Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 E 883/13
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. August 2013 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass das Verfahren nicht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen ist.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln, mit welchem dieses festgestellt hat, dass das Klageverfahren wegen des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters der inzwischen im Handelsregister gelöschten Klägerin gemäß §§ 173 VwGO, 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen ist, hat Erfolg.
31. Die Beschwerde (§ 146 VwGO) ist zulässig.
4a) Sie ist nicht nach § 146 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen. Danach ist eine Beschwerde gegen eine prozessleitende Verfügung des Gerichts nicht zulässig. Prozessleitende Verfügungen in diesem Sinne sind nur Entscheidungen des Gerichts, die es in Ausübung des ihm zukommenden Verfahrensermessens unmittelbar und ausschließlich in Bezug auf den Fortgang und den Ablauf des Verfahrens trifft.
5Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 E 5/10 -, juris, Rn. 2; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 146 Rn. 21.
6Um eine solche Entscheidung handelt es sich bei der Feststellung, das Verfahren sei gemäß § 241 Abs. 1 ZPO unterbrochen, nicht,
7a.A. BFH, Beschluss vom 18. Juni 2003 - VIII B 144/02 -, juris,
8weil das Gesetz dem Verwaltungsgericht kein Entscheidungsermessen einräumt. Die Unterbrechung des Verfahrens tritt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes ein. Durch Beschluss wird dies allenfalls deklaratorisch festgestellt.
9b) Die Beschwerde gegen den mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 146 Abs. 1 VwGO statthaft. Dabei kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, den Streit um die Frage der Unterbrechung des Verfahrens durch ein anfechtbares (Zwischen-) Urteil zu entscheiden,
10vgl. zur Erforderlichkeit einer Entscheidung durch (Zwischen-)Urteil: BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 - VII ZR 225/07 -, juris, Rn. 6; BAG, Zwischenurteil vom 18. Juli 2013 - 6 AZR 882/11 (A), juris, Rn. 18; OLG Rostock, Urteil vom 14. November 2012 - 1 U 138/12 -, juris, Rn. 8,
11oder eine Feststellung über das zwischen den Beteiligten streitige Vorliegen der Unterbrechensvoraussetzungen durch Beschluss treffen durfte (§ 173 VwGO i. V. m. § 252 ZPO analog).
12Vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 252 ZPO: LAG Köln, Beschluss vom 29. August 2012- 7 Ta 207/12 -, juris, Rn. 2; Baumbach u. a. ZPO, 72. Auflage, § 241 Rn. 8, § 252 Rn. 8 Stichwort „Unterbrechung“; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2013 - II ZR 281/12 -, juris,
13Jedenfalls ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zulässig. Nach diesem Grundsatz hat der Beteiligte, wenn das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung trifft, die Wahl, ob er das eigentlich zulässige oder das der Entscheidung entsprechende Rechtsmittel einlegt.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. April 2011 - 9 C 1.10 -, juris, Rn. 11,
15c) Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagten steht kein einfacherer Weg zur Verfügung, ihr Rechtsschutzziel zu erreichen. Zwar sieht § 241 Abs. 1 ZPO vor, dass der Gegner derjenigen Partei, deren Prozessunfähigkeit die Unterbrechung des Verfahrens herbeigeführt hat, das Verfahren jederzeit wiederaufnehmen kann. Hierauf kann die Beklagte aber nicht verwiesen werden, weil sie das Vorliegen einer Verfahrensunterbrechung - zu Recht (vgl. 2.) - in Abrede stellt, § 241 Abs. 1 und 2 ZPO eine Zustellung der Anzeige über die Wiederaufnahme des Verfahrens an einen Vertreter der Klägerin voraussetzt und die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 246 Abs. 1 ZPO in diesem Fall ungeklärt bliebe.
162. Die Beschwerde ist begründet.
17Durch die Löschung der das Klageverfahren führenden GmbH ist keine Unterbrechung des Klageverfahrens gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 241 Abs. 1 1. Halbsatz ZPO eingetreten, weil die Klägerin durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (§ 246 Abs. 1 ZPO).
18a) Dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits vor Eintritt des Insolvenzverfahrens und vor Löschung der GmbH wirksam eine Prozessvollmacht erteilt wurde, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
19b) Die Prozessvollmacht des Prozessbevollmächtigten ist nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Nach § 117 InsO erlischt die Vollmacht nur, wenn sie sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht. Dies gilt auch für die Prozessvollmacht.
20Vgl. BFH, Urteil vom 11. Oktober 2007 – IV R 52/04 -, juris, Rn. 17.
21Die dem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich nicht auf ein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Aufhebung des zu Gunsten der Beigeladenen ergangenen Price-Cap-Beschlusses der RegTP vom 19. Februar 2002. Auch wenn im Hintergrund der Drittanfechtung des Beschlusses durch die Klägerin vermögensrelevante Erwägungen stehen sollten, wird mit dem Aufhebungsbegehren in diesem Verfahren ein der Insolvenzmasse zuzurechnender vermögensrechtlicher Anspruch nicht unmittelbar verfolgt.
22Vgl. den die Klägerin betreffenden Beschluss des Senats vom 12. März 2009 - 13 A 2978/06 -.
23Dass dem Prozessbevollmächtigten wegen der Prozessvertretung gegenüber der Klägerin Vergütungsansprüche zugestanden haben oder weiterhin zustehen können, ist unerheblich, weil diese nicht Gegenstand des erteilten Auftrags bzw. der Vollmacht sind.
24c) Die Veränderung der Prozessfähigkeit der Klägerin hat nach § 173 VwGO i.V.m. § 86 ZPO nicht die Aufhebung der Vollmacht zur Folge.
253. Über die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin für den Fall des Erfolgs der Beschwerde mit Schriftsatz vom 5. Februar 2014 beantragte Aussetzung des Verfahrens (§ 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO) hat der Senat im Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden.
26Vgl. zur Aussetzung bei Löschung einer GmbH OVG NRW, Beschluss vom 25. März 1981 - 4 B 1643/80 -, NJW 1981, 2373.
274. Auf die Frage, ob das Klageverfahren wegen der Löschung der Klägerin im Handelsregister unzulässig geworden ist oder sich in der Sache erledigt hat, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
28Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Diese bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
29Der Beschluss ist unanfechtbar.
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