Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 E 3/19.N
Tenor
Die Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 vom 22. Mai 2018 (HmbGVBl. S. 190) wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Wirksamkeit der Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin der benachbarten Grundstücke L... (Flurstück ... der Gemarkung Lokstedt) und J... (Flurstück 806), die mit einem Werk für ... bebaut sind. Die beiden parallelen Straßen münden im Norden in die Straße N... , die zugleich jene Grundstücke begrenzt. Diese lagen ursprünglich in dem Geltungsbereich des Baustufenplans Niendorf - Lokstedt - Schnelsen, erneut festgestellt durch Verordnung vom 14. Januar 1955 (Amtl. Anz. S. 62), der sie als Industriegebiet mit der Einschränkung auswies, dass Betriebe, die der Genehmigung nach § 16 RGO bedürfen, ausgeschlossen seien. Die südlich und westlich belegenen anschließenden Wohngrundstücke werden durch die Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 60 vom 21. Februar 2013 (HmbGVBl. S. 56) als allgemeines Wohngebiet (WA II o) ausgewiesen.
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Zur Entlastung des Stadtteils ... von dem Durchgangsverkehr beauftragte der Senat der Antragsgegnerin 1989 deren Baubehörde, Bebauungsplanverfahren für einen vierspurigen Ausbau der Straße N... einzuleiten. Er beschloss am 20. September 2010, bekanntgemacht am 26. Oktober 2010 (Amtl. Anz. S. 2041), hierfür zuvor getroffene Beschlüsse aufzuheben und für das Gebiet beiderseits der Straße N... die bestehenden Bebauungspläne zu ändern (Aufstellungsbeschluss E 6/08). Mit dem Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 sollten die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Ausbau der Straße geschaffen werden. Darüber hinaus sollte das Gewerbegebiet städtebaulich gegliedert und in Teilbereichen der Handel mit Gütern des täglichen Bedarfs ausgeschlossen werden.
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Nach einer Öffentlichen Plandiskussion am 4. November 2010 fand, bekanntgemacht am 7. Oktober 2011 (Amtl. Anz. S. 2180), eine erste öffentliche Auslegung der Planunterlagen vom 17. Oktober 2011 bis zum 17. November 2011 statt. Die Antragstellerin erhob unter Bezugnahme auf eine von ihr bereits früher abgegebene Stellungnahme Einwendungen gegen den Planentwurf. Aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen wurden mehrere Änderungen am Planentwurf vorgenommen, die eine erneute öffentliche Auslegung vom 18. März 2013 bis zum 5. April 2013, bekanntgemacht am 8. März 2013 (Amtl. Anz. S. 354, 501), nach sich zogen. Hierbei erneuerte die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen den Planentwurf. Zur Vermeidung eines möglichen Verfahrensfehlers bei den Hinweisen auf die umweltbezogenen Informationen in den Auslegungsbekanntmachungen, entschloss sich die Antragsgegnerin, diesen Verfahrensschritt zu wiederholen. Nach deren Bekanntmachung am 29. August 2014 (Amtl. Anz. S. 1561) erfolgte eine dritte öffentliche Auslegung des Planentwurfs vom 8. September 2014 bis zum 8. Oktober 2014. Wiederum erhob die Antragstellerin unter dem 7. Oktober 2014 Einwendungen gegen den Planentwurf. Mehrere Stellungnahmen von Anliegern, die sich gegen eine Inanspruchnahme ihrer Betriebsflächen für den Straßenausbau wandten, veranlassten die Antragsgegnerin im Jahre 2015 zu überprüfen, ob der geplante vierspurige Straßenausbau mit einem geringeren Profil als den bislang vorgesehenen 32 m möglich sei. Nach einer Abstimmung unter allen Fachbehörden stellte der Senat der Antragsgegnerin am 22. Mai 2018 die Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 fest, deren Verkündung am 29. Mai 2018 (HmbGVBl. S. 190) erfolgte.
