Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 Bf 70/20.Z
Tenor
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. September 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
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Der am xxxxxxx geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals im Jahr 1993 ohne Familie in das Bundegebiet ein und verließ dieses nach eigenen Angaben im Jahr 1996 vorübergehend, um sich in den Niederlanden aufzuhalten. Er wurde nach erneuter Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1998 in die Türkei abgeschoben. Der Kläger heiratete am 12. April 2001 in der Türkei die deutsche Staatsangehörige xxxxxxx und erhielt im September 2001 eine Aufenthaltserlaubnis zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft.
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Das Landgericht Hamburg verurteilte den Kläger mit Urteil vom 20. Februar 2003 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der Kläger hatte mit einem seiner Brüder und einem Cousin mit Heroin gehandelt. Er hatte zu diesem Zweck in seiner Wohnung etwa 2,8 kg Heroin für den Weiterverkauf vorrätig gehalten.
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Die Beklagte wies den Kläger daraufhin mit Verfügung vom 23. September 2004 aus dem Bundesgebiet aus. Nach Entlassung aus der Strafhaft reiste der Kläger im Oktober 2006 aus. In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren einigten sich die Beklagte und der Kläger darauf, die Sperrwirkung der Ausweisung auf den 18. September 2008 zu befristen.
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Am 23. Oktober 2008 reiste der Kläger mit einem Visum zur Familienzusammenführung wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er erhielt zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, am 23. Februar 2012 eine Niederlassungserlaubnis.
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Mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. Juni 2015 wurde der Kläger wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten verurteilt. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Kläger lernte in dem von ihm betriebenen Wettbüro die späteren Mittäter kennen, die zu einer Gruppierung gehörten, welche Heroin aus den Niederlanden bezog. Einer der Mittäter fragte den Kläger, ob er Abnehmer für Heroin kennen würde, woraufhin der Kläger ein Kilogramm Heroin bestellte, für das er bereits einen Abnehmer hatte. Hierfür stand ihm ein Gewinn von 1.500,- Euro in Aussicht. Das Heroin wurde von der Polizei in dem Wagen des Klägers sichergestellt, in dem sich zudem ein aufklappbares Messer und 5.000,- Euro in Bargeld befanden. Der Kläger setzte sich in der Folgezeit in die Niederlande ab, um dem Strafverfahren zu entgehen. Er befand sich dort für mehrere Monate in Strafhaft, begab sich anschließend in die Türkei und stellte sich am 10. Dezember 2014 in Kenntnis des zwischenzeitlich erlassenen Haftbefehls der Polizei in Deutschland.
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Am 1. April 2015 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Gebietsleiter für die Verteilung von Wurfsendungen auf. Am 7. März 2016 trat er seine Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel an. Am 20. Juni 2016 wurde der Kläger in den offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Glasmoor verlegt. Er nahm in dieser Zeit seine vorherige Beschäftigung als Gebietsleiter für Wurfsendungen als Freigänger wieder auf.
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Mit Bescheid vom 28. März 2017 wurde der Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und unter Androhung der Abschiebung in die Türkei zur Ausreise aufgefordert. Das durch die Ausweisung bedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete die Antragsgegnerin nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG auf sechs Jahre ab nachgewiesener Ausreise. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 zurückwies.
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Am 24. Oktober 2017 hat der Kläger gegen diese Verfügung Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erhoben.
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Mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hamburg einen Monat vor Ablauf des Zweidrittelzeitpunktes die Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährung auf vier Jahre ab Rechtskraft des Beschlusses festgesetzt und dem Kläger die Weisung erteilt, nach seiner Entlassung sofort unter behördlicher Anmeldung einen festen Wohnsitz zu begründen und seine Anschrift sowie jede Änderung seiner Anschrift umgehend der Kammer mitzuteilen sowie einer geregelten Arbeit bzw. Ausbildung nachzugehen und sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden.
