Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1180/06
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Das beklagte Land wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichts E. vom 11. Januar 2005 und deren Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2005 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Beihilfeantrag vom 3. Januar 2005 eine weitere Beihilfe in Höhe von 240,00 EUR zu bewilligen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der im Jahr 1962 geborene Kläger ist Richter am Amtsgericht der Besoldungsgruppe R 1. Er ist verheiratet und Vater eines Kindes. Anfang Januar 2005 beantragte er zu verschiedenen ihm für seine Tochter im Jahr 2004 entstandenen Aufwendungen die Gewährung von Beihilfe. Diese bewilligte die Präsidentin des Oberlandesgerichts E. mit Bescheid vom 11. Januar 2005 in Höhe von insgesamt 49,42 EUR. Ihrer Festsetzung wurden beihilfefähige Aufwendungen von 361,77 EUR sowie ein Bemessungssatz von 80 v. H. zugrunde gelegt. Der in dieser Weise ermittelte Beihilfebetrag von insgesamt 289,42 EUR wurde abschließend unter Hinweis auf § 12a BVO NRW um 240,00 EUR (sog. Kostendämpfungspauschale) gekürzt. Den gegen die Kürzung gerichteten Widerspruch wies die Präsidentin des Oberlandesgerichts E. unter dem Datum des 8. Februar 2005 zurück.
3Die am 24. März 2005 erhobene Klage mit dem Antrag,
4den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichts E. vom 11. Januar 2005 und des Widerspruchsbescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichts E. vom 8. Februar 2005 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 3. Januar 2005 hin eine weitere Beihilfe in Höhe von 240,00 Euro zu gewähren,
5hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die den Beteiligten bekannte Begründung dieser Entscheidung wird verwiesen. Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus, § 12a BVO NRW verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und 33 Abs. 5 GG. Die Kostendämpfungspauschale führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Mehrbelastung sowohl von Beamten mit Kindern gegenüber kinderlosen Beamten, was durch den Kinderabzugsbetrag nach § 12a Abs. 5 BVO NRW nicht kompensiert werde, als auch von chronisch kranken Beamten. Sie führe zudem bei Berücksichtigung der übrigen erheblichen Einschnitte u. a. im beamtenrechtlichen Besoldungsbereich dazu, dass er nicht mehr über die finanziellen Mittel verfüge, die für einen amtsangemessenen Lebensunterhalt unerlässlich seien.
6Der Kläger beantragt,
7unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem in I. Instanz gestellten Antrag zu erkennen.
8Der Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, § 12a BVO NRW belaste weder Beamte mit Kindern ohne sachlichen Grund mehr als kinderlose Beamte noch chronisch Kranke. Der Dienstherr verletze auch weder mittelbar noch unmittelbar das Alimentationsprinzip. Die Belastung des Klägers mit 240,00 EUR falle nicht in einem Maße ins Gewicht, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt insgesamt spürbar gemindert und gemessen an dem verfassungskräftig verbürgten Standard ernstlich gefährdet wäre.
11Auf die Anforderung des Senats vom 17. April 2007 betreffend u. a. die Besoldungsentwicklung bei den Beamten und Richtern im Land und die Einkommensentwicklung bei den übrigen im öffentlichen Dienst des Landes Beschäftigten hat das Land im Einzelnen Stellung genommen. Der Landesbund NRW des Deutschen Beamtenbundes hat eine Übersicht über die Besoldungsanpassungen seit 1990 und die Tarifabschlüsse seit 1970 vorgelegt.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (1 Band) Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe
14Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte weitere Beihilfe für das Jahr 2004. Der Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts E. vom 11. Januar 2005 und ihr Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2005 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
15Der Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Beihilfe für das Jahr 2004 in Höhe von 240,00 EUR folgt aus § 88 LBG NRW, § 4 Abs. 1 LRiG i. V. m. der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen – BVO NRW –. Die aus ihm erwachsende Beihilfe darf nicht nach Maßgabe des § 12a Abs. 1 BVO NRW gekürzt werden.
16§ 12a Abs. 1 BVO NRW ist formell rechtmäßig (1.); die Norm verstößt jedoch materiell gegen höherrangiges Recht (2.).
17(1.) Der Senat hat bereits anlässlich der Einfügung des § 12a Abs. 1 in die BVO NRW durch Art. II Abs. 8 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Haushalts vom 17. Dezember 1998 (GV NRW S. 750) ausführlich – bejahend – zur formellen Rechtmäßigkeit der Kostendämpfungspauschale in der Ursprungsfassung (im Folgenden: Kostendämpfungspauschale I) Stellung genommen. Namentlich war das Land gesetzgebungskompetent (Art. 70 Abs. 1, 72 Abs. 1 GG) und hat mit dem Gesetzeserlass nicht gegen die verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen. Schließlich war auch seine konkrete Verfahrensweise, durch (formelles) Gesetz die bestehende Beihilfenverordnung um die streitigen Regelungen über die Kostendämpfungspauschale zu ergänzen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
18Vgl. Urteile vom 12. November 2003 – 1 A 4755/00 u. a. –, IÖD 2004, 53 = NWVBl. 2004, 194 = NVwZ-RR 2004, 546 = ZBR 2005, 272.
19An den hierauf bezogenen Ausführungen hält der Senat uneingeschränkt fest. Sie finden sich zwischenzeitlich sowohl im argumentativen Ausgangspunkt als auch im Ergebnis bestätigt.
20BVerwG, Beschlüsse vom 10. März 2004 – 2 B 5.04 –, vom 11. März 2004 – 2 B 6.04 – sowie vom 12. März 2004 – 2 B 7.04 -.
21Das Bundesverwaltungsgericht hat u. a. festgehalten, dass die Frage, ob dem Land die Kompetenz für kostendämpfende Regelungen über Beihilfen in Krankheitsfällen zusteht, in seiner Rechtsprechung und derjenigen des Bundesverfassungsgerichts – im Sinne der Entscheidung des erkennenden Senats – geklärt sei. Auch das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die Schaffung des § 12a BVO NRW als Verordnungsrecht im parlamentarischen Verfahren – so wie geschehen – nicht zu beanstanden sei.
22Vgl. Beschluss vom 27. September 2005 – 2 BvL 11/02 u. a. –, www.bverfg.de, ergangen auf die Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des VG Gelsenkirchen vom 28. Juni 2002 – 3 K 1122/99 u. a. -.
23Mit Blick auf Art. II des Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2003 und Gesetzes zur Änderung der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 18. Dezember 2002 (GV NRW S. 660), mit welchem die in § 12a Abs. 1 BVO NRW bislang festgelegten Kürzungsbeträge erhöht worden sind (im Folgenden: Kostendämpfungspauschale II), sind entscheidungserhebliche Unterschiede insoweit nicht gegeben.
24(2.) § 12a Abs. 1 BVO NRW ist wegen materiellen Verstoßes gegen höherrangiges Recht ab dem Jahr 2003 nicht mehr anwendbar. Dies ergibt sich im Überblick aus den folgenden Erwägungen.
25§ 12a Abs. 1 BVO NRW verstößt beginnend mit dem Jahr 2003 gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG).
26Das Land verletzt das beamtenrechtliche Fürsorgeprinzip – ein Rechtsgut von Verfassungsrang –, indem es in Ansehung der seine Beamten und Richter exklusiv treffenden Besoldungsabsenkung seit dem Jahr 2003 an der Anwendung von § 12a Abs. 1 BVO NRW festhält.
27Auch unter Berücksichtigung von Einschätzungsprärogativen und Beurteilungsspielräumen hat das Land als in Besoldungsangelegenheiten tätiger Gesetzgeber und fürsorgegewährender Dienstherr in Anbetracht der ab dem Jahr 2003 wirksamen besoldungsrelevanten Umstände das Spannungsverhältnis zwischen den Bestimmungen über die Besoldung einerseits und denjenigen über ergänzende Fürsorgeleistungen zum Schutz u. a. bei Krankheitsfällen andererseits nicht verfassungskonform geregelt.
28Das Land hat bei der Aufrechterhaltung von pauschalen Beihilfekürzungen nicht berücksichtigt, dass es seinen Beamten und Richtern seit dem Jahr 2003 eine sich allenfalls am äußersten Rande des verfassungsrechtlich Zumutbaren bewegende Besoldung gewährt. Die durch die Anwendung der Kostendämpfungspauschale verursachte weitergehende Belastung führt zur Unterschreitung dessen, was an angemessener Alimentation zu erwarten war.
29Diese Unterschreitung beruht darauf, dass die Besoldung der Beamten- und Richterschaft des Landes beginnend mit dem Jahr 2003 in nicht zu rechtfertigender Weise greifbar von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden ist. Dadurch führt das Festhalten an der Kostendämpfungspauschale zu einer Gefährdung des amtsangemessenen Unterhalts. Für dessen Wahrung ist das Land als Dienstherr verantwortlich. Seine Gefährdung verletzt den Kern der Fürsorgepflicht und ist damit verfassungswidrig.
30Aus diesem Überblick ergeben sich in Zusammenfassung die folgenden, die Entscheidung bestimmenden Gesichtspunkte.
31a) Das Land hat die ergänzende Fürsorge bezogen auf die Höhe der den Beamten gewährten Besoldung auszugestalten (S. 8 f.).
32b) Das Land hat Beurteilungsspielräume, wie es als Fürsorgegeber dieses Spannungsverhältnis lösen will; wird mit der Belastung für den Beamten – wie hier – die Marginalitätsgrenze überschritten, kontrolliert das Gericht die fürsorgerische Entscheidung darauf hin, ob durch sie die Amtsangemessenheit der Alimentation gefährdet wird (S. 9 ff.).
33c) Die Amtsangemessenheit der Alimentation bestimmt sich nach internen und externen Maßstäben, insbesondere im Vergleich zu den tariflich Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (S. 12 ff.).
34d) Mit der Aufrechterhaltung der Kostendämpfungspauschale gefährdet das Land beginnend mit dem Jahr 2003 die Amtsangemessenheit der Alimentation (S. 15 ff.).
35aa) Die vom Land im Zusammenhang mit der Einführung und Erhöhung der Kostendämpfungspauschale angestellten Erwägungen sind nicht geeignet, die Lösung des Spannungsverhältnisses verfassungsrechtlich tragfähig zu begründen, obwohl dem Land eine Vorgehensweise unter Anlegung verfassungsrechtlich tragfähiger Parameter ohne weiteres möglich (gewesen) wäre, wie die Vorgänge um die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung zeigen (S. 16 ff.).
36bb) Der Ausfall bei der Wahrnehmung der Prärogativen allein erlaubt nicht den Schluss auf die Verfassungswidrigkeit des erzielten Ergebnisses, hier der Aufrechterhaltung der Kostendämpfungspauschale (S. 22 f.).
37cc) Verfassungsrechtlich tragfähige Gesichtspunkte für die Aufrechterhaltung der Kostendämpfungspauschale sind auf der Grundlage des Befunds, dass die Alimentation der Beamten des Landes beginnend mit dem Jahr 2003 ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund von der allgemeinen Einkommensentwicklung greifbar abgekoppelt worden ist, nicht erkennbar (S. 23 ff.).
38e) § 12a Abs. 1 BVO NRW verstößt danach gegen Art. 33 Abs. 5 GG (S. 42 ff.).
39f) Aus diesem Verfassungsverstoß folgt – unabhängig von der Frage der Nichtigkeit der Norm – jedenfalls ein Anwendungsverbot, welches das Land daran hindert, aus § 12a Abs. 1 BVO NRW Folgerungen zulasten von Beihilfeansprüchen zu ziehen. Der Kläger ist nicht auf eine Inanspruchnahme des Besoldungsgesetzgebers zu verweisen; einer Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es nicht (S. 44 ff.).
40Im Einzelnen gilt hierzu Folgendes:
41a) Fürsorge verpflichtet den Dienstherrn im hier interessierenden Zusammenhang der Gesundheits(vor)sorge, seinen Beamten und Richtern (im Folgenden pars pro toto "Beamte") ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Krankheit sowie andere besondere Situationen finanziell bewältigt werden können, ohne dass hierdurch der amtsangemessene Lebensunterhalt im Übrigen beeinträchtigt wird. Im Rahmen des gegenwärtigen Systems der Beihilfe ist dies so zu verstehen, dass mit der Besoldung ein Durchschnittssatz zur Verfügung gestellt wird, der geeignet ist, u. a. in Krankheitsfällen zu erwartende Aufwendungen z. T. durch den Abschluss von Versicherungsverträgen abzudecken. Hiermit soll der Beamte in die Lage versetzt werden, eine angemessene Eigenvorsorge zu betreiben. Darüber hinaus muss der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen dafür treffen, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann.
42Vgl. im Einzelnen und mit zahlr. Nachw. Senatsurteile vom 12. November 2003 – 1 A 4755/00 u. a. -, a. a. O.