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Der Bebauungsplan setzt eine 32 m breite Straßenverkehrsfläche zum Ausbau der Straße N... fest. Im Westen und Osten schließt das Plangebiet jeweils mit den Kreuzungsbereichen an der K... bzw. der T... ab, die entsprechend dem Bestand gleichfalls als Verkehrsfläche ausgewiesen werden. Der Bereich nördlich der Verkehrsfläche bis zum Damm der Güterumgehungsbahn wird durchgehend als Gewerbegebiet ausgewiesen. Südlich der Verkehrsfläche wird ebenfalls hauptsächlich ein Gewerbegebiet, im Südwesten an der K... sowie im Osten zur Kreuzung mit der T... hin wird jeweils ein Mischgebiet festgesetzt. Einige Grundstücke, vor allem im Übergang zum Gebiet das Bebauungsplans Lokstedt 60, werden als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. In den Gewerbegebieten ist der Einzelhandel grundsätzlich nur mit flächenbeanspruchenden Sortimenten zulässig, ausgeschlossen werden weitgehend Betriebswohnungen und Nutzungen mit sexuellem Charakter. Für die Misch- und Wohngebiete werden Maßnahmen zum Lärmschutz getroffen. Auf den mit (A) bezeichneten Flächen der Gewerbegebiete südlich der Straße N... (im Folgenden: A-Flächen) wird eine Lärmemissionskontingentierung festgesetzt und es werden luftschadstoff- und geruchsintensive Nutzungen untersagt. Die Gewerbegebiete werden jeweils regelmäßig von einer umlaufenden Baugrenze umschlossen, die zur Straße N... hin bis an die Straßenverkehrsfläche heranreicht.
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Die Grundstücke der Antragstellerin werden vollständig als Gewerbegebiet und A-Fläche ausgewiesen, wobei das Maß der Bebauung für einen Bereich von etwa 28 m hinter der Baugrenze an der Straße N... mit GH 18, GRZ 0,8 sowie GFZ 2,4 und im Übrigen mit GH 12, GRZ 0,8 und GFZ 1,6 festgesetzt wird. Die Baugrenzen parallel zur L... und der Straße J liegen jeweils etwa 6 m hinter den Straßenbegrenzungslinien. Im Süden, im Übergang zum allgemeinen Wohngebiet, weisen die Grundstücke einen 3 m breiten Streifen zur Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern auf.
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Die Antragstellerin hat unter dem 28. März 2019, eingegangen am 29. März 2019, den Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Verordnung über den Bebauungsplan in formeller und materieller Hinsicht rechtswidrig sei. Es genügten weder die Bekanntmachungen zur öffentlichen Auslegung des Planentwurfs noch der Umweltbericht den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen. Der Bebauungsplan sei teilweise nicht vollzugsfähig, da die Straßenverkehrsplanung nicht innerhalb von zehn Jahren verwirklicht werden könne. Die Verkehrsfläche zum Ausbau der Straße N... durchschneide vorhandene neuere Gebäude, bei denen nicht anzunehmen sei, dass sie demnächst abgerissen werden würden. Zudem sei die Festsetzung der Straßenverkehrsfläche rechtswidrig. Es werde nicht der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs gewahrt, obwohl dieser bei der fremdnützigen Überplanung privaten Grundeigentums besonders zu beachten sei. Die Antragsgegnerin habe bei der Ermittlung des abwägungsrelevanten Materials gravierende Fehler gemacht, weil sie keine Planungsalternativen geprüft und sich weitgehend auf veraltete Daten verlassen habe. Eine Verkehrsuntersuchung aus dem Jahre 2010 sei nur im Zusammenhang mit der Erweiterung eines Baumarkts durchgeführt worden und beziehe sich nicht auf die gesamträumliche Planung der Antragsgegnerin. Überdies komme es durch die Straßenverkehrsfläche zu umfangreichen Versiegelungen, wodurch das Niederschlagswasser nicht mehr lastengerecht im öffentlichen Raum versickern könne.
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Der Bebauungsplan sei ferner abwägungsfehlerhaft. So habe die Antragsgegnerin den Immissionsschutzkonflikt zwischen dem vormaligen Industriegebiet, das wie ihre Grundstücke zu einem umfangreich eingeschränkten Gewerbegebiet herabgezont werde, und der Wohnumgebung nicht fehlerfrei aufgelöst. Die Festsetzung über den Ausschluss luftschadstoff- und geruchsintensiver Nutzungen sei zu unbestimmt und daher rechtswidrig. Ferner mangele es an einer Bestandsanalyse des im Plangebiet vorhandenen Emissions- und Immissionsgeschehens. Vielmehr seien in § 2 Nr. 15 der Verordnung Emissionskontingente festgesetzt worden, um unter Verstoß gegen das Trennungsgebot ein Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzung verstetigen zu können. Diese Festsetzung sei rechtswidrig, weil ihr Inhalt nur unter Heranziehung der DIN 45691 bestimmbar sei, wobei der Verweis auf deren Bezugsorte nicht in zulässiger Weise erfolgt sei. Eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Bekanntmachung erfordere, die DIN-Norm bei der Verwaltungsstelle auszulegen, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden könne. Dem genüge der hier erfolgte Verweis nicht, denn die DIN-Norm werde nicht beim zuständigen Bezirksamt oder der Fachbehörde bereitgehalten. Die angegebenen Hochschulbibliotheken seien nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich und würden nicht sicherstellen, dass die DIN-Norm dort dauerhaft verfügbar sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 vom 22. Mai 2018 (HmbGVBl. S. 190) für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen,
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und führt zur Begründung aus, dass die Auslegungsbekanntmachung vom 29. August 2014 hinsichtlich der Angaben zu den umweltbezogenen Informationen den gesetzlichen Anforderungen, wie sie vom Bundesverwaltungsgericht konkretisiert worden seien, genüge. Der Umweltbericht sei aufgrund von Überleitungsvorschriften nicht an den von der Antragstellerin genannten, sondern den weniger detaillierten Anforderungen des Baugesetzbuchs in der Fassung vor dem 13. Mai 2017 zu messen.
