Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 A 3132/18
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf die Wertstufe bis 25.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
41. Das Antragsvorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
5Hinsichtlich dieses Zulassungsgrundes bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Dabei ist innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO in substantiierter Weise darzulegen, dass und warum das vom Verwaltungsgericht gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Oberverwaltungsgericht schon auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Diesen Darlegungsanforderungen genügt das Antragsvorbringen nicht.
6Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 LBG NRW in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: LBG NRW a. F.) für eine Verringerung der Altersgrenze nach § 115 Abs. 1 LBG NRW a. F. seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Es hat ausführlich begründet, aus welchen Gründen die Ausbildungszeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 19. August 1972 sowie die Lehrgangszeit (I. Fachprüfung) vom 12. März bis zum 21. September 1973 - soweit sie nicht schon bezogen auf die Lehrgangspause von Mitte Juni bis Mitte Juli 1973 anerkannt sei - und die Lehrgangszeit (II. Fachprüfung) vom 7. November 1994 bis 31. März 1995 nicht als Zeiten im Wechselschichtdienst im Sinne von § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. zu werten seien. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Entscheidung, ob der Kläger bereits ab dem 23. Juni 1993 wieder Wach- und Wechseldienst bei der Innenstadtwache in Detmold geleistet habe und das beklagte Land gehalten sei, weitere 71 Tage als Zeit im Wechselschichtdienst anzuerkennen. Gleiches gelte für die Pause im Aufstiegslehrgang (II. Fachprüfung) über den Jahreswechsel 1994/1995, in der der Kläger angeblich für 15 Tage Wechselschichtdienst geleistet habe. Auch zusammengenommen ergäben sich nicht die 358 Tage, die für eine Verringerung der Altersgrenze nach § 115 Abs. 2 LBG NRW a. F. noch fehlten.
7Das Antragsvorbringen enthält keine auf schlüssige Gegenargumente gestützte Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Es weist lediglich pauschal darauf hin, der Kläger gehe - anders als das Verwaltungsgericht - davon aus, dass die Zeiten vom 1. Oktober 1971 bis zum 19. August 1972, vom 12. März bis Mitte Juni 1973, von Mitte Juli bis zum 21. September 1973, vom 3. Juni bis zum 1. September 1993 und vom 7. September (richtig: November) 1994 bis zum 31. März 1995, mithin „bis zu 717 Tage“ zusätzlich als Zeiten des Wechselschichtdienstes zu berücksichtigen seien, so dass die Grenze von 25 Dienstjahren im Wechselschichtdienst ohne Weiteres erreicht werde. Soweit der Kläger „zur Vertiefung“ seines Antragsvorbringens hinsichtlich der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 19. August 1972 auf die Klageschrift und auf die Seiten 1 bis 3 seines Schriftsatzes vom 9. Januar 2018 sowie hinsichtlich der Zeit vom 7. September (richtig: November) 1994 bis zum 31. März 1995 auf die Seite 4 seines Schriftsatzes vom 11. Dezember 2015 und die Seite 3 seines Schriftsatzes vom 9. Januar 2018 verweist, lässt er außer Acht, dass eine Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt.
8Ins Leere geht schließlich der Einwand des Klägers, der Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. Oktober 2014 - 403 - 42.02.04 - stehe seinem Begehren nicht entgegen, da die erkennenden Gerichte nicht an ihn gebunden seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts gründet nicht auf der Annahme einer solchen Bindung. Vielmehr hat es im Hinblick auf den Erlass lediglich ausgeführt, es sei nicht geboten, die Lehrgangszeiten als „vergleichbare Sachverhalte“ im Sinne von Ziffer 2 des Erlasses anzusehen. Auch eine Aus-einandersetzung mit den diesbezüglichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts enthält das Antragsvorbringen nicht.
92. Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt sich auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht.
10Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes eine solche Frage auszuformulieren und substanziiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
11Die vom Kläger aufgeworfene Frage
12„War es in der Zeit der Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten/des Klägers ab Oktober 1970 bei der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen ‚allgemein üblich‘, dass Polizeivollzugsanwärter planmäßig Dienste leisten mussten, die zu ‚besonderen Belastungen‘ geführt haben, die den heutigen Anforderungen eines Wechselschichtdienstes im Sinne des § 114 Abs. 2 S. 2 LBG (vormals § 115 Abs. 2 S. 2 LBG) genügen?“
13ist nicht entscheidungserheblich.
