Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 8 W 88/19

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Böblingen - Grundbuchamt - vom 20.02.2019 (GRG 1/2019) und die Entscheidung der Urkundsbeamtin des Amtsgerichts Böblingen - Grundbuchamt - vom 24.01.2019 (GRG 324/2018) aufgehoben.

2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Antragstellerin Einsicht in die zur Eintragung einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) zulasten der Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks der Gemarkung ... in Bezug genommene Bewilligungsurkunde des Notars ... in Reutlingen vom 28.11.2001 – UR Nr. ... – zu gewähren.

3. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Zulasten der Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., Tübingen, ist in den Grundbüchern von Tübingen Heft ... eine Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Gemarkung Tübingen, Flst. ... unter Bezugnahme auf eine Bewilligung vom 28.11.2001 mit Nachtrag vom 22.02.2002 eingetragen.
Mit Schriftsatz vom 17.11.2018 hat sich Rechtsanwalt ... gegenüber dem Grundbuchamt des Amtsgerichts Böblingen als Verfahrensbevollmächtigter der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., diese vertreten durch die ... GmbH, ..., legitimiert und für die Wohnungseigentümergemeinschaft Einsicht in die Bewilligungsurkunde vom 28.11.2001 - beurkundet von Notar ... in Reutlingen unter UR-Nr. ... - beantragt.
Mit Schreiben vom 24.01.2019 hat die Urkundsbeamtin den Standpunkt vertreten, die Legitimation der die Wohnungseigentümergemeinschaft verwaltenden ... GmbH sei nachzuweisen, und den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aufgefordert, diesen Nachweis innerhalb von 2 Wochen zu erbringen, andernfalls werde die begehrte Einsicht abgelehnt.
Gegen diese Entscheidung hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Erinnerung eingelegt (§ 12c Abs. 4 GBO), welche die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 20.02.2019 zurückgewiesen hat.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 27.02.2019 seitens des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin in deren Namen eingelegte Beschwerde, der die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 11.03.2019 nicht abgeholfen hat.
II.
Die nach §§ 71 ff. GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Antragstellerin ist die aus dem Tenor ersichtliche Grundbucheinsicht nach § 12 Abs. 1 GBO antragsgemäß zu gewähren.
Des von dem Grundbuchamt verlangten Nachweises der Legitimation der Verwalterin bedarf es im Hinblick auf § 11 Satz 4 FamFG nicht.
Gemäß § 1 FamFG gilt das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in den durch Bundesgesetz den Gerichten zugewiesenen Verfahren. Grundbuchsachen sind als Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Gerichten gemäß § 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG zugewiesen. Das Grundbuchamt hat deshalb das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich immer dann anzuwenden, wenn die Grundbuchordnung keine besonderen Regelungen enthält (KG FGPrax 2014, 149).
Damit kommt im Verfahren über die Gewährung der Grundbuch- und Grundakteneinsicht nach Maßgabe des § 12 GBO, in welchem der Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen nicht der Formstrenge des § 29 GBO unterliegt, auch § 11 Satz 4 FamFG zur Anwendung mit der Folge, dass der Mangel der Vollmacht von Amts wegen nur dann zu berücksichtigen ist, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt oder Notar auftritt (KG a.a.O.; Imre in Kroiß/Horn/Solomon, GBO 2. Aufl. 2019, § 12, Rn. 14; Wilsch in BeckOK GBO, Hügel, 35. Edition, § 12, Rn. 17; Demharter GBO, 31. Aufl., § 12, Rn. 19). Die von dem Grundbuchamt herangezogene Gegenauffassung (Böttcher in Meikel, GBO 11. Aufl., § 12, Rn. 49, ebenso Böhringer, Rpfleger 1987, 181, 189), die in allen Fällen, in denen ein Rechtsanwalt als Vertreter der Partei auftritt, neben der Darlegung eines berechtigten Interesses des Bevollmächtigten die Vorlage einer Vollmacht verlangt, setzt sich mit § 11 Satz 4 FamFG bzw. der gleich lautenden vorausgegangenen Norm in § 13 Abs. 5 Satz 4 FGG nicht auseinander. Die Berufung der Gegenauffassung auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15.03.1984 (2 Z 17/84, Rpfleger 1984, 351) geht fehl, weil diese sich ausschließlich mit der von dem Gericht bejahten Frage, ob ein Rechtsanwalt ein berechtigtes Interesse darzulegen hat, auseinandersetzt. Auch § 43 Abs. 2 GBV vermag die Gegenauffassung nicht zu stützen, da diese Vorschrift den „nachgewiesenen Auftrag“ nur verlangt, wenn der Rechtsanwalt für einen Notar auftritt, der von der Darlegung des berechtigten Interesses nach § 43 Abs. 1 GBV befreit ist.
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Damit genügt im Verfahren über die Gewährung des Einsichtsrechts nach Maßgabe des § 12 GBO die Erklärung des Rechtsanwalts, für den die Grundbucheinsicht begehrenden Beteiligten zu handeln. Diese Erklärung hat Rechtsanwalt ... im Antragsschriftsatz vom 17.11.2018 abgegeben, indem er die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft ... angezeigt hat. Die Prüfung der Legitimationskette von der Wohnungseigentümergemeinschaft auf ihn hat er in eigener Verantwortung vorzunehmen. Ein Nachweis der Legitimation der Immobilienmanagement GmbH wäre nur dann erforderlich, wenn der Rechtsanwalt deren Vertretung und nicht die Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft angezeigt hätte, was nicht der Fall war.
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Allerdings schließt das Auftreten eines Rechtsanwalts für einen Beteiligten die amtswegige Prüfung einer Vollmacht nicht vollständig aus. Eine solche kommt jedoch nur in Betracht, wenn begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen, etwa weil der Rechtsanwalt selbst solche Zweifel geweckt hat (OLG Schleswig, NJW-RR 2012, 199). Derartiges wurde von dem Grundbuchamt indes nicht festgestellt, der Akteninhalt gibt keinen Anlass, die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes durch die Wohnungseigentümergemeinschaft in Frage zu stellen.
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Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat schließlich auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Einsicht. Zwar ist sie nicht die Eigentümerin des belasteten Grundstücks. Sie hat jedoch gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahrzunehmen. Hierzu zählen auch die aus der Dienstbarkeit resultierenden Duldungspflichten der Wohnungseigentümer soweit das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Zur Klärung des Umfangs der Duldungspflicht bedarf es der begehrten Einsicht in die Bewilligungsurkunde vom 28.11.2001.
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Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Anlass für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht nicht (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG).
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Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 61, 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

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