Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1414/19
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 19.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle “Oberamtsanwältin oder Oberamtsanwalt (BesGr. A 13 LBesO A NRW mit Amtszulage nach Fußnote 8) bei der Staatsanwaltschaft E. ” mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Die hiergegen von der Antragstellerin vorgebrachten Beschwerdegründe, auf welche sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt, geben keinen Anlass, den erstinstanzlichen Beschlusses zu ändern und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen. Auch mit dem Beschwerdevorbringen hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch dargelegt (§§ 123 Abs. 1 VwGO).
4Die den angefochtenen Beschluss tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin in einem - den vom Verwaltungsgericht festgestellten Begründungsmangel der dienstlichen Beurteilung meidenden - erneuten Auswahlverfahren erscheine ausgeschlossen, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen stellt die Annahme ihrer Chancenlosigkeit nicht durchgreifend in Frage.
5Erweist sich eine Auswahlentscheidung als rechtlich fehlerhaft, kommt nach ständiger Rechtsprechung die begehrte Untersagung der Stellenbesetzung nur dann in Betracht, wenn sich der Rechtsverstoß auf die Erfolgsaussichten der Bewerbung des Antragstellers auswirken kann. Maßgeblich ist, ob die Aussichten des unterlegenen Bewerbers, in einem neuen, den aufgezeigten Rechtsfehler vermeidenden Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, d. h. seine Auswahl ernsthaft möglich erscheint.
hts">6an>Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 -, BVerfGE 141, 56 = juris Rn. 57; OVG NRW, Beschlü;sse vom 11. September 2019 - 6 B 675/19 -, juris Rn. 16 f., vom 25. Juli 2019 ‑ 6 B 374/19 -, juris Rn. 27, vom 4. Juli 2019 - 6 B 767/19 -, juris Rn. 6, vom 17. April 2018 - 1 B 189/18 -, juris Rn. 15 ff., und vom 10. Oktober 2017 ‑ 6 B 905/17 -, juris Rn. 31; OVG Bremen, Beschluss vom 12. November 2018 - 2 B 167/18 -, juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. September 2018 - OVG 10 S 29.18 -, juris Rn. 19; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9. Februar 2016 ‑ 4 S 2578/15 -, NVwZ-RR 2017, 49 = juris Rn. 30 ff., jeweils m. w. N.
7Mit der danach gebotenen Kausalitätsprüfung überschreiten die Gerichte entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht die ihnen zukommende Kompetenz. Auch das Verwaltungsgericht hat hier keine eigene Bewertung der Leistungen der Antragstellerin vorgenommen, sondern entsprechend der gefestigten Rechtsprechung die Beurteilung, ob die Auswahl der Antragstellerin bei Vermeidung des Rechtsfehlers möglich erscheint oder vollkommen ausgeschlossen ist, anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Diese Entscheidung kann einerseits nicht schon im Falle einer - grundsätzlich immer gegebenen - "theoretischen Chance" des erfolglosen Bewerbers, ausgewählt zu werden, in dessen Sinne ausfallen. Andererseits haben die Gerichte zu beachten, dass es nicht ihre Aufgabe ist, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen.
8OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Juli 2019 - 6 B 714/19 -, juris Rn. 7, vom 4. Juli 2019 - 6 B 767/19 -, a. a. O., Rn. 6, und vom 17. April 2018 - 1 B 189/18 ‑, a. a. O., Rn. 21.
9Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem in der Beschwerdebegründung zitierten Beschluss des Senats vom 7. November 2013 - 6 B 1034/13 -.
10Dass die derzeit fehlende und demzufolge nachzuholende Begründung des Gesamturteils zu einer Regelbeurteilung der Antragstellerin führen würde, die den Leistungsvorsprung der Beigeladenen entfallen ließe, ist mit der bloßen Behauptung eines denkbaren Eignungs- und Leistungsvorsprungs der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Ein Vergleich der dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen ergibt vielmehr, dass die Antragstellerin bei keiner denkbaren Würdigung und Gewichtung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale (vgl. Ziffer 4.6 Satz 2 der Richtlinien für die „Dienstlichen Beurteilungen der Beamtinnen und Beamten“ vom 1. Februar 2013 in der Fassung vom 2. Februar 2018) und darauf aufbauendem neuen Gesamturteil als bestbeurteilte Bewerberin zum Zuge kommen könnte: Der Umstand, dass die Beigeladene bei gleicher Beförderungseignung (besonders gut geeignet, oberer Bereich) in keinem Merkmal schlechter, sondern im Merkmal Arbeitseinsatz sogar um einen Punkt (16 statt 15 Punkte) sowie in drei weiteren Befähigungsmerkmalen besser (jeweils D statt C) als die Antragstellerin bewertet ist, führt zwingend zu der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die gebotene Ausschöpfung der Regelbeurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu keinem anderen Ergebnis als einem Qualifikationsvorsprung der Beigeladenen führen kann.
11Dagegen wendet die Beschwerde vergeblich ein, es sei noch gar nicht absehbar, wie eine neu zu erstellende dienstliche Beurteilung ausfallen könnte. Eine Neuerstellung der dienstlichen Beurteilungen der Bewerberinnen unter Vermeidung des vom Verwaltungsgericht festgestellten Rechtsfehlers erfordert nur eine Begründung und ggf. Änderung des Gesamturteils. Sie würde aber nicht zu einer nochmaligen Überprüfung und zur Neuvergabe der Einzelbewertungen führen.
12Denn das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung, das vor der erneuten Auswahlentscheidung begründet werden muss, ist aus den Einzelbewertungen zu entwickeln, nicht aber umgekehrt. Es muss erkennbar werden, wie es aus den Einzelbewertungen hergeleitet wird.
13BVerwG, Urteile vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, juris Rn. 42 ff., und vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 -, juris Rn. 30 sowie OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2019 - 6 A 420/17 -, juris Rn. 107 ff..
class="absatzRechts">14Nur so erklärt sich auch die Entbehrlichkeit der gesonderten Begründung, wenn sich das Gesamturteil - vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null - angesichts des Leistungsbildes bei den Einzelbewertungen geradezu aufdrängt.
15BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - a. a. O. Rn 37; OVG NRW, Beschluss vom 4. Juli 2019 - 6 B 767/19 -, juris Rn. 9 ff.
16Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage, ob und inwieweit die maßgebliche Beurteilungsrichtlinie (ausreichende) Vorgaben in Bezug auf die Gewichtung der einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmale enthält, nicht an. Von der Rechtswidrigkeit der aktuellen Regelbeurteilung der Antragstellerin ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Der Leistungsvorsprung der Beigeladenen besteht unabhängig vom Inhalt denkbarer Gewichtungsvorgaben.
17Soweit die Antragstellerin die ihrer Ansicht nach anzunehmende Ergebnisoffenheit der anstehenden Auswahlentscheidung auch darauf stützt, dass in ihrer Regelbeurteilung die von ihr übernommenen Sonderaufgabe „häusliche Gewalt̶0; nicht hinreichend berü;cksichtigt worden sei, trifft dies aus den bereits vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen (vgl. II. 1. b) des Beschlussabdrucks) nicht zu. Die Bearbeitung der Verfahren betreffend häusliche Gewalt und die Vertretung der Behörde in diesem Bereich im Umfang von 45 % ihrer Tätigkeit haben Eingang in die Aufgabenbeschreibung und die Begründung (Seiten 2 und 6 der Regelbeurteilung) gefunden.
18Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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