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Die Straßenverkehrsflächenfestsetzung sei nicht materiell fehlerhaft. Es sei ein langfristiger Ausbau der Straße geplant, der bereits am Knotenpunkt K... /N... begonnen habe. Die weitere Umsetzung der Straßenplanung sei auch mit Blick auf die teilweise beanspruchten Privatgrundstücke möglich; die dafür notwendigen Allgemeinwohlgründe seien gegeben. Die Straße N... sei an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit und verfüge nicht auf der ganzen Länge über ausreichende Geh- und Radwege. Auf die gegebene bauliche Situation könne flexibel reagiert werden. Es sei möglich, vorerst eine Minimalvariante zu verwirklichen, ohne anliegende Betriebe existenzgefährdend zu beschränken oder in den Gebäudebestand einzugreifen. Aufgrund der intensiven Bautätigkeit entlang der Straße werde es möglich sein, durch Ausübung des Vorkaufsrechts nach und nach die erforderlichen Verkehrsflächen zu erwerben. Bei der Planung des Straßenausbaus seien Alternativen erwogen und verworfen worden. Verkehrsuntersuchungen seien 2004 und 2010 erstellt worden; 2015 habe man nochmals Daten zum durchschnittlichen werktäglichen Fahrzeugverkehr gesichtet. Der auf den parallelen Routen herrschende Verkehrsdruck sei seit Jahren nahezu unverändert. Eine anderweitige Entlastung der sei nicht möglich. Für den Straßenzug sei eine spürbare Verkehrszunahme zu erwarten, die zu Verlagerungen auf die Straße N... führen würde. Deren Verkehrsbelastung werde sich zudem durch die Wohnbebauung nördlich des Bahndamms erhöhen. Es bestehe daher kein Grund, auf ihren Ausbau zu verzichten, zumal erstmalig in ausreichender Breite Fuß- und Radwege herzustellen seien. Die Niederschlagsversickerung für die Straßenflächen werde bei der Ausbauplanung der Straßen geregelt werden.
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Abwägungsfehler lägen nicht vor. Dem Trennungsgebot sei unter Berücksichtigung der bestehenden Nutzungen entsprochen worden. Bislang habe ein hinsichtlich der Emissionen eingeschränktes Industriegebiet vorgelegen, an das sich ein Wohngebiet anschloss. Die Ausweisung als Gewerbegebiet entspreche der derzeitigen Prägung und stelle keine Herabzonung dar. Mit der Festsetzung eines durch die Beschränkung von Schall- und Geruchsemissionen gekennzeichneten Gewerbegebiets werde die planungsrechtliche Abstufung zum allgemeinen Wohngebiet verbessert. Die Geräuschkontingentierung sei rechtmäßig; es habe weder einer Schallimmissionsprognose noch einer Ermittlung der bestehenden Lärmsituation bedurft. Die A-Flächen würden vollständig gewerblich genutzt und grenzten zu weiten Teilen an bestehende allgemeine Wohngebiete. Die zulässigen Schallemissionen des Bestands seien daher bereits auf die nach der TA Lärm einzuhaltenden Immissionsrichtwerte für eine Gemengelage beschränkt. Die festgesetzten Geräuschkontingente mit 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts würden lediglich diese Einschränkungen abbilden.
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Der Verweis auf die beiden Auslegestellen für die in Bezug genommene DIN 45691 sei nicht zu beanstanden. Sie könnten auch von Externen aufgesucht werden. Unabhängig von der Festsetzung könne ebenso in der Fachbehörde Einsicht genommen werden.