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Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2019 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28. März 2017 und des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2017 verpflichtet, über die Länge der Befristung der Wirkung der Ausweisung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Ausweisung halte einer rechtlichen Prüfung stand. Einiges spreche dafür, dass die Ausweisung sich an den aus § 53 Abs. 3 AufenthG ergebenden verschärften Anforderungen messen lassen müsse, da der Kläger zu der dort genannten privilegierten Ausländergruppe der Berechtigten nach dem ARB 1/80 gehöre. Ob eine haftbedingte Abwesenheit vom Arbeitsmarkt zum Verlust seines Rechts auf Aufenthalt geführt habe, könne letztlich dahinstehen. Denn der weitere Aufenthalt des Klägers stelle nach der aus der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung der Kammer aus spezialpräventiven Gründen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Es sei von einer relevanten Wiederholungsgefahr auszugehen. Im Fall des Klägers betreffe der möglicherweise eintretende Schaden durch den Handel mit Betäubungsmitteln die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Werteordnung der Grundrechte einen hohen Rang einnähmen. Die aus einer breiteren Tatsachengrundlage gewonnenen Erkenntnisse ließen es aus Sicht des Gerichts nicht ausgeschlossen erscheinen, dass sich der Kläger in Zukunft nochmals zu Drogengeschäften verleiten lassen werde, wenn sich ihm die Gelegenheit hierzu biete und eine psychische Belastungssituation sowie eine finanzielle Notlage da seien. Zwar halte er sich momentan von seinem alten Umfeld fern und sei bestrebt, zu arbeiten und für seine Ehefrau da zu sein. Das Gericht habe allerdings angesichts der Vorgeschichte und der Persönlichkeit des Klägers Zweifel, ob ihm dies auch dauerhaft gelingen werden.
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Der strafrichterlichen Prognoseentscheidung in dem Bewährungsbeschluss vom 28. Dezember 2017 nach Einholung des forensisch-psychologischen Prognosegutachtens komme zwar eine erhebliche indizielle Bedeutung zu. Allerdings habe die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung nicht frei von Bedenken getroffen, weil der Kläger einschlägig vorbestraft sei. Auch die Gutachterin sei immer noch von einem moderaten Rückfallrisiko ausgegangen. Die protektiv wirkenden Faktoren, die die Gutachterin im Rahmen ihrer Beurteilung zu der Annahme eines geringen Rückfallrisikos habe kommen lassen, könnten jederzeit entfallen. Die deshalb anzustellende Abwägung ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise gegenüber dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet überwiege und seine Ausweisung zur Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei.
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Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
II.
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Der gegen dieses Urteil gerichtete zulässige Zulassungsantrag des Klägers bleibt ohne Erfolg.
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Aus den Darlegungen des Klägers im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; hierzu unter 1.), noch ist die Berufung wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; hierzu unter 2.).
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1. Die mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Einwände sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu begründen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann begründet, wenn gegen dessen Richtigkeit angesichts der Begründung des Zulassungsantrags gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Hiervon ist immer schon dann auszugehen, wenn durch die Begründung des Zulassungsantrags ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000, 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163, juris Rn. 15; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, 7 AV 4.03, DVBl. 2004, 838, juris Rn. 8 f.). Richtigkeit i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die vollständige Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung. Es begegnet daher grundsätzlich keinen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf andere rechtliche Erwägungen abstellt als das Verwaltungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 7.10.2020, 2 BvR 2426/17, NVwZ 2021, 325, juris Rn. 34).
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Nach diesen Maßstäben begründet das Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Seine Einwände gegen die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr greifen nicht durch.
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a) Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob dem Verwaltungsgericht eine „breitere Tatsachengrundlage“ zur Verfügung gestanden hat. Die Abweichung von der Legalprognose der Strafvollstreckungskammer ist im Ergebnis auch mit Blick auf den Rang der hier bedrohten Rechtsgüter gerechtfertigt.
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Das Verwaltungsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016, 2 BvR 1943/16, NVwZ, 2017, 229, juris Rn. 24) zutreffend davon ausgegangen, dass es im Zusammenhang mit dem Erlass und der Überprüfung von Ausweisungsentscheidungen eine eigenständige Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten zu erwarten ist, zu treffen hat und insoweit nicht an die tatsächlichen Feststellungen und die Beurteilung der Strafgerichte gebunden ist. Auch der Umstand, dass allein die Strafvollstreckungskammer den Kläger - hier sogar wiederholt - persönlich angehört hat, steht einer abweichenden Bewertung im ausländerrechtlichen Verfahren nicht prinzipiell entgegen (OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2021, 6 Bs 149/20, n.v.). Wiegt das Bleibeinteresse des Ausländers besonders schwer, kann auch nach der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach einer Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer eine relevante Wiederholungsgefahr bejaht werden, wenn die ausländerrechtliche Entscheidung auf einer breiteren Tatsachengrundlage als derjenigen der Strafvollstreckungskammer getroffen wird, etwa wenn Ausländerbehörde oder Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben haben, welches eine Abweichung zulässt, oder wenn die vom Ausländer in der Vergangenheit begangenen Straftaten fortbestehende konkrete Gefahren für höchste Rechtsgüter erkennen lassen (BVerfG, Beschl. v. 19.10.2016, a.a.O., Rn. 24). Soweit danach eine konkrete Gefahr für höchste Rechtsgüter bejaht wird, kommt eine Abweichung von der strafrechtlichen Legalprognose auch bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Tatsachengrundlage in Betracht (so auch BVerwG, Urt. v. 6.2.2019, 1 A 3.18, BVerwGE 164, 317, juris Rn. 79; OVG Münster, Beschl. v. 14.8.2019, 18 A 1127/16, juris Rn. 16). Der Einholung eines weiteren Prognosegutachtens bedarf es in diesen Fällen nicht (OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2021, a.a.O.).
