Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 157/14
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 30.000 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Diesen Anforderungen genügt das Antragsvorbringen nicht.
4Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG rechtmäßig sei. Nach dieser Vorschrift können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Dies sei hier der Fall. Denn sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern stellten ein Dienstvergehen dar, welches jedenfalls dann, wenn der betroffene Schüler minderjährig gewesen sei, grundsätzlich sogar zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit führe, sofern nicht ausnahmsweise besonders außergewöhnliche Milderungsgründe vorlägen. Solche Gründe seien vorliegend nicht ersichtlich. Unabhängig hiervon hätte das Dienstvergehen des Klägers im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit jedenfalls eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge. Bereits dies rechtfertige die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis. Das Verwaltungsgericht hat weiter ausgeführt, auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG seien erfüllt. Danach können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Der Kläger habe sich nicht bewährt, weil er in gravierender Weise gegen Dienstpflichten verstoßen und sich angesichts dessen als charakterlich ungeeignet erwiesen habe.
5Diesen weiter begründeten Annahmen des Verwaltungsgerichts tritt der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend entgegen. Das Vorbringen setzt sich bereits nicht mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts näher auseinander, wonach das streitgegenständliche Dienstvergehen des Klägers im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit jedenfalls eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte, und dass schon diese Disziplinarmaßnahme hier die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe rechtfertige (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Angesichts dessen genügt das Vorbringen des Klägers nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
6Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe den Streitfall zu Unrecht „ebenso gewertet“ wie den Sachverhalt, der der Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2012, 3 A 11426/11, zugrunde gelegen habe. Dort habe sich „ein 46-jähriger Lehrer in einem öffentlichen Bad an einem 14-jährigen Förderschüler vergangen, (…) das Unrecht seiner Tat selbst im Laufe des Disziplinarverfahrens nicht verinnerlicht“ und „den Förderschüler als bloßes Objekt benutzt“. Dies sei mit der vom Kläger begangenen Dienstpflichtverletzung in keiner Weise vergleichbar. Der Kläger weckt mit diesem Vorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Auf die in der angeführten Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz getroffenen Feststellungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern zur Entfernung eines Lebenszeitbeamten aus dem Dienst führen, kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, weil die Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis – wie ausgeführt - bereits auf ein Dienstvergehen gestützt werden kann, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Dass der Kläger ein solches Dienstvergehen nicht begangen hat, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
7Der Zulassungsantrag bleibt aber auch unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ohne Erfolg.
8Der Kläger legt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils mit seinem Vorbringen dar, er habe nach seiner „Wertung“ keine sexuellen Handlungen „an“ einer minderjährigen Schülerin vorgenommen, vielmehr habe es sich „um ein einvernehmliches Sexualverhalten außerhalb der Schule für einen relativ kurzen Zeitraum mit einer 16-jährigen Schülerin [gehandelt], das einvernehmlich gewollt, aber auch einvernehmlich beendet worden“ sei. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern disziplinarisch nicht von geringerem Gewicht sind, wenn sie im Einvernehmen mit dem Schüler erfolgen. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Schüler und Eltern darauf, dass Lehrer das Obhuts- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt zu verhalten. Körperliche Distanz hat daher das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auch dann zu prägen, wenn der Schüler mit deren Aufgabe vordergründig einverstanden ist.
9Vgl. BayVGH, Urteil vom 12. März 2013 – 16a D 11.624 -, juris, Rdn. 65.
10Der Hinweis des Klägers, er habe die betroffene Schülerin am H. -C. -Gymnasium nicht unterrichtet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Kläger blendet in diesem Zusammenhang aus, dass ein Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit bereits deshalb bestand, weil sich die betroffene Schülerin an ihn zunächst in seiner Funktion als Schülervertretungslehrer gewandt hatte.
