Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 O 97/10
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald – 6. Kammer – vom 5. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 5.000,-Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller verfolgt einen Vollstreckungsantrag, mit dem er die Herausgabe des Dienstsiegels einer Gemeinde und von verschiedenen Haus- und Zimmerschlüsseln durch die öffentliche Hand erzwingen will.
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Das Verwaltungsgericht hat den Vollstreckungsantrag mit Beschluss vom 5. Oktober 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle an der - vom Verwaltungsgericht nach §§ 172, 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 929 ZPO für erforderlich gehaltenen - Vollstreckungsklausel.
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Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt, soweit die Begründung nicht bereits an dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO scheitert, nicht die Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Insoweit unterliegt es keinen Zweifeln, dass gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Beschwerde nach § 146 VwGO zum Oberverwaltungsgericht eröffnet ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30. August 1985 - 4 C 60.81 -, zit. nach juris Rn. 12; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, Stand Mai 2010, § 172 Rn. 52). Entgegen der in der Literatur unter Bezugnahme auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 16. Juni 1999 (- 1 M 2042/99 -, zit. nach juris) vertretenen Auffassung (vgl. Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010, § 146 Rn 54; Himstedt/Kautz, in: Hk-VerwR, 2. Aufl. 2010, § 146 Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 146 Rn 31) unterliegt die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Ablehnung eines Vollstreckungsantrags nach den §§ 167 ff. VwGO auch dem erhöhten Begründungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 4 und Satz 6 VwGO. Denn wenn schon nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ausdrücklich die Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80 a und 123 VwGO dem erhöhten Darlegungserfordernis unterliegen, muss dies erst recht nach dem Sinn und Zweck der Regelung für vollstreckungsrechtliche Beschlüsse gelten, die auf einem Titel aus einem Verfahren nach §§ 80, 80 a oder 123 VwGO beruhen. Das Argument der gegenteiligen Auffassung, es handele sich insoweit nicht um eine Maßnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes, sondern um eine solche, die auf einer entsprechenden Anwendung des § 172 VwGO beruht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 16. Juni 1999 - 1 M 2042/99 -, a.a.O.), vermag nicht zu überzeugen. Denn ebenso wie für gerichtliche Zwischenentscheidungen in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine besonders begründungsbedürftige Beschwerde erforderlich ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24. April 2007 - OVG 3 S 33/07 -, zit. nach juris Rn. 5 m.w.N.; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2010, § 146 Rn, 16; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O.; Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O. Rn. 31, 11 mw.N.) handelt es sich auch bei vollstreckungsrechtlichen Beschlüssen auf der Grundlage von Eilverfahrensbeschlüssen um Annexverfahren, die in erhöhtem Maß sich materiellrechtlich auswirkende Regelungen treffen. Die Begründungspflicht dient jedenfalls grundsätzlich i.V.m. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dem Beschleunigungsgrundsatz, der ebenso in dem vollstreckungsrechtlichen Verfahren, dass an eine Entscheidung nach §§ 80, 80 a, 123 VwGO anknüpft, Beachtung verlangt.
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Danach gilt: Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der Entscheidung auseinandersetzen. Das Darlegungserfordernis verlangt von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Grundsätzlich reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig aus wie pauschale oder formelhafte Rügen. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung alternativ auf mehrere Begründungen, muss die Beschwerde alle Begründungen aufgreifen, sich mit diesen auseinandersetzen und sie in Zweifel ziehen. Geht die Beschwerdebegründung auf nur eine Erwägung nicht ein, die die angefochtene Entscheidung selbständig trägt bzw. lässt sie unangefochten, bleibt der Beschwerde schon aus diesem Grund der Erfolg versagt. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Juni 2011 - 2 M 83/11 -, m.w.N.).
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Soweit die Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts über die erhöhten Anforderungen der Beschwerdebegründung nicht belehrt, hat dies, weil die Rechtsbehelfsbelehrung insoweit unrichtig erteilt ist, lediglich Auswirkungen auf die Beschwerdebegründungsfrist, für die die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO gilt (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 14. März 2003 - 1 BS 332/02 -, zit. nach juris Rn. 4; a.A. jedoch ohne Begründung: OVG Münster, Beschl. v. 14. Januar 2009 - 14 B 1865/08 -, zit. nach juris Rn. 1). Denn die Beschwerdebegründungsfrist gehört zu den Erfordernissen, die von § 58 Abs. 1 VwGO erfasst sind (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 14. März 2003, a.a.O.). Der Antragsteller hat hier die Beschwerdebegründung sogar innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereicht. Eine Ergänzung des Beschwerdevorbringens hat er nach Ablauf der gesetzlichen Frist nicht, auch nicht nach Ergehen des Sachbeschlusses des Senats im Beschwerdeverfahren gegen die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts (Beschl. des Senats v. 16. November 2010 - 2 M 215/10 -) vorgelegt oder angekündigt.
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Die fristgerecht eingelegte Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, dass der Antragsteller zwischenzeitlich, also nach Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses, die zuvor fehlende Vollstreckungsklausel nachholen wird und (zeitlich wohl nach der Nichtabhilfeentscheidung des Verwaltungsgerichts) auch tatsächlich beigebracht hat. Derartige Tatsachen sind jedoch im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigungsfähig, wenn - wie hier - die neuen Tatsachen gerade darin bestehen, den vom Verwaltungsgericht vorgehaltenen Fehler zu heilen. Denn damit macht der Beschwerdeführer gerade deutlich, dass er die rechtliche Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung akzeptiert. Der erstinstanzlichen Entscheidung gefolgt zu sein, ist keine berücksichtigungsfähige Begründung der Beschwerde (vgl. Beschl. des Senats v. 30. März 2006 - 2 M 170/05 -, Beschl. des Senats v. 25. Mai 2009 - 2 M 88/09 -, zit. nach juris Rn. 6).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG .
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- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - 2 M 88/09 1x
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- VwGO § 154 1x
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- VwGO § 146 8x
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- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 929 Vollstreckungsklausel; Vollziehungsfrist 1x