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Von einer solchen Gefährdung höchster Rechtsgüter ist in Übereinstimmung mit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch hier auszugehen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die von dem Handel mit Bestäubungsmitteln, insbesondere mit der schwer abhängig machenden Droge Heroin, ausgehenden Gefahren die Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit betreffen, welche in der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen sehr hohen Rang einnehmen. Rauschgiftkonsum bedroht diese Schutzgüter der Abnehmer in hohem Maße und trägt dazu bei, dass deren soziale Beziehungen zerbrechen und ihre Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird (so auch VGH München, Beschl. v. 23.2.2021, 19 ZB 20.696, juris Rn. 12 m.w.N.).
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b) Die Annahme einer Widerholungsgefahr ist auch in der Sache gerechtfertigt.
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Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, sind bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten droht, die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe einer verhängten Strafe, die Schwere einer konkret begangenen Straftat und die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr nach dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthG gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.1.2013, 1 C 10.12, NVwZ-RR 2013, 435, juris Rn. 15; Urt. v. 10.7.2012, 1 C 19.11, BVerwGE 143, 277, juris Rn. 17; Urt. v. 4.10.2012, 1 C 13.11, BVerwGE 144, 230, juris Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschl. v. 20.6.2017, 13 LA 134/17, InfAuslR 2017, 342, juris Rn. 6; VGH Mannheim, Beschl. v. 11.4.2016, 11 S 393/16, InfAuslR 2016, 281, juris Rn. 28).
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Gemessen daran sind bei schweren Betäubungsmitteldelikten, wie hier dem Handeltreiben mit einer sog. harten Droge wie Heroin, wegen der besonderen Gefährdung höchster Rechtsgüter keine hohen Anforderungen an die Wiederholungsgefahr zu stellen (so auch OVG Bremen, Beschl. v. 15.2.2021, 2 B 364/20, juris Rn. 12; VGH Mannheim, Beschl. v. 21.1.2020, 11 S 3477/19, NVwZ-RR 2020, 556, juris Rn. 47). Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen, wie bereits ausgeführt, in der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen sehr hohen Rang ein. Bei der Rauschgiftsucht handelt sich auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes um ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (EuGH, Urt. v. 23.11.2010, C-145/09 [Tsakouridis], Slg 2010, I-11979, juris Rn. 47 m.w.N.). Das gilt auch mit Blick auf die Verurteilung des Antragstellers wegen eines Betäubungsmitteldelikts in einem minderschweren Fall des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gemäß § 30a Abs. 3 BtMG, weil dies nicht die besondere Gefährlichkeit des Drogenhandels als solches betrifft. Andererseits genügt auch in diesen Fällen, worauf der Kläger zutreffend hinweist, eine bloß entfernte Möglichkeit einer erneuten Straffälligkeit nicht; eine weitere Strafverfehlung muss auch bei der Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter ernsthaft drohen (BVerwG, Urt. v. 16.11.2000, 9 C 6.00, BVerwGE 112, 185, juris Rn. 14; BVerwG, Urt. v. 15.1.2013, 1 C 10.12, NVwZ-RR 2013, 435, juris Rn. 16; OVG Lüneburg, Urt. v. 11.7.2018, 13 LB 44/17, juris Rn. 51).
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Gemessen daran ist das Verwaltungsgericht hier im Ergebnis zu Recht von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen. Es droht die ernsthafte und nicht nur entfernte Gefahr, dass der Kläger erneut Handel mit harten Drogen wie Heroin betreiben wird.