11Der Einwand des Klägers, es habe sich um sexuelle Handlungen „außerhalb der Schule“ gehandelt, weckt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Lehrer haben auch außerdienstlich strikt körperliche Distanz zu minderjährigen Schülern zu wahren. Ein Lehrer, der entsprechend dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule (vgl. § 2 SchulG NRW) gegenüber Schülern nicht nur die Pflicht zum Unterricht, sondern auch zur Erziehung unter Beachtung der Elternrechte hat, bedarf in besonderem Maße des uneingeschränkten Vertrauens sowohl von Seiten des Dienstherrn als auch der Eltern, die ihre Kinder in die Obhut der Schule geben. Auf dieses Vertrauen kann sich auch ein außerdienstliches Verhalten von hinreichendem Gewicht auswirken. Eltern und Öffentlichkeit müssen darauf vertrauen können, dass eine Lehrkraft minderjährige Schüler nicht in verfängliche Situationen bringt, die es als fraglich erscheinen lassen, dass die Lehrkraft die psychische und körperliche Integrität, die Intimsphäre sowie die sexuelle Selbstbestimmung der Schüler in der gebotenen Weise respektiert. Bereits um den Schulfrieden potentiell beeinträchtigende Sorgen der Eltern zu vermeiden, ist insoweit bereits jedes Verhalten zu unterlassen, das den berechtigten Verdacht entsprechender Grenzüberschreitungen begründet.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2011 - 6 B 950/11 -, juris, Rdn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juli 2003 - 1 NDH M 1/03 -, juris, Rdn. 24.
13Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Kläger ein äußerst schweres Dienstvergehen begangen, das, selbst wenn er sich im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit befände, mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 10 LDG NRW zu ahnden wäre. Dabei gilt, dass eine Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW), wobei das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt worden ist (§ 13 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LDG NRW). Ein Lehrer, der sich – wie der Kläger – sexuell mit einer minderjährigen Schülerin einlässt, schädigt sein Ansehen und das seines Berufsstandes schwer. Denn der Beruf des Lehrers verlangt, wie ausgeführt, eine besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auch auf sittlichem Gebiet. Den Lehrern sind Kinder und Jugendliche anvertraut, die sich noch in einer starken Prägungsphase befinden und besonders nach emotionaler Zuwendung, Anerkennung, Verständnis und Zuneigung suchen. Die Lehrer sollen die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der heranwachsenden jugendlichen Menschen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können Lehrer glaubwürdig und überzeugend nur erfüllen, wenn sie ihr Verhältnis zu den Schülern von sexuellen Beziehungen und Handlungen jeder Art ausnahmslos freihalten. Ein Lehrer, der ein sexuelles Verhältnis zu einer minderjährigen Schülerin unterhält, enttäuscht die in dieser Beziehung an einen Lehrer zu stellenden Erwartungen und ist in diesem Beruf nicht mehr tragbar. Denn Eltern, die ihre Kinder den Lehrern anvertrauen müssen, haben einen Anspruch darauf, dass das Verhältnis ihrer Kinder zu den Lehrern von sexuellen Handlungen der Lehrer freigehalten wird. Ein vom Vertrauen auch der Elternschaft getragener Schulbetrieb wäre sonst nicht denkbar.
14Vgl. Nds. OVG NRW, Urteil vom 12. Januar 2010 – 20 LD 13/07 -, juris, Rdn. 98.
15Im Streitfall kommt erschwerend hinzu, dass der Kläger sexuelle Handlungen an der betroffenen Schülerin nicht nur während eines gemeinsamen mehrtägigen Auslandsaufenthaltes in den Sommerferien des Schuljahres 2010/2011, von dem die Erziehungsberechtigten der Schülerin keine Kenntnis hatten, vorgenommen hat, sondern auch noch im Anschluss hieran. Ferner muss berücksichtigt werden, dass sich die betroffene Schülerin zusammen mit einer Mitschülerin an den Kläger in dessen „Funktion als SV-Lehrer“ gewandt und mit diesem zunächst besprochen hatte, dass sich die Mitschülerin in einen Kollegen des Klägers „verliebt“ habe (Schriftsatz des Klägers vom 25. Juni 2012). Auch und insbesondere vor dem Hintergrund dieser mit den Schülerinnen „thematisierten Problemlage“ hätte dem Kläger bewusst sein müssen, dass er bei aller zulässigen Zuwendung und Hilfsbereitschaft die Pflicht hat, die gebotene körperliche Distanz zu den Schülerinnen zu wahren.