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Die Festsetzung zu den Luftschadstoffen und Geruchsemissionen sei hinreichend bestimmt. Dort nicht genannte Betriebsarten könnten anhand der beispielhaft genannten Anlagetypen eingeschätzt werden, wobei in Zweifelsfällen die TA Luft oder die GIRL herangezogen werden könnten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige, insbesondere am 29. März 2019 rechtzeitig innerhalb eines Jahres seit der Bekanntmachung am 29. Mai 2018 in Form der Verkündung des Bebauungsplans (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) erhobene Normenkontrollantrag ist begründet. Ein Fehler bei der Verkündung von § 2 Nr. 15 der Verordnung über den Bebauungsplan Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 (im Folgenden: PlanVO) führt zur Unwirksamkeit der Geräuschkontingentierung für die A-Flächen (I.). Die Unwirksamkeit dieser textlichen Festsetzung zieht die Unwirksamkeit weiterer Festsetzungen nach sich, so dass die Verordnung über den Bebauungsplan im Ganzen unwirksam ist (II.).
I.
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Die textliche Festsetzung in § 2 Nr. 15 PlanVO ist unwirksam, weil sie nicht vollständig verkündet worden ist. Die Vorschrift lautet:
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„Auf den mit ‚(A)‘ bezeichneten Flächen der Gewerbegebiete südlich der Straße N... sind nur Vorhaben (Betriebe und Anlagen) zulässig, deren Geräusche die Emissionskontingente LEK nach DIN 45691 ‚Geräuschkontingentierung‘ von 60 dB (A)/m² tags (LEK, tags von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr) sowie von 45 dB (A)/m² nachts (LEK, nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) nicht überschreiten. Die Prüfung erfolgt nach DIN 45691:2006-12, Abschnitt 5 (Bezugsquelle: Beuth Verlag GmbH 10772 Berlin, Auslegestelle: TU Hamburg-Harburg Universitätsbibliothek sowie Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fachbibliothek TWI).“
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Die Angabe der Bezugsquelle und der Hinweis auf die beiden Auslegestellen genügen für eine Verkündung der Bezugnahme auf die DIN 45691 weder § 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen (1.) noch den Anforderungen des Bauleitplanfeststellungsgesetzes (2.).
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1. Nach § 2 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen (im Folgenden: VOVerkündungsG) vom 28. März 1955 (HmbGVBl. S. 130), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Januar 1989 (HmbGVBl. S. 5), darf – ergänzend zu Satz 1, wonach die Verkündung einer Rechtsverordnung nicht durch Verweisungen auf Gesetze und Verordnungen des hamburgischen Landesrechts und des Bundesrechts beeinträchtigt wird – auf andere Bestimmungen, insbesondere Bekanntmachungen sachverständiger Stellen, nur verwiesen werden, soweit sie amtlich veröffentlicht sind; auf die jeweilige Fassung solcher Bestimmungen darf nicht verwiesen werden.
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a) Der Anwendung des landesrechtlichen § 2 Satz 2 VOVerkündungsG auf die Verkündung von Bebauungsplänen steht Bundesrecht nicht entgegen.
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Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, dass die bundesrechtlichen Maßstäbe für die Bekanntmachung eines Bebauungsplans nach § 10 Abs. 3 BauGB der Anwendung eigener landesrechtlicher Regelungen für die Verkündung von Rechtsverordnungen vorgehen. Dem steht entgegen, dass die Stadtstaatenklausel des § 246 Abs. 2 BauGB der Antragsgegnerin nicht nur erlaubt zu bestimmen, welche Form der Rechtssetzung an die Stelle von Satzungen tritt (Satz 1), sondern ihr auch ermöglicht, eine u.a. von § 10 Abs. 3 BauGB abweichende Regelung zu treffen (Satz 3).
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Die Zielsetzung des § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist darauf gerichtet, der Antragsgegnerin aus Gründen föderativer Selbständigkeit einen möglichst großen Entscheidungsfreiraum zu verschaffen, der nur inhaltlich durch die besonderen bauplanungsrechtlichen Erfordernisse begrenzt sein soll (BVerwG, Beschl. v. 24.10.1990, 4 NB 29.90, ZfBR 1991, 32, juris Rn. 8). Dementsprechend liegt dem § 246 Abs. 2 Satz 3 BauGB das Ziel zugrunde, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, die nach dem Baugesetzbuch erlassenen Rechtsvorschriften nach den gleichen Vorschriften bekannt zu machen und in Kraft zu setzen, wie sie sonst für Rechtssetzungsakte nach Landesrecht bestehen (vgl. Blechschmidt in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: Okt. 2020, § 246 Rn. 21; Roeser in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Auflage, Stand: April 2021, § 246 Rn. 4). Dies schließt ein, dass für die Verweisungen eines Bebauungsplans auf andere Bestimmungen die für entsprechende Rechtssetzungsakte nach dem Landesrecht geltenden Vorschriften zu beachten sind (so bereits für den Zeitpunkt des Inkrafttretens: OVG Hamburg, Urt. v. 17.6.2010, 2 E 7/07.N, BauR 2010, 2064, juris Rn. 68).