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Nach den Feststellungen der von der Strafvollstreckungskammer beauftragten Gutachterin war die letzte Straftat des Klägers zum einen durch ein spezifisches, kriminogenes Umfeld sowie der finanziell und psychisch angespannten Situation des Klägers begünstigt. In der Sache ging es dem Kläger darum, eine finanzielle Notlage abzuwenden. Die danach für die Wiederholungsgefahr maßgeblichen Umstände haben sich, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, im Strafvollzug und nach der Haftentlassung zwar stabilisiert. Der Kläger ist seit mehr als 5 Jahren bei einem Arbeitgeber beschäftigt und befindet sich weiterhin in einer seit dem Jahr 2001 bestehenden Beziehung zu seiner Ehefrau, die ihn weiterhin unterstützt. Auch scheint der Kläger nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer wie auch der von dieser beauftragten Gutachterin von der letzten Haft beeindruckt zu sein. Allerdings geht auch die Gutachterin von einer durch die Anlasstat zu Tage getretenen und in der Sache fortbestehenden Gefährlichkeit des Klägers aus, die sich in der vorgefundenen Situation lediglich gut beherrschen lasse. Risikomindernd seien demnach insbesondere die angestellte Tätigkeit des Klägers und die Unterstützung durch seine Ehefrau zu sehen. Die „protektiv wirkenden Faktoren“ lassen die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straffälligkeit des Klägers demnach zwar geringer erscheinen, die Gefahr ist gemessen an dem hier mit Blick auf die gefährdeten Rechtsgüter einschlägigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab damit aber nicht vollständig entfallen.
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Auch nach den Feststellungen der Gutachterin ist der Kläger in seiner Persönlichkeit zwischenzeitlich nicht so gereift, dass er künftig und auf Dauer strafbegünstigenden Einflüssen hinreichend sicher widerstehen könnte. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, ist im Ausweisungsverfahren ein über den Bewährungszeitraum hinausgehender Zeitraum in den Blick zu nehmen. Es geht nicht lediglich darum zu ermitteln, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Für das aufenthaltsrechtliche Verfahren ist vielmehr von Bedeutung, ob das Risiko eines Misslingens der Resozialisierung von der deutschen Gesellschaft oder von der Gesellschaft im Heimatstaat des Ausländers getragen werden muss (BVerwG, Urt. v. 15.1.2013, 1 C 10.12, NVwZ-RR 2013, 435, juris Rn. 19; OVG Hamburg, Beschl. v. 22.1.2021, 6 Bs 149/20, n.v.; so zuletzt auch VGH München, Beschl. v. 3.4.2020, 10 ZB 20.399, juris Rn. 7). Gemessen daran wirken sich auch hier die allgemeinen Unwägbarkeiten im Hinblick auf die künftigen Lebensumstände des Klägers zu seinen Lasten aus, ohne dass es konkreter Anhaltspunkte für ein bevorstehendes Scheitern der Ehe oder den Verlust des aktuellen Arbeitsplatzes des Klägers bedarf. Ausreichend ist, dass im Fall des Klägers ernsthaft mit erneuten Betäubungsmitteldelikten gerechnet werden muss, wenn die derzeit günstigen Umstände und Bewährungshilfe künftig entfallen sollten, weil eine nachhaltige Veränderung der Lebensumstände oder der Persönlichkeit des Klägers nicht feststellbar ist.
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Davon abgesehen haben die Beziehung zu seiner Ehefrau sowie sonstige familiäre Beziehungen im Bundesgebiet den Kläger auch in der Vergangenheit nicht von der Begehung schwerer Straftaten abgehalten. Er war zuletzt für eine vergleichsweise geringe Gewinnaussicht bereit, erneut ein einschlägiges Betäubungsmitteldelikt mit einem hohen Gefährdungspotential für Leib und Leben anderer Menschen zu begehen. Dieser Umstand lässt für sich genommen auf eine geringe Hemmschwelle für die Begehung entsprechender Straftaten schließen. Dafür spricht maßgebend, dass der Kläger seine Tatbeiträge auch nach den Feststellungen der Gutachterin bis zuletzt bagatellisiert. Auch insoweit besteht hier - unabhängig von den persönlichen Lebensumständen des Klägers - ein aufenthaltsrechtlich nicht hinzunehmendes Risiko, dass schon geringe Anreize zu einer erneuten Straffälligkeit des Klägers führen können. Der von dem Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Klägers berücksichtigte Umstand, dass es aufgrund der frühzeitigen Observation tatsächlich zu keiner Rechtsgutsgefährdung gekommen ist, war für die seinerzeitige Motivation des Klägers ohne Belang und kann auch für die Bewertung des Risikos künftiger Straftaten entgegen dem Zulassungsvorbringen daher keine Rolle spielen.
