Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1700/19
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 19.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist unbegründet. Aus der Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag hätte stattgeben müssen, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Herbst 2016 ausgeschriebene W2-Professur für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt "Organisationen des Sports" mit der Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs im Ergebnis zu Recht verneint. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es liegen weder die von der Antragstellerin gegen die Vorgehensweise der Berufungskommission vorgetragenen Verfahrensfehler vor noch weist die Entscheidung der Berufungskommission, die die Grundlage für die nachfolgende Beschlussfassung der Fakultätskonferenz und des Rektorats bildet, unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin materielle Rechtsmängel auf.
3Art. 33 Abs. 2 GG gewährt - wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - jedem Deutschen ein Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus ergibt sich ein Anspruch des Bewerbers
4- im Folgenden wird allein aus Gründen der leichteren Lesbarkeit auf die gleichzeitige Verwendung der männlichen und weiblichen Sprachform verzichtet und gilt die männliche Sprachform für alle Geschlechter -
5auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung, der auch die Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften mit umfasst (Bewerbungsverfahrensanspruch).
6Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten und gefestigten Grundsätze gelten für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung einer Professorenstelle in gleicher Weise. Erweist sich die Entscheidung, einen Bewerber als Professor zu berufen, als ermessens- oder beurteilungsfehlerhaft, kann ein nicht berücksichtigter Bewerber, dessen Auswahl zumindest möglich erscheint, verlangen, dass über seine Bewerbung erneut entschieden und die Professorenstelle zunächst nicht besetzt wird. Allerdings steht der Hochschule eine besondere verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zu. Den an der Erstellung des Berufungsvorschlags beteiligten Hochschulgremien, insbesondere der Berufungskommission, kommt ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob der Beurteilungsspielraum überschritten ist, etwa weil die Entscheidung erkennbar auf sachfremden Erwägungen oder auf der Verkennung von Tatsachen beruht. Dies gilt in besonderer Weise für die Feststellung und Beurteilung der wissenschaftlichen Eignung und der notwendigen Lehrbefähigung der Bewerber. Die Bewertung, ob ein Bewerber besser geeignet ist als ein anderer, hat das Gericht generell nicht vorzunehmen.
7Dabei begegnet es im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG keinen Bedenken, wenn eine Universität - wie hier - die maßgebliche Entscheidung über die Vergabe des Statusamts eines Professors durch Gremien vorbereiten lässt, sofern diese vorbereitenden Schritte - wie etwa die Bestimmung der zu einem Probevortrag einzuladenden Bewerber oder die Bewertung dieser Probevorträge - ihrerseits den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügen.
8Vgl. zum Ganzen nur BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30.15 -, NWVBl 2017, 247 = juris Rn. 20 ff.
9Dies zugrunde gelegt hat die Antragstellerin mit ihren Einwendungen hinsichtlich des Berufungsverfahrens und der Bewerberauswahl keinen Erfolg.
10I. Unter "I. Vorbemerkung" macht die Beschwerde - überdies nur als "Anmerkung" - geltend, es sei sehr früh der untaugliche Versuch unternommen worden, die Antragstellerin bereits auf der ersten Stufe aus dem Bewerberfeld auszuschließen, da sie die Voraussetzungen als Nachwuchswissenschaftlerin nicht erfülle. Dabei bleibt schon unklar, ob damit die Auswahlentscheidung rechtlich beanstandet werden soll. Das Vorbringen bliebe jedenfalls ohne Erfolg, weil die Antragstellerin schließlich weiter im Bewerberfeld verblieben ist, so dass sich die von ihr als sachwidrig erachtete Überlegung nicht ausgewirkt hat.
11II. Ebenfalls vergeblich rügt die Antragstellerin Mängel der Dokumentation des Verfahrens, die nach ihrer Auffassung zum Teil zugleich materiellrechtliche Defizite der Auswahlentscheidung offenbaren (Punkt I., II. und III. 1. bis 4. der Beschwerdebegründung). Sie macht geltend, ein wertender Vergleich aller Kandidaten anhand sämtlicher harter Kriterien, weicher Kriterien und Add-ons sei nicht dokumentiert, und folgert hieraus, dieser sei nicht oder jedenfalls nicht hinreichend erfolgt, wodurch die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum überschritten habe. Ferner seien der Fachvortrag, die öffentliche Diskussion und das leitfadengestützte Kommissionsgespräch ("Interview") nicht dokumentiert. Schließlich fehle (nur) bei der Antragstellerin ein Kurzbericht über die eingereichten Schriften; dies begründe eine Verletzung der Chancengleichheit.