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b) Die DIN 45691 in der Fassung vom Dezember 2006, herausgegeben vom Deutschen Institut für Normung e.V. als sachverständiger Stelle für die Bekanntmachung von technische Regelwerken, stellt eine private Bestimmung i.S.d. § 2 Satz 2 Halbs. 1 VOVerkündungsG dar. Auf sie hätte in § 2 Nr. 15 PlanVO nicht verwiesen werden dürfen, da sie nicht amtlich veröffentlicht worden ist. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (Senatsmitteilung 1955, Nr. 27, S. 59, 63, 2. Absatz), wonach:
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„... nur sehr beschränkt zugelassen werden (darf), daß auf private oder körperschaftliche Bestimmungen verwiesen wird; wegen des Prinzips der Publizität, das dem gesamten Verkündungswesen zugrunde liegt, muß insoweit mindestens eine amtliche Veröffentlichung vorangegangen sein, welche den Text eindeutig festlegt und das Auffinden erleichtert.“
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Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass unter jene „private(n) oder körperschaftliche(n) Bestimmungen“ nicht DIN-Vorschriften fallen können, weil die Gesetzesbegründung im Anschluss an das vorstehende Zitat es für eine „unverständliche Belastung des Gesetz- und Verordnungsblattes“ hält, die „vornehmlich in Betracht kommenden technischen Vorschriften“ abzudrucken, verkürzt sie die Bedeutung jener Aussage. Diese bezieht sich nur auf Vorschriften, die für einen „kleinen Kreis von Interessenten, der von (ihnen) betroffen wird“ gelten soll. Der Geltungsbereich eines Bebauungsplans erfasst hingegen typischerweise nicht eine weitgehend homogene Personengruppe, sondern ganz unterschiedliche Grundstückseigentümer. Diesen dürften spezielle technische Regelwerke – wie der Inhalt von DIN-Vorschriften – ganz überwiegend unbekannt sein, weshalb sie alle aus Gründen der Rechtssicherheit von deren Inhalt gleichermaßen verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können müssen (BVerwG, Beschl. v. 5.12.2013, 4 BN 48.13, ZfBR 2014, 158, juris Rn. 4).
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Werden demnach private Bestimmungen wie die DIN-Norm 45691 von § 2 Satz 2 VOVerkündungsG erfasst, untersagt diese Vorschrift mangels einer hinreichenden Veröffentlichung eine Bezugnahme auf sie. Die DIN 45691 ist nicht amtlich veröffentlicht worden, denn sie wurde weder von einer staatlichen noch einer kommunalen Behörde bekanntgemacht (Senatsmitteilung a.a.O., 4. Absatz):
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„Amtlich ist nur eine Bekanntmachung, die erkennbar von einer staatlichen oder kommunalen Behörde ausgeht; die Billigung oder Förderung durch eine staatliche Stelle genügt den Anforderungen des Begriffs ‚amtlich‘ nicht.“
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Hieran fehlt es bei der DIN 45691, denn sie wird nur vom Beuth-Verlag vertrieben und ist nicht von einer staatlichen oder kommunalen Behörde in einem Veröffentlichungsblatt amtlich bekanntgemacht worden. Selbst wenn man die beiden Hochschulen, auf die in § 2 Nr. 15 PlanVO hingewiesen wird, trotz ihrer Eigenständigkeit als Körperschaften öffentlichen Rechts als staatliche Behörde der Antragsgegnerin ansehen wollte, haben diese die DIN-Norm nicht amtlich veröffentlicht. Sie stellen lediglich ihre Bibliotheken als Auslegestellen zur Verfügung und ermöglichen Interessierten, via Internet über die Datenbank Perinorm eine DIN-Norm in aktueller Fassung einzusehen. Sie fördern damit allenfalls deren Verbreitung, geben sie aber nicht selbst bekannt. Diese „Normen-Infopoints“ verbleiben in der Verantwortung des privaten Beuth-Verlags (https://www.beuth.de/de/normen-services/auslegestellen#/), so dass die Veröffentlichung einer DIN-Norm nicht von den Hochschulen ausgeht.
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2. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 3 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über die Feststellung von Bauleitplänen und ihre Sicherung (Bauleitplanfeststellungsgesetz) in der Fassung vom 30. November 1999 (HmbGVBl. S. 271), hier in der Fassung der Änderung vom 23. Januar 2018 (Hmb-GVBl. S. 19, 27), dass nicht öffentlich bekanntgemachte Bestimmungen, die von den Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommen werden, ebenso wie dessen Karten und Zeichnungen im Staatsarchiv zur kostenfreien Einsicht niederzulegen sind. Dem genügt § 2 Nr. 15 PlanVO ebenfalls nicht.