43Die vom Dienstherrn zu gewährende ergänzende Fürsorge steht hiernach in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zur Höhe der gewährten Besoldung. Die Fürsorge muss die Amtsangemessenheit der Alimentation sicherstellen, wenn anderenfalls im Ergebnis die Amtsangemessenheit nicht gewährleistet ist. Amts-angemessene Alimentation steht weder zur Disposition des Besoldungs- noch des Fürsorgegebers. Für den Beamten ist es von herausragender Bedeutung, ob und welche Leistungen der Dienstherr im Fall von Krankheit erbringt. Zwar gehört die gegenwärtige Ausgestaltung der Fürsorge mittels Beihilfeleistungen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Das System der Beihilfe kann jederzeit geändert werden, ohne dass dadurch, d. h. durch die Änderung an sich, Art. 33 Abs. 5 GG berührt wird. Gleichwohl bestimmt der Umfang der Beihilfen die Qualität der Versorgung u. a. bei Krankheit sowie den Umfang der Eigenvorsorge. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit sowie die Wahrung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts trotz laufender Aufwendungen für besondere Belastungen wegen Krankheit sind Schutzgüter mit Verfassungsrang. Sowohl die Bestimmungen über die Besoldung als auch die Vorschriften über den Schutz u. a. bei Krankheit haben auf die finanzielle Belastbarkeit des Beamten Rücksicht zu nehmen. Der Gesetzgeber hat bei der näheren Ausgestaltung der Fürsorge dem verfassungsrechtlichen Zusammenhang zwischen Fürsorge und Alimentation – im Sinne eines "Aufeinanderbezogenseins" von Besoldung einerseits und Fürsorgeleistungen in Sonderfällen andererseits – besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004 – 2 C 50.02 –, BVerwGE 121, 103, und vom 28. April 2005 – 2 C 10.04 -, IÖD 2005, 270.
45Aus diesen Gründen geht es im vorliegenden Zusammenhang – der Auferlegung eines pauschalen Beihilfekürzungsbetrags – nicht um die Frage, ob der Beihilfestandard in Nordrhein-Westfalen zulässigerweise gegenüber demjenigen in anderen Bundesländern oder im Bund abgesenkt werden kann. Die Kostendämpfungspauschale bezieht sich nicht auf den Beihilfestandard. Das Niveau des gewährten Schutzes für Aufwendungen im Krankheitsfall bleibt davon unberührt. Dem Beamten wird stattdessen ein Selbstbehalt zugemutet, der sich mittelbar auf die Höhe der gewährten Besoldung, also insgesamt alimentationsverkürzend auswirkt. Auch der Sache nach geht es um nichts anderes als um das Anliegen des Landes, vermittelt über die Kostendämpfungspauschale seinen allgemein für die Alimentation zu erbringenden, aus seiner Fürsorgepflicht erwachsenden Finanzierungsaufwand zu verringern.
46b) Dem Besoldungsgesetz- und Fürsorgegeber stehen Einschätzungsprärogativen bei der Frage zu, wie er das aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen Besoldung und ergänzender Fürsorge mit dem Ziel der jederzeit aktuell zu gewährleistenden amtsangemessenen Alimentation lösen will. Eine in Wahrnehmung dieser Prärogativen getroffene Entscheidung dürfte jedenfalls dann (von vornherein) gerichtlich nicht zu beanstanden sein, wenn lediglich Veränderungen im Wechselspiel von Besoldung und ergänzender fürsorgerischer Leistung in marginalem Umfang in Rede stünden. Bei einem solchen Befund hätte sich gerichtliche Kontrolle zurückzunehmen. Die Rechtsprechung hat zur Konkretisierung einer in diesem Zusammenhang zu beachtenden Bagatellgrenze auf absolute Belastungsbeträge abgestellt. So hat das Bundesverwaltungsgericht bei zusätzlichen monatlichen Aufwendungen als Eigenvorsorge in Höhe von 20 DM die amtsangemessene Alimentation als nicht gefährdet angesehen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277.
48Der erkennende Senat hat eine solche Gefährdung bei einem monatlichen Betrag von 33 DM bezogen auf das Einkommen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 12 und von 25 DM bzw. 30 DM bezogen auf das Einkommen eines Richters der Besoldungsgruppe R 1 nicht zu erkennen vermocht; das OVG Berlin-Brandenburg hat eine monatliche "Eigenvorsorge" in Höhe von 11,67 EUR – bezogen auf die Besoldungsgruppe A 13 – nicht beanstandet.
49Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. November 2003 – 1 A 4755/00 u. a.-, a. a. O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 4 N 108.05 -, Juris.
50In absoluten Zahlen sind diese Beträge durch die Kostendämpfungspauschale II bereits in so deutlicher Weise überschritten, dass von einer Belastung in lediglich marginalem Umfang nicht mehr gesprochen werden kann. Für einen ledigen oder verheirateten Beamten – ohne berücksichtigungsfähige Kinder – entstehen nach den in § 12a Abs. 1 BVO NRW vorgesehenen Staffelungen im Krankheitsfall zusätzliche von der Besoldung zu bestreitende monatliche Kosten in Höhe von 12,50 EUR, 25,00 EUR, 37,50 EUR, 50,00 EUR bzw. 62,50 EUR. Die – in Anwendung des § 12a Abs. 5 BVO NRW ggf. in Betracht kommenden – Abzugsbeträge für Kinder bleiben bei dieser Marginalitätsbetrachtung außen vor. Der hierdurch bewirkten finanziellen Entlastung stehen vom Dienstherrn – generell – bedachte höhere Aufwendungen im Übrigen gegenüber, sodass im Ergebnis die Belastungen von Alleinstehenden bzw. Verheirateten ohne Kinder und solchen mit Kindern gleich ausfallen (sollen).
51Zu einem ähnlich deutlichen Ergebnis einer relevanten, weil spürbaren Belastung gelangt im vorliegenden Zusammenhang, wer im Wege einer relativierenden Betrachtung die Marginalität der Belastung zu beurteilen versucht, um im Falle deren Verneinung die gesetzgeberische Entscheidung in Anbetracht der Anforderungen der Art. 19 Abs. 4, 33 Abs. 5 GG einer effektiven gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Insoweit hat sich in der Rechtsprechung ein Volumen von rund 1 % der Nettojahresbezüge als Kriterium dafür herausgebildet, ob in aller Regel der amts-angemessene Lebensunterhalt gewahrt bleibt.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36.02 -, a. a. O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 4 N 108.05 -, a. a. O.; Senatsurteile vom 12. November 2003 – 1 A 4755/00 u. a. -, a. a. O.; im Zsh. mit einer relevanten Verfälschung des Spannungsverhältnisses zwischen den Besoldungsgruppen bei Auswirkungen durch die Kostendämpfungspauschale von weniger als 1 % auch BVerfG, Beschluss vom 9. März 2000 – 2 BvL 8/99 u. a. -, NWVBl. 2000, 249.
53Auch dieser Orientierungsrahmen, der ohnehin keine starre Grenze bildet und den hier vorliegenden, noch darzustellenden Ausnahmefall anderweitig greifbar abgekoppelter Alimentationsleistungen durch wiederholten gesetzgeberischen Zugriff auf die Höhe der Besoldung nicht einbezieht, ist für den überwiegenden Teil der von der Kostendämpfungspauschale II betroffenen Beamten überschritten. Es ergeben sich für die jeweiligen Eingangsstufen der Besoldungsgruppen, wobei für die folgende Übersicht jeweils die untersten der gemäß § 12a Abs. 1 BVO NRW nach Gruppen zusammengefassten Besoldungsgruppen herangezogen wurden, für das Jahr 2004 bezogen auf einen alleinstehenden Beamten folgende Relationen:
54
Jahresgrundgehalt in der ersten Dienstaltersstufe (Beträge jeweils in EUR) | zzgl. Sonderzahlung | abzgl. Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer | Verhältnis zur Kostendämpfungspauschale | |
A7 | 1.659,07 x 3 + 1.675,66 x 4 + 1.692,42 x 5 = 20.141,95 | + 1.184,69 = 21.326,64 | - 2.690,00 – 147,95 – 242,10 = 18.246,59 | 0,82 % |
A12 | 2.509,09 x 3 + 2.534,18 x 4 + 2.559,52 x 5 = 30.461,59 | + 1.279,76 = 31.741,35 | - 5.843,00 – 321,36 – 525,87 = 25.051,12 | 1,20 % |
R2 | 3.696,88 x 3 + 3.733,85 x 4 + 3.771,19 x 5 = 44.881,99 | + 1.885,60 = 46.767,59 | - 11.408,00 – 627,44 – 1.026,72 = 33.705,43 | 1,34 % |
B4/ R4 | 6.286,30 x 3 + 6.349,16 x 4 + 6.412,65 x 5 = 76.318,79 | + 3.206,33 = 79.525,12 | - 26.000,00 – 1.430,00 – 2.340,00 = 49.755,12 | 1,21 % |
B8/ R8 | 7.815,39 x 3 + 7.893,54 x 4 + 7.972,48 x 5 = 94.882,73 | + 3.986,24 = 98.868,97 | - 34.705,00 – 1.908,77 – 3.123,45 = 59.131,75 | 1,27 % |
55
c) Ist die Marginalitätsgrenze wie hier – bei absoluter Betrachtungsweise ohnehin, aber auch bei generalisierender und relativierender Betrachtungsweise – überschritten, kann eine Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation jedenfalls dann nicht ausgeschlossen werden, wenn wie hier weitergehende Folgen der Kostendämpfungspauschale in Rede stehen, die mit Blick auf Absenkungen der Besoldung zu berücksichtigen sind. Für die gerichtliche Prüfung kommt es danach entscheidend darauf an, ob die vom Dienstherrn festgelegte Fürsorge in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Umfang der gewährten Besoldung bezogen ist, ob sie also in ihrer konkreten Ausgestaltung den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten nicht gefährdet.
56Vgl. zum maßgeblichen Kriterium der Gefährdung BVerfG, Beschlüsse vom 25. September 2001 – 2 BvR 2442/94 -, DVBl. 2002, 114, und vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, BVerfGE 83, 89; BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004 – 2 C 50.02 -, a. a. O., und vom 3. Juli 2003 – 2 C 36.02 -, a. a. O.
57Die hiernach für die rechtliche Beurteilung erforderliche Festlegung der amtsangemessenen Alimentation, an der inzident (auch) der erforderliche Umfang ergänzend gebotener Fürsorge zu messen ist, wenn wie hier erst die Summe der Bezüge (Leistungen) aus beiden Bereichen das Maß des Angemessenen bestimmt, betrifft keine statische, sondern eine entsprechend den jeweiligen Zeitverhältnissen zu konkretisierende Größe. Das Alimentationsprinzip ist hierbei nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
58Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258.
59Die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Garantie eines amtsangemessenen Unterhalts stellt eine den Besoldungsgesetzgeber (und hier dem Grunde nach entsprechend auch den Fürsorgegeber) in die Pflicht nehmende verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive dar.
60Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 -, IÖD 2007, 77.
61Dem Beamten steht, wenn auch nicht hinsichtlich der Höhe und der sonstigen Modalitäten, so doch hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf standesgemäßen (amtsgemäßen) Unterhalt ein durch seine Dienstleistung erworbenes Recht zu. Dieses ist durch Art. 33 Abs. 5 GG ebenso gesichert wie das Eigentum durch Art. 14 GG.
62Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.
63Grenzen der Gestaltungsfreiheit bzw. indisponible Direktiven setzt das Alimentationsprinzip dem Besoldungs- wie dem Fürsorgegeber in allen beamtenrechtlichen Zusammenhängen. Dies gilt vor allem bei generellen Einsparungsbemühungen der öffentlichen Hand. Finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, sind für sich genommen in aller Regel nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung anzusehen. So begründen allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die Herausforderungen durch die Globalisierung, der demographische Wandel und die finanziellen Nachwirkungen der Wiedervereinigung eine Einschränkung des Grundsatzes amtsgemäßer Besoldung nicht. Die vom Dienstherrn geschuldete Alimentierung ist keine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlichen Hand, nach politischen Dringlichkeitsbewertungen oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt. Alimentation des Beamten und seiner Familie ist etwas anderes und Eindeutigeres als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle und findet ihren Rechtsgrund nicht im Sozialstaatsprinzip, sondern in Art. 33 Abs. 5 GG. Könnte die finanzielle Situation der öffentlichen Hand für sich bereits eine Veränderung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung rechtfertigen, so wäre diese dem uneingeschränkten Zugriff des Gesetzgebers eröffnet. Die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG liefe ins Leere.
64Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., sowie Beschlüsse vom 20. März 2007 – 2 BvL 11/04 -, IÖD 2007, 125, vom 20. Juni 2006 – 2 BvR 361/03 -, IÖD 2006, 237, und vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, BVerfGE 107, 218; Lindner, ZBR 2007, 221, 224.
65Gleichwohl stehen das Alimentations- ebenso wie das Fürsorgeprinzip finanziellen Einsparungsbemühungen nicht schlechthin abwehrend gegenüber; sie müssen jedoch im Ergebnis und zu jedem Zeitpunkt die Amtsangemessenheit der Alimentation unberührt lassen. Bei dieser Beurteilung hat die Höhe des (Netto-)Ein-kommensniveaus der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer, vor allem der Angestellten des öffentlichen Dienstes, eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der Wertigkeit des Amtes der Beamten und – hieran anschließend – der (Amts)Angemessenheit der Alimentation. Diese bestimmt sich zunächst maßgeblich nach innerdienstlichen, unmittelbar auf das Amt bezogenen Kriterien wie dem Dienstrang, der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit. Durch das Gebot, bei der Besoldung dem Dienstrang des Beamten Rechnung zu tragen, soll – dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG folgend – einerseits sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. In dieser Hinsicht bestimmt sich die Amtsangemessenheit im Verhältnis zur Besoldung anderer Beamtengruppen. Andererseits kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Diese Wertigkeit wird durch die mit dem Amt verbundene Verantwortung und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Bezugsrahmen für die betragsmäßige Konkretisierung dieses abstrakten Wertes der vom Beamten erbrachten Leistung sind die Einkommen der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Ausbildung und Tätigkeit, vor allem des öffentlichen Dienstes.
66Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.
67Hinter deren materieller Ausstattung darf die Alimentation der Beamten nicht greifbar zurückbleiben.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 34.01 –, BVerwGE 117, 305.
69Die Bereitschaft des Beamten, sich mit ganzem Einsatz seinem Dienst zu widmen, und seine Immunität gegenüber politischer und finanzieller Einflussnahme durch Dritte hängen wie im Tarifbereich maßgeblich davon ab, dass die von ihm geleisteten Dienste adäquat gewürdigt werden. Maßstab hierfür wie auch für das Ansehen des Amtes sind nicht zuletzt die Einkünfte, die im Vergleich zu den Einkommen ähnlich ausgebildeter Arbeitnehmer mit vergleichbarer beruflicher Verantwortung erzielt werden. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber das Beamtenverhältnis für qualifizierte Kräfte anziehend ausgestalten muss. Dies setzt u. a. voraus, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen wirbt, die insgesamt einem Vergleich mit denen der privaten Wirtschaft standhalten. Denn die Alimentation dient nicht allein dem Lebensunterhalt des Beamten, sie hat zugleich eine qualitätssichernde Funktion. Bei der Bestimmung der Höhe der amtsangemessenen Besoldung hat sich der Gesetzgeber vor allem an der Entwicklung der einschlägigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie dem allgemeinen Lebensstandard zu orientieren.
70Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., und Beschluss vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 -, a. a. O.
71d) Unter Beachtung dieser Grundsätze und angesichts der konkreten, rechtstatsächlichen Umstände im Land Nordrhein-Westfalen können die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zur Kostendämpfungspauschale I Ende des Jahres 2003 für das Jahr 1999 tragenden Annahmen – Gewährleistung einer amtsangemessenen Alimentation und hieran anknüpfend eine als (noch) geringfügig zu bewertende Belastung der Beamten im Rahmen ergänzender fürsorgerischer Leistungen – beginnend mit dem Jahr 2003 nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Sachlage hat sich entscheidungserheblich geändert. Den Beamten des Landes wird auch unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Besoldungsgesetzgeber seit dem Jahr 2003 allenfalls noch eine sich am untersten Rand des Amtsangemessenen bewegende Alimentation gewährt. Dies hätte das Land, das im Rahmen der Beihilfe in Ausübung der Fürsorgepflicht tätig wird, erkennen und in dem Sinn berücksichtigen müssen, dass es – entsprechend seiner insoweit bestehenden Kontroll- und Anpassungspflicht – an der Anwendung der – auf das jeweilige Kalenderjahr bezogenen – Kostendämpfungspauschale für die Zeit ab 2003 nicht mehr festhält.
72aa) Die vom Land herangezogenen Begründungen, die es im Zusammenhang mit den im Jahr 2003 einsetzenden besoldungswirksamen Einschnitten sowohl mit Blick auf die Höhe der Besoldung – hier namentlich betreffend die Absenkung der Sonderzahlung nebst Streichung des Urlaubsgeldes – als auch mit Blick auf die ergänzende Fürsorge abgegeben hat, werden den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben bereits in ihren Ansätzen nicht gerecht. Dies ist für den Umfang der Prüfung, die dem erkennenden Gericht hinsichtlich der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der hier einschlägigen Bestimmung der BVO NRW obliegt, entscheidend. Läge eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung vor, stünde lediglich deren sachliche Fundierung unter Berücksichtigung einschlägiger Beurteilungsprärogativen zur Prüfung an. Ihr Fehlen führt indes zu einer umfassenden Ergebniskontrolle.
73Den erwähnten Begründungen lässt sich bereits keine annähernd fundierte und substantiierte Auseinandersetzung mit der allein entscheidenden Frage entnehmen, ob und in welchem Umfang angesichts der Besoldungsentwicklung ab dem Jahr 2003 den Beamten Eigenbeteiligungen an Krankheitskosten überhaupt (noch) zugemutet werden können. Den Gesetzesmaterialien lässt sich hierzu nichts entnehmen. Anlässlich der Einführung der Kostendämpfungspauschale wurde lediglich darauf hingewiesen, dass mit dieser Regelung die im Bund und in anderen Bundesländern vorgesehenen Eigenanteile bei Medikamenten im Wege einer weniger verwaltungsaufwendigen Regelung übertragen werden sollen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 27. August 1998, LT-Drucks. 12/3300, S. 57). Dieser Hinweis verdeutlicht die Zielsetzung der Kostendämpfungspauschale, trägt zu ihrer Rechtfertigung ab dem Jahr 2003 angesichts der oben dargelegten relevanten Maßstäbe jedoch nichts bei. Dabei ist es dem Land selbstverständlich (im Ansatz) unbenommen, sich an in anderen Ländern vorgesehene Regelungen anzulehnen. Die Bundesländer sind zwar im Rahmen ihrer bestehenden Regelungskompetenz bei der näheren Ausgestaltung der Beihilfe nicht an das gebunden, was in sachverwandten Regelungsbereichen im Bund oder in anderen Ländern gilt.
74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225.
75Umgekehrt bedeutet dies allerdings auch, dass ihnen eine solche Anlehnung – im Sinne einer Nivellierung auf unter(st)em Niveau – jedenfalls im Prinzip nicht verwehrt ist. Eine sachliche Legitimation zu bestimmten Kürzungen folgt daraus allein indes noch nicht. Denn die materielle Rechtfertigung der jeweiligen "Vorbildregelung" bedürfte ihrerseits näherer Überprüfung und zwar gemessen an den rechtstatsächlichen Verhältnissen (hier) im Land Nordrhein-Westfalen.
76Das sowohl anlässlich der Einführung der Kostendämpfungspauschale als auch anlässlich ihrer Erhöhung vorgetragene Argument, die Beihilfeberechtigten (noch) stärker an den Krankheitskosten zu beteiligen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 3. September 2002, LT-Drucks. 13/2800, S. 1, 35 ), zeigt lediglich die Gesetzesfolgen auf, taugt aber nicht zur Rechtfertigung des Mitteleinsatzes. Ohne weiterführenden Ertrag ist auch der dortige Hinweis des Landes auf die Vertretbarkeit der Selbstbehalte durch eine nach Besoldungsgruppen vorgesehene Staffelung. Die Frage, ob die Beteiligung – vermittelt über die Kürzung fürsorgegewährender Leistungen – unter Einstellung des notwendigen Bezugs zur Höhe der insgesamt gewährten Besoldung dem Grunde nach zulässig ist, wird hierdurch nicht beantwortet; ein vertretbares und damit von Seiten der Judikative im Sinne einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit hinzunehmendes Ergebnis einer verfassungsrechtlich beanstandungsfrei ausgeübten Einschätzungsprärogative ist hierin nicht zu erkennen.
77Letztlich lässt sich den Materialien nur an einer Stelle entnehmen, dass sich das Land des verfassungsrechtlichen Bezugs zwischen Besoldung und ergänzender Fürsorge überhaupt bewusst gewesen ist. Es hat mittlerweile zu erkennen gegeben, dass der in Nordrhein-Westfalen vergleichsweise hohe Eigenanteil der Beihilfeempfänger nach Maßgabe der Kostendämpfungspauschale II die verfassungsrechtlich zulässige Grenze "berührt", sodass hier jedenfalls kein Raum für weitere Einsparungen verbleibt (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 26. Januar 2006, LT-Drucks. 14/1000, S. 75). Diese Ausführungen lassen jedoch ebenfalls auf keine substantiierte Auseinandersetzung mit der Frage schließen, ob durch das Festhalten an der Kostendämpfungspauschale der Bezug zur amtsangemessenen Alimentation in verfassungsgemäßer Weise hergestellt worden ist. Letztlich verbleibt es bei dem einzigen (vermeintlich) tragenden, vom Land wiederholt betonten Argument für die Einführung und Erhöhung der Kostendämpfungspauschale, nämlich der (weiteren) Ausgabenreduzierung im Bereich der Personalausgaben – vornehmlich bezogen auf den Bereich der Besoldungsempfänger des Landes. Der finanzpolitische Gestaltungsspielraum soll nach der eingetretenen nachhaltigen Verschlechterung der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte gesichert werden. Am Konsolidierungskurs sei festzuhalten; die Nettoneuverschuldung sei zu reduzieren (LT-Drucks. 13/2800, S. 1, 35).
78Dieses Argument, das auch im Zusammenhang mit der Kürzung der Sonderzahlung herangezogen worden ist, ist selbstredend verfassungsrechtlich nicht bedenklich,
79vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 – 21 A 1634/05 -, Juris,
80für sich allein im gegebenen Zusammenhang aber nicht tragfähig. Die ausschließlich mit der jeweiligen Finanzlage der öffentlichen Haushalte und deren angestrebter Konsolidierung begründete Wahrnehmung der Prärogative vermag besoldungswirksame Einschnitte nicht zu rechtfertigen. Zu solchen Einschnitten führt aber die Anwendung der Kostendämpfungspauschale, mit der im Rahmen ergänzender fürsorgerischer Leistungen notwendig auf die Besoldung zugegriffen wird. Wie bereits dargelegt, vermögen die Finanzlage der öffentlichen Haushalte, die Herausforderungen durch die Globalisierung, der demographische Wandel und die finanziellen Nachwirkungen der Wiedervereinigung eine Einschränkung des Grundsatzes amtsgemäßer Versorgung nicht zu begründen. Auch die wachsende Nachfrage staatlicher Leistungen und die Belastungen, die durch eine frühere Aufstockung der Zahl der Beamten verursacht werden, können für sich genommen eine Absenkung der Besoldung zur Einsparung staatlicher Ausgaben nicht als Sachgrund tragen.
81Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O., zum Versorgungsniveau.
82Dies leuchtet ungeachtet aller dogmatischen Schwierigkeiten bei der rechtlichen Einordnung der Bestandteile der Alimentation (im engeren Sinn), der alimentationsgleichen Leistungen (wie Sonderzahlung nebst Urlaubsgeld) und der hierauf bezogenen ergänzenden fürsorgerischen Leistungen unmittelbar ein. Kosten lassen sich durch jede Kürzung von Leistungen – gleich welcher Art – und besonders umfangreich bei den Personalausgaben reduzieren; als (alleiniges) Argument für die Zulässigkeit, dieses Ziel zu verfolgen, taugt diese Begründung nicht.
83Die demgegenüber erforderliche Auseinandersetzung seitens des Landes mit der Frage der amtsangemessenen Alimentation stellte sich jedoch um so dringlicher, als der bislang allein zuständige Besoldungsgesetzgeber Bund – wie noch darzulegen sein wird – offensichtlich bis zum Jahr 2002 seine Prärogativen ausgeübt hat und in der von ihm vorgenommenen Weise von einer Amtsangemessenheit der bislang gewährten (Gesamt-)Besoldung ausgegangen ist. Noch mit dem BBVAnpG 2000 hat dieser durch Besoldungsanpassungen im Zeitraum von 1999 bis 2002 langfristig für alle Statusgruppen im öffentlichen Dienst – also Beamte/Richter und tariflich Beschäftigte – eine gleichgerichtete Entwicklung der Bezüge sichern und die Einheit des öffentlichen Dienstes stärken wollen (BT-Drucks. 14/5198, S. 9).
84Das Land kann sich in Anbetracht dieser offenliegenden, vom damals allein zuständigen Kompetenzträger ausgeübten Prärogative nicht darauf zurückziehen, Erwägungen hinsichtlich der Amtsangemessenheit seien bereits deswegen entbehrlich, weil es sich bei der Sonderzahlung oder dem Urlaubsgeld um keine den spezifischen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG genießende Leistungen handeln würde. Es trifft zwar zu, dass der Beamte keinen Anspruch auf eine Leistung gerade in dieser Form hat. Entscheidend ist aber allein, ob die dem Beamten insgesamt gewährte Alimentation – gleich in welcher Weise sich diese aus einzelnen Komponenten zusammensetzt – den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Es sind die Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was sich der Beamte von seinem Gehalt einschließlich jahresbezogener Sonderzahlungen in der Summe tatsächlich leisten kann. Der Gesetzgeber kann zwar die Struktur der Beamtenbesoldung und die Zahlungsmodalitäten pro futuro ändern. Dies setzt aber voraus, dass nicht die verfassungsrechtlich garantierte Alimentierungspflicht und die hierdurch gesicherte Untergrenze einer amtsangemessenen Besoldung verletzt werden.
85Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 -, a. a. O.