121. Die Auswahlentscheidung der Berufungskommission ist, soweit die Antragstellerin betroffen ist, hinreichend dokumentiert.
13Wie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend näher ausgeführt hat, folgt nach ständiger Rechtsprechung zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter aus Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und dem unterlegenen Bewerber im Wege der Akteneinsicht zugänglich zu machen, um ihm und ggf. dem Gericht eine sachgerechte Kontrolle zu ermöglichen.
">14>Vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 -, NJW 2016, 310 = juris Rn. 14, und vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178 = juris Rn. 20 ff.; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 2 A 5.18 -, IÖD 2019, 110 = juris Rn. 45; OVG NRW, Urteil vom 21. Juni 2012 - 6 A 1991/11 -, DÖD 2012, 228 = juris Rn. 89, sowie Beschluss vom 9. Juli 2019 - 6 B 344/19 -, NWVBl 2019, 455 = juris Rn. 6 m. w. N.
15Dieser Dokumentation der tragenden Auswahlerwägungen - durch die für die Auswahlentscheidung zuständige Stelle - muss zu entnehmen sein, aus welchen Gründen sich der Dienstherr für einen bestimmten Bewerber entschieden hat, regelmäßig also, worauf es beruht, dass er bei ihm einen Eignungsvorsprung gegenüber den anderen Kandidaten sieht. Die Frage, welchen Mindestinhalt die Dokumentation der Auswahlerwägungen haben und welche Begründungstiefe sie wenigstens aufweisen muss, kann dabei nicht regelhaft und losgelöst von den etwaigen Besonderheiten des Einzelfalles beantwortet werden. Maßstab ist insoweit, dass die Erwägungen jeweils ausreichen müssen, um den beschriebenen Zweck der Dokumentationspflicht zu erfüllen, d.h. eine hinreichende und zumutbare Orientierung hinsichtlich einer etwaigen Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu ermöglichen.
16OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 6 B 88/18 -, juris Rn. 13 m. w. N.
17Im Einklang damit gebietet § 7 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. der Berufungsordnung der Universität C. vom 20. Januar 2016 (im Folgenden: Berufungsordnung), den Berufungsvorschlag der Berufungskommission ausreichend zu begründen, und § 7 Abs. 3 Satz 1 der Berufungsordnung, die Gründe für und gegen die weitere Berücksichtigung von Bewerberinnen und Bewerbern im Verfahren in nachprüfbarer Form festzuhalten.
18Soweit es um die Dokumentation eines Berufungsverfahrens für eine Professorenstelle geht, genügt dem regelmäßig eine Protokollierung der Sitzungen der Berufungskommission bzw. ein Besetzungsbericht, in der bzw. dem ein summarischer Vergleich der Gesamtqualifikation der Bewerber gemessen am Anforderungsprofil niedergelegt ist.
19OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. August 2018 - 2 B 10742/18 -, DÖD 2018, 287 = juris Rn. 15 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 18. April 2012 - 7 CE 12.166 -, BayVBl 2012, 599 = juris Rn. 33.
20Die Dokumentation darf sich auf ein vertretbares Maß beschränken, dabei Schwerpunkte setzen, Diskussionen zusammenfassen und weniger gewichtige, nicht für ausschlaggebend erachtete Aspekte in der Niederschrift vernachlässigen. Ein Bedürfnis nach in dieser Weise komprimierter Darstellung resultiert dabei aus dem Umstand, dass das Berufungsverfahren regelmäßig ein komplexes, mehrstufig gegliedertes Verfahren bildet, in dem einerseits eine Reihe von Kandidaten zu begutachten ist, während sich andererseits die Berufungskommission aus einer größeren Zahl von Personen zusammensetzt, die die unterschiedlichen Mitgliedergruppen der Hochschule in einem bestimmten Verhältnis repräsentieren (vgl. § 38 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HG NRW i. V m. § 5 Abs. 2 und 3 der Berufungsordnung i. V. m. § 11 Abs. 1 HG NRW). Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Niederschriften der Sitzungen der Berufungskommission und der Bericht häufig von juristisch nicht geschuldeten Hochschulangehörigen verfasst werden.
21Vgl. Mehde, ZBR 2018, 373 (376).