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Eine Analogie ist zulässig, wenn die maßgebliche Norm eine planwidrige Regelungslücke aufweist und festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten. Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie nur geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte (BVerwG, Urt. v. 14.12.2017, 4 C 6.16, 4 C 6.16 (4 C 13.14), BVerwGE 161, 99, Rn. 15; Beschl. v. 27.3.2018, 5 P 2.17, BVerwGE 161, 313, Rn. 16; Urt. v. 20.9.2018, 2 A 9.17, BVerwGE 163, 112, Rn. 30).
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Hinsichtlich der Verweisungen auf nicht öffentlich bekanntgemachte Bestimmungen in Bebauungsplänen, wie z.B. DIN-Vorschriften, VDI-Richtlinien oder andere Regelwerke vor allem technischer Art, besteht eine planwidrige Regelungslücke (a), zu deren Schließung der hamburgische Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 Satz 2 Bauleitplanfeststellungsgesetz erweitert hätte (b).
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a) Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Bauleitplanfeststellungsgesetz werden abweichend von § 10 BauGB die Bebauungspläne im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Gemäß Satz 2 kann die Verkündung von Karten und Zeichnungen dadurch ersetzt werden, dass das maßgebliche Stück beim Staatsarchiv zu kostenfreier Einsicht durch jedermann niedergelegt und hierauf im Gesetz oder in der Rechtsverordnung hingewiesen wird. Letzteres entspricht Art. 52 Satz 2 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952 (HmbBL I 100-a), zuletzt geändert am 3. November 2020 (HmbGVBl. S. 559), wonach die Verkündung von Plänen, Karten und Zeichnungen im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt dadurch ersetzt werden kann, dass das maßgebliche Stück beim Staatsarchiv zur kostenfreien Einsicht durch jedermann niedergelegt werden kann und hierauf im Gesetz hingewiesen wird.
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Diese Form der Ersatzverkündung nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Bauleitplanfeststellungsgesetz (vgl. David, Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, 2. Aufl. 2004, Art. 52 Rn. 18; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Okt. 2020, § 10 Rn. 88 ff.) erfasst ihrem Wortlaut nach nicht die privaten Bestimmungen wie z.B. DIN-Vor-schriften, für die § 2 Satz 2 VOVerkündungsG nur im Falle ihrer amtlichen Veröffentlichung eine Verweisung zulässt. Ohne derartige technische Regelwerke wäre es jedoch vielfach unmöglich, in Bebauungsplänen z.B. Lärmkonflikte interessengerecht zu lösen. Die sich hieraus ergebende Lücke ist vom hamburgischen Gesetzgeber nicht bedacht worden.
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So erfasst § 2 Satz 2 VOVerkündungsG nur den Fall der Verweisung auf eine andere als die zur Verkündung anstehende Bestimmung, nicht hingegen die davon zu unterscheidende Ersatzverkündung, die gesondert in § 3 VOVerkündungsG geregelt wird. Beide Instrumente führen zwar zu einer Entlastung des Gesetz- und Verordnungsblattes, verfolgen aber verschiedene Ziele, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Ausschluss einer Verweisung stets das Verbot einer Ersatzverkündung nach sich zieht. Während eine Verweisung den Text einer Vorschrift durch die Inbezugnahme einer anderen Vorschrift entlastet, wird bei der Ersatzverkündung nicht der Text der Vorschrift verkürzt, sondern nur die Stelle für die Erlangung der Kenntnis von ihr verändert. Verweisungen kommen daher in Betracht, wenn unterschiedliche Vorschriften miteinander verknüpft werden sollen, eine Ersatzverkündung hingegen dann, wenn das Gesetz- und Verordnungsblatt aufgrund des Umfangs des zu verkündenden Objekts nicht der geeignete Ort für dessen Verkündung ist.
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b) Der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 4 Satz 2 Bauleitplanfeststellungsgesetz ist jedoch darauf gerichtet, die Verkündung des vollständigen Bebauungsplans zu ermöglichen. Dies schließt, ebenso wie dessen Karten und Zeichnungen, die nicht bereits öffentlich bekanntgemachten Bestimmungen mit ein, die von den Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommen werden.
