Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 C 30/19
Tenor
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Februar 2019 werden zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird für die Zeit bis zur Verbindung für jedes der verbundenen Verfahren auf 5.000 Euro und für die Zeit ab der Verbindung auf insgesamt 10.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Senat entscheidet über die auf dasselbe Ziel gerichteten Begehren der Antrag-steller gemäß § 93 Satz 1 VwGO in gemeinsamer Entscheidung.
3Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet.
4Die zur Begründung der Beschwerden fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die angefochtenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts zu ändern und die von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnungen zu erlassen, mit denen diese die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 3. Fachsemester, hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester, nach den Rechtsverhältnissen des WS 2018/2019 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn erstreben. Die Antragsteller haben auch mit ihrem Beschwerdevorbringen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
5Die Antragsteller beanstanden zwar in zutreffender Weise, dass das Verwaltungsgericht sich nicht dazu verhalten hat, ob Studienplätze im 3. Fachsemester in dem von der Antragsgegnerin angebotenen Studiengang Humanmedizin Bonn zur Verfügung stehen. Gleichwohl hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil - anders als die Antragsteller meinen - im 3. Fachsemester keine weiteren Studienplätze vorhanden sind, die an die Antragsteller vergeben werden könnten. Die Studienplatzkapazität im Studiengang Humanmedizin Bonn ist nicht wegen des sich im Aufbau befindlichen Studiengangs Humanmedizin Bonn-Siegen, in welchem erstmals zum 1. Fachsemester zum WS 2018/2019 Studienplätze vergeben wurden, um 25 Studienplätze zu erhöhen.
s="absatzRechts">61. In kapazitätsrechtlicher Hinsicht gilt auch für den Aufbau neuer Studiengänge, dass diese entweder einer bereits bestehenden Lehreinheit (§ 7 Abs. 1 KapVO) zuzuordnen sind oder eine eigene Lehreinheit darstellen.
7Vgl. zur Bildung und Abgrenzung von Lehreinheiten Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 2, 2013, Rn. 248 ff.
8Der vorhandenen oder neu begründeten Lehreinheit sind die für die Kapazitätsberechnung zum Stichtag (§ 5 KapVO) vorhandenen Stellen zuzuordnen (§ 8 KapVO). Die Stellenzuordnung erfolgt abstrakt, d.h. unabhängig von der Anzahl der zugeordneten Studiengänge sowie grundsätzlich auch unabhängig von der Ausbildungswirklichkeit.
9Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 7 C 15.88 -, juris, Rn. 12.
10Die Kapazitätsverordnung unterstellt für Berechnungszwecke, dass die Lehrangebote der Lehrpersonen innerhalb einer Lehreinheit untereinander austauschbar (sog. horizontale Substituierbarkeit) und alle Lehrpersonen mit der der Stelle normativ zuzuordnenden Lehrleistungsverpflichtung in die Ermittlung des Lehrangebots einer Lehreinheit einzubeziehen sind.
11Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 1989 - 7 C 15.88 -, juris, Rn. 11, und vom 13. Dezember 1984 ‑ 7 C 16.84 u.a. -, juris, Rn. 8.
12Sie geht ferner von der Gleichwertigkeit der vom Lehrpersonal der unterschiedlichen Gruppen erbrachten Lehrleistungen aus (sog. vertikale Substituierbarkeit).
13Vgl. Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 8 KapVO, Rn. 10; vgl. auch Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rn. 276.
14Dementsprechend wirken sich fachliche Engpässe innerhalb einer Lehreinheit nicht aus, weil sie durch reichlich vorhandenes Lehrpersonal in anderen Fächern ausgeglichen werden können. Motive, die zu der Schaffung und Zuordnung einzelner Stellen zur Lehreinheit geführt haben, sind unerheblich. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Stellen tatsächlich besetzt sind.
15Diese Maßgaben gelten grundsätzlich auch für die Berechnung der Kapazitäten in höheren Fachsemestern, denn § 22 Abs. 2 KapVO bestimmt, dass die Verordnung insoweit entsprechend gilt.