22Weitergehende Anforderungen kann der Senat entgegen der Auffassung der Beschwerde auch der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entnehmen, der - wie oben erwähnt - gleichfalls lediglich einen wenigstens summarischen Vergleich der Bewerber bzw. die Fixierung der wesentlichen Gründe, die zu der getroffenen Auswahlentscheidung geführt haben, fordert.
23Vgl. zu Letzterem Bay. VGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 - 7 CE 16.1989 -, juris Rn. 13.
24Eine diesen Anforderungen genügende Dokumentation der die Beschlussfassung der Berufungskommission tragenden Auswahlerwägungen ist mit dem Protokoll der 6. Sitzung der Kommission vom 9. Mai 2017 sowie dem abschließenden Bericht der Kommission vom 15. Januar 2019 erfolgt. Das Protokoll zur 6. Sitzung der Kommission umfasst insgesamt sieben Seiten. In ihm ist einleitend festgehalten: "Die Vorsitzende schlägt vor, die eingeladenen Bewerber*innen personenbezogen zu diskutieren, und zwar entlang sämtlicher relevanter Aspekte, wie: Passung zur Ausschreibung bzw. zu den ausgewählten Kriterien, Vortrag, Diskussion zum Vortrag, Kommissionsgespräch, eingereichte Schriften, eingereichte Lehrkonzeption, Lehrevaluationen. T. T. ergänzt diesen Vorschlag, zum Abschluss der Diskussion pro Kandidat*in ein Meinungsbild per Handzeichen einzuholen." Auf die Dokumentation der Beurteilung der Leistung der Antragstellerin entfallen circa 1 1/3 Seiten der Niederschrift zu der Sitzung. Darin ist unter anderem näher ausgeführt, ihre Schriften seien Prof. Dr. A. zufolge dezidiert und elaboriert, insgesamt hoch anspruchsvoll; ihre Leistungen im Bereich Drittmittel seien Prof. Dr. T. zufolge herausragend gut; im Kommissionsgespräch habe sie sehr gute und wichtige Aspekte genannt, ihre Reaktionen seien ausführlich und sie habe stets souverän auf die Fragen der Kommissionsmitglieder reagiert und sei äußerst gut vorbereitet gewesen; im Bereich der internationalen Sichtbarkeit seien trotz Nachfragen allerdings Schwächen erkennbar, so seien kaum Publikationen in englischer Sprache vorhanden und eine internationale Vernetzung sei kaum erkennbar; der Umgang mit Empirie werde teils als irritierend empfunden. In der anschließenden Diskussion sei ihr Fokus auf Systemtheorie kontrovers besprochen und kritisch hinterfragt worden, inwieweit sie über ein eigenständiges Profil verfüge. Als vorläufiges Meinungsbild ist festgehalten, dass drei Personen die Antragstellerin auf die Liste setzen möchten. Weiter ist dem Protokoll zu entnehmen, dass in der abschließenden Abstimmung über die Größe der Liste und die vorläufige Listung die Antragstellerin zwei Stimmen enthielt, der Bewerber N. acht Stimmen, die Bewerberin S. neun Stimmen und die Kandidatin X. acht Stimmen. Es wurde daraufhin eine Dreierliste gebildet und zu den verbliebenen Kandidaten wurden externe Gutachten eingeholt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, und schließlich die Beigeladene ausgewählt. In dem Bericht der Berufungskommission vom 15. Januar 2019 heißt es auszugsweise: "Für die Auswahl waren zum einen die unter Punkt 3 genannten Kriterien leitend, zum anderen wurden die Vorträge, Diskussionen, Bewerbungsgespräche und eingereichten Publikationen herangezogen. (…) Die Kandidatin Frau C1. wurde von den Kommissionsmitgliedern konträr diskutiert. Als Nachteil wurde im Vergleich zu anderen Bewerber/innen die deutlich schwächere Ausprägung hinsichtlich des Kriteriums der internationalen Sichtbarkeit gesehen. Zudem wurde der theoretische Zugang kritisch betrachtet."
