Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 1776/18
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 19.11.2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten und hier allein noch streitgegenständlichen Sachantrag,
2tzLinks">die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 3964/18 gegen den Bescheid vom 23.8.2018 anzuordnen,
3im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die angegriffene Verfügung vom 23.8.2018 erweise sich als offensichtlich rechtmäßig, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2 und 63 VwVG NRW im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung vorgelegen hätten. Mit der Untersagungsverfügung vom 13.7.2016 liege ein mit Zwangsmitteln durchsetzbarer, wirksamer Verwaltungsakt vor. Die dem Antragsteller gesetzte Frist zur Einstellung der Vorstandstätigkeit sowie der gewerblichen Tätigkeit zum 30.9.2018 sei angemessen im Sinne von § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW. Auch sei die Antragsgegnerin nicht aufgrund von Nr. 2 des im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.8.2017 geschlossenen Vergleichs verpflichtet, die weitere Ausübung der Vorstands- sowie der Gewerbetätigkeit des Antragstellers über den 30.9.2018 hinaus zu dulden. Die AG, für die der Antragsteller als Vorstand tätig sei, sei den in Nr. 1 a) und b) des Vergleichs aufgeführten Obliegenheiten mehr als drei Mal nicht bzw. nicht fristgerecht nachgekommen. Insoweit werde auf die Begründung des Beschlusses vom 19.9.2018 im Parallelverfahren 1 L 1505/18 betreffend die Vollziehung der Gewerbeuntersagungsverfügung gegen die von dem Antragsteller geleitete AG Bezug genommen, in der das Verwaltungsgericht Folgendes ausgeführt hatte: Das Finanzamt I. habe am 5.4.2018 mitgeteilt, dass ein Steuerrückstand in Höhe von 1.978,00 Euro aufgrund von am 10.3.2018 fällig gewordener Körperschaftssteuer und Solidaritätszuschlag für das 1. Quartal 2018 bestanden habe. Soweit der Antragsteller insoweit angeführt habe, dass der Rückstand in Höhe von 1.997,50 Euro noch nicht fällig gewesen sei, so treffe dies lediglich auf die bis zum 12.4.2018 berechneten Säumniszuschläge in Höhe von 19,50 Euro zu. Das Finanzamt I. habe die am 18.10.2017 und 23.5.2018 fällig gewordene Steuerschuld auf 337.164,06 Euro beziffert. Aus dem Schreiben des Finanzamtes I. vom 18.7.2018 gehe zudem hervor, dass die AG ihren laufenden Erklärungspflichten nicht nachgekommen sei. Sie habe trotz entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt innerhalb der gesetzten Fristen weder Umsatz- noch Körperschaftssteuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2018 abgegeben. Darüber hinaus habe die Stadtkasse der Antragsgegnerin erklärt, dass am 24.7.2018 Steuerrückstände in Höhe von 180.725,50 Euro bestanden hätten. Diese – im Parallelverfahren aufgeführten – Verstöße der von dem Antragsteller geleiteten AG seien ihm als Vorstand zuzurechnen. Anderweitige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestünden nicht. Insbesondere erscheine die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes angemessen.
4Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
5Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Erlass einer Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der mit Ordnungsverfügung vom 13.7.2016 ausgesprochenen Gewerbeuntersagung kein Vollstreckungshindernis auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 23.8.2017 geschlossenen Vergleichs entgegenstand. Nr. 1 a) des Vergleichs vom 23.8.2017 sieht im Wesentlichen vor, dass die von dem Antragsteller geleitete AG ihren laufenden Zahlungs-, Anmelde- und Erklärungspflichten gegenüber öffentlich-rechtlichen Gläubigern pünktlich und vollständig nachkommt. Nach Nr. 2 des Vergleichs sollte die Antragsgegnerin die Vorstandstätigkeit sowie die gewerbliche Tätigkeit des Antragstellers trotz der mit dem Abschluss dieses Vergleichs eintretenden Bestandskraft der Nr. 1 der an ihn gerichteten Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 13.7.2016 vorläufig bis zum 31.8.2019 weiter dulden, sofern ebenfalls die Obliegenheiten in Nr. 1 des Vergleichs erfüllt werden. Nach Nr. 3 des Vergleichs ist die Antragsgegnerin berechtigt, u. a. die an den Antragsteller gerichtete Ordnungsverfügung vom 13.7.2016 sofort im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen, sofern die von dem Antragsteller geleitete AG bzw. der Antragsteller den aufgeführten Obliegenheiten mehr als drei Mal nicht oder nicht ausreichend bzw. nicht fristgerecht nachkommt.
