Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 16 A 3122/18
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2018 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln geändert. Der Bescheid des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
2Die Klägerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie wendet sich gegen die Anordnung der Prüfung durch den Bundesrechnungshof.
3Im November 2016 erließ der Bundesrechnungshof erstmals eine Prüfungsanordnung gegenüber der Klägerin, die daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhob. In der mündlichen Verhandlung hob die Beklagte den Bescheid u. a. wegen formeller Mängel auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die beigezogene Gerichtsakte – 4 K 11931/16 – verwiesen.
4n>Im Januar 2018 hörte der Bundesrechnungshof die Klägerin zum Erlass einer auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO i. V. mit § 120 SGB VII gestützten Prüfungsanordnung betreffend die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen an. Die Klägerin trug daraufhin vor, es fehle eine Ermächtigungsgrundlage für die Prüfung ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung. § 120 SGB VII stelle keine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO oder des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar. Ferner führe sie gar keine sozialmedizinischen Begutachtungen durch. Aus solchen Gutachten ergäben sich jedenfalls keine Hinweise auf ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung. Der beabsichtigte Bescheid sei zudem widersprüchlich und verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Sozialdatenschutz der Versicherten werde nicht hinreichend Rechnung getragen.
5Unter dem 19. März 2018 erließ der Bundesrechnungshof die streitgegenständliche Prüfungsanordnung betreffend die Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Klägerin. Mit dem Bescheid wird die Klägerin verpflichtet,
6„a) Erhebungen von Beauftragten des Bundesrechnungshofs im Rahmen der Prüfung „Durchführung sozialmedizinischer Begutachtungen durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft“ vom Jahr 2012 bis laufend zu dulden,
7b) dem Bundesrechnungshof Einblick in die Verfahren und von ihm ausgewählte Vorgänge der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft aus den Jahren 2012 bis laufend zum Prüfungsthema mit den in der Begründung genannten vorläufigen Schwerpunkten zu gewähren,
8c) den Beauftragten innerhalb der Dienststunden der Berufsgenossenschaft freien unmittelbaren Zugang zu allen bei der Berufsgenossenschaft vorhandenen Unterlagen mit Bezug auf das Prüfungsthema zu gewähren, die der Bundesrechnungshof zur Durchführung der Prüfung für erforderlich hält,
9d) Unterlagen mit Bezug zum Prüfungsthema, die der Bundesrechnungshof oder seine Beauftragten zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder seinen Beauftragten vorzulegen,
10e) den Beauftragten die zum Prüfungsthema erbetenen Auskünfte zu erteilen.“
11Zur Begründung führte der Bundesrechnungshof im Wesentlichen aus, er leite seine Prüfungs- und Erhebungsrechte aus § 112 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit § 111 Abs. 1 BHO her. Die Klägerin erhalte zwar keine Zuschüsse vom Bund, für sie bestehe aber in § 120 SGB VII eine gesetzlich begründete Garantieverpflichtung des Bundes. Hierfür genügten bereits die finanzwirksame Verantwortung und Haftung des Bundes, also die mögliche Inanspruchnahme öffentlicher Mittel. Die Erhebungen seien in dem angekündigten Umfang erforderlich und zumutbar. Die Speicherung, Veränderung oder Nutzung erforderlicher Daten, die dem Sozialgeheimnis aus § 35 Abs. 1 SGB I unterlägen, seien für die Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof gemäß § 67c Abs. 3 SGB X zulässig. Rechtsgrundlage für die Datenübermittelung durch die Klägerin sei § 69 Abs. 5 SGB X. Die Belange des Sozialdatenschutzes sowie die Rechte Dritter würden vom Bundesrechnungshof umfassend beachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 85 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
12Die Klägerin hat am 28. März 2018 Klage erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren vertieft. Zur Ermächtigungsgrundlage für die Prüfungsanordnung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO stelle eine Privilegierung der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger gegenüber der übrigen mittelbaren Bundesverwaltung dar und trage den Besonderheiten des Systems der Sozialversicherung Rechnung. Sofern Sozialversicherungsträger sich ausschließlich aus dem Beitragsaufkommen ihrer Mitglieder finanzierten und für sie keine Garantieverpflichtung des Bundes bestehe, fehle es an einer Finanzwirksamkeit für den Bundeshaushalt, um derentwillen ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs existiere. Auch wenn § 120 SGB VII die Überschrift „Bundes- und Landesgarantie“ trage, regele diese Vorschrift dem Wortlaut nach lediglich die Rechtsnachfolge für den Fall der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers. Demgegen252;ber zielten Garantieverpflichtungen ebenso wie Zuschüsse i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf die Gewährleistung der Aufgabenerfüllung und damit auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit eines Sozialversicherungsträgers, so dass hierbei begrifflich die weitere Existenz des Sozialversicherungsträgers vorausgesetzt werde. Hingegen kämen dem aufgelösten Unfallversicherungsträger im Falle des in § 120 SGB VII vorgesehenen Eintritts des Bundes in dessen Rechte und Pflichten keine Leistungen mehr zugute. Ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs könne ohnehin nur beschränkt auf den Zeitraum bestehen, in welchem dem Sozialversicherungsträger eine Garantie des Bundes zugutekomme. Nach der von § 120 SGB VII tatbestandlich vorausgesetzten Auflösung gebe es aber keinen Unfallversicherungsträger mehr, auf den sich eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof beziehen könnte, während § 120 SGB VII für den Zeitraum vor der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers keine Rechtswirkungen entfalte. Ferner könne ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs nicht damit gerechtfertigt werden, dass es der frühzeitigen Aufdeckung etwaiger finanzieller Probleme zur Verhinderung einer Auflösung nach § 120 SGB VII diene, denn die Auflösung eines Unfallversicherungsträgers müsse nicht zwingend finanziellen Gesichtspunkten geschuldet, sondern könne auch politisch motiviert sein. Dementsprechend hätten der Bund und die Länder es in der Hand, den Garantiefall des § 120 SGB VII zu vermeiden. Sie könnten von der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers absehen oder bei einer Auflösung die Gesamtrechtsnachfolge eines neuen Trägers vorsehen. Somit bestehe kein Risiko für den Bundes- bzw. Landeshaushalt, weil der Bund und die Länder selbst steuerten, ob sie in die Rechte und Pflichten des Unfallversicherungsträgers einträten. Hinzu komme, dass eine Übernahme der Rechte und Pflichten eines Unfallversicherungsträgers nicht zwingend zu einem finanziellen Verlust führen müsse, sondern ebenso einen Vermögenszuwachs bewirken könne. Gegen eine Interpretation des § 120 SGB VII als Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO spreche auch, dass dessen Privilegierung der Sozialversicherungsträger leerlaufen würde. Denn das Vermögen einer aufgelösten Körperschaft falle schon nach allgemeinen organisationsrechtlichen Grundsätzen regelmäßig der Trägerkörperschaft Bund oder Land zu. Zuschüsse oder Garantieverpflichtungen i. S. des § 112 BHO seien daher etwas anderes als die für die gesamte mittelbare Verwaltung bestehende Einstandspflicht der Trägerkörperschaft für die Rechte und Pflichten einer aufgelösten Körperschaft, die § 120 SGB VII für die Unfallversicherung nur deklaratorisch wiedergebe. Dass diese Vorschrift mithin keine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG begründe, ergebe sich schließlich aus den Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 – 12 BV 08.573 – und des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 – 8 C 53.09 –. Im Übrigen hat die Klägerin detailliert dazu vorgetragen, dass der Bescheid des Bundesrechnungshofs auch wegen formeller Fehler rechtswidrig und nichtig sei, gegen das Bestimmtheitsgebot sowie gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoß;e und den Sozialdatenschutz der Versicherten verletze. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 27. März 2018 (Bl. 1 ff. der Gerichtsakte) und vom 22. Mai 2018 (Bl. 342 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
13Die Klägerin hat beantragt,
14den Bescheid des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018 aufzuheben.
15Die Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Im gerichtlichen Verfahren hat sie die Begründung ihres Bescheides vertieft.
18Zur Ermächtigungsgrundlage für die Prüfungsanordnung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Dem Bundesrechnungshof stehe gegenüber der Klägerin ein Prüfungsrecht aus §§ 112, 111 BHO, § 55 HGrG i. V. mit § 120 SGB VII zu. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 112 BHO seien nicht restriktiv auszulegen, denn in den §§ 88 ff. BHO komme das Ziel zum Ausdruck, durch Einräumung eines weit angelegten Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofs eine möglichst lückenlose Finanzkontrolle zu ermöglichen. § 120 SGB VII stelle eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO, § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar. Dem stehe das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. November 2009 – 12 BV 08.573 – nicht entgegen, zumal es durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 – 8 C 53.09 – aufgehoben worden sei, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht sich mit § 120 SGB VII auseinandergesetzt habe. Der Begriff „Garantie“ beschreibe im Sozialversicherungsrecht die finanzielle Einstandspflicht des Staates, die die grundsätzliche finanzielle Verantwortlichkeit und Selbststä;ndigkeit der Sozialversicherungsträger wahre, gleichzeitig aber in Notfällen deren Leistungsfähigkeit sichere. Bereits der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 120 SGB VII belegten, dass es sich dabei um eine Garantieregelung handele. Dem stehe nicht entgegen, dass die Vorschrift (auch) eine Rechtsnachfolgeregelung darstelle, denn sie begründe eine unbegrenzte Einstandspflicht des Bundes. Eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO setze ferner nicht (wie bei Zuschüssen) die Existenz des Sozialversicherungsträgers voraus. Entscheidend sei das bestehende Risiko, dass Mittel aus dem Bundeshaushalt f52;r durch die Tätigkeit des Unfallversicherungsträgers entstandene Verbindlichkeiten aufgewendet werden müssten. Vor diesem Hintergrund sei es unerheblich, dass die Unfallversicherungsträger sich gewöhnlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzierten. Der Sinn einer Garantie zeige sich gerade in dem Fall, dass interne Ausgleichsmaßnahmen versagten, das zuständige Bundesministerium nicht unmittelbar reagiere, eine gesetzliche Anpassung nicht schnell oder ausreichend genug erfolgen könne oder sogar der gesamte Sozialversicherungszweig in eine Schieflage gerate. Ferner sei das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs bereits bei Bestehen einer Garantie begründet, ohne dass eine tatsächliche Inanspruchnahme vorausgesetzt werde. Mit § 120 SGB VII sei der Bund seiner in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG angelegten Garantiepflicht gegenüber den Sozialversicherungsträgern nachgekommen. Zwar sei gesetzlich nicht geregelt, wie der Bund seiner Einstandspflicht nachzukommen habe, so habe er die Möglichkeit, finanzielle Engpässe eines Versicherungsträgers durch Beitragserhöhung oder Kürzung von Versicherungsleistungen zu überwinden; sollten die ergriffenen Maßnahmen aber fehlschlagen, trete der Bund letztlich selbst in die Verbindlichkeiten des Versicherungsträgers ein. Auch die Auflö;sung eines Unfallversicherungsträgers führe nicht zwangsl28;ufig zum Eintritt des Garantiefalls. Vielmehr betrachte § 120 SGB VII die Überleitung der Rechte und Pflichten auf neue oder andere Unfallversicherungsträger als vorrangig, so dass der Eintritt der Garantie vermieden würde. Daran werde deutlich, dass die Garantie in § 120 SGB VII keine Vorteilsgewährung gegenüber den einzelnen Trägern darstelle, sondern sich auf das System als Ganzes beziehe. Schließlich korrespondiere das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs mit der Rechts- und (eingeschränkten) Fachaufsicht des Bundesversicherungsamtes über die Unfallversicherungsträger. § 112 Abs. 1 BHO regele neben den Voraussetzungen für ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs in erster Linie, dass von den haushaltsrechtlichen Vorschriften der §7; 105 ff. BHO lediglich § 111 BHO auf die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger anzuwenden sei. Das Haushaltsrecht der Sozialversicherungsträger sei im Allgemeinen in den §§ 67-79 SGB IV geregelt, ohne dass sich dort Vorschriften zur Rechnungshofkontrolle befänden. Vor diesem Hintergrund stelle § 112 Abs. 1 BHO sicher, dass bei bundes- und landesunmittelbaren Trägern eine Prü;fung einheitlich durch den Bundesrechnungshof erfolge. Im Übrigen hat die Beklagte die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs auch hinsichtlich der weiteren von der Klägerin geltend gemachten Fehler verteidigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28. Februar 2017 (Bl. 110 ff. der Beiakte 4 K 11931/16), vom 8. August 2017 (Bl. 194 ff. der Beiakte 4 K 11931/16), vom 11. Mai 2018 (Bl. 311 ff. der Gerichtsakte) und vom 29. Mai 2018 (Bl. 372 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