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Die Kodifizierung dieser Form der Ersatzverkündung geht zurück auf § 3 VOVerkündungsG aus dem Jahre 1955, wonach die Verkündung von Plänen, Karten oder Zeichnungen, die Inhalt oder Teil einer Rechtsverordnung sind, im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt dadurch ersetzt werden kann, dass das maßgebliche Stück beim Staatsarchiv zu kostenfreier Einsicht durch jedermann niedergelegt und hierauf in der Rechtsverordnung hingewiesen wird. Aus der Gesetzesbegründung (Senatsmitteilung 1955, Nr. 27, S. 59, 61, unter „b)“) ergibt sich, dass damit den Problemen begegnet werden sollte, die sich aus der fehlenden Trennung staatlicher und gemeindlicher Aufgaben in Hamburg ergaben. Während nach staatlichen Verkündungsgrundsätzen womöglich Rechtsverordnungen, die auf Pläne und Karten verweisen, nur ordnungsgemäß verkündet seien, wenn auch diese im Gesetz- und Verordnungsblatt abgedruckt seien, würden im übrigen Bundesgebiet die Gemeindeordnungen eine Auslegung dieser Werke zur allgemeinen Ansicht erlauben. Dieses auch in Hamburg seit jeher übliche Verfahren sollte beibehalten und auf rechtssichere Beine gestellt werden. Zugleich sollte darin eine Absicherung gegen Verfälschungen jeglicher Art liegen (Senatsmitteilung, a.a.O., S. 63 f.).
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Die Regelung wurde später auf die als Gesetz festzustellenden Durchführungspläne übertragen (vgl. Senatsmitteilung, Nr. 134, S. 22 f.) und durch Art. I Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Aufbau der Hansestadt Hamburg und zur Änderung des Bebauungsplangesetzes vom 29. März 1957 (HmbGVBl. S. 217) in § 11 Abs. 2 Satz 3 des Aufbaugesetzes (i.d.F. vom 12.4.1957, HmbGVBl. S. 241) übernommen. Aufgrund der Ablösung der darin enthaltenen planungsrechtlichen Vorschriften durch das Bundesbaugesetz von 1960 wurde die „bewährte Regelung aus § 11 Absatz 2 des nunmehr aufgehobenen Aufbaugesetzes“ (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 1961, Nr. 28, 38. Bericht des Ausschusses für Durchführungspläne und für Bau- und Wohnungswesen, S. 7, zu Senatsantrag Nr. 79, Nr. 1) in § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Feststellung von Bauleitplänen und ihre Sicherung vom 3. Juli 1961 (HmbGVBl. S. 232) – nunmehr § 3 Abs. 4 – übernommen.
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Mit der nahtlosen Übernahme der 1955 geschaffenen Regelung für eine praxisgerechte Verkündung von Bebauungsplänen in das Bauleitplanfeststellungsgesetz wurde zugleich dessen Ziel übernommen, einen Gleichklang mit der Art und Weise der Bekanntmachung dieser Pläne in anderen Gemeinden herzustellen. Jene Gemeinden können nicht amtlich veröffentlichte technische Regelwerke wie DIN-Vorschriften in Bebauungspläne übernehmen, wenn diese nach § 10 Abs. 3 BauGB ebenso wie Pläne, Karten und Zeichnungen ortsüblich bekanntgemacht werden. Dies kann eine Gemeinde in rechtssicherer Weise bewirken, indem sie die in Bezug genommene DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist (BVerwG, Beschl. v. 29.7.2010, 4 BN 21.10, Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46, juris Rn. 13). Der Antragsgegnerin die gleiche Möglichkeit einzuräumen, entspricht der Zielsetzung des § 3 Abs. 4 Satz 2 Bauleitplanfeststellungsgesetz. Daher kann in seiner entsprechenden Anwendung die Verkündung von nicht öffentlich bekanntgemachten Bestimmungen, die von den Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommen werden, dadurch ersetzt werden, dass ein Exemplar jener Bestimmungen im Staatsarchiv zur kostenfreien Einsicht niedergelegt und hierauf im Gesetz oder der Rechtsverordnung hingewiesen wird.
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c) Dem genügt § 2 Nr. 15 PlanVO nicht, der lediglich auf die Einsichtnahmemöglichkeit an zwei Hochschulen auf dem Staatsgebiet der Antragsgegnerin hinweist. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass Exemplare der DIN 45691 in den zuständigen Bezirksämtern und der Fachbehörde zur Einsichtnahme ausliegen, vermag dies den Verkündungsmangel nicht zu heilen. So hat bereits der Gesetzgeber die fachlich zuständigen Behörden nicht für gleichqualifiziert wie das Staatsarchiv gehalten, um die Authentizität des niedergelegten Objekts zu garantieren (Senatsmitteilung, a.a.O., S. 64, Ende des 2. Absatzes). Zudem wird weder im Verordnungstext noch auf der Planzeichnung des Bebauungsplans Lokstedt 52 / Eppendorf 9 / Groß Borstel 11 auf diese Einsichtnahmemöglichkeiten hingewiesen.
II.
