Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 A 1974/17
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (67; 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Ernstliche Zweifel im Sinne der Vorschrift liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist.
4"absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2009 ‑ 2 BvR 758/07 ‑, NVwZ 2010, 634 und BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 ‑ 7 AV 4.03 ‑, NVwZ-RR 2004, 542.
5Hiervon ausgehend liegen ernstliche Zweifel nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 AufenthG vorliegen, weil der Aufenthalt des Klägers wegen der Erfüllung eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und auch unter Berücksichtigung seines Interesses an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt.
6Der Kläger hat u.a. am 15. September 2015 und am 29. März 2016 falsche Angaben zu seiner Identität gemacht, um für sich eine Duldung zu beschaffen und damit den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Diese vorsätzlich begangenen Rechtsverstöße begründen ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Hiernach wiegt das Ausweisungsinteresse u.a. schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist. Er ist hingegen immer beachtlich, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2004 ‑ 1 C 23.03 ‑ und Urteil vom 24. September 1996 ‑ 1 C 9.94 ‑, jew. juris.
8Die vorsätzlichen Straftaten des Klägers sind schon nicht vereinzelt und überdies auch nicht geringfügig. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich kein geringfügiger Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2004 ‑ 1 C 23.03 ‑ und Urteil vom 24. September 1996 ‑ 1 C 9.94 ‑, a.a.O.
10Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Im Gegenteil steht das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Identitätstäuschungen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren, dem durch wirksame verhaltenslenkende Maßnahmen Rechnung zu tragen ist, der Annahme der Geringfügigkeit solcher Taten entgegen.
11Vgl. zum Ausweisungsinteresse in den Fällen des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 ‑ 1 C 16.17 ‑, ZAR 2019, 113.
12Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass infolge der Identit8;tstäuschung des Klägers, die auch die falsche Behauptung umfasste, minderjährig zu sein, erhebliche Kosten der Jugendhilfe verursacht worden sind. Das fiskalische Interesse an der Vermeidung unnötig aufgewendeter öffentlicher Mittel ist indes ebenfalls von erheblichem Gewicht und erhöht den Unrechtsgehalt entsprechender Täuschungshandlungen wesentlich.
echts">13pan>Die Verwirklichung des Ausweisungsinteresses des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht durch § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG ausgeschlossen. § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG ist keine Spezialregelung, die in ihrem Anwendungsbereich der Nr. 9 vorgeht.
14atzLinks">Vgl. zu der Vorgängerregelung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2006 ‑ 17 B 1080/05 ‑, juris, VGH BW, Beschlüsse vom 2. Dezember 2008 ‑ 11 S 1454/08 ‑, AuAS 2009, 53 und vom 8. Juni 2006 ‑ 11 S 2135/05 ̴9;, NVwZ-RR 2006, 849, OVG Hambg., Beschlüsse vom 19. September 2013 ‑ 3 Bs 226/13 ‑, AuAS 2013, 256 und vom 18. Juni 2010 ‑ 3 Bs 2/10 ‑, InfAuslR 2011, 193, BayVGH, Beschluss vom 11. Juli 2007 ‑ 19 CS 07.1276 ‑, juris, VG Sigmaringen, Beschluss vom 4. Oktober 2005 ‑ 6 K 1323/05 ‑, juris, VG Saarl., Urteil vom 28. Januar 2005 ‑ 12 K 127/03 ‑, juris; vgl. ferner Discher in GK-AufenthG, § 55 AufenthG, Stand Juli 2009, Rn. 254 ff., Hailbronner, AuslR, § 54 AufenthG Stand Januar 2016, Rn. 140 f.; Tanneberger in Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, § 54 AufenthG, Stand 1.5.2018, Rn. 107; Neidhard in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 8, Stand Januar 2016, Nr. 2. Hiervon offenbar ausgehend auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 ‑ 1 C 16.17 ‑, a.a.O.
15A.A.: OVG Bremen, Beschlüsse vom 26. Juni 2009 ‑ 1 B 552/08 ‑, juris und vom 31. März 2003 ‑ 1 B 348/02 ‑, Cziersky-Reis in: Hofmann, AuslR 2. Aufl. 2016, § 54 Rn. 62 f.
16Insoweit ist allerdings davon auszugehen, dass die Voraussetzung des vorherigen Hinweises auf die Rechtsfolgen entsprechender Handlungen ‑ hier falscher oder unvollständiger Angaben ‑, die im Zuge der Neuordnung des Ausweisungsrechts zum 1. Januar 2016 im Gegensatz zu den seit dem 28. August 2007 geltenden Vorgängerregelungen ausdrücklich nur in Buchstabe b) des § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG und der dort geregelten Ausweisung wegen Verstoßes gegen Mitwirkungspflichten aufgeführt ist, nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf die Ausweisung nach Buchstabe a) bezogen sein soll und die anderslautende Fassung des Ausweisungsgrundes lediglich auf einem Redaktionsversehen beruht. Von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers ist auszugehen, wenn der Gesetzeswortlaut in der Ausgestaltung und Formulierung aufgrund einer fehlerhaften oder missverständlichen redaktionellen oder technischen Umsetzung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2019 ‑ 1 C 15.18 ‑, juris Rn. 13.