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Schließlich spricht für eine relevante Wiederholungsgefahr, was sowohl die Gutachterin wie auch die Strafvollstreckungskammer nicht mit dem für das ausländerrechtliche Verfahren hinreichenden Gewicht gewürdigt haben, dass der Kläger nicht nur einschlägig vorbestraft ist, sondern bereits zuvor wegen eines Betäubungsmitteldelikts ausgewiesen worden war und erst nach Ablauf der im Wege eines gerichtlichen Vergleichs verkürzten Sperrwirkung zu seiner Ehefrau in das Bundesgebiet zurückkehren durfte. Er hat sich gleichwohl und damit in vollumfänglicher Kenntnis der potentiellen Folgen einer weiteren Verurteilung für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet und damit auch für die Beziehung zu seiner Ehefrau erneut auf den Handel mit harten Drogen eingelassen.
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Soweit der Kläger mit seinem Zulassungsantrag darauf verweist, dass er zwischenzeitlich seine Schulden beglichen habe, zwingt auch dieser Umstand zu keiner anderen Bewertung. Die Klärung seiner finanziellen Verbindlichkeiten ist nach der Bewertung der Gutachterin zwar ein zu seinen Gunsten zu berücksichtigender Umstand für die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straffälligkeit, auch insoweit aber erkennbar nicht der maßgebliche Faktor in diesem Zusammenhang. Davon abgesehen bietet - wie bereits ausgeführt - auch die aktuelle Stabilisierung des persönlichen Umfelds des Klägers bisher keine hinreichende Gewähr dafür, dass er nicht erneut straffällig wird.
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c) Die Gefahrprognose des Verwaltungsgerichts begegnet - aus den unter II. 1. b) dargestellten Gründen - im Ergebnis auch dann keinen Bedenken, wenn dem Kläger nicht vorgehalten werden könnte, dass er sich auch jetzt noch vom Bahnhofsviertel fernhält, um kriminogene Kontakte zu vermeiden. Es kann daher dahinstehen, ob die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass Verhalten des Klägers zeige, dass er - mittlerweile sechs Jahre nach der Tat - offensichtlich noch immer nicht in einem Maße gefestigt sei, um auch bei einem Zusammentreffen mit früheren Mittätern, dem Reiz der Begehung einer neuen Straftat standhalten zu können, einer obergerichtlichen Überprüfung standhalten würde.
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d) Da das Berufungsgericht die Gefahrprognose des Verwaltungsgerichts im Ergebnis schon auf der auch vom Landgericht seiner Strafaussetzungsentscheidung zugrunde gelegten Tatsachengrundlage teilt, kommt es für die Prüfung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht darauf an, ob sich der Kläger - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in einem schlechteren psychischen Zustand befunden hat, als es die Gutachterin angenommen hatte, und ob das Verwaltungsgericht entsprechende Feststellungen aufgrund der vorgelegten Unterlagen treffen konnte.
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2. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
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Nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen grundsätzlich alle Verfahrensmängel, sofern keine gesetzliche Ausnahmevorschrift dies ausschließt (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 199). Zu den Verfahrensmängeln gehören insbesondere Aufklärungsmängel, also Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz sowie Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch eine rechtsfehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist die materiell-rechtliche Auffassung der Vorinstanz zugrunde zu legen, auch wenn diese fehlerhaft sein sollte (Seibert in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124 Rn. 197). Ein Verfahrensmangel ist nur dann erheblich, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf diesem beruhen kann. Maßgeblich sind dafür die Tatsachenfeststellungen und die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts (Seibert in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124 Rn. 220). Eine Zulassung der Berufung kommt aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Verfahrensmangel - mit Ausnahme der absoluten Revisionsgründen, bei denen dieses Korrektiv grundsätzlich keine Anwendung findet - nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den Ausgang des Berufungsverfahrens ohne Bedeutung wäre, wenn sich das Urteil des Verwaltungsgerichts also aus anderen Gründen als richtig erweist. Bei einer Versagung rechtlichen Gehörs ist dabei zu differenzieren. Bezieht sich der Gehörsverstoß auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte, auf die es für die Berufungsentscheidung nicht ankommen kann, so ist die Berufung trotz eines Verfahrensfehlers nicht zu zuzulassen; erfasst der gerügte Mangel hingegen den gesamten Streitstoff, ist eine Feststellung, das verwaltungsgerichtliche Urteil sei im Ergebnis richtig, nicht möglich (Seibert in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124 Rn. 224). Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes des Verfahrensmangels setzt - soweit erforderlich - auch eine hinreichende Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung voraus.