6Der Antragsteller hat mit seinem Vorbringen nicht die Würdigung des Verwaltungsgerichts erschüttert, dass die Gewerbetätigkeit des Antragstellers nicht nach Nr. 2 des Vergleichs weiter zu dulden ist, weil die von dem Antragsteller vertretene AG – entgegen Nr. 1 a) des Vergleichs – ihren öffentlichen-rechtlichen Zahlungs- (dazu nachfolgend unter 1.) und Erklärungspflichten (dazu unter 2.) gegenüber öffentlich-rechtlichen Gläubigern insgesamt mehr als drei Mal nicht pünktlich oder vollständig nachgekommen ist.
71. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Zahlungspflichten setzt allein voraus, dass fällige und vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen im Fälligkeitszeitpunkt noch nicht erfüllt worden sind. Unmaßgeblich ist, ob schuldhaft gegen die in dem Vergleich vom 23.8.2017 festgehaltenen Obliegenheiten verstoßen wurde.
8Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 24.5.2017 – 4 B 346/17 –, Rn. 5 f., m. w. N.
9Die nach diesen Maßgaben von dem Verwaltungsgericht angenommenen drei Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Zahlungspflichten werden durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.
10a) Ausweislich der amtlichen Aufstellung des Finanzamtes I. vom 5.4.2018 bestanden für die AG zu diesem Zeitpunkt offene Körperschaftssteuerrückstände für das 1. Quartal 2018 zuzüglich Solidaritätszuschlag zur Körperschaftssteuer, die bereits seit dem 10.3.2018 fällig waren. Die entsprechende – von der gesetzlichen Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG getragene – Annahme des Verwaltungsgerichts ist weder in der Beschwerde- noch in der Antragsbegründung mit schlüssigen Gegenargumenten in Zweifel gezogen worden.
11b) Nach der Rückstandsaufstellung des Finanzamtes I. vom 18.7.2018 hatte die von dem Antragsteller vertretene AG seit dem 18.10.2017 bzw. dem 23.5.2018 fällige Körperschaftssteuer- und Umsatzsteuerforderungen 2015 und 2016 zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt. Der Antragsteller trägt selbst vor, die zunächst gewährte Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 FGO) sei bis August 2018 begrenzt gewesen und versehentlich sei nicht sogleich eine weitere Aussetzung beantragt worden. Damit räumt er die zumindest vorübergehende Nichtzahlung trotz Fälligkeit ein. Schon in erster Instanz hat er nicht in Abrede gestellt hat, dass offene und vollziehbare Steuerrückstände bestanden (Schriftsatz vom 5.11.2018, Seite 5 des Abdrucks). Er ging vielmehr im November 2018 offensichtlich noch davon aus, dass jedenfalls bezogen auf das Jahr 2016 ganz erhebliche Körperschaftssteuerr52;ckstände offen und fällig waren. Anders lässt sich nicht erklären, dass er für die von ihm vertretene AG am 16.11.2018 einen Betrag von insgesamt 19.114,42 Euro unter Angabe des Verwendungszwecks „Kst 2016 10.141,00“, „Soli 2016 558,42“, „VZ 2016 3760,00“ „SZ 2016 4655,00“ an das Finanzamt I. überwiesen hat. Abgesehen davon hat der Antragsteller nicht einmal Unterlagen vorgelegt, die die geltend gemachte Aussetzung der Vollziehung der Beträge durch das Finanzamt I. oder ein Finanzgericht belegen würden.
