Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 L 364/05

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 30.09.2005 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten im Zusammenhang mit der Sicherstellung eines Kraftfahrzeugs.

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Der Kläger ist Halter des Fahrzeugs VW Passat mit dem amtlichen Kennzeichen ... . Er wurde in den ersten Stunden des 14.04.2002 von Polizeibeamten der IZD Anklam angehalten und positiv auf Atemalkohol getestet. Er stellte auf Weisung der Beamten sein Fahrzeug in der Bi.straße in Gr. ab.

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Beamte der Polizeiinspektion Greifswald fanden das Fahrzeug am gleichen Tage gegen 6.15 Uhr. Sie erteilten den Auftrag zur Sicherstellung des Fahrzeugs. In dem Protokoll hierüber wird zur Begründung der Maßnahme angegeben: "Sicherstellung zur Eigentumssicherung". Die mit dem Abschleppen beauftragte Firma Be. stellte der PI Greifswald Kosten in Höhe von 148,27 EURO in Rechnung.

4

Mit Leistungsbescheid vom 07.05.2002 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung von 163,10 EURO auf. Der Betrag setzt sich aus "Aufwendungen an Auskunfts-, Hilfspersonen pp., Handlungen durch einen Beauftragten" in Höhe von 148,27 EURO und 10 % Bearbeitungsgebühr in Höhe von 14,83 EURO zusammen.

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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte aus: Das Fahrzeug sei nach einer positiven Atemkontrolle an der von den Polizeibeamten zugewiesenen Stelle abgestellt worden. Auf seine Frage, ob das Fahrzeug hier abgeschleppt würde, habe der Diensthabende dies verneint. Diese Aussage habe er auf Anfrage auf der Wache wiederholt. Das Abschleppen sei nicht erforderlich gewesen. Es hätte genügt, das Auto vor Ort zu verschließen, indem das Öffnen des Fahrzeugs durch Hochziehen der Fahrertürknöpfe, das Schließen des offenen Fensters und das anschließende Wiederverschließen des Fahrzeugs (auch durch Herunterdrücken des Fahrertürknopfes vom Fond aus) vorgenommen worden wäre. Das Fahrzeug wäre nach dem Schließen der Fondtür einwandfrei gegen unrechtmäßige Benutzung gesichert gewesen.

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Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 03.06.2004 zurück.

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Am 02.07.2004 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Vorbringen im Wesentlichen wiederholte.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Leistungsbescheid der Beklagten vom 07.05.2002 und den Widerspruchsbescheid vom 03.06.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 163,10 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 30.09.2005 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 163,10 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob - was zwischen den Beteiligten streitig sei - seitens der Beklagten versucht worden sei, den Kläger als Halter zu ermitteln und vom unverschlossenen Fahrzeug zu benachrichtigen, um ihm zu ermöglichen, sich selbst um die Sicherung seines Fahrzeugs zu bemühen. Für die rechtmäßige Ausübung des Ermessens zur Sicherstellung des Fahrzeugs seien nämlich weitere Faktoren wesentlich, unter anderem der Wert des Fahrzeuges und der Grad an Wahrscheinlichkeit der Entwendung oder Beschädigung. Anders als bei polizeilichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr sonst, habe sich die Entscheidung über die Sicherstellung zur Eigentumssicherung an dem (mutmaßlichen) Willen des Eigentümers zu orientieren. Es sei nur ausnahmsweise gerechtfertigt, den Schutz privater Rechte als polizeiliche Aufgabe anzusehen. Bei dem betroffenen PKW habe es sich um ein etwa 10 Jahre altes Fahrzeug gehandelt. In ihm hätten sich keine wertvollen Gegenstände befunden. Es sei nicht in einer Gegend abgestellt gewesen, in der bereits häufiger KfZ-Diebstähle verübt worden seien. Es habe nach Angaben des Klägers an einem exponierten Ort gestanden. Der PKW sei den Beamten der Beklagten aufgefallen, weil die Scheibe an der Fahrertür vollständig heruntergelassen gewesen sei und die übrigen Scheiben beschlagen gewesen seien. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte es genügt, die Scheiben des PKW's wieder hochzudrehen, zumal zum Zeitpunkt der Sicherstellung keine Dunkelheit mehr herrschte und die Gefahr bei einem Eigentumsdelikt beobachtet zu werden, groß gewesen sei. Allerdings habe der Kläger nicht nachweisen können, dass das Fahrzeug sich dauerhaft hätte verschließen lassen. Der Verstoß gegen die straßenverkehrsrechtliche Pflicht, Kraftfahrzeuge gegen unbefugte Benutzung zu sichern, rechtfertige jedoch nicht in jedem Fall eine polizeirechtliche Sicherstellung. Kosten wären im Übrigen bei richtiger Sachbehandlung durch die Beklagte nicht entstanden. Die Beklagte habe sich insoweit widersprüchlich und unrichtig verhalten, als der Kläger von anderen Beamten (der IZD Anklam) veranlasst worden sei, sein Fahrzeug an dem betreffenden Ort abzustellen. Dem Kläger sei von dort - dieser Vortrag sei nicht bestritten - die Auskunft gegeben worden, sein Fahrzeug würde nicht sichergestellt werden, die Sicherstellung sei dennoch erfolgt. Mit der Aufhebung des Leistungsbescheides entstehe auch ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Gebühren und Auslagen.