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Gemessen daran hat der Kläger keinen Verfahrensfehler dargelegt.
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a) Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe Feststellungen zu seiner psychischen Gesundheit getroffen, ohne nachgewiesen zu haben, den erforderlichen medizinischen Sachverstand hierzu zu besitzen.
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Der Kläger rügt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 24.5.2006, 1 B 118.05, NVwZ 2007, 345, juris Rn. 3) einen Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht. Die Rüge, das Gericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Beteiligten im Verfahren entsprechende Beweisanträge gestellt oder zumindest auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung hingewiesen haben oder sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997, 7 B 261.97, NJW 1997, 3328, juris Rn. 4; Beschl. v. 23.11.2009, 4 BN 49.09, BRS 74 Nr. 48, juris Rn. 7; Rixen in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 59 m.w.N.). Eine solche Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens kann sich zwar gemäß der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann aufdrängen, wenn das Gericht erkennbar für die notwendig zu treffenden medizinischen Wertungen nicht ausreichend sachkundig ist (BVerwG, Beschl. v. 24.5.2006, a.a.O., Rn. 3). Eine entsprechende Sachkunde hat sich das Verwaltungsgericht im konkreten Fall aber nicht angemaßt. Das Verwaltungsgericht hat den „schlechten psychischen Zustand“ des Klägers insbesondere nicht aus dem eigenen Eindruck bzw. seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung geschlossen, sondern diese Feststellung maßgeblich auf die vorgelegte individuelle Patienteninformation zur ambulanten psychotherapeutischen Sprechstunde vom 29. Juli 2019 wie auch den Bericht der Bewährungshelferin vom 19. August 2019 über das Bestehen einer depressiven Grunderkrankung gestützt. In Anbetracht dieser Unterlagen musste sich eine weitere sachverständige Aufklärung des Gesundheitszustandes des Klägers jedenfalls nicht mehr aufdrängen.
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Davon abgesehen wäre ein entsprechender Aufklärungsmangel für den Ausgang des Berufungsverfahrens auch ohne Bedeutung gewesen, weil sich das Urteil des Verwaltungsgerichts - aus den unter II. 1. d) dargestellten Gründen - auch unabhängig von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers als richtig erweist.
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b) Das Verwaltungsgericht hat auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör i.S.v. Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet, dass die Verfahrensbeteiligten auf das Verfahren und sein Ergebnis dadurch Einfluss nehmen können, dass sie sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt (Tatsachen und Beweismittel) und der entscheidungserheblichen Rechtslage äußern können (Äußerungsrecht; vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.5.1991, 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, juris Rn. 7), und verpflichtet die Gerichte, das entscheidungserhebliche tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen (Kenntnisnahme- und Verarbeitungspflicht; vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.1.1985, 1 BvR 393/84, BVerfGE 69, 141, juris Rn. 10). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgen grundsätzlich keine verfassungsunmittelbaren richterlichen Hinweis- oder Belehrungspflichten. Das rechtliche Gehör ist daher grundsätzlich auch dann nicht verletzt, wenn das Gericht einer durch einfaches Verfahrensrecht begründeten Frage- oder Aufklärungspflicht nicht nachkommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.1.1984, 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116, juris Rn. 77; zu § 139 ZPO: BVerfG, Beschl. v. 23.7.1992, 1 BvR 14/90, NJW 1993, 1699, juris Rn. 10). Ausnahmsweise kann die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sowie der Hinweispflicht des Gerichts (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO) allenfalls dann eine Verletzung der Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs begründen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte („Überraschungsentscheidung“; vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.5.1991, 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, juris Rn. 7).
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger das Vorliegen eines Verfahrensfehlers durch den Erlass einer Überraschungsentscheidung nicht dargelegt.