16Allerdings ist anerkannt, dass die von der Kapazitätsberechnung zu Grunde gelegten Fiktionen im Einzelfall korrekturbedürftig sein können.
17Vgl. etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 2. April 2019 - 3 Nc 51/18 -, juris, Rn. 83.
18Dies gilt nach der Senatsrechtsprechung etwa bei der Schaffung von Studienpl8;tzen durch Mittel des Hochschulpakts. Hier ist nach der Senatsrechtsprechung für Zwecke der Kapazit228;tsberechnung allein das durch die Hochschule für das jeweilige Fachsemester auf der Grundlage einer solchen Vereinbarung tatsächlich geschaffene Lehrangebot maßgeblich.
19Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Januar 2018 ‑ 13 C 43/17 -, juris, Rn. 3, vom 4. September 2017 ‑ 13 C 16/17 -, juris, Rn. 16, und vom 15. Februar 2012 - 13 C 74/14 -, juris, Rn. 5; vgl. demgegenüber VG Münster, Beschluss vom 26. April 2012 - 9 Nc 37/12 -, juris, Rn. 38.
20Eines Korrektivs bedarf es auch dann, wenn - wie hier - in einem Kapazitätssockel Stellen speziell für einen sich im Aufbau befindenden Studiengang enthalten sind - hier 5,5 zusätzliche Stellen für den Studiengang Humanmedizin Bonn-Siegen. Eine mit dem abstrakten Stellenprinzip und dem Grundsatz der horizontalen oder vertikalen Substituierbarkeit begründete Erhöhung der Ausbildungskapazitäten in höheren Fachsemestern der zugeordneten Studiengänge führte unweigerlich zu Verzerrungen der Zulassungszahlen in den höheren Fachsemestern, wenn und solange die zusätzlichen Kapazitäten dort nicht über die Bildung einer Anteilquote für den sich im Aufbau befindlichen Studiengang abgefangen werden können. Dies bewirkte insbesondere in medizinischen Studiengängen einen von der Hochschule nicht beabsichtigten Engpass im weiteren Ausbildungsverlauf der zugeordneten Studiengänge - hier in den höheren Fachsemestern Humanmedizin Bonn.
21Vgl. § 18 KapVO zur Verpflichtung der Hochschule, die Fortsetzung des Studiums nach dem vorklinischen Teil zu gewährleisten.
222. Dies zu Grunde gelegt stehen im WS 2018/2019 im 3. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin Bonn über die bereits vergebenen Studienplätze hinaus keine weiteren Studienplätze zur Verfügung. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Studiengang Humanmedizin Bonn-Siegen - wie die Antragsteller meinen und worauf auch die Erklärungen der Antragsgegnerin hinweisen - kapazitätsrechtlich der Vorklinik der Humanmedizin Bonn zuzuordnen wäre. Die Antragsgegnerin hat hierzu erklärt, bei dem Studiengang Humanmedizin Bonn-Siegen, der auf die Aufnahme von 25 Studienanfängern ausgerichtet sei, handele es sich nicht um die Erweiterung des bereits bestehenden Studiengangs Humanmedizin, sondern um einen eigenständigen, neu aufwachsenden Studiengang mit eigener Studien- und Prüfungsordnung und einem eigenständigen Bewerbungsverfahren. Für den vorklinischen Studienabschnitt des neuen Studiengangs sei eine Zuordnung zur Lehreinheit vorklinische Medizin der Universität Bonn erfolgt. In diese Lehreinheit seien 5,5 zusätzliche Stellen für befristete wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt worden, um die zusätzliche Kapazität von 25 Studienplätzen zu generieren. Eine eigenständige zweite vorklinische Lehreinheit habe nicht errichtet werden sollen.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
24Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG.
25Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
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- § 18 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 74/14 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- § 7 Abs. 1 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 93 1x
- § 8 KapVO 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 146 1x
- 3 Nc 51/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 5 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 16/17 1x (nicht zugeordnet)
- 13 C 43/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 920 Arrestgesuch 1x
- § 22 Abs. 2 KapVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 294 Glaubhaftmachung 1x