25Dies zusammen genommen ist hinreichend dokumentiert, dass die Leistungen der Antragstellerin umfassend betrachtet und zu denjenigen der anderen Kandidaten vergleichend ins Verhältnis gesetzt worden sind. Unzutreffend ist insbesondere der mit der Beschwerde wiederholt erhobene Vorwurf, bei ihr sei lediglich auf das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit abgestellt worden; dies blendet die - teils kritischen - Darlegungen zu den übrigen Kriterien aus. Dass bei der Antragstellerin ebenso wenig wie für die anderen verbliebenen Kandidaten zu allen (einschließlich Add-ons) 13 formulierten Voraussetzungen jeweils eine einzelne Bewertung vorgenommen und protokolliert worden ist und diese dann zueinander ins Verhältnis gesetzt worden sind, führt nach den oben aufgezeigten Maßgaben nicht auf ein Dokumentationsdefizit. Bereits aufgrund der Zahl der verbliebenen Kandidaten und Kriterien, aber auch der Zahl der Kommissionsmitglieder durfte sich die Dokumentation insoweit auf Schwerpunkte beschränken. Die Niederschrift macht gleichwohl die Entscheidung hinreichend nachvollziehbar.
262. Die Antragstellerin verweist auch ohne Erfolg darauf, der Fachvortrag, die öffentliche Diskussion und das Kommissionsgespräch seien nicht dokumentiert. Es kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin insoweit die Anforderungen verfehlt hat. Dies ist im Streitfall jedenfalls ohne Auswirkung.
27Für die Dokumentation in Bezug auf - neben oder anstelle dienstlicher Beurteilungen herangezogene - Auswahlinstrumente wie Assessment-Center, strukturierte Interviews oder Auswahlgespräche, die selbst nicht die Auswahlentscheidung, sondern deren Grundlage bilden und mithin dieser vorangehen, gelten nicht dieselben Dokumentationserfordernisse wie für die Auswahlentscheidung selbst. Vielmehr reicht es nach der Rechtsprechung des Senats aus, wenn deren Gegenstand sowie die Bewertungen in Grundzügen nachvollziehbar dokumentiert sind. Dies kann mit Protokollen oder Bewertungsbögen, aber auch in einer Begründung des abschließenden Vorschlags des Auswahlgremiums - etwa im Auswahlvermerk - erfolgen.
28OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2019 - 6 B 344/19 -, a. a. O. Rn. 9 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. August 2018 - 2 B 10742/18 -, a. a. O. Rn. 15 f.
29Die Dokumentation von Auswahlgesprächen muss nicht zwingend auch die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Bewertungen enthalten.
30OVG NRW, Beschlüsse vom 2. April 2020 - 6 B 101/20 -, und vom 9. Juli 2019 - 6 B 344/19 -, a. a. O. Rn. 11 ff. m. w. N.
31Daran gemessen bestehen allerdings jedenfalls im Hinblick auf den Vortrag und die anschließende Diskussion Zweifel, dass die Dokumentationsanforderungen erfüllt sind. Das muss hier indes nicht vertieft werden. Denn soweit hierin ein Defizit gesehen wird, führt dies nicht zum Erfolg des vorliegenden Antrags. Der Dokumentationsmangel ist auswirkungslos und insoweit unbeachtlich; es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin durch die defizitäre Dokumentation beeinträchtigt ist.
32Vgl. eine ebensolche Erwägung bei BVerwG, Beschluss vom 1. März 2018 - 1 WB 40.17 -, NVwZ 2018, 1573 = juris Rn. 37.
33Denn die oben zitierte Bewertung der Leistungen der Antragstellerin im Bereich Vortrag, Diskussion und Gespräch ist uneingeschränkt positiv. Die Antragstellerin wendet sich dementsprechend auch in keiner Weise gegen die insoweit vorgenommenen Bewertungen (im Übrigen auch nicht gegen die Bewertung der entsprechenden Leistungen der anderen Kandidaten). Mangels derartiger Rügen hat auch kein Anlass bestanden, den Versuch zu machen, den Verlauf von Vortrag, Diskussion und Gespräch zu rekonstruieren, was zumindest zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen sein mag.