86Auf einem grundlegenden Missverständnis der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht vor allem die im gegebenen Zusammenhang zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Landes, die sich vereinzelt auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung findet,
87vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2007 – 4 N 76.05 -, Juris (bezogen auf das sog. Weihnachtsgeld),
88die genannten Sonderzahlungen sowie die Fürsorgeleistungen (Beihilfe) seien allein deswegen bei der Bestimmung dessen, was amtsangemessene Besoldung darstelle, außen vorzulassen, weil diese Leistungen nicht verfassungsrechtlich verbürgt seien. Demgegenüber ist es gesicherte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich der Besoldungsgesetzgeber hinsichtlich seiner Pflicht zur Gewährleistung amtsangemessener Bezüge gerade mit dem Hinweis auf die (anderweitige) Sicherstellung des im Ergebnis Angemessenen durch Dritte entlasten kann – dies gerade auch dann, wenn die Leistungen des Dritten (z. B. Fürsorgeleistungen des Dienstherrn) ihrerseits nicht verfassungskräftig garantiert sind.
89Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256, und vom 13. November 1990 – 2 BvF 3/88 –, a. a. O., sowie Urteil vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 –, a. a. O.
90Dementsprechend ist weiterhin geklärt, dass die in Rede stehenden Sonderzahlungen selbstverständlich zum Bestand derjenigen Besoldungsteile zählen, welche die Amtsangemessenheit der Besoldung bestimmen.
91Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u. a. –, BVerfGE 99, 300.
92Sind aber Fürsorgeleistungen wie auch Sonderzahlungen für die Frage der Amts-angemessenheit der Besoldung relevant, bedarf es sehr wohl von Seiten des insoweit kürzend eingreifenden Gesetzgebers der Darlegung einschlägiger Rechtfertigungen. Insoweit fehlt es den in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen der parlamentarisch Verantwortlichen des Landes bereits an verfassungsrechtlich geschärftem Problembewusstsein, was die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien der letzten Jahre belegen und was in der Sache auf einen (vollständigen) Ausfall bei der Wahrnehmung der eingeräumten Prärogativen führt:
93"Bei der Bestimmung der Höhe (der Sonderzahlung) muss die Landesregierung der äußerst angespannten und sich auch mittelfristig nicht wesentlich verbessernden Haushaltssituation im Land und bei den Kommunen Rechnung tragen. Die notwendige Entlastung der Haushalte muss angesichts des hohen Personalkostenanteils auch einen angemessenen Beitrag der Beamten und Versorgungsempfänger einschließen... Damit wird den haushaltsmäßigen Erfordernissen Rechnung getragen." (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 15. September 2003, LT-Drucks. 13/4313, S. 17)
94"Die damit verbundene Anhebung (der Sonderzahlung) ist angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage nicht vertretbar. Im Gegenteil bedarf es als notwendigen Beitrag der Beamtinnen und Beamten... zur Haushaltskonsolidierung einer über das Niveau des Jahres 2005 hinausgehenden weiteren Absenkung... Mit der Absenkung wird der notwendige Beitrag der Beamtinnen und Beamten zur Haushaltskonsolidierung erbracht, der unter Berücksichtigung des hohen Anteils der Besoldungsaufwendungen am Gesamthaushalt und mit Blick auf die Größenordnung der Sparmaßnahmen in den anderen Ausgabenbereichen als noch vertretbar angesehen werden kann." (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 26. Januar 2006, LT-Drucks. 14/1000, S. 4, 102)
95Ein solcher Ausfall der notwendigen parlamentarischen Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlich geprägten und höchstrichterlich bereits umfassend konkretisierten Kernfragen ist dagegen in anderem Zusammenhang nicht zu verzeichnen. Dies belegt, dass eine Wahrnehmung der Prärogativen seitens des Landes ohne weiteres unter Offenlegung der Entscheidungsgrundlagen und erwägungen erfolgen kann und der Senat dem Land nichts Unmögliches abverlangt. So hat der Landtag im März 2001 auf Antrag aller Fraktionen eine Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts eingesetzt. Die Kommission ließ sich anlässlich der Reform des Systems der Abgeordnetenentschädigung u. a. von der ausdrücklich benannten Zielsetzung der Sicherstellung einer amtsangemessenen Bezahlung leiten. Ziel und Maßstab der Beratungen der Kommission waren u. a. (amts)angemessene Bezüge der Abgeordneten (Gesetzentwurf aller Fraktionen vom 21. Februar 2005, LT-Drucks. 13/6596, S. 1, 35). Dieses Verfahren mündete in eine Neugestaltung des Systems der Abgeordnetenentschädigung. Die festgelegten Entschädigungen werden nunmehr in einem durch § 15 Abgeordnetengesetz NRW vorgesehenen Verfahren mit Blick auf ihre Angemessenheit jährlich überprüft. Auf diese Weise hat die Präsidentin des Landtags den Landtag unter dem 27. November 2006 unter Auswertung der vom Präsidenten des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (LDS) übermittelten Indexwerte über die Erhöhung der Bruttoverdienste, der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Lebenshaltungskosten unterrichtet (LT-Drucks. 14/3009). Diesen ermittelten Grundlagen und den hierauf gestützten Berechnungen einer Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung im sog. Angemessenheitsbericht folgte der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, SPD und FDP vom 6. März 2007 (LT-Drucks. 14/3913).
96Ein ähnliches Verfahren sieht – der lediglich die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG konkretisierende – § 14 Abs. 1 BBesG vor. Hiernach wird die Besoldung entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der mit den Dienstaufgaben verbundenen Verantwortung durch Bundesgesetz regelmäßig angepasst. Auch § 14a Abs. 5 BBesG verpflichtet bei der Beurteilung der Auswirkungen der Versorgungsrücklagen zur Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse. Das Land hat an dieser laufenden Verantwortung – vermittelt über die ihm seit dem Jahr 2003 eingeräumte Kompetenz hinsichtlich der Gewährung von Sonderzahlungen – teil; seit dem 1. September 2006 trägt es diese Verantwortung alleine.
97bb) Die vom Land anlässlich der Einführung und der Erhöhung der Kostendämpfungspauschale abgegebene Begründung ist hiernach aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht haltbar. Gleichwohl erlaubt diese Feststellung allein noch nicht den Schluss auf die materielle Verfassungswidrigkeit der Maßnahme des Gesetzgebers selbst. Prärogativenfehlgebrauch oder –fehlgewichtung ist mit Ermessensfehlern, die regelmäßig auf die Rechtswidrigkeit des (einfachen) Verwaltungshandelns führen, nicht gleichzusetzen. Das Verfassungsrecht verlangt nur die Ergebnisrichtigkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung.
98Vgl. Badura, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 163 Rn. 28 m. w. N.; mit anderen Akzenten Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 72 Abs. 2 Rn. 115; s. a. BVerwG, Urteil vom 26. April 2006 – 6 C 19.05 -, BVerwGE 125, 384, und Beschluss vom 30. April 2003 – 6 C 6.02 -, BVerwGE 118, 128.
99(Auch) Diese Ergebnisrichtigkeit lässt sich hier aber nicht feststellen. Es ist nicht nur – wie dargelegt – die vom Land vorgebrachte Begründung verfassungsrechtlich untragbar. Wie aus den nachfolgenden Ausführungen ersichtlich, lässt sich das durch die Aufrechterhaltung und Erhöhung der Kostendämpfungspauschale erreichte Ergebnis nicht anderweitig rechtfertigen.
100cc) Angesichts der – beginnend mit dem Jahr 2003 Wirksamkeit erlangenden – über die Kostendämpfungspauschale hinausgehenden besoldungsrelevanten Maßnahmen des Landes überschreitet das Festhalten an der Kostendämpfungspauschale und erst recht ihre Erhöhung ab dem Jahr 2003 die verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit. Die Kostendämpfungspauschale führt auf einen mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbaren, mithin verfassungswidrigen Zustand, weil sie – im Zusammenhang mit anderen negativen besoldungswirksamen Eingriffen des Landes – in den Kernbestand der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation eingreift. Die Kostendämpfungspauschale stellt sich in einem Gesamtkonzept des Landes zur angestrebten Haushaltskonsolidierung als eine Einzelmaßnahme dar, die im Zusammenhang mit zahlreichen gravierenden finanziellen Einbußen der Besoldungsempfänger des Landes Nordrhein-Westfalen ab dem Jahr 2003 steht. In der (materiell-rechtlich) gebotenen Zusammenschau
101- vgl. Senatsurteile vom 12. November 2003 – 1 A 4755/00 u. a. -, a. a. O. -
102führen die Einbußen – entgegen § 14 BBesG – nicht nur zu einer Nichtanpassung der Bezüge. Sie leiten vielmehr eine unzulässige, weil greifbare Abkopplung der Alimentation (einschließlich alimentationsergänzender Fürsorgeleistungen) der Besoldungsempfänger des Landes von der allgemeinen Einkommensentwicklung ein. In Anbetracht dieses Zustands stellt sich die Kostendämpfungspauschale als eine spürbare weitere Minderung des den Beamten zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung stehenden Einkommens – gleich, ob durch den Fürsorge- oder Besoldungsgesetzgeber veranlasst – dar. Jedenfalls diese weitere Minderung führt im Ergebnis auf einen unzulässigen Eingriff in den Kernbestand der zu gewährenden Alimentation. Die unterste Grenze der (Mindest)Alimentation, deren Unterschreitung durch den Gesetzgeber und den Dienstherrn ohne jede einzustellende Prärogative auf eine Verfassungswidrigkeit der Maßnahme führt, ist hierdurch nicht mehr gewahrt. Die greifbare Abkopplung der Alimentation der Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen von der allgemeinen Einkommensentwicklung ist für die Zeit ab 2003 festzustellen.
103Zum Gesichtspunkt der Abkopplung vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. August 2007 – 2 A 10516/07 -, Juris, und OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2007 – 1 L 453/05 -, Juris.
104Es ist nicht zu erkennen, dass die Besoldung der Beamten seitdem noch an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung teilhat. Ganz im Gegenteil zielen die besoldungswirksamen Maßnahmen, die das Land sowohl als Fürsorge- als auch als Besoldungsgesetzgeber ergriffen hat, auf eine Sonderbehandlung seiner Beamten im Sinne eines unzulässigen Sonderopfers. Bereits der oben dargestellte vollständige Ausfall einer verfassungsrechtlich tragfähigen, die Wahrnehmung einschlägiger Prärogativen signalisierenden Begründung hinsichtlich der Amtsangemessenheit der geschuldeten Alimentation deutet darauf hin. Der damit zweifelsfreie Hinweis auf ein dem Ausfall der tragfähigen Begründung entsprechendes verfassungswidriges Ergebnis, das die in Rede stehenden Maßnahmen zeitigen, wird vollumfänglich bestätigt durch die hierdurch veranlasste umfassende vergleichende Prüfung der Entwicklung der Einkommenssituation der Beamten einerseits und der tariflich im öffentlichen Dienst des Landes Beschäftigten andererseits. Die rechtliche Bewertung der Besoldungslage im hier relevanten Zeitraum wird ferner durch die Betrachtung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen (Lebens)Verhältnisse und durch weitere in diesem Zusammenhang Bedeutsamkeit erlangende Begleitumstände gestützt.
105Die Entwicklung der Beamtenbesoldung ist für die Zeit ab 1991 in den Blick zu nehmen. Dies rechtfertigt sich vor allem daraus, dass sich der Besoldungsgesetzgeber aus Anlass der Herstellung der Einheit Deutschlands wiederholt mit der Frage zu befassen hatte, wie diejenigen Beamten – amtsangemessen – besoldet werden könnten, die im Beitrittsgebiet von ihrer erstmaligen Ernennung an beschäftigt werden. Die Lösung der Problemstellung wurde zunächst mit der aufgrund des § 73 BBesG ermöglichten Absenkung der Dienstbezüge angegangen. Die Verordnungsermächtigung in § 73 BBesG erstreckt sich allerdings u. a. auch darauf, die Besoldung entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung in dem Beitrittsgebiet abweichend vom BBesG festzusetzen und regelmäßig anzupassen. Die Dienstbezüge der im Beitrittsgebiet davon betroffenen Beamten, Richter und Soldaten wurden dementsprechend schrittweise erhöht. Der maßgebliche Vomhundertsatz belief sich ab 1. Juli 1991 zunächst auf 60, wurde in der Folgezeit regelmäßig erhöht und belief sich ab 1. Januar 2002 auf 90, ab 1. Januar 2003 auf 91 und zuletzt ab 1. Januar 2004 auf 92,5 der Besoldung, welche die in den "alten" Bundesländern beschäftigten Beamten erhielten.
106Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 -, a. a. O.
107Der Bund als damals alleiniger Besoldungsgesetzgeber war also in der Zeit ab dem Jahr 1990 mehrfach genötigt, sich mit der Amtsangemessenheit der Besoldung zu befassen. Die Festlegung der Besoldungshöhe für in den Beitrittsgebieten verwendete Besoldungsempfänger setzte notwendigerweise eine Bewertung der bislang im Übrigen gewährten Alimentation hinsichtlich ihrer Amtsangemessenheit voraus. Der Besoldungsgesetzgeber gab, indem er diese als Bezugspunkt festsetzte, zu erkennen, dass er die im bisherigen Bundesgebiet gewährte Alimentation für amtsangemessen ansah, angesichts der ausdrücklich in Bezug genommenen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse im Beitrittsgebiet dort jedoch Abschläge für (amts)angemessen erachtete. Der Besoldungsgesetzgeber ging keineswegs von einer Überalimentation der im bisherigen Bundesgebiet beschäftigten Besoldungsempfänger aus, die ggf. Abschläge gegenüber neu beschäftigten Beamten, Soldaten und Richtern im Beitrittsgebiet hätte rechtfertigen können. Dies belegen die gleichzeitig vorgenommenen deutlichen linearen Einkommenserhöhungen durch die Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze der Jahre 1991, 1992 und 1993. Sie betrugen 6,0 %, 5,4 % und 3,0 %. Diesen Befund teilt in der Sache auch das Bundesverfassungsgericht, das für die Jahre 1978 bis 1996 jedenfalls eine Überalimentation nicht hat erkennen können.
108Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.; an diese Bewertung anschließend OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 – 21 A 1634/05 –, a. a. O.
109Im Einzelnen stellt sich – unter Außerachtlassung der im Wesentlichen vergleichbaren Einmalzahlungen – die Entwicklung der Beamtenbesoldung im Verhältnis zu derjenigen der Einkommen der im öffentlichen Dienst des Landes und der Gemeinden Beschäftigten ab 1991 wie folgt dar:
110
Zeitliche Auswirkung ab | Tariflicher Bereich (Nachweise bei Böhm/ Spiertz, BAT, Teil III) | Beamtenbereich |
01.01.91 | +6,0 % | |
01.03.91 | +6,0 %: BBVAnpG 91 vom 21.02.92 (BGBl. I S. 266) | |
01.05.92 01.06.92 | +5,4 % | +5,4 %: BBVAnpG 92 vom 23.03.93 (BGBl. I S. 342) |
01.01.93 | +3,0 % | |
01.05.93 | +3,0 %: BBVAnpG 93 vom 20.12.93 (BGBl. I S. 2139) | |
01.01.94 | +2,0 % | |
01.10.94 01.01.95 | +2,0 %: BBVAnpG 94 vom 24.08.94 (BGBl. I S. 2229) | |
01.05.95 | +3,2 % | +3,2 %: BBVAnpG 95 vom 18.12.95 (BGBl. I S. 1942) |
01.01.97 | +1,3 % | |
01.03.97 01.07.97 | +1,3 %: BBVAnpG 96/97 vom 24.03.97 (BGBl. I S. 590) | |
01.01.98 | +1,5 % | +1,5 %: BBVAnpG 98 vom 06.08.98 (BGBl. I S. 2026) |
01.04.99 | +3,1 % | |
01.06.99 01.01.00 | +2,9 %: BBVAnpG 99 vom 19.11.99 (BGBl. I S. 2198) | |
01.08.00 | +2,0 % | |
01.01.01 | +1,8 %: BBVAnpG 00 vom 19.04.01 (BGBl. I S. 618) | |
01.09.01 | +2,4 % | |
01.01.02 | +2,2 %: BBVAnpG 00 vom 19.04.01 (BGBl. I S. 618) | |
01.01.03 01.04.03 | +2,4 % | |
01.04.03 01.07.03 | +2,4 %: BBVAnpG 03/04 vom 10.09.03 (BGBl. I S. 1798) | |
12/03 | Kürzung der Sonderzahlung auf 84,29 % (A2 – A6), 70 % (A7, A8), 50 % (sonstige): Sonderzahlungsgesetz vom 20.11.03 – SZG NRW - (GV NRW S. 696) | |
01.01.04 | +1,0 % | |
01.04.04 | +1,0 %: BBVAnpG 03/04 vom 10.09.03 (BGBl. I S. 1798) | |
01.05.04 | +1,0 % | |
07/04 | Streichung Urlaubsgeld, bisher 332,34 EUR (A2 – A8), 255,65 EUR (sonstige): BBVAnpG 03/04 i. V. m. SZG NRW | |
01.08.04 | +1,0 %: BBVAnpG 03/04 | |
12/06 | Landesbereich: Kürzung der Sonderzahlung auf 95 % (E1 – E8), 80 % (E9 – E11), 50 % (E12 – E13), 35 % (E14 – E15), Regelung von Leistungsentgelten: TV-L vom 12.10.06 Kommunaler Bereich: Neufestlegung der Sonderzahlung auf 90 % (E1 – E8), 80 % (E9 – E12), 60 % (E13 – E 15), Regelung von Leistungsentgelten: TVÖD vom 13.09.06 | Kürzung der Sonderzahlung auf 60 % (A2 – A6), 45 % (A7, A8), 30 % (sonstige): Haushaltsbegleitgesetz 2006 vom 23.05.06 (GV NRW S. 197) |
111
Die Darstellung zeigt: Der Bund als Besoldungsgesetzgeber ist sich im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung des Umstands bewusst gewesen, dass die Besoldung der Beamten an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen ist, wie sie u. a. in den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst ihren Ausdruck fand. Er hat ferner seine Prärogativen bei der Bestimmung der Amtsangemessenheit der Besoldung dementsprechend (zunächst) ausgeübt. Die Bezüge wurden, wenn auch nicht unter identischer Übernahme, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
112vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 2 C 34.01 -, a. a. O.; BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.,
113so aber doch regelmäßig jedenfalls "unter Berücksichtigung" der Tarifabschlüsse für den Arbeitnehmerbereich des öffentlichen Dienstes angepasst (Gesetzentwürfe der Bundesregierung zu den BBVAnpG der Jahre 1991 bis 1995, 1996/97, 1998 bis 2000 und 2003/2004, BT-Drucks. 12/732, S. 1, 23; 12/3629, S. 1, 25; 12/5472, S. 1; 12/7706, S. 1, 23; 13/2210, S. 1, 22; 13/5983, S. 1, 7; 13/10722, S. 1, 7; 14/1088, S. 1, 9; 14/5198, S. 1, 9, und 15/1186, S. 1, 64). So sind für die Zeit von 1991 bis 1999 die Tarifabschlüsse für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Blick auf die linearen Steigerungsraten unverändert übernommen worden. Allerdings waren bereits seit 1991 verschiedentlich und seit 1999 durchgängig zeitliche Verschiebungen der Erhöhung um einige Monate zu verzeichnen.
114Vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. August 2007 – 2 A 10516/07 -, a. a. O.
115Bereits hiermit sollten die Beamten nach den Gesetzesmaterialien einen Beitrag zu allgemeinen Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen erbringen (BT-Drucks. 12/7706, S. 23; 13/5983, S. 7; 14/5198, S. 1, 9), die zum Teil im Zusammenhang mit besonderen wirtschaftlichen Belastungen im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands als erforderlich angesehen wurden (BT-Drucks. 12/732, S. 1, 23), die zum Teil ihren Grund aber auch in der Gegenfinanzierung der Umsetzung bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen hatten (erhöhter Familienzuschlag für kinderreiche Beamtenfamilien, vgl. BT-Drucks. 14/1088, S. 1, 9). Für das Jahr 1999 wurde für den Beamtenbereich erstmals die lineare Steigerungsrate des Tarifabschlusses des Jahres 1999 nicht in voller Höhe übernommen. Begründet wurde dies mit den hieraus zu erbringenden Beiträgen der Beamten für die Ausstattung des Sondervermögens "Versorgungsrücklagen des Bundes und der Länder" (BT-Drucks. 14/1088, S. 1, 9; 14/5198, S. 1, 9).
116Ergebnis dieser Feststellungen ist, dass die Erhöhung der Besoldung im Zeitraum von 1991 bis 2002 bereits nach der Vorstellung des damals allein zuständigen Gesetzgebers Bund allenfalls eine unvollständige Anpassung an die allgemeine Einkommensentwicklung darstellt. Sie führte dazu, dass die Beamten mit der allgemeinen Einkommensentwicklung schon nicht mehr Schritt halten konnten. Gleichwohl ist eine greifbare Abkopplung von der allgemeinen Einkommensentwicklung im Tarifbereich der im öffentlichen Dienst Beschäftigten unter Berücksichtigung der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gewesen; sie war durch den Besoldungsgesetzgeber auch ausdrücklich nicht beabsichtigt. Nach seiner zum Ausdruck gebrachten Intention hat weiterhin ein Ausgleich für die allgemeine Preissteigerung und ein (Noch)Schritthalten mit den Ansprüchen an eine Lebensführung stattgefunden, wie sie auch die Entlohnung für vergleichbare Tätigkeiten im sonstigen öffentlichen Dienst ermöglicht. Der Bund ist ersichtlich davon ausgegangen, dass er bis zum Jahr 2002 seiner Alimentationspflicht in einem dem absoluten Mindestmaß zumindest genügenden Umfang nachgekommen ist. Die Bundesregierung hat anlässlich der parlamentarischen Beratungen zum BBVAnpG 2000 betont, in einer Gesamtschau der Jahre 1999 bis 2002 würden die Dienst- und Versorgungsbezüge mit den vorgeschlagenen Erhöhungen um 2 % und 2,4 % (jeweils unter Einbehalt von 0,2 % für die Versorgungsrücklage) um insgesamt 7,5 % linear angehoben und damit an die Entwicklung der allgemeinen und wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst. Hierbei sei das Tarifergebnis für die Arbeiternehmer des öffentlichen Dienstes Grundlage und Leitziel der vorgeschlagenen Erhöhungen. Diese Anknüpfung sichere langfristig für alle Statusgruppen im öffentlichen Dienst eine gleichgerichtete Entwicklung der Bezüge und stärke damit die Einheit des öffentlichen Dienstes. Zusammen mit der Steuerentlastung und der Erhöhung des Kindergeldes seien die Nettoeinkommen der Beamten real deutlich gestiegen und würden auch weiter angemessen steigen (BT-Drucks. 14/5198, S. 14).
117Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2003 – 2 BvL 19/02 -, ZBR 2004, 47.
118Entscheidend ändern sich die Verhältnisse demgegenüber ab 2003. Die bis zum Jahr 2002 verfolgten, im allgemeinen Konsens angewandten und verfassungsrechtlich fundierten Parameter werden ausdrücklich verworfen. Der Bund hat mit dem BBVAnpG 2003/2004 das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3642) und das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 (BGBl. I S. 1780) aufgehoben und bestimmt, dass diese Gesetze (lediglich) bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Zur Begründung hat der Innenausschuss des Bundestages auf die beabsichtigte Stärkung der Länderkompetenzen im Bereich u. a. der Beamtenbesoldung verwiesen. Den Ländern werde mehr Gestaltungsspielraum eingeräumt, um eigenständige Regelungen im Bereich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes erlassen zu können. Unter Beibehaltung einheitlicher Standards in der Besoldung erfolge eine auf den Bereich des Weihnachts- und Urlaubsgeldes begrenzte Flexibilität, die von den Ländern ausdrücklich gewünscht werde (Beschlussempfehlung vom 2. Juli 2003, BT-Drucks. 15/1347, S. 1, 27). Der Bundesrat hatte zuvor einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, zu dessen Begründung auf die schwierige, teils extrem belastete Situation der Landeshaushalte und auf die regionalen, sozialen und leistungsbezogenen Handlungsmöglichkeiten verwiesen worden ist. Die den Ländern einzuräumenden Regelungsmöglichkeiten sollten der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft in begrenzter, dem Alimentationsprinzip entsprechender Weise Rechnung tragen (BT-Drucks. 15/1021, S. 7).
119Das Land hat von der ihm eingeräumten Kompetenz mit dem Erlass des SZG NRW zeitnah Gebrauch gemacht und Sonderzahlungen in dem oben in der Tabelle dargestellten Umfang verringert. Dies hat bereits im Jahr 2003 – insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom heutigen Tag in dem Verfahren 1 A 4955/05 verwiesen –, aber auch und gerade im hier den Streitgegenstand prägenden Jahr 2004 für die Beamten des Landes eine Besoldungskürzung zur Folge, die sowohl in absoluten, als auch in relativen Beträgen spürbar und erheblich ist. Mit einer bloßen Marginalität, die ggf. durch schlichte Berufung auf ausgeübte Einschätzungsprärogativen erklärt und auch gerechtfertigt werden mag, kann dieser Befund nicht abgetan werden.