lass="absatzRechts">19Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil es den Bescheid des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018 fü;r rechtmäßig gehalten hat. Zur Ermächtigungsgrundlage für die Prüfungsanordnung hat es im Wesentlichen ausgeführt: § 120 SGB VII stelle ungeachtet seines Charakters (auch) als Rechtsnachfolgeregelung eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO dar. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2011 – 8 C 53.09 –; stehe dem nicht entgegen, denn für dessen Entscheidung sei es auf die Frage der Einordnung des § 120 SGB VII als Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO nicht angekommen. Aus dem Wortlaut des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Garantieverpflichtung auf die Gewährleistung der Aufgabenerfüllung und damit auf die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit eines existierenden Sozialversicherungsträgers ziele. Vielmehr sei die Einordnung einer Rechtsnachfolgeregelung als Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO nicht ausgeschlossen. Auch die amtliche Überschrift des § 120 SGB VII weise darauf hin, dass die Norm als Garantieverpflichtung zu verstehen sei. Zwar erstrecke sich die in § 120 SGB VII vorgesehene Rechtsnachfolge neben den Pflichten auch auf die Rechte eines Unfallversicherungsträgers, so dass etwa vorhandenes Vermögen übergehen würde; entscheidend sei aber, dass die Übernahme eines Haftungsrisikos insoweit nicht ausgeschlossen sei, als der Rechtsnachfolger in die zum Zeitpunkt der Auflösung bestehenden Pflichten des Unfallversicherungsträgers eintrete. Die in § 120 Halbsatz 1 SGB VII vorgesehene Möglichkeit des Bundes, sich durch abweichende Rechtsvorschriften einer Rechtsnachfolge zu entziehen, stehe der Annahme nicht entgegen, dass der Bund sich mit der Einführung des § 120 SGB VII rechtlich gebunden habe. Denn die dort geregelte Rechtsnachfolge komme auch zur Anwendung, wenn zwar abweichende gesetzliche Vorschriften bestünden, die dort vorgesehenen Maßnahmen allerdings fehlschlügen. Für die Annahme der Klägerin, dass eine Garantieverpflichtung einen existierenden Sozialversicherungsträger voraussetze, könne im Rahmen der systematischen Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO zwar die Differenzierung in § 39 Abs. 1 BHO zwischen Garantien und sonstigen Gewährleistungen sprechen, dem sei aber entgegen zu halten, dass der Sonderregelungscharakter des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO im Falle der Einordnung von § 120 SGB VII als Garantieverpflichtung nicht leerlaufe. Denn es genüge für die Annahme einer Garantieverpflichtung nicht, dass die Rechte und Pflichten einer aufgelösten Körperschaft nach allgemeinen organisationsrechtlichen Grundsätzen auf die Trägerkörperschaft Bund oder Land übergingen, sondern es bedürfe nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO einer entsprechenden gesetzlichen Normierung. Im Rahmen der systematischen Auslegung seien außerdem die §§ 88 ff. BHO in den Blick zu nehmen, wonach die Rechnungsprüfung durch den Bundesrechnungshof auf eine umfassende Kontrolle der Verwendung von Bundesmitteln ausgerichtet sei, was für eine Einordnung des § 120 SGB VII als Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO spreche. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergebe sich die sachliche Legitimation des Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofs aus der im Falle von Zuschüssen bzw. Garantieverpflichtungen bestehenden potenziellen finanziellen Betroffenheit des Bundes. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtsnachfolgeregelung des § 120 SGB VII im Wege eines Erst-recht-Schlusses als Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO einzuordnen. Dem Bund müsse im Falle des gesetzlich vorgesehenen Eintritts in alle Rechte und Pflichten eines Unfallversicherungsträgers eine Prüfungsbefugnis hinsichtlich dessen Haushalts- und Wirtschaftsführung zukommen. Dieses Normverständnis sei verfassungsrechtlich gefordert, denn nach dem Leitbild des Art. 114 Abs. 2 GG sollten eine möglichst lückenlose, gegenwartsnahe sowie wirksame Finanzkontrolle gewährleistet und prüfungsfreie Räume vermieden werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin beziehe sich die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs auf den Zeitraum vor der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers, weil die durch § 120 SGB VII begründete Garantiehaftung bereits vor dem Garantiefall gelte. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung nicht für durchgreifend erachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 416 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
20Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Zur Ermächtigungsgrundlage für die Prüfungsanordnung trägt sie ergänzend im Wesentlichen vor: Die Privilegierung der bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO finde ihren Grund darin, dass das Haushaltsverfahren für den Bereich der Sozialversicherung einheitlich für bundes- und landesunmittelbare Träger im SGB IV geregelt sei. 67; 112 Abs. 1 Satz 1 BHO sei dem § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG nachgebildet, damit sämtliche Träger unter den gleichen Voraussetzungen vom Bundesrechnungshof geprüft würden. Ohne die Sonderregelung des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO wären die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger als Teil der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß § 111 BHO ohne Weiteres der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterworfen. Für eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO sei maßgeblich, dass der Bund im Garantiefall zu