13

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 30.01.2006 entsprochen hat. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 03.02.2006 zugestellt.

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Am 01.03.2006 hat die Beklagte die zugelassene Berufung begründet. Sie führt aus: Es habe eine hinreichend konkrete Gefahr für das Fahrzeug des Klägers bestanden, weil es als einziges Fahrzeug in der Bi.straße abgestellt gewesen sei und dort regelmäßig Publikumsverkehr gegeben sei. Nach der polizeilichen Krimimalstatistik sei die hinreichende Gefahr eines Diebstahls zu bejahen gewesen. Die Sicherungsmaßnahme sei auch notwendig gewesen. Den Polizeibeamten vor Ort sei es nicht gelungen, das Fahrzeug nach dem Hochkurbeln der Scheibe zu verriegeln. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe, es hätte genügt, die Scheibe des PKW's wieder hochzudrehen, könne dem nicht gefolgt werden, weil ein geschulter Straftäter auf den ersten Blick feststellen könne, ob ein Fahrzeug verschlossen sei oder nicht. Im Übrigen stellten auch verschlossene Fahrzeuge für entsprechende Täter kein Hindernis dar. Durch Publikumsverkehr ließe sich ein Täter nicht abschrecken. Auch habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich selbst ausgeführt, er sei nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu verschließen. Das Fahrzeug habe auch keine sonstigen Diebstahlsicherungen gehabt. Die Beklagte habe daher als ultima ratio die Sicherstellung des Fahrzeugs als geeignet ansehen dürfen, um eine Gefährdung der privaten Rechte des Klägers auszuschließen. Auch mildere Maßnahmen, wie der Versuch des Verschließens oder der Halterbenachrichtigung seien gescheitert. Im Übrigen werde in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass die Eigentumssicherung verzögernde Versuche, etwa den zustandspflichtigen Halter zu erreichen, nicht zwingend seien. Die Sicherstellung habe auch dem mutmaßlichen Willen des Klägers entsprochen. Soweit das Verwaltungsgericht auf den Wert des Fahrzeuges abstelle, fehle es an den entsprechenden Ermittlungen. Selbst wenn man den Wert des Fahrzeuges mit nur noch 1.000 bis 2.500 EURO annehme, hätten die Abschleppkosten lediglich einen Bruchteil betragen. Soweit der Kläger sich darauf berufe, die Bediensteten der IZD Anklam hätten ihm zugesichert, das Fahrzeug werde nicht abgeschleppt, sei ein Abschleppen wegen eines Park- bzw. Halteverstoßes gemeint gewesen.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 30.09.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

22

Die hier zu beurteilende Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 61 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 70a des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V) in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchbescheids maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 25.03.1998 (GVOBl. M-V 1998, S. 335), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.05.2004 (GVOBl. M-V S. 178).

23

Nach § 61 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V kann eine Sache sichergestellt werden, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Eine Sicherstellung liegt vor, wenn es der Polizei als Zweck der Maßnahme darauf ankommt, die Sache (anschließend) in Verwahrung zu haben und andere von jeder Einwirkungsmöglichkeit auszuschließen. Die Sicherstellung ist ihrem Wesen nach darauf gerichtet, den Gewahrsam des bisherigen Gewahrsamsinhabers zu beenden und neuen Gewahrsam durch die Verwaltung oder von ihr beauftragte Personen zu begründen. Das Fahrzeug war nicht wegen eines Verstoßes gegen ein Verkehrszeichen, das mit einem Wegfahrgebot verbunden ist, oder wegen einer anderen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus einem Verstoß gegen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts abgeschleppt worden (§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SOG M-V). Die Maßnahme diente der Sicherung des Eigentums des Klägers vor Diebstahl.