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Der Fehler bei der Verkündung von § 2 Nr. 15 PlanVO kann nicht nach § 214 Abs. 1 BauGB geheilt werden, weil keine Verfahrens- oder Formvorschriften des Baugesetzbuchs verletzt worden sind (vgl. Kukk in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 214 Rn. 65).
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Die Grundsätze für die Feststellung der Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans aufgrund von Fehlern, die einzelnen Festsetzungen anhaften, gelten auch bei einem Verkündungsmangel in der Gestalt eines unzulässigen Verweises auf DIN-Vorschriften (BVerwG, Beschl. v. 17.9.2013, 4 BN 40.13, BRS 81 Nr. 76 (2013), juris Rn. 10). Hiernach hat die Unwirksamkeit eines Teils des Bebauungsplans nur dann nicht dessen Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die Rechtsbestimmung auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). An der objektiven Teilbarkeit des Plans fehlt es, wenn eine einzelne unwirksame Festsetzung mit dem gesamten Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang steht. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Unwirksamkeit der einzelnen Festsetzung das Planungskonzept in seinem Kerngehalt trifft, so dass nur noch ein Planungstorso übrigbleibt (BVerwG, Beschl. v. 30.10.2019, 4 B 37.18, juris Rn. 6 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen, ob die Unwirksamkeit von Festsetzungen, die den Immissionsschutz betreffen, zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt (BVerwG, a.a.O., Rn. 7).
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Nach diesen Grundsätzen lassen sich die Folgen der Unwirksamkeit von § 2 Nr. 15 PlanVO objektiv nicht auf einen Teil des Bebauungsplans begrenzen. Die Geräuschkontingentierung bezieht sich zwar nur auf die A-Flächen und damit einen Teil des Gewerbegebiets. Ihr Wegfall zieht aber die Unwirksamkeit weiterer Festsetzungen und auf diesem Wege die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans nach sich.
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Die Unwirksamkeit der Geräuschkontingentierung zieht die Unwirksamkeit der Festsetzungen eines Gewerbegebiets und Allgemeinen Wohngebiets südwestlich der Straße N... nach sich. Diese Baugebietsfestsetzungen können nicht sinnvoll bestehen bleiben, da mit § 2 Nr. 15 PlanVO ein zentraler Bestandteil der vom Plangeber nach § 50 BImSchG für notwendig gehaltenen und abgewogenen Konfliktbewältigung für den Übergang der unmittelbar nebeneinanderliegenden und an sich unverträglichen Nutzungen entfällt (s. die Planbegründung S. 27 und 44). Mit diesen Gebietsfestsetzungen entfallen aufgrund ihrer Bedeutung für die Zulässigkeit von Bauvorhaben in diesem Teil des Plangebiets alle weiteren planungsrechtlichen Festsetzungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.9.2017, 4 C 8.16, BVerwGE 159, 322, Rn. 11).
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Der Wegfall eines erheblichen Teils der Gewerbegebietsfestsetzung südlich der Straße N... führt zugleich zur Unwirksamkeit der Festsetzung einer Straßenverkehrsfläche für den Ausbau dieser Straße. Der Straßenausbau ist aufgrund der gewünschten Verkehrsverlagerung (vgl. Planbegründung S. 4) und der damit einhergehenden Verkehrslärmbelastung der angrenzenden Flächen nur möglich, wenn diese zu beiden Seiten lärmunempfindlich genutzt werden können. Entfällt die lärmunempfindliche Gewerbenutzung (vgl. Planbegründung S. 26), fehlt es dem Straßenausbau nach der Abwägung in diesem konkreten Fall an der planerisch notwendigen Absicherung gegen Immissionskonflikte, so dass die Verkehrsflächenfestsetzung ebenfalls unwirksam ist. Zumindest mit dem Wegfall der Verkehrsflächenfestsetzung wird das auf den Ausbau der Straße N... ausgerichtete Planungskonzept in seinem Kerngehalt getroffen, so dass die verbleibenden Festsetzungen nur noch einen Planungstorso darstellen. Die sich hieraus ergebende Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans lässt zugleich die nach § 4 Abs. 3 HmbBNatSchAG in einem Bebauungsplan festsetzbaren Maßnahmen naturschutzrechtlicher und landschaftspflegerischer Art (§ 2 Nr. 17 bis 23 PlanVO) entfallen.
III.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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Referenzen
- § 16 RGO 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- § 3 VOVerkündungsG 2x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 50 Planung 1x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 47 1x
- § 2 Nr. 15 PlanVO 8x (nicht zugeordnet)
- § 2 Satz 2 VOVerkündungsG 4x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 3 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- § 246 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 246 Abs. 2 Satz 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 214 Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 3 HmbBNatSchAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Nr. 17 bis 23 PlanVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 132 1x
- 2 E 7/07 1x (nicht zugeordnet)