120
Jahreseinkommen in EUR (s. Tabelle oben) | Jahreseinkommen in EUR fiktiv (Jahresgrundgehalt der ersten Dienstaltersstufe zzgl. Sonderzahlung unter Beibehaltung des Bemessungsfaktors 0,8631 nebst Urlaubsgeld abzgl. Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) | Differenz a) absolut b) relativ | |
A 7 | 18.246,59 | 1.659,07 x 3 + 1.675,66 x 4 + 1.692,42 x 5 = 20.141,95 zzgl. 1.460,73 + 332,34 = 21.935,02 abzgl. 2.859,00 + 157,24 + 257,31 = 18.661,47 | a) 414,88 b) 2,22 |
A 12 | 25.051,12 | 2.509,09 x 3 + 2.534,18 x 4 + 2.559,52 x 5 = 30.461,59 zzgl. 2.209,12 + 255,65 = 32.926,36 abzgl. 6.238,00 + 343,09 + 561,42 = 25.783,85 | a) 732,73 b) 2,84 |
R 2 | 33.705,43 | 3.696,88 x 3 + 3.733,85 x 4 + 3.771,19 x 5 = 44.881,99 zzgl. 3.254,91 + 255,65 = 48.392,55 abzgl. 12.081,00 + 664,45 + 1.087,29 = 34.559,81 | a) 854,38 b) 2,47 |
B 4/ R 4 | 49.755,12 | 6.286,30 x 3 + 6.349,16 x 4 + 6.412,65 x 5 = 76.318,79 zzgl. 5.534,76 + 255,65 = 82.109,20 abzgl. 27.163,00 + 1.493,96 + 2.444,67 = 51.007,57 | a) 1.252,45 b) 2,46 |
B 8/ R 8 | 59.131,75 | 7.815,39 x 3 + 7.893,54 x 4 + 7.972,48 x 5 = 94.882,73 zzgl. 6.881,05 + 255,65 = 102.019,43 abzgl. 36.123,00 + 1.986,76 + 3.251,07 = 60.658,60 | a) 1.526,85 b) 2,52 |
121
Die monatliche Belastung liegt in Anlehnung an die in § 12a Abs. 1 BVO NRW vorgesehene Staffelung nach Besoldungsgruppen hiernach in absoluten Beträgen zwischen 34,57 EUR und 127,24 EUR, im Verhältnis zum Jahreseinkommen beläuft sich die Kürzung auf 2,22 % bis 2,84 %. Die Erheblichkeit der Kürzungsbeträge lässt sich insbesondere daran messen, dass noch unmittelbar vor der erstmals vorgenommenen Kürzung im Jahr 2003 die Besoldung der Beamten bis zur Besoldungsgruppe A 11 ab dem 1. April 2003 und für die übrigen Beamten ab dem 1. Juli 2003 linear um 2,4 % erhöht worden ist, womit nach der oben dargelegten Intention des Bundesbesoldungsgesetzgebers (lediglich) eine notwendige Anpassung der Bezüge bewirkt werden sollte; bezogen auf das gesamte Jahr 2003 bedeutete dies für die Beamten der Besoldungsgruppen bis A 11 eine Steigerung um rund 1,8 %, für alle übrigen eine solche um rund 1,2 %. Dem stehen allein im Jahr 2004 bereits bei generalisierender und pauschalierender Betrachtung Kürzungen in überschießendem Umfang gegenüber.
122Die Besoldungskürzung fällt auch für einen Beamten bzw. Richter in einer dem Kläger vergleichbaren Position nicht marginal aus. Verfügte ein Richter in der Stufe 8 der Besoldungsgruppe R 1 mit einem Familienzuschlag der Stufe 2 bei Wahl der Steuerklasse 3 und einem Kinderfreibetrag hiernach im Jahr 2004 tatsächlich über ein Jahresgrundgehalt von 50.853,44 EUR (4.188,74 EUR x 3 + 4.230,63 EUR x 4 + 4.272,94 EUR x 5), Familienzuschlag von 2.315,04 EUR (191,48 EUR x 3 + 193,40 EUR x 9), Sonderzahlung von 2.258,73 EUR, wovon nach Abzug von Lohnsteuer (9.396,00 EUR) und Solidaritätszuschlag (419,76 EUR) noch insgesamt 45.611,45 EUR verblieben, wären ihm unter Anlegung des bisherigen Bemessungsfaktors von 0,8631 eine Sonderzahlung von 3.880,46 EUR und ein Urlaubsgeld von 255,65 EUR gewährt worden, was nach Abzug von Steuern (9.986,00 EUR, 450,56 EUR) zu einer Nettojahresbesoldung von 46.868,03 EUR (brutto: 57.304,59 EUR) geführt hätte. Dies bedeutet allein bezogen auf das Jahr 2004, dass dem Kläger 1.256,58 EUR (monatlich 104,72 EUR) weniger Besoldung für die Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts gewährt wurden. In Relationen ausgedrückt handelt es sich um 2,68 % des Jahreseinkommens; unter notwendiger Hinzurechnung der ihn zusätzlich treffenden Kostendämpfungspauschale liegt die Belastung bei 1.496,58 EUR (monatlich 124,72 EUR) oder 3,19 %. Mittelfristig – allein für den Zeitraum 2003 bis 2007 – gesehen bedeutet dies eine Einkommenseinbuße von rund 9.000 EUR.
123Diese nach absoluten und relativen Maßstäben gravierende, weil auch keine nur entfernte Entsprechung in der vergleichbaren allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung findende Belastung des Klägers – als insoweit repräsentativer Teil der Betroffenen – lässt sich nicht dahingehend marginalisieren, es könne ihm zugemutet werden, seinen (bislang) amtsangemessenen Lebensstandard durch Konsumverzicht abzusenken. Denn zu einem derartigen Verzicht kann der Beamte jedenfalls so lange nicht verpflichtet werden, wie solches in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung keine Rechtfertigung findet. Auch Zusammenhänge zwischen dem – den Beamten nicht zustehenden – Streikrecht und der Auferlegung eines Sonderopfers im Wege der Besoldungsabsenkung gerade der Beamtenschaft sind nicht erkennbar. Völlig unerheblich ist schließlich, ob der Kläger als Richter der Besoldungsgruppe R 1 in Anbetracht der ihm nach den Kürzungen noch gewährten Besoldung "ein Leben deutlich oberhalb des sozialhilferechtlichen Existenzminimums führen" kann.
124Vgl. aber OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 – 21 A 1634/05 -, a. a. O.; offenlassend OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. April 2007 – 1 L 453/05 -, a. a. O.
125Der Anspruch auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation wurzelt – für jeden Beamten jeder Besoldungsgruppe – in Art. 33 Abs. 5 GG und nicht im Sozialstaatsprinzip. Sozialhilferechtliche Erwägungen taugen nur dann als evidenter Kontrollmaßstab, wenn die gewährte Besoldung nicht einmal das Existenzminimum sichert.
126Vgl. zu den unzureichenden familienbezogenen Bezügebestandteilen BVerfG, Beschluss vom 24. No-vember 1998 – 2 BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.
127Ansonsten ist das sozialhilferechtlich gewährleistete Existenzminimum schlechthin ungeeignet, als Parameter für die Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung zu dienen. Sozialhilfe dient der Sicherung menschenwürdiger Existenz für eine Bevölkerungsgruppe, die sich diese aus eigener Kraft, namentlich wegen fehlender eigener Mittel aus Erwerbstätigkeit, nicht selbst verschaffen kann. Damit in keinerlei Zusammenhang steht die Frage, welche "Gegenleistung" einem Beamten bzw. Richter geschuldet wird, dem die "volle Hingabe an seinen Beruf" abverlangt ist (vgl. § 36 BRRG, § 57 LBG NRW, § 4 Abs. 1 Satz 1 LRiG). Vergleichsgruppe ist demgemäß nicht die auf Inanspruchnahme von Sozialhilfe (bzw. – jetzt – Arbeitslosengeld II) angewiesene Gruppe der Erwerbslosen, sondern diejenige Gruppe von Erwerbstätigen, die nach Ausbildung und Anforderung an ihr jeweiliges "Amt" mit den Beamten vergleichbar ist. Jene Gruppe gibt bei notwendig pauschalierender Sicht den nach den Zeitläuften unterschiedlichen Lebensstandard vor, an dem die Beamtenbesoldung zu orientieren ist.
128Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 –, a. a. O.; die gedankliche Bezugnahme auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum in dem Beschluss des BVerfG vom 12. Februar 2003 – 2 BvL 3/00 –, a. a. O., ist danach als überholt zu erachten und betrifft im Übrigen außergewöhnliche Umstände.
129Aus den dargelegten finanziellen Einbußen erschließt sich, dass die Beamten des Landes allgemein und mit ihnen auch der Kläger beginnend mit dem Jahr 2003 und hier entscheidungserheblich vor allem im Jahr 2004 nicht mehr an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhatten. Ungeachtet dessen hat das Land die ursprünglich lediglich für einen Zeitraum von drei Jahren vorgesehene Absenkung der Sonderzahlung mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 vertieft. Die vorgesehene Wiederangleichung an das bundesrechtliche Niveau wurde nicht zugelassen, sondern eine nach Ansicht der Landesregierung zur Haushaltskonsolidierung erforderliche noch weitergehende Absenkung vorgenommen (LT-Drucks. 14/1000, S. 4, 73 ff., 102). Überdies tritt das SZG NRW mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft (§ 11 SZG NRW).
130Das Land hat danach sowohl die Struktur der Beamtenbesoldung mit Blick auf die vollständige Abschaffung des Urlaubsgeldes verändert – dieser ursprüngliche Bestandteil der Besoldung ist mit Wirkung ab 2004 weggefallen – als auch in Verbindung mit weiteren Begleitmaßnahmen das Jahreseinkommen gekürzt, was – auch dies ist dem Land zuzugestehen – nicht per se verfassungswidrig ist. Der Beamte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm die für die Bemessung der Bezüge maßgeblichen Regelungen, unter denen er in das Beamtenverhältnis eingetreten ist, unverändert erhalten bleiben. Jederzeit geändert werden können u. a. das sog. 13. Monatsgehalt oder das Urlaubsgeld. Art. 33 Abs. 5 GG stellt keinen Grundsatz auf, wonach sich die Besoldung des Beamten aus bestimmten Komponenten zusammensetzen müsste, und er garantiert auch nicht die unverminderte Höhe der Bezüge. Der Beamte hat allerdings Anspruch darauf, unbeschadet von Änderungen oder Kürzungen, die einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, amts-angemessen alimentiert zu werden.
131Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 – 2 BvR 1039/75 u. a. -, BVerfGE 44, 249, vom 6. März 2006 – 2 BvR 2443/04 -, Juris, und vom 20. Juni 2006 – 2 BvR 361/03 -, a. a. O.
132Vorliegend fehlt es – abgesehen davon, dass in den einschlägigen parlamentarischen Verfahren ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund für die Eingriffe in die Besoldung nicht dargelegt worden ist – auch bei objektiver Betrachtung an einem sachlichen Grund für die Kürzungen, der vor Art. 33 Abs. 5 GG Bestand hätte. Darüber hinaus führen die besoldungswirksamen Kürzungen zur Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation.
133Als alleiniger Grund für die Kürzungen ist nach allem nur die Einsparung von Kosten zu erkennen. Hierauf allein lassen sich – wie schon mehrfach betont – in beamtenrechtlichen Zusammenhängen Eingriffe in die Besoldung jedoch nicht stützen. Hinzu kommen muss ein für den Eingriff systemimmanenter Grund. So muss beispielsweise der Grund für die Beschränkung von Versorgungsleistungen im Versorgungssystem selbst angelegt sein,
134vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.;
135bei Änderungen im Besoldungsgefüge ist dem Gesetzgeber zuzugestehen, das gesamte Gefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen.
136Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2004 – 2 BvL 16/02 -, BVerfGE 110, 353.
137Hinsichtlich der Absenkung der den Beamten des Landes zu gewährenden (Jahresnetto-)Besoldung ist ein im Besoldungsgefüge liegender Grund ebenso wenig ersichtlich wie ein hierfür sprechender übergreifender Gesichtspunkt. Namentlich die insoweit in Betracht zu ziehende Erwägung, die Beamten könnten bislang zu hoch alimentiert gewesen sein, greift aus den dargelegten Gründen nicht.
138Auch im Übrigen gibt es keine empirischen Anhaltspunkte für einen das Besoldungsgefüge übergreifenden Gesichtspunkt, der eine Absenkung der Bezüge rechtfertigen würde. Die bislang gewährte Besoldung der Beamten ist angesichts der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ab dem Jahr 2003 nicht und erst recht nicht im Jahr 2004 zu hoch angesetzt, sodass sie im Wege der Reduzierung mehrerer Komponenten der Besoldung (hier: Sonderzahlung einschließlich Urlaubsgeld) nunmehr – nach unten – angepasst werden müsste. Die den Beamten verweigerte Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung ist danach weder vom Land tragfähig begründet noch sonst begründbar. Sie führt zur diesbezüglichen "Abkopplung" und der hiermit verbundenen Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation.
139Eine vergleichbar negative Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter ist im Land Nordrhein-Westfalen nicht zu verzeichnen. Auch das Land als im Rahmen der Sonderzahlung tätig werdender Gesetzgeber geht hiervon nicht aus. Das Land hat – beginnend ab 2003 – die Sonderzahlungen vielmehr planmäßig in einem deutlichen Umfang zur Herbeiführung eines Sonderopfers gekürzt. Denn weder sind im gedanklichen Ansatz entsprechende Kürzungen im Bereich der tariflich Beschäftigten gegenüber gestellt worden noch sind diese tatsächlich erfolgt. Die Landesregierung hat zum geplanten SZG NRW im Jahr 2003 vorgetragen, entsprechende Tarifverträge seien zwar gekündigt worden. Die Kündigung gelte allerdings nur für neu eingestellte Arbeitnehmer des Landes; für die bestehenden Arbeitsverhältnisse entfalte der gekündigte Tarifvertrag eine Nachwirkung. Bis zum Jahr 2005 solle über eine Neuregelung der Sonderzuwendungen im tariflichen Bereich verhandelt werden (LT-Drucks. 13/4572, S. 16). Tatsächlich erfolgt ist eine Neuregelung der Sonderzuwendungen für die im öffentlichen Dienst des Landes stehenden Beschäftigten erst auf der Grundlage des TV-L vom 12. Oktober 2006 mit Wirkung zum 1. November 2006. Diese erweist sich gegenüber den Verhältnissen im Bereich der Beamtenschaft überdies deutlich günstiger; so fallen die prozentualen Beträge für die Sonderzuwendung signifikant höher aus und werden überdies ab dem 1. Januar 2007 zum Tabellenentgelt zusätzlich Leistungsentgelte eingeführt. Ein Anteil von 12 v. H. des Tabellenentgelts, das für den Monat September jeweils zusteht, ist mit Ausgabezwang garantiert und wird mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember ausgezahlt (§ 18 Abs. 2 und 5 TV-L). Noch günstigere Konditionen ergeben sich im Bereich der Sonderzuwendung für die Beschäftigten in den Kommunen, in welchen der TVÖD vom 13. September 2006 Anwendung findet.