einer Zahlung an einen Sozialversicherungsträger verpflichtet sei. Dies folge daraus, dass § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO für den Fall von Zuschüssen den Sozialversicherungsträger als Empfänger nenne, auch wenn der Begünstigte einer Garantieverpflichtung nicht ausdrücklich bestimmt sei. Eine andere Auslegung des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO könne nicht mit einer verfassungsrechtlichen Überformung durch den Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle begründet werden, denn der Bundesrechnungshof prüfe die mittelbare Bundesverwaltung nicht auf unmittelbar verfassungsrechtlicher Grundlage, sondern nur dann, wenn der Gesetzgeber ihm diese Aufgabe gemäß Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG zugewiesen habe. Erst im Rahmen dieser Aufgabenzuweisung komme der in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle zum Tragen. Für eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO sei erforderlich, dass bei Eintritt des Garantiefalls eine Zahlungspflicht des Bundes dem Grunde nach gesetzlich feststehe. Diese Voraussetzung erfülle § 120 SGB VII schon deshalb nicht, weil eine finanzielle Belastung des Bundes durch Auflösung eines Unfallversicherungsträgers gemäß Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG ausgeschlossen sei. Nach dieser Vorschrift sei es dem Bund verwehrt, selbst einen Unfallversicherungsträger zu führen, so dass er die Gesamtrechtsnachfolge eines aufgelösten Unfallversicherungstr228;gers weder dauerhaft noch vorübergehend, sondern allenfalls für eine juristische Sekunde antreten könne. Wenn der Bund einen Unfallversicherungsträger auflöse, müsse er in einem und demselben Organisationsgesetz zugleich dessen Rechte und Pflichten auf einen anderen Unfallversicherungsträger übertragen. Vor diesem Hintergrund sei die Regelung des § 120 SGB VII missglückt und nur historisch zu erklären. Sie gehe zurück auf § 647 Abs. 3 RVO, wonach mit Auflösung einer Genossenschaft deren Rechte und Pflichten auf das Reich übergingen. Diese Regelung habe anders als § 120 SGB VII eine Berechtigung gehabt, weil das Reich keiner Beschränkung i. S. des Art. 87 Abs. 2 GG unterlegen habe. Diese grundgesetzlichen Vorgaben habe der Bundesgesetzgeber in § 120 SGB VII nicht nachvollzogen, so dass diese Vorschrift als Relikt der vorkonstitutionellen Verfassungslage erscheine, die mit Inkrafttreten des Grundgesetzes überholt sei. § 120 SGB VII regele lediglich deklaratorisch die Möglichkeit des Bundes, einen bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger aufzulösen, und sehe für diesen Fall den Übergang von dessen Rechten und Pflichten auf den Bund vor, soweit durch Rechtsvorschriften des Bundes nichts anderes bestimmt sei. Damit sei die Rechtsfolgeregelung des § 120 SGB VII zweifach bedingt und begründe mithin eine Zahlungsverpflichtung des Bundes nicht unmittelbar, so dass eine rechtliche Gebundenheit des Bundes durch § 120 SGB VII nicht bestehe. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Kl228;gerin den Vortrag zu ihren sonstigen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 25. November 2018 (Bl. 555 ff. der Gerichtsakte) und vom 2. Mai 2019 (Bl. 890 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
21Die Klägerin beantragt,
satzRechts">22class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018 aufzuheben.
23Die Beklagte beantragt,
tzRechts">24</span>die Berufung zurückzuweisen.
25Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts. Zur Ermächtigungsgrundlage für die Prüfungsanordnung führt sie ergänzend im Wesentlichen aus: Eine Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO setze keine Verpflichtung zur Zahlung unmittelbar an den Sozialversicherungsträger voraus. Vielmehr könne Begünstigter einer Garantie – anders als bei Zuschüssen – auch dessen Gläubiger sein. Dass eine Garantie im Kontext des § 39 Abs. 1 BHO der Absicherung eines vermögenswerten Interesses des Garantieempfängers diene, sage nichts darüber aus, wer Garantieempfänger sei und auf welche Weise dessen vermögenswerten Interessen abgesichert würden. Neben der verfassungsrechtlichen Überformung des § 112 Abs. 1 BHO sei zu berücksichtigen, dass das parlamentarische Budgetrecht nach dem Willen des Grundgesetzes umfassend ausgestaltet sei und auch Ausgaben erfasse, die nicht unmittelbar die Bundesverwaltung beträfen. Maßgeblich für die Annahme einer Garantie sei, dass die Übernahme eines Haftungsrisikos für den Bund nicht ausgeschlossen sei. Das Interesse des Bundes sei darauf gerichtet, die finanzielle Schieflage eines Sozialversicherungsträgers, die ihn wegen seiner Garantieverpflichtung zu finanz- und haushaltswirksamen Stützungsmaßnahmen veranlassen würde, im Vorfeld zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund diene das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs gerade dazu, den Eintritt des Garantiefalls zu verhindern. Außerdem betreffe § 120 SGB VII auch finanzielle Risiken, die bei der Übertragung der Rechte und Pflichten eines Sozialversicherungsträgers auf eine andere bundesunmittelbare Körperschaft einträten, wenn dies einen gewissen Zeitraum beanspruche und dadurch der Bund währenddessen oder in Bezug auf bestimmte Verbindlichkeiten Zahlungen leisten müsse. Aus der Zulässigkeit von abweichenden Regelungen folge für § 120 SGB VII nur die Subsidiarität der Staatshaftung, nicht aber der Ausschluss der Einstandspflicht des Bundes bzw. der potenziellen Belastung des Bundeshaushalts. Dass der Gesetzgeber eine von ihm selbst begründete Garantieverpflichtung wieder abschaffen könne, ändere nichts daran, dass die entsprechende Garantieverpflichtung bei Eintritt des Garantiefalls gesetzlich begründet sei. Abgesehen von dieser Voraussetzung stellten § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG keine weitergehenden Anforderungen an die Art der Garantieverpflichtung oder des Garantiefalls; insbesondere werde keine besondere Qualität der durch die Garantieverpflichtung eingegangenen rechtlichen Bindung verlangt. § 120 SGB VII habe eine hinreichende Bindungswirkung, weil die dort normierte Einstandspflicht de lege lata gelte und etwas anderes nur dann in Betracht komme, wenn der Gesetzgeber davon bei der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers de lege ferenda abweiche. Ein anderes Verständnis des § 120 SGB VII laufe dem verfassungsrechtlich untermauerten Anliegen zuwider, welches der Gesetzgeber mit § 112 Abs. 1 BHO verfolge. Die Konsequenz sei eine