343. Kein Dokumentationsmangel liegt vor, soweit es um das Gutachten zu den ausgewählten Schriften der Antragstellerin geht. Zwar hat Prof. Dr. A. seinen Kurzbericht über ausgewählte Schriften der Antragstellerin - anders als die anderen Gutachter zu den übrigen Bewerbern - nicht schriftlich vorgelegt, er hat ihn aber gehalten. Dies ist im Protokoll zur 6. Sitzung der Kommission im Einzelnen niedergelegt. Darin heißt es, die Schriften seien laut A. dezidiert und elaboriert. Frau B. verfolge konsequent die Systemtheorie als theoretischen Zugang. Sie sei ausgewiesen im Bereich qualitativer Forschung. Den Beitrag zur Moral hebe er als höchst interessant und spannend hervor, weil sie damit einem bislang kaum untersuchten Phänomen nachgehe. Sie habe ein klares Modell und es sei erkennbar, dass sich bei ihr eine Schule ausbilde. Mit der Bezugstheorie M. liege eine klare Linie vor. Das Spektrum der inhaltlichen und methodischen Zugänge sei ebenfalls klar eingegrenzt. Insgesamt seien die Schriften hoch anspruchsvoll. Damit ist der Inhalt des Gutachtens hinreichend niedergelegt; die Dokumentation steht im Umfang im Übrigen nicht hinter einigen der schriftlich vorliegenden Gutachten zu anderen Kandidaten zurück. Dementsprechend ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Verletzung der Chancengleichheit dadurch gegeben sein sollte, dass der Kurzbericht nicht in schriftlicher Form vorliegt.
354. Bereits aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beanstandung der Beschwerde (Punkt II.2.a.bb., III. 3. und 4. der Beschwerdebegründung) nicht durchgreift, die Berufungskommission habe es an einer vergleichenden Betrachtung der Bewerber anhand der formulierten Kriterien fehlen lassen und bei der Antragstellerin nur punktuell das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit in den Blick genommen. Ebenso wenig führt es auf einen Rechtsfehler, dass im Anschluss an die Diskussion der einzelnen der A-Kategorie zugeordneten Kandidaten jeweils schon ein vorläufiges Meinungsbild durch Abstimmung eingeholt worden ist, das - so die Beschwerde - schon die endgültige Abstimmung widergespiegelt habe. Auch dieser Vorwurf trifft in der Sache nicht zu. Im Anschluss an jene Diskussion der einzelnen Bewerber, die jeweils mit einer vorläufigen Abstimmung abgeschlossen wurde, ist ausweislich des Protokolls zunächst nochmals eine "kritische Auseinandersetzung" erfolgt; sodann - und damit vor dem Hintergrund ihrer zuvor vorgenommenen Bewertungen - hat die Kommission über die Frage der Listung endgültig abgestimmt, wobei sich das Abstimmungsergebnis gerade für die Antragstellerin allerdings von drei auf zwei Stimmen verschlechtert hat.
36III. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt ferner keine sachfremde Erwägung darin, dass die Berufungskommission ihre Zurücksetzung gegenüber den schließlich gelisteten Bewerbern maßgeblich auf das Kriterium der mangelnden internationalen Sichtbarkeit - kombiniert mit der Kritik an ihrem theoretischen Zugang - gestützt hat. Es fällt in den Kern des oben dargelegten, vor dem Hintergrund der Wissenschaftsfreiheit besonders weiten Beurteilungsspielraums der Berufungskommission, die Stärken und Schwächen der einzelnen Bewerber um eine Professur zu gewichten, wobei die nach Gruppen zusammengesetzte Kommission höchstmöglichen Sachverstand für die Einschätzung der Qualifikation der Bewerber und so eine wissenschaftsadäquate Entscheidungsfindung gewährleisten soll.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2011 - 6 B 1420/10 -, juris Rn. 3 m. w. N.
38Dieser weite Spielraum schließt die Möglichkeit ein, die Eignung eines Kandidaten nur aufgrund angenommener Defizite in einzelnen Bereichen als im Vergleich mit anderen Bewerbern schwächer zu qualifizieren.
39Vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 3. Juli 2018 - 7 C 17.2340 -, juris Rn. 62.
40Gegen die Annahme einer sachfremden Erwägung spricht hier, dass das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit eines der sechs sogenannten "harten" und damit besonders bedeutsamen Kriterien des Anforderungsprofils für die zu besetzende Stelle war. Zu Unrecht macht die Beschwerde auch geltend, zum Zeitpunkt der Listenvergabe habe das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit nicht mehr als Ausschlusskriterium gewichtet werden dürfen, da ja mit der Zuordnung der Antragstellerin zur A-Kategorie in der Sitzung am 30. Januar 2017 festgestellt gewesen sei, dass sie jenes Kriterium prinzipiell erfülle. Aus dem Bericht der Berufungskommission ergibt sich, dass bei den sieben Kandidaten der A-Kategorie angenommen wurde, sie erfüllten die harten Kriterien "in mehr oder weniger ausgeprägtem Maße". Diese Einschätzung hindert es nicht, bei der vergleichenden Bewertung einzelne Eignungsmerkmale bei der Antragstellerin als so gering ausgeprägt anzusehen, dass ihr andere Kandidaten in der Gesamtbetrachtung vorzuziehen sind.