24

Diese Sicherstellung diente dem Schutz privater Rechte im Sinne des § 1 Abs. 3 SOG M-V. Danach gehört der Schutz privater Rechte zur Gefahrenabwehr, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne die Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Es handelt sich hierbei um einen besonders gelagerten Fall der Gefahrenabwehr. Der Eigentümer und der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt sollen im Wege der Sicherstellung der Sache vor Verlust oder Beschädigung der Sache geschützt werden. Besondere Anforderungen an die Art oder den Wert der Sache sind vom Gesetz nicht verlangt. Voraussetzung ist aber, dass die Polizei - nach den Umständen des Falles - annehmen musste, dass der Berechtigte abwesend und deshalb nicht in der Lage war, einen drohenden Diebstahl zu verhindern. Dies war der Fall. Der Kläger war nicht am Ort anwesend. Angesichts der geöffneten Fenster des Fahrzeugs und des Umstandes, dass es sich nicht abschließen ließ, drohte der Diebstahl des Fahrzeugs oder von Gegenständen hieraus. Dabei geht der Senat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon aus, dass das Fahrzeug nicht abzuschließen war. Er folgt dabei den Angaben der beteiligten Polizeibeamten, die dies im Verwaltungsverfahren niedergelegt haben, und der Aussage des beteiligten Polizeibeamten als Zeuge vor dem Verwaltungsgericht. Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel an den Aussagen der beteiligten Beamten. Sie haben angegeben, mehrfach versucht zu haben, das Auto zu verschließen, ohne dass dies gelungen sei. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, die Schließanlage des Fahrzeugs sei nach dem hier in Rede stehenden Vorfall kaputtgegangen, sodass sie nicht mehr ordnungsgemäß funktionierte. So erkläre sich das Ergebnis der Vorführung des Fahrzeugs in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, bei der sich ergab, dass es kurze Zeit nach dem Verschließen wieder durch ein Betätigen der Türgriffe zu öffnen war. Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, dass entweder durch die ursprüngliche Konstruktion des Schließmechanismus oder durch den erwähnten Fehler bereits zum Zeitpunkt der Sicherstellung ein ordnungsgemäßes Verschließen ohne den Autoschlüssel nicht mehr möglich war. Es sind keine Gründe erkennbar, warum die Polizeibeamten das Fahrzeug hätten sicherstellen lassen, wenn der Versuch, es abzuschließen, erfolgreich gewesen wäre. Der Aufgabenbereich des § 1 Abs. 3 SOG M-V war demnach eröffnet.

25

Bei der Sicherstellung einer Sache ausschließlich zum Schutz privaten Eigentums wird die Polizei ähnlich wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag im Sinne der §§ 677 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für den Berechtigten tätig, weshalb es sachgerecht ist, auf die hierzu entwickelten zivilrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen. Danach ist die polizeiliche Sicherstellung einer Sache zum Eigentumsschutz dann gerechtfertigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder - objektiv - mutmaßlichen Willen des Eigentümers entspricht. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Sicherstellung objektiv nützlich ist, wenn sie also von einem besonnenen und vernünftigen Eigentümer als sachgerecht beurteilt worden wäre (BVerwG, B. v. 03.05.1999 - 3 B 48.99 -, BayVBl 2000, 380 = NZV 2000, 514; VGH Kassel, U. v. 18.05.1999 - 11 UE 4648/96 -, NJW 1999, 3793; OVG Bautzen, U. v. 12.10.1995 - 3 S 111/95 -, SächsVBl. 1996, 252; OVG Koblenz, U. v. 20.09.1988 - 7 A 22/88 -, NVwZ-RR 1989, 300). Es ist zu berücksichtigen, dass bei einer Vorschrift wie § 61 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V im Einzelfall Meinungsverschiedenheiten darüber entstehen können, ob eine polizeiliche Maßnahme sich als "nützlich" oder "unerwünscht" darstellt (vgl. zu diesen Kriterien bei der vergleichbaren zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag: BGH, U. v. 20.04.1967 - VII ZR 326/64 - BGHZ 47, 370). Es ist vorrangig die Frage zu beantworten, ob die Maßnahme dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht, was dann der Fall ist, wenn sie dessen objektivem Interesse entspricht (vgl. a.a.O. ). Ob der Berechtigte die Abschleppmaßnahme später tatsächlich billigt, spielt keine Rolle.