14Nach § 115 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a. F. - nunmehr § 114 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW - verringert sich die Altersgrenze nach Absatz 1 um ein Jahr für fünfundzwanzig Dienstjahre, die im Wechselschichtdienst abgeleistet wurden. Wechselschichtdienst sind nach der Legaldefinition des § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. - nunmehr § 114 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW - Zeiten, in denen der Beamte ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht. Der Landesgesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, allein die in § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. definierten Zeiten zu berücksichtigen. Dem liegt die Intention zu Grunde, den „besonderen Belastungen Rechnung“ zu tragen, mit der Verrichtung des Wach- und Wechseldienstes verbunden sind.
15Vgl. Plenarprotokoll 13/180 vom 17. Dezember 2003 (S. 10729, „Härtefallregelung“), 2. Lesung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Zehnten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drucks. 13/3930; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 6 A 2207/12 -, juris Rn. 10 ff.; Gunkel, in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, 19. UPD Dezember 2019, § 31 LBG, Rn. 47.
16Mit seiner Beschränkung auf den Wechselschichtdienst hat sich der Landesgesetzgeber im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums gehalten.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007 - 2 C 28.05 -, ZBR 2007, 307 = juris Rn. 37 ff.; Gunkel, a. a. O., Rn. 51.
18Folgerichtig hat sich das Verwaltungsgericht somit auf die Ermittlung der Zeiten beschränkt, in denen der Kläger im Sinne von § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt war, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsah. Es ist hinsichtlich der Ausbildungszeit des Klägers zu dem überzeugenden Ergebnis gekommen, sie sei nicht als Zeit im Wechselschichtdienst im Sinne von § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. zu werten. Zu Recht hat es keine Veranlassung zur Überprüfung der Frage gesehen, mit welchen Belastungen die Dienste des Klägers in der Ausbildungszeit verbunden waren. Der Kläger irrt, wenn er meint, über die in § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. definierten Zeiten hinaus seien weitere Zeiten zu berücksichtigen, wenn der Betroffene in diesen Zeiten (ebenfalls) besonderen Belastungen ausgesetzt war.
193. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensfehlers gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sind nicht gegeben.
20Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt, greift nicht durch. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nur vor, wenn sich eine weitere Sachverhaltsermittlung oder Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen bzw. geboten gewesen wäre. Dabei verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht förmlich beantragt hat. Denn von einem anwaltlich vertretenen Beteiligten kann im Allgemeinen - so auch hier - erwartet werden, dass er eine von ihm für notwendig erachtete Beweisaufnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung hat der Kläger keinen Beweisantrag gestellt. Aus dem Antragsvorbringen ergibt sich auch nicht, dass sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der Kläger führt lediglich an, das Verwaltungsgericht habe „die möglichen und notwendigen Ermittlungen zur Sachverhaltsaufklärung nicht genutzt“, weil es die mit seinem Schriftsatz vom 9. Januar 2018 benannten drei Zeugen, die seinen dortigen Sachvortrag zur Dienstausübung während der Ausbildung bestätigt hätten, nicht angehört habe. Insoweit verkennt er jedoch, dass das Verwaltungsgericht diesen Sachvortrag nicht in Zweifel gezogen hat. Vielmehr ist es unter dessen Berücksichtigung zu der Auffassung gelangt, die Ausbildungszeit sei nicht als Zeit im Sinne von § 115 Abs. 2 Satz 2 LBG NRW a. F. zu werten.
214. Das Antragsvorbringen zeigt schließlich auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten auf (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
22Der Kläger weist darauf hin, es komme auf die Verhältnisse während seiner Ausbildung in den „1970er Jahren“ und während seiner Lehrgangszeiten, also auf lange zurückliegende Zeiten an. Dieser Umstand lässt für sich genommen indes nicht darauf schließen, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt nur schwer zu ermitteln ist.
23Der anschließende Verweis des Klägers auf sein Vorbringen zum Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO verfängt schon deshalb nicht, weil diesem Vorbringen - wie dargestellt - kein tragfähiger Anhalt dafür zu entnehmen ist, dass das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht genügt hat.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Die Streitwertfestsetzung/-änderung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Das Verfahren betrifft den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand, so dass die Hälfte des sich nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG ergebenden Betrages in Ansatz zu bringen ist.
26Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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