12c) Bezogen auf die offene Forderung der Stadtkasse I. für Gewerbesteuern 2015 und 2016 hat der Antragsteller ebenfalls nicht substantiiert – durch Vorlage eines Bescheides oder Beschlusses über die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuerforderungen bzw. der Gewerbesteuermessbeträge (§ 361 Abs. 3 AO) – bestritten, dass es sich hierbei um vollziehbare und seit dem 16.7.2018 fällige Forderungen handelte und die AG ihren Zahlungsverpflichtungen nicht pünktlich nachgekommen war. Es bestand daher für das Verwaltungsgericht kein Anlass, an der Erklärung der Stadtkasse I. vom 24.7.2018, dass der Antragsteller seiner Zahlungspflicht nicht pünktlich nachgekommen war, zu zweifeln und den Sachverhalt weiter aufzuklären.
132. Das Finanzamt I. hatte gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18.7.2018 ausdrücklich bestätigt, dass die AG ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen für Körperschafts- und Umsatzsteuer 2015 und 2016 trotz Aufforderung nicht pünktlich nachgekommen ist. Der Antragsteller hat weder bestritten, die Steuererklärungen verspätetet abgegeben zu haben, noch eine ausdrückliche Erklärung des Finanzamtes I. vorgelegt, dass auf die gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung verzichtet werde oder hierfür den Beweis angetreten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob und aus welchem Grund der Antragsteller möglicherweise darauf vertraut hat, das Finanzamt verzichte – ohne Rechtspflicht – auf die Abgabe der Steuererkl8;rungen.p> 14
Der von dem Antragsteller „nur der Ordnung halber“ gegebene Hinweis, dass Steuerrückstände derzeit nicht bestünden, ist für die Frage der Rechtm28;ßigkeit der Zwangsgeldandrohung unter keinem erkennbaren Gesichtspunkt von Belang. Nach dem Wortlaut des Vergleichs vom 23.7.2017 kommt es allein auf einen mehr als dreimaligen Verstoß gegen die darin niedergelegten Obliegenheiten an. Auch soweit dieser Hinweis dahin geht, der Antragsteller erweise sich nunmehr als zuverlässig, handelt es sich hierbei um eine Frage, die nur bei der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 bzw. 7a GewO bzw. bei einer Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO zu prüfen ist. Für die hier allein streitgegenständliche Frage der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung ist diese jedoch ohne Belang. Das Vollstreckungsrecht ist von dem Grundsatz geprägt, dass die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Verwaltungsakte Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und letztlich der Anwendung des Zwangsmittels ist.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.9.2018 – 4 A 1396/16 –, GewArch 2019, 77 = juris, Rn. 35 f., m. w. N.
16Die hilfsweise beantragte Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht scheidet bereits deshalb aus, weil die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 VwGO – unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen diese Vorschrift im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes Anwendung finden kann – unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten ersichtlich nicht vorliegen. Insbesondere leidet die Entscheidung – worauf die Beschwerdebegründung wohl abhebt – nicht an einem Mangel dahingehend, dass das Verwaltungsgericht entgegen § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt nicht ausreichend von Amts wegen aufgeklärt hat. Nach dieser Vorschrift sind die Tatsachengerichte (nur) verpflichtet, hinreichend konkret dargelegten Einwänden eines Beteiligten nachzugehen und den Sachverhalt – ggf. auch unter Mitwirkung der Beteiligten – weiter aufzuklären, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.2.2015 ‒ 1 B 2.15 ‒, juris, Rn. 4, m. w. N.
18Aus den oben bereits dargelegten Gründen bestand im vorliegenden Fall jedoch ersichtlich kein Anlass für eine weitere Aufklärung in der Sache.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
21Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- FGO § 69 1x
- VwGO § 86 1x
- 1 K 3964/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2 und 63 VwVG 3x (nicht zugeordnet)
- § 361 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 346/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 1396/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 361 Abs. 3 AO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 130 1x
- 1 L 1505/18 1x (nicht zugeordnet)