Finanzverantwortung des Bundes ohne begleitende Finanzkontrolle. Dem Parlament würden damit in wesentlichem Umfang die Erkenntnismöglichkeiten der Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes vorenthalten. Dem nicht nur durch Art. 114 Abs. 2 GG, sondern auch durch das Budgetrecht des Parlaments verfassungsrechtlich begründeten Interesse an der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle stünden auf Seiten der Klägerin keine Belange von Verfassungsrang, sondern allenfalls in geringem Umfang das einfach-gesetzliche Selbstverwaltungsrecht gegenüber. Zudem sollten die Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofs den Bund in die Lage versetzen, Fehlentwicklungen zu erkennen und durch finanzwirksame Maßnahmen von vornherein den Eintritt einer Situation zu verhindern, in der über die Auflösung eines Unfallversicherungsträgers entschieden werden müsse. Bei dieser Entscheidung sei der Bundesgesetzgeber ferner auf die Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes über die Haushalts- und Wirtschaftsf252;hrung des Unfallversicherungsträgers angewiesen. Diese externe Finanzkontrolle könnten die Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt gemäß; §§ 87 ff. SGB IV oder eine etwaige Prüfung durch Wirtschaftsprüfer nicht ersetzen. Im Übrigen tritt die Beklagte auch den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 1. April 2019 (Bl. 807 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die Akte des Bundesrechnungshofs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
28Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesrechnungshofs vom 19. März 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Für die Prüfungsanordnung des Bundesrechnungshofs fehlt es bereits an einer Rechtsgrundlage.
30Die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs gegenüber bundesunmittelbaren Körperschaften des Bundes sind auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG einfach-gesetzlich in den §§ 111 und 112 BHO sowie in § 55 HGrG geregelt. Hingegen begründet Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs lediglich gegenüber der unmittelbaren Verwaltung des Bundes.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 -, BVerwGE 139, 87 = juris, Rn. 49; s. auch BT-Drucks. 18/12588, S. 33.
32Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis nach der Auffassung, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG sich auch auf die mittelbare Bundesverwaltung erstreckt, soweit diese Auswirkungen auf die unmittelbare Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes haben kann bzw. soweit sie Finanzverantwortung für den Bund wahrnimmt oder eine Einstandspflicht des Bundes besteht.
s="absatzRechts">33Vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl. (Stand: 10/2008), Art. 114 Rn. 76; Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 30.
atzRechts">34Denn auch nach dieser Auffassung bestehen die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs auf der Grundlage und in den Grenzen des einfachen Rechts, das dessen verfassungsrechtliche Aufgaben und Befugnisse näher ausgestaltet.
35Vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl. (Stand: 10/2008), Art. 114 Rn. 133; Siekmann, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 114 Rn. 32.
36Die §§ 111 und 112 BHO sowie § 55 HGrG begründen kein Prüfungsrecht gegenüber der Klägerin.
37Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BHO prüft der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Diese Vorschrift ist gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO auf die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte nur dann anzuwenden, wenn diese auf Grund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist.
38Unabhängig davon besteht ein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs nach § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die nicht Gebietskörperschaft, Gemeindeverband, Zusammenschluss von Gebietskörperschaften oder Gemeindeverbänden oder Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts nach Art. 137 Abs. 5 WRV ist, vom Bund Zuschüsse erhält, die dem Grund oder der Höhe nach gesetzlich begründet sind, oder wenn eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist.
39Die in beiden Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen von Zuschü;ssen oder einer Garantieverpflichtung sind nicht erfüllt.
40Unstreitig erhält die Klägerin keine Zuschüsse vom Bund oder von einem Land.
s">41Für die Klägerin besteht auch keine gesetzliche Garantieverpflichtung des Bundes oder eines Landes. Die insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 120 SGB VII stellt für bundesunmittelbare Unfallversicherungsträger keine gesetzliche Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO oder des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG dar.
42Vgl. ohne Begründung Bay. VGH, Urteil vom 30. November 2009 - 12 BV 08.573 -, juris, Rn. 27, aufgehoben durch BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 -, BVerwGE 139, 87 = juris (ohne Auseinandersetzung mit § 120 SGB VII); Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung (Stand: 06/2017), Nr. 720 S. 3.
43Eine Garantieverpflichtung i. S. des §; 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und des § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG bezeichnet eine unter bestimmten Voraussetzungen (Garantiefall) fällige Leistungsverpflichtung.
44Vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 25. August 2015 ‑ 4 A 46/14 -, juris, Rn. 47, das unter einer Garantieverpflichtung eine „unter bestimmten Voraussetzungen fällige Zuschussverpflichtung“ versteht und diesen Tatbestand zugleich in § 12 Abs. 2 InsO erfüllt sieht, der eine Leistungspflicht unmittelbar gegenüber den Gläubigern der juristischen Person regelt. Auf die insoweit zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und 167; 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG voraussetzen, dass die im Garantiefall geschuldete Leistung gegenüber der betroffenen juristischen Person des öffentlichen Rechts zu bewirken ist, oder ob eine Garantieverpflichtung auch eine Leistung an Dritte (etwa die Gläubiger der juristischen Person) vorsehen kann, kommt es im Folgenden nicht an; s. dazu auch VG Leipzig, Urteil vom 5. September 2013 - 5 K 324/13 -, juris, Rn. 57.
s="absatzRechts">45Dabei betont der im Begriff „Garantieverpflichtung“ enthaltene Bestandteil „‑verpflichtung“, dass das Leistungsversprechen im Garantiefall rechtlich bindend sein muss.
