Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3 A 2121/17
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren und – in Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung – für das erstinstanzliche Verfahren auf die Wertstufe bis 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nach ihren Darlegungen nicht gegeben (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO).
21. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils liegen schon dann vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
3Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.12.2010
4– 1 BvR 2011/10 –, juris Rn. 17 a. E.
5„Darlegen“ bedeutet „erläutern“, „näher auf etwas eingehen“ oder „etwas substantiieren“. Der Streitstoff muss unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden. Erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage i. d. R. ohne weitere aufwändige Ermittlungen ermöglicht.
6Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 194 m. w. N.
7Eine Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert davon ausgehend eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Annahmen und ins Einzelne gehende Ausführungen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen.
8Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 206 m. w. N.
9Das Zulassungsvorbringen muss das angefochtene Urteil in seinem Ergebnis in Zweifel ziehen.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, juris Rn. 9.
11Ist das Urteil auf mehrere den Entscheidungsausspruch selbstständig tragende Begründungen gestützt, ist das nur dann der Fall, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05.10.2005 – 8 A 4268/04 –, juris Rn. 2; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 196 m.w.N.
13Gemessen daran stellt das Zulassungsvorbringen die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht ernstlich in Frage.
14a) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Zeiten ihres Studiums der Sonderpädagogik vom 1. Oktober 1982 bis 1. November 1984 könnten nicht auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. als ruhegehaltfähig anerkannt werden. Sie macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei bislang noch nicht mit einem Fall befasst gewesen, in dem ein Zweitstudium vom Dienstherrn als Voraussetzung für die Verleihung eines Amtes genannt worden sei und der Dienstherr dieses Amt auch erst nach Abschluss des Zweitstudiums verliehen habe; dieser Fall werde von Sinn und Zweck der Norm erfasst, und es könne keine Rolle spielen, ob das Laufbahnrecht gerade diese zweite Ausbildung vorschreibe. Hiermit werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenens Urteil schon deshalb nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), weil dieses Vorbringen keinen Bezug zu der Begründung aufweist, mit der das Verwaltungsgericht die Anwendbarkeit der Vorschrift verneint hat. Dieses hat die Anerkennung der Vordienstzeiten abgelehnt, weil das fragliche Studium für die Laufbahn einer Realschullehrerin wie der Klägerin nicht eine im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG "vorgeschriebene Ausbildung" gewesen sei. Dies setze nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nämlich voraus, dass die Ausbildung aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Übertragung des ersten statusrechtlichen Amtes erforderlich gewesen sei. Nach dieser vom Verwaltungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung –
15vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.12.2011 – 2 B 103.11 –, juris Rn. 11 –
16sind die laufbahnrechtlichen Regelungen für das Tatbestandsmerkmal der "vorgeschriebenen Ausbildung" ausschlaggebend. Es genügt für eine "vorgeschriebene" Ausbildung in diesem Sinne nicht, dass das Anforderungsprofil einer Stelle im Einzelfall bestimmte Ausbildungsvoraussitzungen verlangt.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2007 – 2 C 18.06 –, juris Rn. 22.
18Dass zu den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Laufbahn der Klägerin ein Sonderpädagogikstudium nicht gehörte, zeigt schon die Tatsache, dass sie zum Zeitpunkt der – nach der vorgenannten Rechtsprechung entscheidenden – Übertragung des ersten Statusamtes ihrer Laufbahn (ihrer Ernennung zur Realschullehrerin zur Anstellung am 12. April 1985) noch gar nicht über einen Studienabschluss in diesem Fach verfügte. Diesen erwarb sie erst acht Jahre später. Wäre eine solche Ausbildung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG "vorgeschrieben" gewesen, hätte es zu dieser Ernennung nicht kommen können. Diese Ernennung zeigt im Übrigen, dass dieses Studium auch nicht zum zwingenden Anforderungsprofil des ihr übertragenen Amtes zählte.