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Der Kläger trägt vor, dass er nicht damit habe rechnen müssen, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung medizinische Wertungen vornehme, die von dem vorliegenden Sachverständigengutachten abwichen. Wäre er seitens des Gerichts hierauf hingewiesen worden, so hätte er einen Beweisantrag dahingehend gestellt, dass sich seine psychische Situation seit der Begutachtung im Strafvollstreckungsverfahren nicht grundlegend geändert habe und dass seine derzeitige psychische Situation keineswegs eine erhöhte Rückfallgefahr begründen könne. Mit diesem Vorbringen legt der Kläger keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar.
- 44
Das Verwaltungsgericht hat dem Rechtsstreit mit der Feststellung zur „instabilen Persönlichkeitsstruktur“ des Klägers keine Wendung geben, mit der er nicht hat rechnen müssen. Dass es auf den psychischen Gesundheitszustand des Klägers ankommen würde, lag schon aufgrund des von der Strafvollstreckungskammer eingeholten Gutachtens auf der Hand. Dass das Gericht dabei auch die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst vorgelegte Patienteninformation wie auch den von ihm zuvor vorlegten Bericht seiner Bewährungshelferin würdigen würde, konnte den Kläger ebenfalls nicht überraschen. Das Verwaltungsgericht war in dieser Situation nicht verpflichtet, den Kläger darauf hinzuweisen, welche Schlüsse es aus diesen Unterlagen ziehen würde. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen. Die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bleiben in aller Regel der abschließenden Urteilsfindung des Gerichts vorbehalten und entziehen sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschl. v. 26.11.2001, 1 B 347.01, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52, juris Rn. 5; VGH München, Beschl. v. 9.11.2017, 21 ZB 17.30468, juris Rn. 4; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 4.12.2012, 2 BvR 2954/09, NVwZ 2013, 500, juris).
- 45
Davon abgesehen scheidet die Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensfehlers auch deshalb aus, weil der geltend gemachte Gehörsverstoß sich lediglich auf einzelne Feststellungen des Verwaltungsgerichts bezieht, die - aus den unter II. 1. d) dargestellten Gründen - für den Ausgang des Berufungsverfahrens ohne Bedeutung gewesen wären.
- 46
c) Schließlich kann der Kläger auch nicht mit seiner Rüge durchdringen, dass die von ihm eingereichte Stellungnahme des Bewährungshelfers vom 21. August 2018 von dem Verwaltungsgericht bei Abfassung des Urteils offensichtlich übersehen und bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden sei.
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Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt nicht, dass in der Entscheidung ausdrücklich und im Einzelnen sämtliche von den Beteiligten vorgetragenen oder für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkte zu behandeln wären. Nur wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass aus der Sicht des Gerichts entscheidungserhebliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist, liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor (BVerfG, Beschl. v. 28.8.2014, 2 BvR 2639/09, NVwZ 2015, 52, juris Rn. 47; BVerwG, Beschl. v. 5.4.2017, 8 B 6.17, juris Rn. 2; jew. m.w.N.).
- 48
Das ist vorliegend aber nicht ersichtlich. Soweit das Verwaltungsgericht im Tatbestand des Urteils ausdrücklich auf den „letzten“ Bericht der Bewährungshelferin vom 19. August 2019 Bezug genommen und diesen auch inhaltlich wiedergebeben hat, kann daraus geschlossen werden, dass das Gericht auch frühere Berichte der Bewährungshilfe zur Kenntnis genommen hat. In der Sache hat sich eine ausdrückliche Befassung mit der Stellungnahme von 21. August 2018 zudem in keiner Weise aufgedrängt. Die von dem Bewährungshelfer lediglich skizzierten tatsächlichen Annahmen - u.a. das Verhalten des Klägers im Strafvollzug, die fortbestehende Berufstätigkeit, seine Ehe, die Beziehung zu seinem an Parkinson erkrankten Bruder - werden von dem Verwaltungsgericht in keiner Weise in Zweifel gezogen. Soweit der Bewährungshelfer darüber hinaus eine eigene Bewertung dahingehend trifft, dass der Kläger aus den Straftaten positive Stärken entwickelt und sich mit der Straftat auseinandergesetzt habe, bleibt diese in ihrer Belastbarkeit deutlich hinter der ebenfalls positiven, von dem Verwaltungsgericht aber auch gewürdigten Legalprognose der vom Landgericht beauftragten Gutachterin zurück.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.
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