46Nicht zu folgen ist demgegenüber der Auffassung der Beklagten, nach der § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG keine besondere Qualität der durch eine Garantieverpflichtung eingegangenen rechtlichen Bindung verlangten, sondern hierfür bereits die Möglichkeit einer Belastung des Bundeshaushalts im Rahmen der allgemeinen Verantwortung des Bundes als Trägerkörperschaft der Klägerin ausreiche.
47Hiergegen spricht zunächst die Gesetzessystematik. Der Umstand, dass der Bund den Status, die Organisation und die finanzwirtschaftlichen Grundlagen der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts hoheitlich gewährt und dabei auch eine gewisse finanzielle Verantwortung trägt, ist bereits Ausgangspunkt des generellen Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofs gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 BHO.
48Vgl. Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Band 2, Losebl. (Stand: 06/1999), § 111 BHO S. 5.
49Gegenüber dieser Vorschrift, die im Grundsatz alle bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterwirft, trifft § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO (im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG) eine Sonderregelung und privilegiert damit die bundesunmittelbaren Sozialversicherungsträger wie die Klägerin. Vor diesem Hintergrund erfordert die in 7; 112 Abs. 1 Satz 1 BHO für eine Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs aufgestellte Voraussetzung einer Garantieverpflichtung mehr als das allgemeine Risiko einer Belastung des Bundeshaushalts, das der Bund im Rahmen seiner (auch finanziellen) Verantwortung für alle bundesunmittelbaren Körperschaften trägt.
50Vor allem steht der von der Beklagten vertretenen Auslegung entgegen, dass § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG mit dem im Begriff „Garantieverpflichtung“ enthaltenen Bestandteil „Garantie“ an ein konkretes haushaltsrechtliches Instrument anknüpfen, welches generell ein verbindliches Rechtsgeschäft bezeichnet. Dass etwa die in § 39 BHO und § 23 HGrG geregelten vertraglichen Garantien für den Garantiefall rechtlich bindend sein müssen, ergibt sich aus dem beispielsweise in den Verwaltungsvorschriften zu § 39 BHO niedergelegten Begriffsverständnis als „Eventualverbindlichkeiten“ des Bundes. Garantien sind danach selbstständige Verträge, mit denen der Bund ein vermögenswertes Interesse der Garantieempfängerin oder des Garantieempfängers dadurch sichert, dass er verspricht, für ein bestimmtes Ergebnis einzustehen, insbesondere die Gefahr eines künftigen, noch ungewissen Schadens ganz oder teilweise zu übernehmen.
51Diese Voraussetzungen erfüllt § 120 SGB VII nicht, weil die darin vorgesehene Rechtsfolge im Garantiefall für den Bund nicht rechtlich bindend ist.
52class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift, soweit hier von Belang, gehen mit der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers dessen Rechte und Pflichten auf den Bund über, soweit durch Rechtsvorschriften des Bundes nicht etwas anderes bestimmt worden ist. Insoweit bezeichnet § 120 SGB VII als Garantiefall die Auflösung eines Unfallversicherungsträgers und regelt als Erbringung der geschuldeten Leistung den Übergang von dessen Pflichten (und Rechten) auf den Bund.
53Diese Rechtsfolge ist für den Bund nicht rechtlich bindend, weil der Eintritt des Garantiefalls ausschließlich vom Willen des Bundesgesetzgebers abhängt und dieser es bei der Auflösungsentscheidung zugleich in der Hand hat, von den in § 120 SGB VII vorgesehenen Rechtsfolgen abzuweichen.
54Die als Garantiefall bestimmte Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers kann nur durch Gesetz erfolgen, zumal die Existenz der aufzulösenden Körperschaft ihrerseits auf einem Gesetz beruht, so im Falle der Klägerin auf Nr. 7 der Anlage 1 zu § 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII.
55Vgl. Ricke, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht (Stand: 05/2014), § 120 SGB VII Rn. 4.
56absatzLinks">Bei der Auflösung eines bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgers und der Umgestaltung von dessen Rechtsverhältnissen ist der Bund schon deshalb nicht durch § 120 SGB VII eingeschränkt, weil der Gesetzgeber nicht an seine eigenen Gesetze gebunden ist, vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. Darüber hinaus lässt § 120 SGB VII selbst ausdrücklich abweichende Rechtsvorschriften zu. So kann der Gesetzgeber in dem Auflösungsgesetz insbesondere regeln, dass die Rechte und Pflichten eines aufgelösten Unfallversicherungsträgers auf eine andere Körperschaft als den Bund, insbesondere auf einen anderen Unfallversicherungsträger, übergehen.
57Der diesbezüglich von der Beklagten vorgetragene Einwand, dass der Gesetzgeber jede von ihm selbst begründete Garantieverpflichtung wieder abschaffen könne, so dass § 112 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BHO leerlaufen würde, verfängt nicht. Dass einfache Gesetze wie § 120 SGB VII (anders als die Verfassung) keine rechtliche Bindungswirkung auf den Gesetzgeber entfalten können, steht der Annahme einer Garantieverpflichtung hier nur deshalb entgegen, weil der in § 120 SGB VII bestimmte Garantiefall ausschließlich durch den Gesetzgeber ausgelöst werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Erfü;llung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 120 SGB VII sowie die Disposition über die in dieser Norm vorgesehenen Rechtsfolgen in einer Hand liegen und über beides in demselben Gesetzgebungsverfahren entschieden wird.