26

Ob die Maßnahme dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht, hängt entscheidend davon ab, wie hoch im Einzelfall die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls des Fahrzeuges, eines Diebstahls von Gegenständen aus dem Fahrzeuginneren oder einer Beschädigung des Fahrzeugs ist, wenn die Sicherstellung unterbleibt. Sind diese Folgen auszuschließen oder jedenfalls unwahrscheinlich, so ist die Sicherstellung unzulässig. Das Gleiche gilt, wenn die Sicherstellung etwa durch sofortige Benachrichtigung eines - bekannten - Berechtigten oder durch einfach zu treffende Sicherungsmaßnahmen an der Sache vermieden werden kann (vgl. VGH München, U. v. 11.11.1996 - 24 B 95.3946).

27

Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Angesichts eines Werts des Fahrzeugs von mindestens noch 1.000,00 Euro sind die entstanden Kosten nicht unverhältnismäßig. Im Übrigen kommt es auch hier wesentlich darauf an, dass von einem Polizeibeamten vor Ort eine präzise wertmäßige Beurteilung eines Fahrzeugs nicht erwartet werden kann; maßgebend ist, ob auch ihm ein deutliches Missverhältnis zwischen Restwert des Fahrzeuges und den zu erwartenden Sicherstellungskosten erkennbar sein musste (vgl. VGH Kassel, U. v. 18.05.1999 - 11 UE 4648/96 -, NJW 1999, 3793).

28

Der Senat ist des weiteren davon überzeugt, dass die beteiligten Beamten den vergeblichen Versuch unternommen hatten, den Kläger als Halter des Fahrzeugs zu erreichen. Dies ergibt sich aus der Dokumentation in den Verwaltungsvorgängen und den Aussagen des beteiligten Beamten als Zeuge vor dem Verwaltungsgericht. Aus den Bekundungen des Klägers, er habe den Anruf nicht erhalten, ergibt sich für den Senat nichts Gegenteiliges. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, die Alkoholprobe habe einen Wert von etwa 0,7 Promille ergeben. Er habe nach Rückkehr in seine Wohnung noch weiter Alkohol zu sich genommen. Er sei erst gegen 4.00 Uhr ins Bett gekommen. Unter diesen Umständen geht der Senat davon aus, dass er einen Telefonanruf gegen 7.00 Uhr hat überhören können.

29

Der Rechtmäßigkeit der Sicherstellung steht auch nicht entgegen, dass die Beamten der PIS Greifswald dem Kläger anlässlich der Atemalkoholkontrolle zugesichert haben sollen, das Fahrzeug werde nicht abgeschleppt. Der Senat ist überzeugt davon, dass sich eine solche Aussage auf die Frage bezogen hat, ob das Abstellen des Fahrzeugs einen Verstoß gegen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts beinhaltet. Dies ergibt sich zunächst bereits aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Im Übrigen wäre es für den Senat nicht nachvollziehbar anzunehmen, die Beamten, die die Alkoholkontrolle vorgenommen hatten, hätten erkannt, dass das Fahrzeug mit geöffnetem Fenster unverschlossen abgestellt war, und seien gleichwohl zu der Aussage gekommen, dass es aus diesem Grunde nicht sichergestellt werden könnte. Im Übrigen kommt es auch hier auf die Sicht der handelnden Polizisten bei der Anordnung des Abschleppens an: Zum einen war ihnen eine solche Zusicherung nicht bekannt. Zum anderen hätten sie auch dann, wenn sie hiervon gewusst hätten, auf den mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters schließen können, das Fahrzeug nicht in dem festgestellten Zustand stehen zu lassen.

30

Die Maßnahme war auch als unmittelbare Ausführung gerechtfertigt. Nach § 70a Abs. 1 S. 1 SOG M-V können im Wege der unmittelbaren Ausführung die Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten (unmittelbar) ausführen, wenn der nach den §§ 69 oder 70 SOG M-V Verantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann und die Maßnahme dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Verantwortlichen entspricht (vgl. Senat, U. v. 23.02.2005 - 3 L 114/03 - NordÖR 2005, 328 = LKV 2006, 225). Diese Voraussetzungen waren nach dem oben Ausgeführten erfüllt.

31

Nach alledem erweist sich das Handeln der beteiligten Polizeibeamten als rechtmäßig. Dabei ist zu betonen, dass dies insbesondere für die Ermessensentscheidung gilt, im vorliegenden Fall bei Kenntnis der obwaltenden Umstände einzuschreiten. Damit ist weder gesagt, dass unter solchen oder ähnlichen Umständen eine Pflicht zum Einschreiten durch die Sicherstellung eines Fahrzeuges besteht oder auch nur die Ermessensentscheidung, hiervon abzusehen, grundsätzlich ermessensfehlerhaft wäre. Auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Sicherstellung im Wege der unmittelbaren Ausführungen vorliegen, steht die Anordnung der Maßnahme grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörden.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.

33

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 132 VwGO).

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