19b) Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die fraglichen Studienzeiten könnten auch nicht auf Grundlage des § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. als Vordienstzeiten anerkannt werden, hält der Kritik der Klägerin im Zulassungsantrag ebenfalls stand. Insofern kann dahinstehen, ob das Studium der Sonderpädagogik schon deshalb nicht anrechenbar ist, weil hierdurch nur allgemeines, an Hochschulen vermitteltes Wissen, nicht aber vertiefte Kenntnisse im betreffenden Fach erworben wurde, oder– wie die Klägerin meint – "besondere Fachkenntnisse" i.S.v. § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. schon vorliegen, wenn Kenntnisse der fraglichen Art bei anderen Beamten der betreffenden Laufbahn normalerweise nicht vorliegen. Das Verwaltungsgericht hat die Anrechenbarkeit der fraglichen Studienzeiten nämlich auch deshalb verneint, weil die Klägerin ihr Sonderpädagogikstudium bei der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe noch nicht abgeschlossen gehabt und damit ihre hieraus resultierenden Fachkenntnisse entgegen den Anforderungen des § 11 BeamtVG a.F nicht vor der Berufung in das Beamtenverhältnis erworben habe. Gegen dieses Argument, das die Ablehnung der Anerkennung von Vordienstzeiten nach § 11 BeamtVG a.F. selbstständig trägt, bringt die Klägerin im Zulassungsantrag nichts Durchgreifendes vor. Sie macht geltend, das Verwaltungsgericht habe die "besondere Situation" verkannt, in der sie sich befunden habe. Ihr Dienstherr habe von ihr verlangt, ihr vor Berufung in das Beamtenverhältnis ausgeübtes Studium der Sonderpädagogik vor Übertragung des Amtes der Konrektorin auch abzuschließen. In einer solchen Situation sei § 11 BeamtVG nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass er diesen Fall erfasse. Sonst werde die vom Dienstherrn geforderte besondere Qualifikation unberücksichtigt gelassen, während etwa eine vor Übernahme in das Beamtenverhältnis abgeschlossene Promotion berücksichtigt werde.
20Dieses Vorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der gegenteiligen Annahme des Verwaltungsgerichts. Die Klägerin stellt nicht in Abrede, die Prüfung im Fach Sonderpädagogik erst am 24. Mai 1993 und damit mehr als 8 Jahre nach ihrem Eintritt in ihre Laufbahn durch Ernennung als Realschullehrerin zur Anstellung am 16. April 1985 absolviert zu haben. Damit hat sie die von ihr in Anspruch genommenen Kenntnisse nicht vor ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis erworben, wie dies § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. verlangt. Der von ihr geforderten Auslegung der Vorschrift "nach ihrem Sinn und Zweck" – und entgegen ihrem Wortlaut – steht der im Versorgungsrecht als hergebrachter Grundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG –
21vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2007 – 2 C 18.06 –, juris Rn. 29 –
22mit besonderem Gewicht geltende Vorbehalt des Gesetzes entgegen, § 3 Abs. 1 BeamtVG a.F. Ihr nicht näher belegtes Vorbringen, sie habe "bereits vor Berufung in das Beamtenverhältnis den größten Teil des Studiums der Sonderpädagogik abgeschlossen" gehabt, ändert nichts daran, dass ein – vollendeter – Erwerb der von ihr reklamierten Fachkenntnisse bei Eintritt in die Laufbahn ohne Absolvierung der Prüfung nicht vorlag. Im Widerspruchsschreiben vom 20. Februar 2016 hatte sie im Übrigen selbst noch erklärt, ab ihrer Vollbeschäftigung nebenberuflich das Studium fortgesetzt zu haben. Der von ihr angeführte Fall einer vor Übernahme in das Beamtenverhältnis abgeschlossenen Promotion ist mit ihrer Situation ungeachtet der Frage der "Besonderheit" erworbener Fachkenntnisse schon deshalb nicht vergleichbar.
23Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass besondere Fachkenntnisse nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann "notwendige Voraussetzung" für die Wahrnehmung eines Amtes im Sinne von § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. sind, wenn das Amt dem Beamten ohne sie nicht übertragen und er deshalb nicht in das Beamtenverhältnis berufen worden wäre.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.10.1984 – 2 B 82.84 –, Buchholz 232.5 § 11 BeamtVG Nr. 2, S. 2; ebenso bereits Urteil vom 14.02.1963 – VI C 54.61 –, BVerwGE 15, 291 (294 f.) zu § 116 Abs. 1 Nr. 3 BBG a.F.; siehe auch OVG NRW, Urteil vom 12.07.1993– 12 A 1544/90 –, NWVBl. 1994, 311 (312).
25Hieran fehlt es bei der Klägerin, die im April 1985 zur Realschullehrerin z.A. ernannt wurde, ohne zu diesem Zeitpunkt ihr Studium der Sonderpädagogik abgeschlossen und die Prüfung abgelegt zu haben. Für Qualifikationen, die – wie hier – erst für ein angestrebtes Beförderungsamt relevant sind, dürfte § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. nach dieser Rechtsprechung nicht einschlägig sein.
262. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die über den konkreten Einzelfall hinaus für eine unbestimmte Anzahl von Verfahren bedeutsam ist, für die erstinstanzliche Entscheidung von Bedeutung war, auch im angestrebten Berufungsverfahren erheblich wäre und klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist.
27Dabei ist zur Darlegung des Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.10.2011 – 1 A 1925/09 –, juris Rn. 31 m. w. N.
29Den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung genügt es nicht, sich darauf zu beschränken, Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils in Frageform zu kleiden. Vielmehr ist es erforderlich, sich mit der vorinstanzlichen Argumentation auseinanderzusetzen.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.07.2019 – 4 BN 32.19 –, juris Rn. 4, für die Revisionszulassung.
31An einer grundsätzlichen Bedeutung fehlt es, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung des angestrebten Rechtsmittelverfahrens beantwortet werden kann.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.12.2011 – 2 B 103.11 –, juris Rn. 6, für die Revisionszulassung.
33Hiernach ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Die von der Klägerin formulierte Frage,
34"Können Zeiten eines Zweitstudiums, dessen Abschluss vom Dienstherrn für die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes im Rahmen eines Anforderungsprofils verlangt wird, zusätzlich zu den Zeiten eines Erststudiums, welches Voraussetzung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis war, als ruhegehaltsfähige Dienstzeit nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 a) BeamtVG a.F. anerkannt werden?"
35wirft keine konkrete, über den Fall hinausreichende Fragestellung auf. Sie beschränkt sich darauf, die entscheidungstragende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, eine Anerkennung der fraglichen Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten komme weder nach § 12 noch nach § 11 BeamtVG a.F. in Betracht, pauschal in Frageform zu gießen. Abgesehen davon ist die Frage, soweit sie hier von Bedeutung ist, durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt: Maßgeblich ist insofern mit Blick auf § 12 BeamtVG a.F., dass es sich nicht um eine für die Laufbahn einer Realschullehrerin normativ bestimmte Einstellungsvoraussetzung handelt. Auch hinsichtlich § 11 BeamtVG a.F. ist entscheidend, dass es sich nicht um eine Anforderung handelt, ohne deren Erfüllung die Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis nicht vorgenommen worden wäre. Dass § 11 Nr. 3 a BeamtVG a.F. im Streitfall nicht einschlägig ist, ergibt sich zudem aus dem Wortlaut des Gesetzes, nämlich dem Fehlen eines Kenntniserwerbs vor Berufung in das Beamtenverhältnis. Dass und inwiefern in dem angestrebten Berufungsverfahren eine weitergehende, über die vorliegende Fallkonstellation hinausgehende Klärung irgend einer konkreten Frage erforderlich und deshalb zu erwarten wäre, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
363. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht der ständigen Spruchpraxis des Senats folgend auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG.
37Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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