58In diesem Punkt liegt der entscheidende Unterschied zu einer echten Garantieverpflichtung wie etwa § 214 Abs. 1 SGB VI. Dieser hat folgenden Wortlaut: „Reichen in der allgemeinen Rentenversicherung die liquiden Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage nicht aus, die Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, leistet der Bund den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung eine Liquiditätshilfe in Höhe der fehlenden Mittel (Bundesgarantie).“ Die Vorschrift knüpft die Leistungsverpflichtung des Bundes an Voraussetzungen, deren Eintritt nicht von einer gesetzgeberischen Maßnahme abhängt. Zwar könnte der Bundesgesetzgeber diese Garantieverpflichtung wieder abschaffen; solange die Norm aber gültig ist, entfaltet sie eine rechtliche Bindung. Wenn hingegen der Garantiefall bei § 120 SGB VII zwingend ein Handeln des Gesetzgebers voraussetzt und diesem dabei zugleich die Entscheidung über ein Abweichen von den normierten Rechtsfolgen obliegt, besteht zu keinem Zeitpunkt eine rechtliche Bindung.
59Entgegen der Auffassung der Beklagten wird durch § 120 SGB VII auch nicht eine (zumindest vorübergehende) Einstandspflicht für die Fälle begründet, dass interne Ausgleichsmaßnahmen versagten, abweichende Bestimmungen fehlschlügen, das zuständige Bundesministerium nicht unmittelbar reagiere, eine gesetzliche Anpassung nicht schnell oder ausreichend genug erfolgen könne oder sogar der gesamte Sozialversicherungszweig in eine Schieflage gerate. Die genannten Beispiele stellen allesamt keinen Garantiefall i. S. des § 120 SGB VII dar, der hierfür eindeutig und ausschließlich an die Auflösung eines Unfallversicherungsträgers anknüpft.
60Dass § 120 SGB VII für den Fall der Auflösung von bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträgern mangels rechtlicher Bindung des Bundesgesetzgebers praktisch keine substanzielle Regelung enthält, wird auch anhand seiner Entstehungsgeschichte deutlich, in deren Verlauf die ursprüngliche normative Bindungswirkung entfallen ist.
61Die Vorschrift geht zurück auf § 647 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19. Juli 1911, RGBl. S. 509. Nach dessen Abs. 1 konnte der Bundesrat auf Antrag des Reichsversicherungsamtes eine Berufsgenossenschaft auflösen, wenn diese unfähig geworden war, ihre gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Gewerbezweige der aufgelösten Berufsgenossenschaft sollten nach § 647 Abs. 2 Satz 1 RVO einer anderen Berufsgenossenschaft zugewiesen werden. In diesem Kontext sah § 647 Abs. 3 RVO vor, dass mit Aufl6;sung der Berufsgenossenschaft deren Rechte und Pflichten auf das Reich übergingen. Anders als § 120 SGB VII knüpfte § 647 Abs. 3 RVO an eine im selben Gesetz enthaltene Rechtsgrundlage für eine durch untergesetzlichen Hoheitsakt erfolgende Auflösung an und stellte sich (gemeinsam mit § 647 Abs. 2 RVO) als reine Rechtsfolgenbestimmung für die in § 647 Abs. 1 RVO geregelte Auflösungsermächtigung dar. In der Weimarer Republik wurde § 647 RVO beibehalten und lediglich insoweit an die neuen Verhältnisse angepasst, als die Angabe „Bundesrat“ in Abs. 1 durch „Reichsrat“ ersetzt wurde, vgl. die Bekanntmachung der neuen Fassung der Reichsversicherungsordnung vom 15. Dezember 1924, RGBl. I S. 779.
62Erst mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963, BGBl. I S. 241, wurde die Vorschrift in § 652 RVO neugefasst. Die Auflösungsermächtigung des § 647 Abs. 1 RVO entfiel ersatzlos. Lediglich die Rechtsfolgen einer Auflösung wurden in die neue Reichsversicherungsordnung übernommen. So bestimmte § 652 Abs. 1 RVO entsprechend dem früheren § 647 Abs. 2 RVO, dass im Falle einer Auflösung einer Berufsgenossenschaft die Unternehmensarten und Bezirke der aufgelösten Berufsgenossenschaft anderen Berufsgenossenschaften zugewiesen würden. § 652 Abs. 2 Satz 1 RVO bestimmte entsprechend dem früheren § 647 Abs. 3 RVO, dass mit der Auflösung einer bundesunmittelbaren Berufsgenossenschaft deren Rechte und Pflichten auf den Bund übergingen. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt: Unter welchen Voraussetzungen Berufsgenossenschaften aufgelöst werden könnten, richte sich nach den für die Auflösung öffentlich-rechtlicher Körperschaften geltenden verfassungsrechtlichen Normen. Deshalb hätten von § 647 RVO nur die Absätze 2 und 3 ihrem Inhalt nach übernommen werden können.
ts">63Vgl. BT-Drucks. IV/120, S. 64 zu § 653.
ss="absatzRechts">64Seine heutige Fassung hat § 120 SGB VII sodann mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254, erhalten. Die Regelung wurde auf alle Unfallversicherungsträger erstreckt und zugleich unter den Vorbehalt gestellt, dass durch Rechtsvorschriften nicht etwas anderes bestimmt worden ist. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung lediglich ausgeführt, die Vorschrift regele – subsidiär – die Bundes- bzw. Landesgarantie und entspreche dem geltenden Recht (§ 652 Abs. 2 RVO). Der Wegfall des vormaligen § 652 Abs. 1 RVO bzw. des ursprünglichen § 647 Abs. 2 RVO wurde nicht begründet.
65Vgl. BT-Drucks. 13/2204, S. 103.
66Vor dem Hintergrund dieser Historie ist für § 120 SGB VII bezeichnend, dass es sich dabei ursprünglich um eine bindende Rechtsfolgenregelung handelte, die im Laufe der Zeit ihren Tatbestand (wegen dessen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz) verloren hat. Die Motive des Gesetzgebers lassen lediglich das Bewusstsein erkennen, dass die in § 120 SGB VII enthaltene Regelung trotz Abschaffung der Auflösungsermächtigung beibehalten wurde, geben aber nichts dafür her, welchen Sinn und Zweck dieses Relikt nunmehr für bundesunmittelbare Unfallversicherungsträger haben soll, die nur noch durch Gesetz aufgelöst werden können.
