und ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben (vgl. BGH WM 1981, 799; OLG Köln Rpfleger 2015, 661; Zöller/Heßler, a.a.O., § 547 ZPO, Rdnr. 14 m.w.N.).
21 
Im vorliegenden Fall hat der Obergerichtsvollzieher in seinem Schreiben vom 19.08.2015 zwar ausgeführt, er habe die Entscheidung der Wahl der Zustellung (persönliche Zustellung oder Zustellung per Post) hier nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen. Der Obergerichtsvollzieher legt aber nur abstrakt die Vorteile der persönlichen Zustellung dar und beschränkt sich im Übrigen auf den Hinweis, dass die innere Organisations des Büros und die Erledigung der Aufträge in eigener Verantwortung durchgeführt würden und dem Weisungsrecht des Gläubigers entzogen seien. Der Senat vermag hierin eine auf den Fall bezogene Ausübung des Ermessens nicht zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gerichtsvollzieher eine andere Zustellmöglichkeit im vorliegenden Fall überhaupt erwogen hat, zumal angesichts der „Weisung“ der Gläubigerin. Wie oben ausgeführt, kann der Gerichtsvollzieher bei seiner Entscheidung zwar auch allgemeine Erwägungen und insbesondere generelle Erfahrungswerte zurückgreifen, dies muss aber jeweils im konkreten Fall und bezogen auf die hier ersichtlichen Umstände geschehen. Die Ausführungen des Obergerichtsvollziehers im vorliegenden Fall lassen eine solchen konkreten Bezug überhaupt nicht erkennen. Es handelt sich ausschließlich um abstrakte Ausführungen. Bei dieser Sachlage ist den oben genannten Anforderungen an die Ausübung des Ermessens nicht Genüge getan.
22 
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann aus diesem Grund keinen Bestand haben, ebenso wenig die vorangegangene Entscheidung des Amtsgerichts und der zugrunde liegende Kostenansatz. Folge ist allerdings nur eine Reduzierung der Kosten. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Gerichtsvollzieher nicht zumindest die Vergütung zuzubilligen, die er bei einer postalischen Zustellung erhalten hätte (vgl. OLG Koblenz DGVZ 2015, 252). Es sind dies die Gebühr gemäß Nr. 101 KVGv (EUR 3,00) und (fiktive) Auslagen gemäß Nr. 701 KVGv (EUR 3,45) und Nr. 716 KVGv (EUR 0,60). Zu beachten war dabei, dass im vorliegenden Fall ausdrücklich nur der Ansatz der Gebühr gemäß Nr. 100 KVGv nebst anteiliger Auslagenpauschale gemäß Nr. 716 KVGv angegriffen wurde, nicht das Wegegeld. Es ergibt sich insgesamt ein Betrag von EUR 46,65. Der Senat konnte vorliegend in der Sache selbst entscheiden.
4.
23 
Die Kostenentscheidung im Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 GVKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 GKG.

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