18Dies ist im Hinblick auf das Belehrungserfordernis der Fall. Zwar ist die im Bundesanzeiger-Verlag veröffentlichte Gesetzesfassung in Wortlaut und Satzstruktur identisch mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015 (BT-Drs. 18/4097). Die abweichend von der Gestaltung der Vorgängerregelung des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG a.F. vorgenommene Entfernung des Absatzes ‑ bzw. Absatzzeichens ‑ nach dem ersten Halbsatz in § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe b), die bei einem systematischen Verständnis der Norm eine Änderung dahingehend bewirkt, dass sich das Belehrungserfordernis nur noch auf die Regelung in Buchstabe b) bezieht, beruht jedoch erkennbar auf einem Versehen. Denn eine inhaltliche Änderung war von dem Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Dieser ging ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 54 Abs. 2 Nummer 8 AufenthG (BT-Drs. 18/4097 S. 52) vielmehr davon aus, dass die nunmehrige Regelung derjenigen des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG a.F. entspricht. Auch der Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung vom 4. März 2015 (BT-Drs. 18/4199) sowie der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksachen 18/4097 und 18/4199) vom 1. Juli 2015 (BT-Drs. 18/5420) ist nichts dafür zu entnehmen, dass die vormals in § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AufenthG a.F. enthaltene Regelung geändert werden sollte.
19Ebenso Bauer/Dollinger in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage (2018), § 54 Rn. 72.
20Auch bei Fortgeltung des Belehrungserfordernisses für die Fälle des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a) AufenthG verbleibt es indes dabei, dass diese Vorschrift keine Spezialnorm gegenüber § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ist.
21Die numerisch aufgeführten schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Abs. 2 AufenthG stehen ‑ schon nach der Systematik der Vorschrift ‑ in keinem Stufenverhältnis zueinander, sondern begründen bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen jeweils für sich genommen ein entsprechendes Ausweisungsinteresse. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis des § 54 Abs. 2 Nr. 8 zu Nr. 9 der Vorschrift. § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG geht zurück auf die ‑ im Wesentlichen inhaltsgleiche ‑ Vorgängerregelung des 7; 46 Nr. 1 AuslG in der Fassung vom 1. Januar 2002, die mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002 (BGBl. I (2002) S. 361, berichtigt S. 3142) (Terrorismusbekämpfungsgesetz) neu in das seinerzeit geltende Ausländergesetz aufgenommen worden ist. Nach dieser Vorschrift konnte insbesondere ausgewiesen werden, „wer in Verfahren nach diesem Gesetz oder zur Erlangung eines einheitlichen Sichtvermerkes nach Maßgabe des Schengener Durchführungsübereinkommens falsche Angaben zum Zwecke der Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung gemacht (...) hat, wobei die Ausweisung auf dieser Grundlage nur zulässig (war), wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf die Rechtsfolgen falscher oder unrichtiger Angaben hingewiesen wurde“ (Hervorhebung durch den Senat). Insoweit legte bereits der Wortlaut der Norm, der die Hinweispflicht ausdrücklich auf die Ausweisung auf dieser Grundlage, also auf § 46 Nr. 1 AuslG, bezog, das Verständnis nahe, dass einer unterbliebenen Belehrung für eine Ausweisung nach anderen Tatbeständen keine Bedeutung zukam. Zudem ordnete § 46 AuslG ‑ ebenso wie nunmehr § 54 Abs. 2 AufenthG ‑, der die Aufzählung der Ausweisungstatbestände mit der Konjunktion R22;oder“ zwischen den Nummern 6 und 7 abschloss, nach seiner Systematik ein ‑ gleichrangiges ‑ Nebeneinander der Ausweisungstatbest8;nde an.