140Nach den eigenen Ausführungen des Landes steht demnach auch im Zeitraum von 1996 bis 2007 einer Erhöhung der tariflichen Einkommen um 17,3 % eine Erhöhung der Beamtenbesoldung um lediglich 9,9 % gegenüber. Der vom Land zudem vorgelegten Aufstellung über die Entwicklung der linearen (Tarif-)Bezüge in NRW von 1990 bis 2007 der Hans-Böckler-Stiftung (Stand April 2007) lässt sich ohne Berücksichtigung der Kürzungen bei der Sonderzahlung ein Zuwachs der Beamtenbezüge von ca. 39,3 % entnehmen; für die tariflich im öffentlichen Dienst Beschäftigten beträgt der Zuwachs 40,1 %. Dies ist Beleg für eine im Grunde – bis zum Jahr 2002 – erfolgte gleichförmige Einkommensentwicklung jedenfalls aller Statusgruppen im öffentlichen Dienst. Die Zuwachsraten der übrigen tariflich Beschäftigten im Land liegen bereits nach dem eigenen Kenntnisstand und Vortrag des Landes ohnehin deutlich, zum Teil sogar weit darüber (zwischen 44,4 % und 63,4 %).
141Vergleichbar der Befund bei OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2007 – 21 A 1634/05 -, a. a. O.
142Demgegenüber fällt unter Berücksichtigung der Kürzungen bei der Sonderzahlung ab dem Jahr 2003 der Zuwachs bei der Beamtenbesoldung mit 34,8 % (gegenüber 40,1 %) deutlich geringer aus. Unerheblich ist in Anbetracht dieser Einkommensentwicklung eine ggf. ab dem Jahr 2003 zum Zuge kommende allgemeine (einkommen)steuerliche Entlastung, auch wenn es in Alimentationsfragen grundsätzlich auf die gewährte Nettobesoldung ankommt. Die hier in Betracht zu ziehenden steuerlichen Entlastungen wirken sich für Beamte und tariflich Beschäftigte des Landes gleichermaßen aus, ändern also an dem Befund einer greifbaren Abkopplung der Einkommen nichts und lassen damit bei der hier anzustellenden vergleichenden Betrachtung die Bewertung der Amtsangemessenheit der Alimentation unberührt.
143Hinzu kommt, dass die Beamten des Landes seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich eine wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden zu verrichten haben (§ 78 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW, § 2 Abs. 1 Satz 1 c ArbZV). Bei tariflich Beschäftigten verbleibt es selbst nach dem Abschluss des TV-L bei 39 Stunden und 50 Minuten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 a TV-L, vgl. auch § 6 TVÖD); zuvor galt für die Arbeitnehmer, die bereits vor der Kündigung des BAT durch die Länder im Jahr 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis zum Land standen, eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden.
144Vgl. Bundesministerium des Innern, Der öffentliche Dienst in Deutschland, Stand April 2006, S. 62, www.bmi.bund.de.
145Das Land kann sich in Anbetracht dieses Befundes nicht darauf zurückziehen, es habe lediglich aus tariflichen Gründen eine Einkommensreduzierung im Bereich der tariflich Beschäftigten nicht bereits in den Jahren 2003 oder 2004 erreichen können. Die Gesetzesabhängigkeit der Beamtenbesoldung dient nicht dem Ausgleich (bislang) nicht erreichter Verhandlungserfolge im tariflichen Bereich.
146Vgl. Wolff, DÖV 2003, S. 498.
147Das Land ist auch nicht berechtigt, zur Durchsetzung künftiger tarifpolitischer Ziele unter Außerachtlassung der oben erschöpfend dargestellten verfassungsrechtlichen Parameter amtsunangemessen zu alimentieren und sei es auch nur vorübergehend, bis die gewünschten tariflichen Verhandlungsergebnisse erzielt worden sind. Dementsprechend unbeachtlich wäre auch ein etwaiger – im Übrigen in der Sache nicht zutreffender – Einwand, die Absenkung der Einkommen für die tariflich im öffentlichen Dienst Beschäftigten sei jedenfalls in der Folgezeit – ab dem Jahr 2006 – zumindest zum Teil nachgeholt worden. Unabhängig von der an einen solchen Befund anknüpfenden Frage, ob allein eine Absenkung der Entlohnung dieser Beschäftigtengruppe auch eine Senkung der Beamtenbesoldung zu rechtfertigen in der Lage wäre, ändert dies nichts daran, dass jedenfalls beginnend mit dem Jahr 2003 bis zu einer Ankopplung eine unzulässige Sonderbehandlung der Beamten des Landes erfolgt ist. Dies verstößt in seiner Zielrichtung gegen den Kern der verfassungsrechtlich zu erwartenden Fürsorge.
148Es ist auch keine nachhaltige Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesamtsituation ab dem Jahr 2003 zu erkennen, auf deren Grundlage gefolgert werden könnte, die Besoldung der Beamten halte sich unter Berücksichtigung dieses Umstands ab dieser Zeit nicht mehr im Rahmen des Amtsangemessenen, sondern sei überzogen. Das gilt auch in Ansehung des wiederholten Hinweises des Landes auf die bestehende "Haushaltsnotlage". Denn für deren Vorliegen im Sinne einer finanzverfassungsrechtlich bedeutsamen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder einer vergleichbaren exzeptionellen Ausnahmesituation sind – auch durch die Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – Anhaltspunkte nicht aufgezeigt worden und mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofs des Landes auch sonst nicht ersichtlich.
149Vgl. für die Haushaltsjahre 2001 und 2002 sowie 2004/2005 VerfGH NRW, Urteile vom 2. September 2003 – 6/02 -, NVwZ 2004, 217, und 24. April 2007 – 9/06 -, Juris.
150Mit dem aufgezeigten rechtlichen Ansatz bewegt sich der Senat in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die dem Gesetzgeber zugestanden hat, sich bei der Bemessung der Besoldung an der Finanzlage der öffentlichen Haushalte zu orientieren. Dies gilt jedoch nur insoweit, als die Finanzlage die wirtschaftliche Gesamtsituation widerspiegelt,
151vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 -, a. a. O.,
152also nicht der oben zugrundegelegte Regel- sondern ein Ausnahmefall vorliegt. Vergleichbare außergewöhnliche Umstände sind im hier maßgeblichen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen nicht festzustellen. Im Unterschied zu den Dienstbezügen der Beamten
153- vgl. zu deren Zurückbleiben hinter den Lebenshaltungskosten im Sinne realer Einkommensverluste etwa Kenntner, ZBR 2007, 230 (dort bezogen auf den Zeitraum 1991 bis 2003) -
154sind die allgemeinen Einkommen sowohl im Bundesdurchschnitt als auch im Land im Zeitraum von 1990 bis 2002, aber auch in der Folgezeit regelmäßig stärker gestiegen als die Preise (Jahrbücher des Statistischen Bundesamtes 1991, S. 534; 1996, S. 546 f.; 1997, S. 566 f.; 2003, S. 572).
155Vgl. für den Zeitraum von 1978 bis 1996 BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u. a. -, a. a. O.
156Das Land teilt diese Einschätzung. Es hat selbst darauf verwiesen, dass in der Zeit von 1996 bis 2007 der Preisindex eine Steigerung um ca. 20 % ausweise; die durchschnittliche Lohnsteigerung betrage ca. 29,8 %.
157Auch ein Blick auf das Volkseinkommen je Einwohner, das die Veränderungen am Arbeitsmarkt einbezieht, weist nicht auf eine allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen im Bundesdurchschnitt hin, sondern zeigt eine regelmäßige, ununterbrochene Steigerungstendenz auf. Ähnliches gilt für die Verhältnisse im Land Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitnehmerentgelte haben seit dem Jahr 1993 eine kontinuierliche Steigerung erfahren. Erst im Jahr 2005 ist kein Zuwachs mehr zu verzeichnen, was durch die Entgelteinbußen der öffentlichen und privaten Dienstleister in den Jahren 2004 und 2005 mitbedingt ist. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte im Land Nordrhein-Westfalen ist dementsprechend im Zeitraum von 1993 bis 2004 jährlich deutlich und kontinuierlich gestiegen; dies betrifft sogar die erwerbslosen Haushalte. Abgerundet wird dieses Bild durch die Ausgaben und Aufwendungen privater Haushalte für den privaten Verbrauch. Die privaten Konsumausgaben sind in der Zeit von 1998 bis 2003 im Bundesdurchschnitt ebenfalls kontinuierlich angestiegen. Dasselbe gilt für die Verhältnisse im Land Nordrhein-Westfalen, wie die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichproben der Jahre 1998 und 2003 belegen (Jahrbücher des Statistischen Bundesamtes 1993, S. 694; 1996, S. 655; 1997, S. 680; 2001, S. 566; 2004, S. 635, 729; 2005, S. 625, und 2006, S. 556, 641; Statistische Jahrbücher NRW 2004, S. 621, 658, und 2006, S. 624, 654, 664).
158Die Bewertung der allgemeinen wirtschaftlichen Gesamtsituation als auf einer weiterhin fortschreitenden positiven Entwicklung beruhend teilt auch das Land. Dies ist im gegebenen Zusammenhang unmittelbar aufschlussreich, wenngleich diese Bewertung lediglich im Rahmen der Neuordnung der Abgeordnetenentschädigung erfolgt ist. Anlässlich des Systemwechsels bei der Festsetzung der Abgeordnetenentschädigung sind im Jahr 2001 umfangreiche parlamentarische Untersuchungen zur Amtsangemessenheit der Diäten durchgeführt worden. Sie mündeten in Empfehlungen der Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts vom 7. März 2002. Zu künftigen Diätenerhöhungen wurde eine Orientierung an der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung oder der Veränderung der Lebenshaltungskosten erwogen. Es läge nahe, die allgemeine Einkommensentwicklung als Vergleichsmaßstab zu wählen (LT-Drucks. 13/2330). Anhaltspunkte für negative wirtschaftliche Veränderungen unter den genannten Ansatzpunkten (allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung, Veränderung der Lebenshaltungskosten) zeigen die Empfehlungen dieser sachverständig besetzten sog. Diätenkommission nicht auf. Parlamentarisch wurden diese Empfehlungen mit einem Gesetzentwurf aller Fraktionen unter dem 21. Februar 2005 zum – später entsprechend geänderten – Abgeordnetengesetz NRW umgesetzt (LT-Drucks. 13/6596). In der Folge knüpft hieran der bereits erwähnte Angemessenheitsbericht der Landtagspräsidentin vom 27. November 2006 an und stellt unter Auswertung der vom Präsidenten des LDS übermittelten Feststellungen über die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung sowie die Lebenshaltungskosten und Einzelhandelspreise im Jahr 2005 einen Erhöhungsfaktor von 1,39 fest (LT-Drucks. 14/3009). Die im November 2006 bereits bekannte – nämlich unter dem 23. Mai 2006 beschlossene – weitere Absenkung der Sonderzahlung für die Beamten und Richter des Landes ist bei dieser Betrachtung allerdings ausgeblendet worden. Bezeichnenderweise wird im Angemessenheitsbericht auch bei der Ermittlung der durchschnittlichen Einkommenserhöhung der ausdrücklich festgehaltene Umstand, dass die Beamtenbesoldung nicht erhöht worden ist, nicht berücksichtigt, sodass von einer Erhöhung von 0,67 v. H. (statt bei entsprechender rechnerischer Mittelung von lediglich 0,50 v. H.) ausgegangen worden ist. Hieraus folgt eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung um den Faktor 1,39 (statt von lediglich 1,30). Angesichts des Umstands, dass im Land und in den Kommunen im maßgeblichen Zeitraum eine keineswegs zu vernachlässigende Anzahl von insgesamt rund 320.000 Beamten beschäftigt gewesen ist (Statistisches Jahrbuch NRW 2006, S. 526 ff., sowie Personalstandsstatistik des LDS unter www.lds.nrw.de), lässt sich diese Vorgehensweise nur damit erklären, dass die Besoldung dieser Berufsgruppe an der Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung nach dem Vorstellungsbild der parlamentarisch Verantwortlichen ausdrücklich keinen Anteil mehr haben soll. Dies untermauert die vom Senat getroffene Einschätzung, dass die Besoldung der Beamten des Landes bereits im Jahr 2003 von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden sollte und konsequent auch beginnend mit diesem Zeitpunkt abgekoppelt worden ist. Hiervon geht auch der Finanzminister des Landes aus. Er hat am 22. August 2007 vor dem Landtag die für 2008 beabsichtigte Besoldungserhöhung u. a. mit der Wendung begründet, "eine weitere Abkopplung von der Lohn- und Gehaltsentwicklung in unserem Lande" sei "nicht verantwortbar" (Plenarprotokoll 14/66, S. 7469).