16Der Einwand des Klägers, seine Dienstpflichtverletzungen seien „nicht nach außen gedrungen“, sodass auch sein Ansehen bei Eltern, Schülern und in der Öffentlichkeit nicht gelitten haben könne, trifft bereits im Tatsächlichen nicht zu, weil die Dienstvergehen schon nach Aktenlage einer namhaften Zahl von Personen zur Kenntnis gelangt sind. Angesichts der Schwere der vom Kläger begangenen Dienstvergehen begegnet auch die Annahme der Bezirksregierung E. in der angefochtenen Entlassungsverfügung vom 12. Oktober 2012, das Vertrauensverhältnis zum Kläger sei „unheilbar zerstört“, keinen Bedenken.
17Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass die Bezirksregierung den Kläger zunächst mit Verfügung vom 11. Januar 2012 an das I. in T. versetzt und nicht sogleich entlassen hat. Die Dienstvergehen des Klägers verlieren dadurch nicht an Gewicht.
18Schließlich führt auch die Stellungnahme des Schulleiters des I. vom 18. Juni 2012, wonach der Kläger „die Tragweite seines Handelns nicht nur eingesehen (…), sondern auch die diesbezügliche Lehre daraus gezogen“ habe, zu keiner anderen Betrachtungsweise. Diese Umstände sind nicht geeignet, die Schwere der Dienstvergehen derart zu relativieren, dass deshalb bei einem Beamten, der sich wie der Kläger untragbar gemacht hat, von einer Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis abgesehen werden könnte. Dass das Verhalten des Klägers seit seiner Versetzung an das I. im Januar 2012 ausweislich der angeführten Stellungnahme „untadelig“ sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn es ist selbstverständlich und nicht besonders hervorzuheben, dass ein Beamter im Dienst gesetzliche Vorschriften einhält und sich in diesem Sinne „tadellos“ verhält. Auch rücken die schwerwiegenden Verfehlungen des Klägers dadurch nicht in ein milderes Licht.
19Erfolglos versucht der Kläger ferner einen Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) damit zu begründen, der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt reiche für die Entlassung nicht aus. Das Verhalten des Klägers an den beiden Gymnasien hätte „gegebenenfalls (…) durch weitere Zeugenvernehmungen weiter überprüft werden müssen“. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter – wie hier - in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat. Der Kläger hat auch nicht hinreichend dargetan, aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. Hierzu bedarf es der Darlegung, hinsichtlich welcher entscheidungserheblicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten, voraussichtlich getroffen worden wären.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - 4 B 65.08 -, juris, Rdn. 17.
21Diese Anforderungen sind mit dem unsubstantiierten Einwand, „das Verhalten des Klägers“ hätte durch weitere Zeugenvernehmungen überprüft werden müssen, nicht erfüllt. Abgesehen davon kam es nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf an, ob das Verhalten des Klägers am H. -C. -Gymnasium und am I. im Übrigen „tadellos“ war. Denn das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der mit den Dienstvergehen verbundene Vertrauensverlust nicht kompensiert werden könne.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 86 1x
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 152 1x
- VwGO § 154 1x
- BeamtStG § 23 Entlassung durch Verwaltungsakt 3x
- 1 NDH M 1/03 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 950/11 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124a 2x
- § 2 SchulG 1x (nicht zugeordnet)
- 20 LD 13/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Landesdisziplinarsenat) - 3 A 11426/11 1x
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)