41IV. Die Beschwerde macht nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum mit der Annahme einer Schwäche im Bereich der internationalen Sichtbarkeit im Vergleich mit der Zweitplatzierten Dr. S. sach- bzw. gleichheitswidrig ausgefüllt hätte (Punkt III. 5. der Beschwerdebegründung). Die Beschwerde trägt hierzu vor, für die Zweitplatzierte seien nur zwei englischsprachige Veröffentlichungen in Fachzeitschriften nachgewiesen, während für die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Bewerbung immerhin vier englischsprachige Peer-Review-Artikel vorgelegen hätten, so dass "der Ausschluss der Antragstellerin in diesem frühen Stadium nur als auf sachfremden Erwägungen beruhend angesehen werden" könne.
42Das greift nicht durch. Es fällt in den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin festzulegen, wie das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit verstanden wird, und zu bewerten, ob es daran gemessen bei den jeweiligen Kandidaten nach Art und Umfang im gewünschten Maß gegeben ist. Dem Berufungsvorschlag ist zu entnehmen, dass die Berufungskommission für die Frage der internationalen Sichtbarkeit nicht nur auf die Zahl englischsprachiger Veröffentlichungen, sondern auf weitere Aspekte abgestellt hat, nämlich Vorträge auf internationalen Tagungen, deren Organisation sowie Kooperationen z.B. in Projekten oder zwecks gemeinsamer Veröffentlichungen. Dementsprechend hat sie bezogen auf die Zweitplatzierte ausgeführt, international sichtbar sei diese durch Publikationen, internationale Projekte und Forschungskooperationen mit Wissenschaftlern im Ausland sowie eine Beteiligung an internationalen Konferenzen. Die Vertretbarkeit dieser Einschätzung bestätigt es, dass im vergleichenden Gutachten der externen Gutachterin Prof. Dr. T1. diesbezüglich ausgeführt ist, Frau Dr. S. sei international gut aufgestellt, international sehr gut eingebunden und vernetzt. Sie habe insgesamt 11 Vorträge bei internationalen Tagungen gehalten, sei 2003 an der Organisation und Durchführung einer internationalen Tagung beteiligt, sieben Jahre lang Mitglied in einer internationalen Organisation sowie Mitglied des Herausgeberteams einer internationalen Zeitschrift und schließlich Gutachterin mehrerer internationaler Zeitschriften gewesen. Die Beschwerde reduziert das Kriterium der internationalen Sichtbarkeit demgegenüber auf die Zahl englischsprachiger Veröffentlichungen, die sowohl bei der Antragstellerin als auch bei Frau Dr. S. vergleichsweise gering ist, und setzt ihre allein hieraus abgeleitete Bewertung an die Stelle derjenigen der Kommission, die dazu aber berufen ist.
43V. Entgegen der Auffassung der Beschwerde (Punkt III. 6. der Beschwerdebegründung) hat das Verwaltungsgericht ferner nicht rechtsfehlerhaft die Befangenheit der Kommissionsmitglieder Prof. Dr. H. und Prof. Dr. T. verneint. Diesen sei es nur darum gegangen, eine etwaige Konkurrentin auszuschalten, die "zu viel fordere".
44Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, der gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG NRW bei der Besetzung von Professorenstellen Anwendung findet, ist die Mitwirkung von Personen bei der Auswahlentscheidung unzulässig, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1982 - 2 A 1.79 -, ZBR 1983, 182 = juris Rn. 25.