159Soweit das Land seine Auffassung, die Beamten des Landes seien auch ab dem Jahre 2003 und insbesondere im Jahr 2004 amtsangemessen alimentiert worden, darauf stützt, das Bundesverfassungsgericht habe noch im Jahr 2005 die Absenkung der Versorgungsleistungen für rechtmäßig gehalten, ist ein zielführender Zusammenhang mit den hier einschlägigen Problemen nicht zu erkennen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 –, a. a. O., ausschließlich mit der Frage befasst, ob die gegenüber dem Rentenbereich überschießende Versorgungsanpassung den Anspruch auf angemessene Versorgung der Versorgungsempfänger verletzt, und diese Frage im Ergebnis verneint. Eine Aussage zu der hier zu klärenden Frage, ob die Beamten des Landes ab 2003 amtsangemessen besoldet werden, kann dieser Entscheidung weder unmittelbar noch auch nur sinngemäß entnommen werden. Ihr ist im Gegenteil eindeutig zu entnehmen, dass es auch im Versorgungsbereich auf die Frage entscheidend ankommt, ob eine greifbare Abkopplung von vergleichbaren Bereichen der Altersvorsorge vorliegt. Wenn das Bundesverfassungsgericht unter diesem Gesichtspunkt eine derartige Abkopplung als vorübergehende nicht beanstandet, wohl aber als Dauerzustand nicht gebilligt hat, beruht dies im Wesentlichen darauf, dass dort Spezialprobleme des Versorgungsrechts und der – angespannten – Rentensituation zu betrachten gewesen sind, die Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Tatsachenermittlungen und Tatsachenbewertungen durch den Senat hinsichtlich der Einkommenssituation von Erwerbstätigen, einschließlich der Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen nicht zulassen.
160e) Ist eine nachhaltige negative wirtschaftliche Veränderung der für die Bestimmung der Amtsangemessenheit der Besoldung maßgeblichen Verhältnisse objektiv nicht zu erkennen und deuten auch ausgeübte Prärogativen des Landes nicht in diese Richtung, hält demgegenüber aber gleichwohl die Einkommensentwicklung der Beamten mit der allgemeinen Entwicklung – nach dem Willen des Landes: planmäßig – in dem aufgezeigten Umfang nicht mehr Schritt, sondern fällt im Wege einer deutlichen, ins Auge springenden Zäsur hinter die allgemeinen Verhältnisse zurück, so stellt dies eine greifbare und als solche nicht rechtfertigungsfähige Abkopplung der Besoldung dar. Jeder weitere besoldungswirksame Zugriff durch das Land, auch und gerade wenn er im Rahmen von Einschnitten beim Gewähren fürsorgerischer Leistungen erfolgt, ist hiernach rechtswidrig, da den Beamten – über die Abkopplung hinaus – weitere finanzielle Belastungen auferlegt werden, die aus der allgemein zur Bestreitung des Lebensunterhalts gewährten – unzureichenden – Besoldung zu finanzieren sind. In dieser Weise wird das Spannungsverhältnis zwischen Besoldung und ergänzender fürsorgerischer Leistung nicht in verfassungskonformer Weise gelöst, sondern im Gegenteil in verfassungswidriger Weise verschärft. Ist dieser Zustand – wie hier – erreicht, sind vom Dienstherrn zu gewährende Besoldung und Fürsorge nicht mehr im Sinne ergänzender Wechselseitigkeit aufeinander bezogen.
161Diese Schlussfolgerung beruht – ebenso wie die Prüfung der Angemessenheit der Alimentation mit Blick auf vergleichbare Entlohnung im Tarifbereich – notwendig auf einer pauschalierenden Betrachtung. Soweit die Untergrenze des Zumutbaren in Rede steht, geben hier die vorstehend im Einzelnen abgehandelten Gesichtspunkte greifbarer Abkopplung, fehlender Überalimentation und notwendiger Anpassung an steigende Einkommen im Übrigen den Ausschlag für die Bewertung, dass die Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren unterschritten wird, wenn zu allem noch die Kostendämpfungspauschale auf schon vorgenommene Kürzungen aufgesattelt wird. Vor diesem Hintergrund folgt die qualitative Gewichtung der Abkopplung als greifbar vor allem daraus, dass sie die Beamtenschaft exklusiv getroffen hat, ohne tragfähige Begründung und in Ansehung steigender Preise, steigender Einkommen sowie steigender allgemeiner Prosperität erfolgt ist, der Verstoß gegen § 14 BBesG deswegen besonders gravierend erscheint. Anlass für eine noch weitergehende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des 21. Senats des erkennenden Gerichts,
162vgl. Urteil vom 20. Juni 2007 – 21 A 1634/05 –, a. a. O.,
163wie sie von dem beklagten Land gefordert worden ist, besteht nicht.
164Raum für die Anwendung einer Kostendämpfungspauschale dürfte nach alledem erst dann wieder sein, wenn die Besoldung der Beamten des Landes erneut an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und an die Einkommensentwicklung vergleichbar Beschäftigter angekoppelt wird, sodass von einer ausreichenden amtsangemessenen Alimentation ausgegangen werden kann, die dem Dienstherrn als Fürsorgegeber dann ggf. wieder gewisse Spielräume für (maßvolle) belastende Maßnahmen eröffnen könnte.
165Mit seiner Auffassung steht der Senat im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des 6. Senats des erkennenden Gerichts,
166vgl. Urteile vom 18. Juli 2007 – 6 A 3393/06 u. a. -, www.nrwe.de und Juris,
167der die Kostendämpfungspauschale aus systematischen Gründen auch schon für die Zeit ab 1999 für rechtswidrig erachtet. Die Bewertung der Rechtslage durch den Senat knüpft demgegenüber im rechtlichen Ausgangspunkt an die – für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des durch die Kostendämpfungspauschale II herbeigeführten "Zustands" der im Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG relevanten Nettobesoldung – schon in seinen Urteilen vom 12. November 2003 als im Kern maßgeblich erachtete Frage an, ob die Kostendämpfungspauschale (damals I) dazu führte, dass die amtsangemessene Alimentation im Gefüge der ineinander verschränkten und aufeinander bezogenen Alimentations- und Fürsorgeleistungen unterschritten wird. Dies ist aus den oben im Einzelnen angeführten Gründen aber eindeutig für die Zeit ab Geltung der Kostendämpfungspauschale II und wegen der jahresbezogenen Auswirkungen sowohl der Kostendämpfungspauschale als auch der übrigen Besoldungsabsenkung ab dem Jahr 2003 der Fall. Ob darüber hinaus Überlegungen zu Zweck, Grenzen und Folgen des in der Alimentation enthaltenen Durchschnittssatzes zur Bestreitung der Kosten einer angemessenen Krankheitsvorsorge erforderlich sind, bedarf hiernach keiner Entscheidung.
168Ebenfalls bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der vom Kläger (mit) in den Vordergrund seiner Ausführungen gestellten – und für die Kostendämpfungspauschale I in den Urteilen des Senats vom 12. November 2003 mitbehandelten – Problematik, ob § 12a BVO auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt; hierauf kommt es in entscheidungserheblicher Weise nicht mehr an.
169f) Ist § 12a Abs. 1 BVO NRW hiernach im Zusammenhang mit der in 2003 eingeleiteten und sich im Jahr 2004 fortsetzenden Abkopplung der Besoldung aus den dargelegten Gründen nicht mehr verfassungskonform, so kann die sich aus ihm ergebende Rechtsfolge dem Beihilfeanspruch des Klägers nicht entgegengesetzt werden; die nachfolgenden Absätze des § 12a BVO NRW verlieren – im gegebenen Zusammenhang – dadurch den Gegenstandsbereich, den sie präzisieren sollen, und gehen ins Leere. Es mag dahinstehen, ob sich dies als Konsequenz einer anzunehmenden Nichtigkeit bzw. einem Nichtigwerden der Vorschriften ergibt, zu dem bei untergesetzlichen Normen auch noch Entwicklungen nach ihrem Erlass führen können. Jedenfalls aber unterliegt die Vorschrift einer von Amts wegen zu berücksichtigenden Anwendungssperre, die das Land daran hindert, aus der Norm Folgerungen zulasten von Beihilfeansprüchen zu ziehen. Diese Anwendungssperre rechtfertigt sich zum Einen aus den vergleichbaren Erwägungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht in beamtenrechtlichen Zusammenhängen mit Blick auf Kontroll- und Anpassungspflichten bei einer nicht unerheblichen Abweichung der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung angestellt hat.
170Vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 -, a. a. O.
171Zum Anderen ist die Anwendungssperre deswegen von Amts wegen zu berücksichtigen und geboten – aber auch ausreichend –, weil sich die oben festgestellte Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation erst durch den Vollzug der Norm im Einzelfall verdichtet.
172Vgl. zum Gesichtspunkt der Jahresbezogenheit dieser Anwendungssperre Urteil des Senats vom heutigen Tag in dem Verfahren 1 A 4955/05.
173Der Kläger darf schließlich nicht darauf verwiesen werden, den Besoldungsgesetzgeber auf die Erhöhung seiner Bezüge in Anspruch zu nehmen, etwa über den Umweg einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Leistungs- oder Feststellungsbegehrens. Nicht die Höhe der Bezüge wird hier – isoliert – streitgegenständlich beanstandet, sondern die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht mit Blick auf jene Bezüge. Diese Pflicht umfasst in ihrem Kern den Auftrag, Vorkehrungen zu treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen u. a. durch Krankheitsfälle nicht gefährdet wird.
174Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a. a. O.
175Wird diese Pflicht missachtet, so kann der von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte effektive Rechtsschutz gegen damit einhergehende Rechtsverletzungen nur dann durch Verweisung auf anderweitige Abhilfemöglichkeiten verweigert werden, wenn diese vorrangig sind. Dafür spricht hier indes schlechthin nichts, weil innerhalb des praktizierten Modells von Alimentation und ergänzender Beihilfe ein bestimmter Weg der Absicherung verfassungsrechtlich nicht vorgezeichnet ist. Rechtsschutz ist demgemäß dort zu gewähren, wo eine Rechtsverletzung eintritt. Aus dem Umstand, dass das jeweils geltende System alimentationsergänzender Beihilfeleistungen in Krankheitsfällen etc. selbst nicht "verfassungsfest" gewährleistet ist, ergibt sich in diesem Zusammenhang nichts Gegenteiliges. Im vorliegenden Verfahren steht nämlich nicht dieses System als solches (im Sinne seiner Abschaffung) in Frage. Vielmehr wird vom Senat (lediglich) beanstandet, dass der Dienstherr als Fürsorgegeber die bei der näheren Ausgestaltung der beihilferechtlichen Strukturen kraft Verfassungsrechts zu beachtenden Vorgaben nicht berücksichtigt hat, obwohl er hierzu vor allem deswegen verpflichtet gewesen wäre, um die amtsangemessene Alimentation seiner Beamten nicht zu gefährden.
176Über die Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit des § 12a Abs. 1 BVO NRW hat der Senat in eigener Kompetenz zu befinden. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG wäre unzulässig, weil die (unangewendet gelassene) Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers insgesamt Verordnungsrecht darstellt (vgl. Art. II Nr. 3 Haushaltsgesetz 2003).
177Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2005 - 2 BvL 11/02 u. a. -, a. a. O.; daran anschließend OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2007 – 6 A 3393/06 u. a. –, a. a. O.
178Eine Vorlage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt geboten, dass der Senat zur Begründung des Verfassungsverstoßes der Beihilfevorschrift auf eine Abkopplung der Beamtenbesoldung von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgestellt hat, die maßgeblich durch nordrhein-westfälisches Parlamentsgesetz bewirkt worden ist. Gerade die (etwaige) Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes oder gar des Gesamtbestands an besoldungswirksamen Normen, die sich nur aus einem "Zu-wenig-Gewähren" von Alimentation ergeben könnte, ist für die hier zu beurteilende Frage nicht entscheidungserheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Dienstherr als Fürsorgegeber mit Blick auf die von ihm – als Besoldungsgesetzgeber – selbst vorgenommene Abkopplung der Alimentation, mag sich diese auch als (noch) verfassungsgemäß darstellen, verpflichtet ist, von weitergehenden besoldungswirksamen Eingriffen im Wege der Kürzung von Beihilfeleistungen abzusehen.
179Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180Die Revision ist nicht zuzulassen, weil hierfür die Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Urteil weicht weder von einer Entscheidung der in § 71 Abs. 3 DRiG i. V. m. § 127 Nr. 1 BRRG und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ab noch wirft es grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Der Senat hat lediglich die in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts niedergelegten Maßstäbe zur Beurteilung der Amtsangemessenheit der Alimentation und zur Aufeinanderbezogenheit von Besoldung und ergänzender fürsorgerischer Leistung auf die konkreten Verhältnisse im Land Nordrhein-Westfalen für die Zeit ab 2003 angewandt.
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