67Allein der Umstand, dass ein solches Gesetz neben der Regelung der Auflösung einer bundesunmittelbaren Körperschaft eine zusätzliche Norm enthalten müsste, um die Rechtsfolgen des § 120 SGB VII abzubedingen, vermag kaum den Sinn und Zweck dieser Vorschrift zu erklären. Vor allem lässt sich hiermit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Vorliegen einer Garantieverpflichtung begründen, denn maßgeblich ist insoweit allein, dass der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Aufnahme einer solchen Abweichungsnorm in das Auflösungsgesetz keiner rechtlichen Bindung durch § 120 SGB VII unterliegt.
68Soweit die amtliche Überschrift des § 120 SGB VII eine Bundesgarantie bezeichnet, ändert dies nichts daran, dass die Norm keine rechtlich bindenden Einstandspflichten begründet, sondern allenfalls deklaratorisch der ohnehin bestehenden Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger Ausdruck verleiht. Die mit dieser Verantwortung verbundenen finanziellen Risiken, die die Beklagte in § 120 SGB VII kodifiziert sieht, reichen für die Annahme einer Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG nicht aus. Selbst wenn diese Risiken sich derart verdichten können, dass der Bund sich faktisch zu finanziellen Stützungsmaßnahmen gezwungen sehen würde, fehlt es an einem für einen solchen Fall abgegebenen rechtlich bindenden Versprechen. § 120 SGB VII bezeichnet als Garantiefall ausschlie3;lich den Tatbestand der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers, ohne dass es darauf ankäme, aus welchen Gründen der Gesetzgeber die Auflösung beschließt.
chts">69="absatzLinks">Gegen diese Auslegung des § 120 SGB VII lässt sich nicht einwenden, dem Parlament würden im wesentlichen Umfang die Erkenntnismöglichkeiten der Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes vorenthalten. Das Parlament hätte die Unfallversicherungsträger jederzeit in weiterem Umfang oder generell einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterwerfen und sich dessen Erkenntnisse damit ohne Weiteres verschaffen können, zumal die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger in § 29 SGB IV nur einfach-gesetzlich gewährleistet ist. Demgegenüber hat der Gesetzgeber sich mit § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO (im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG) für eine Privilegierung der Sozialversicherungsträger entschieden. Diese Entscheidung findet ihre Grundlage in Art. 114 Abs. 2 Satz 4 GG, nach dem die Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz näher ausgestaltet werden. In gleichem Maße, wie der Gesetzgeber frei wäre, die Privilegierung zu streichen oder für die Unfallversicherungsträger eine abweichende Spezialregelung wie in § 274 Abs. 4 SGB V zu treffen, muss seine Entscheidung respektiert werden, unter den eng begrenzten Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO (im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG) Prüfungsrechte auszuschließen und insoweit trotz allgemeiner Finanzverantwortung auf eine begleitende Kontrolle durch den Bundesrechnungshof zu verzichten.
70Vor diesem Hintergrund verfängt mit Blick auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO ferner nicht die Annahme einer verfassungsrechtlichen Überformung des § 120 SGB VII durch den Grundsatz der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle, denn diesen in § 111 Abs. 1 Satz 1 BHO für bundesunmittelbare Körperschaften umgesetzten Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO (im Einklang mit § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG) gerade durchbrochen. Ob demgegenüber eine externe Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof zusätzlich zu der staatlichen Aufsicht, die das Bundesversicherungsamt gemäß §§ 87 ff. SGB IV über die Unfallversicherungsträger ausübt, sinnvoll oder wünschenswert wäre, ist hier irrelevant und obliegt nur der Beurteilung des Gesetzgebers.
71Ausgehend von der Bedeutung des § 120 SGB VII als deklaratorische Wiedergabe der allgemeinen Verantwortung des Bundes für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger lässt sich hierauf auch kein Erst-recht-Schluss hin zu einer Garantieverpflichtung i. S. des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO und § 55 Abs. 1 Satz 1 HGrG stützen, denn eine Garantieverpflichtung im Sinne der genannten Vorschriften verlangt gerade mehr als die deklaratorische Kodifizierung der allgemeinen finanziellen Verantwortlichkeit, die den Bund als Träger aller bundesunmittelbaren Körperschaften trifft.
72Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Begründung einer substanziellen Garantiefunktion des § 120 SGB VII vorgetragen hat, diese Norm stelle sicher, dass die Unfallversicherungsträger nicht in die Insolvenzgeldumlage einbezogen würden,
73vgl. Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Losebl. (Stand: 08/2013), § 120 Rn. 3,
74greift dieses Argument bereits deshalb nicht, weil die zugrunde liegende Annahme unzutreffend ist. Eine Befreiung von der Insolvenzgeldumlage ergibt sich für Unfallversicherungsträger aus § 120 SGB VII nicht. Gemäß § 358 Abs. 1 Satz 2 SGB III werden der Bund, die Länder, die Gemeinden sowie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert, und private Haushalte nicht in die Insolvenzgeldumlage einbezogen. Die Zahlungsfähigkeit der nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO insolvenzfähigen bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger wird jedoch schon deshalb nicht durch § 120 SGB VII gesichert, weil diese Norm lediglich für den Fall der Auflösung eines Unfallversicherungsträgers Rechtsfolgen vorsieht. Hingegen stellt Zahlungsunfähigkeit – anders als etwa bei § 214 Abs. 1 SGB VI – keinen Garantiefall i. S. des § 120 SGB VII dar. Mit der von § 120 SGB VII als Garantiefall vorausgesetzten Auflösung endet die Existenz der juristischen Person, so dass von deren Zahlungsfähigkeit keine Rede mehr sein kann.
75Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i. V. mit § 708 Nr. 10, § 711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
77Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage, ob § 120 SGB VII eine Garantieverpflichtung im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 BHO oder des § 55 Abs. 1 HGrG begründet, ist von grundsätzlicher Bedeutung.
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