46Dies ist anzunehmen, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen für die Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden. Das ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Die darin nur angeführte Bemerkung, es sei zu erwarten, dass die Antragstellerin "zu viel fordere", ist nur Prof. Dr. H. zuzuschreiben und zudem nicht ganz richtig zitiert (tatsächlich lediglich: "viel fordere"). Sie steht außerdem im Zusammenhang mit der oben bereits angesprochenen und keineswegs von Vornherein abwegigen Diskussion in mehreren Sitzungen der Berufungskommission darum, ob sich die Inhaberin einer unbefristeten W3-Professur - wie die Antragstellerin - auf die hier ausgeschriebene befristete W2-Professur mit Tenure Track bewerben könne. Es begründet keine Voreingenommenheit, die Auffassung zu vertreten, dass eine solche Ausschreibung eher auf Nachwuchswissenschaftler abzielt als auf bereits etablierte Lehrstuhlinhaber. Dass um diese Problematik in der Kommission eine offenbar intensive Diskussion geführt worden ist, führt demgemäß nicht auf die Befangenheit der Vertreter der unterschiedlichen Positionen. Die mit der Beschwerde hervorgehobene Äußerung des Prof. Dr. H. folgt dessen im Protokoll zur 4. Sitzung der Berufungskommission festgehaltenen Ausführungen, er rufe die strategischen Überlegungen, die im Vorfeld diskutiert worden seien, in Erinnerung, um die Diskussion zu präzisieren. Es sei um die Frage gegangen, was die Abteilung strukturell in die Position investieren könne und wolle. Dies sei einer der Gründe gewesen, weshalb sich diese Stelle von einer großen Ausschreibung heruntertransferiert habe auf eine W1- (gemeint wohl W2-)Professur, weil sich die strukturellen Bedingungen verändert hätten. Im Hintergrund dieser Reserviertheit in der Diskussion stehe nichts Persönliches. Alle kennten die Antragstellerin aus der Zeit in C. und schätzten sie. Sie sei eine sehr geachtete Kollegin. Er mache sich Sorgen, ob eine arrivierte Person für die Abteilung strukturell ein Problem werde, weil sie viel fordere. Im Anschluss einigte sich die Kommission darauf, die Antragstellerin der A-Kategorie zuzuordnen und mithin im Verfahren zu belassen; in der 5. Sitzung wurde einstimmig ein entsprechender Beschluss gefasst. Im Gesamtzusammenhang ergibt sich nichts Hinreichendes für die Annahme einer Befangenheit. Zur behaupteten Voreingenommenheit des Prof. Dr. T. 160; wird mit der Beschwerde nichts weiter dargelegt.
47VI. Erfolglos verweist die Beschwerde schließlich auf das Votum der Gleichstellungsbeauftragten und das Sondervotum der Kommissionsvorsitzenden, welche das Verwaltungsgericht unzureichend ber2;cksichtigt habe (Punkt III. 7. der Beschwerdebegründung). Eine Rechtsfehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung kann sich von Vornherein nicht bereits aus dem Umstand ergeben, dass die Gleichstellungsbeauftragte sowie die Vorsitzende der Kommission ein Sondervotum abgegeben haben. Hierfür hätte die Beschwerde vielmehr darzulegen, dass aus den Ausführungen in den Sondervoten Rechtsmängel der Auswahlentscheidung erkennbar werden. Daran fehlt es. Es ist ohne Belang, dass die Gleichstellungsbeauftragte in ihrer Stellungnahme vom 16. Dezember 2016 die Auffassung vertreten hat, die Einordnung der Antragstellerin in die C-Kategorie sei nicht im Sinne der Bestenauslese. Denn nachdem jene Entscheidung in der Folge rückgängig gemacht und die Antragstellerin der A-Kategorie zugeordnet worden ist, hat die Gleichstellungsbeauftragte mit ihrer weiteren Stellungnahme vom 7. November 2017 ihre Zustimmung zum Verfahren erteilt, ohne die Einwände aufrechtzuerhalten. Auch dazu, weshalb sich aus dem Sondervotum der Vorsitzenden Prof. Dr. D. vom 27. November 2017 das Vorliegen im Rechtssinne sachfremder Erwägungen ergeben soll, legt die Beschwerde nichts Hinreichendes dar. Es reicht dafür nicht aus, dass die Kommissionsvorsitzende die Meinung vertritt, die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin beruhe auf sachfremden Erwägungen. Im Übrigen verleiht Prof. Dr. D. mit dem Sondervotum im Wesentlichen ihrer Ansicht Ausdruck, die Antragstellerin - jedenfalls aber nicht die Beigeladene - sei die bestgeeignete Kandidatin und daher auszuwählen gewesen. Dass insoweit unterschiedliche Auffassungen vertretbar sind, liegt in der Natur der entsprechenden Einschätzung als Akt wertender Erkenntnis, der gerichtlich deshalb nur beschränkt überprüfbar ist.
48Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.
49Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
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