class="absatzRechts">22lass="absatzLinks">Vor diesem Hintergrund hätte eine den Tatbestand des § 46 Nr. 1 AuslG verwirklichende Falschangabe bei unterbliebenem behördlichen Hinweis auf ihre Rechtsfolgen lediglich dann eine Ausweisung nach § 46 Nr. 2 AuslG wegen eines Verstoßes gegen Rechtsvorschriften von vornherein sperren können, wenn § 46 Nr. 1 AuslG nach dem Willen des Gesetzgebers die ausweisungsrechtlichen Konsequenzen jedenfalls im Fall von Falschangaben abschließend regeln sollte. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich. Das Verwaltungsgericht weist insoweit im Kern allerdings zutreffend darauf hin, dass ein Ausländer, der falsche Angaben zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung (bzw. Aufenthaltstitels) oder Duldung gemacht hat, regelmäßig den Straftatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG (bzw. im Folgenden des inhaltsgleichen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) verwirklicht(e). Nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG wurde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine Duldung zu beschaffen (...)“. Damit unterschied sich der Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, der in subjektiver Hinsicht vorsätzliches Handeln erforderte (vgl. § 15 StGB; zur fahrl28;ssigen Begehungsweise vgl. § 93 Abs. 1 AuslG bzw. § 98 Abs. 1 AufenthG), aber nicht von § 46 Nr. 1 AuslG. Beide Vorschriften verknüpfen mit der Wendung „zum Zweck“ bzw. „um zu“ die Tathandlung der falschen oder unvollständigen Angaben final mit dem angestrebten Erfolg der Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung. In den ‑ praktisch ohnehin nur selten vorkommenden ‑ Fällen einer fahrlässigen Begehungsweise (etwa bei einer auf Analphabetismus zurückzuführenden unrichtigen Schreibweise des Namens) fehlt es aber regelmäßig an der erforderlichen voluntativen Herbeiführung des Taterfolgs mit der Folge, dass fahrlässiges Handeln nicht zur Verwirklichung des Tatbestand des § 46 Nr. 1 AuslG führt. Die Anwendungsbereiche des § 46 Nr. 1 AuslG einerseits und des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG andererseits waren damit im Fall von Falschangaben zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung identisch. Da im Weiteren Vorsatztaten ‑ somit auch § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG ‑ grundsätzlich dem Anwendungsbereich § 46 Nr. 2 AuslG unterfielen, hatte dies, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, nach der Gesetzeslage zur Folge, dass eine Ausweisung wegen Falschangaben regelmäßig auch bei unterbliebenem Hinweis möglich und das Belehrungserfordernis im Ergebnis mithin unbeachtlich war. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führte dies jedoch nicht dazu, dass ein Rückgriff auf § 46 Nr. 2 AuslG zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs ausschied. Denn der Gesetzgeber hat § 46 Nr. 1 AuslG nicht als eine den Anwendungsbereich des § 46 Nr. 2 AuslG ausschließende Spezialnorm konzipiert.
23Eine Ausweisung nach § 46 Nr. 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG wegen falscher oder unvollständiger Angaben war bereits nach der Gesetzeslage vor Inkrafttreten der mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz eingeführten Neufassung des § 46 Nr. 1 AuslG zum 1. Januar 2002 mö;glich. Eine Einschränkung dieser bestehenden Ausweisungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz nicht beabsichtigt. Ziel der Neuregelung war es vielmehr, das Ausländergesetz an die neue Bedrohungslage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 anzupassen und die Möglichkeiten zur Ausweisung von Ausländern im Hinblick auf die von internationalen gewalttätigen Gruppierungen ausgehenden Gefahren auszuweiten. Dabei berücksichtigte die Neufassung des § 46 Nr. 1 AuslG nach der Vorstellung des Gesetzgebers „nun (Hervorhebung durch den Senat) auch falsche Angaben im Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder einer Duldung bzw. im Visumverfahren“ (vgl. BT-Drs. 14/7386 S. 56). Der Gesetzgeber ging mithin davon aus, nunmehr erstmals eine Grundlage für eine Ausweisung im Fall von Falschangaben zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung oder einer Duldung geschaffen zu haben und übersah damit offenkundig die bereits bestehende Ausweisungsmöglichkeit nach § 46 Nr. 2 AuslG infolge der Strafbarkeit eines solchen Handelns nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Dass der Gesetzgeber strafrechtliche Konsequenzen von unrichtigen oder unvollständigen Angaben ‑ und eine infolgedessen eröffnete Ausweisung nach § 46 Nr. 2 AuslG ‑ nicht in den Blick genommen hat, belegt auch die Gesetzesbegründung zu dem mit der gesetzlichen Neuregelung im Weiteren geschaffenen Ausweisungstatbestand der Falschangaben gegenüber Auslandsvertretungen im Verfahren auf Ausstellung eines Schengenvisums. Eine dahingehende Ausweisungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber nicht mit dem Ziel und in dem Bewusstsein geschaffen, eine Ausweisung in Fällen zu ermöglichen, in denen die Falschangaben gemäß den §§ 3 ff., 9 StGB nach deutschem Strafrecht u.U. nicht strafbar waren,
24vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. Februar 2000 ‑ 3 StR 308/99 ‑ juris Rn. 33,
25und infolgedessen jedenfalls insoweit dem Anwendungsbereich des § 46 Nr. 2 AuslG nicht unterfielen,
26so aber Discher in: GK-AufenthG, § 55 AufenthG, Stand Juli 2009, Rn. 258,
27sondern mit der Begründung, es werde klargestellt, dass ein Ausweisungsgrund auch dann vorliegen könne, wenn bei Erschleichung eines einheitlichen Sichtvermerks die Täuschung nicht gegenüber einer deutschen Auslandsvertretung, sondern gegenüber der Auslandsvertretung eines anderen Schengenanwenderstaates erfolgte, da nach der erfolgten Einreise ein Widerruf des einheitlichen Sichtvermerks durch die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden nicht mehr möglich sei.
28Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber auch eine Ausweisung aufgrund strafbaren Verhaltens von einer vorhergehenden Hinweispflicht abhängig machen wollte. Dies gilt erst Recht mit Blick darauf, dass von jedem Ausländer die Kenntnis der Rechtsordnung im Allgemeinen und der Strafgesetze im Besonderen erwartet wird und eine Belehrungspflicht über strafbewehrtes Handeln auch in anderen Fällen nicht vorgesehen ist. Allein der Umstand, dass sich die Anwendungsbereiche des § 46 Nr. 1 AuslG und des § 46 Nr. 2 AuslG teilweise überschnitten, hatte daher nicht zur Folge, dass § 46 Nr. 1 AuslG in seinem Anwendungsbereich die Vorschrift des § 46 Nr. 2 AuslG ausschloss.
29An dem vorstehenden Befund hat sich in der Folgezeit nichts geändert. § 46 Nr. 1 AuslG ist nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zunächst nahezu unverändert in § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 gültigen Fassung übernommen worden. Die versehentlich unterbliebene Einbeziehung der Duldung ist mit der Neufassung des § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I (2007) S. 1970) (Richtlinienumsetzungsgesetz) korrigiert worden. Soweit im Zuge der Neustrukturierung dieses Ausweisungstatbestands durch das Richtlinienumsetzungsgesetz (Untergliederung in zwei Tatbestandsalternativen) die vormals enthaltene Wendung, „die Ausweisung auf dieser Grundlage“ sei nur nach erfolgtem Hinweis zulässig, gestrichen wurde, ist den Gesetzesmaterialen kein Hinweis auf eine hiermit ggf. beabsichtigte inhaltliche Änderung zu entnehmen (vgl. BT‑Drs. 16/5056 S. 183). Ebenso wenig ergibt sich ein Anhalt dafür, dass die Erweiterung des Tatbestandes des § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AufenthG a.F. auf die Erlangung eines Passersatzes und einer Ausnahme von der Passpflicht in irgendeinem Zusammenhang mit einer strafbaren bzw. nicht strafbaren Handlung stand und eine ggf. mögliche Anwendung des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. sperren sollte. Gleiches gilt im Hinblick auf die am 26. November 2011 mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex (BGBl. I (2011) S. 2258) in § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AufenthG a.F. erfolgte Einfügung des Flughafentransitvisums (vgl. BT-Drs. 17/5470 S. 23). Das ab dem 1. Januar 2016 geltende neue Ausweisungsrecht hat ‑ wie oben bereits ausgeführt - ebenfalls keine inhaltliche Änderung der vormals in § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) AufenthG a.F., nunmehr in § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a) AufenthG enthaltenen Regelung bewirkt.
30Das Zulassungsvorbringen stellt auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das Verhalten des Klägers stelle gegenwärtig noch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG dar, nicht durchgreifend in Frage. Soweit der Kläger geltend macht, er habe mit Ausnahme der falschen Personalien zu keinem Zeitpunkt Anlass gegeben, an seiner Rechtstreue zu zweifeln, fehlt es schon an einer Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Argumentation des Verwaltungsgerichts, das u.a. ausgeführt hat, der geduldete Kläger sei seit Jahren ausreisepflichtig, jedoch offenkundig nicht gewillt, dieser Pflicht nachzukommen. Damit zeige er weiterhin, dass er erst dann zu einem rechtstreuen Verhalten bereit sei, wenn ihm keine andere Möglichkeit mehr bleibe. Darüber hinaus besteht aufgrund der zuletzt im März 2016 begangenen Identitätstäuschung zur Erlangung einer Duldung auch ein generalpräventives Ausweisungsinteresse, das noch hinreichend aktuell ist.
31Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 ‑ 1 C 16.17 ‑, juris.
32Eine Zulassung kann ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfolgen. Eine Rechtssache weist im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern.
33Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. (2018), § 124 Rn. 106 und Rn. 118 f. m. w. N.
34Dass der Ausgang des Rechtsstreits im vorgenannten Sinne offen wäre, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den vorstehenden Gründen indes nicht feststellen.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
36Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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