Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 462/20
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16.3.2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 275,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäß gestellten Antrag,
2die aufschiebende Wirkung der Klage 29 K 503/20 (VG Düsseldorf) gegen den Bescheid vom 15.1.2020 anzuordnen,
3im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Duldungsverfügung auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SchfHwG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG und die Androhung unmittelbaren Zwangs auf der Grundlage von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 und 63 VwVG NRW für den Fall der Nichtbefolgung der Duldungsverfügung sich als rechtmäßig erwiesen. Hinsichtlich der Gebührenfestsetzung sei der Antrag unzulässig, weil es insoweit zunächst eines erfolglosen Aussetzungsantrags bei der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bedurft hätte.
4Diese Würdigung wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert.
5Rechtsgrundlage der Duldungsverfügung ist § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 SchfHwG. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG ist jeder Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks oder eines Raums verpflichtet, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger und sonstigen Beauftragten der zuständigen Behörden für die Durchführung der in den §§ 14, 15 und 26 bezeichneten Tätigkeiten sowie von Tätigkeiten, die durch Landesrecht vorgesehen sind, Zutritt zu den Grundstücken und Räumen zu gestatten. Nach § 1 Abs. 4 SchfHwG erlässt die zuständige Behörde unverzüglich eine Duldungsverfügung, sofern ein Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks oder eines Raums 1. den Zutritt zu dem Grundstück oder dem Gebäude entgegen Absatz 3 oder 2. die Durchführung einer Tätigkeit, die auf Grund einer der in Absatz 3 bezeichneten Vorschriften durchzuführen ist, nicht gestattet.
6Vorliegend sollte die in § 14 SchfHwG geregelte Feuerstättenschau durchgeführt werden, die persönlich allein dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger in dem Kehrbezirk, für den er bestellt wird (vgl. § 8 Abs. 1 SchfHwG), obliegt. Hierdurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt werden, dass jeweils für einen räumlich abgegrenzten Bereich ein Verantwortlicher gewährleistet, dass die erforderlichen Arbeiten tatsächlich wahrgenommen werden.
7Vgl. BT-Drs. 16/9237, S. 23.
8Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin als Eigentümerin der Liegenschaft Am G. 0 in L. habe dem zuständigen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger entgegen § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG keinen Zutritt zur Durchführung der Feuerstättenschau nach § 14 SchfHwG gewährt, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert, die zunächst gemachten Angaben über den mehrfachen Versuch des Schornsteinfegers, Termine mit der Antragstellerin abzusprechen, seien von der Antragsgegnerin nicht mehr aufrechterhalten worden.
9Nach § 1 Abs. 4 SchfHwG kommt es für die Rechtmäßigkeit des Erlasses der Duldungsverfügung nicht darauf an, ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger mehrfach versucht hat, Termine mit dem Eigentümer abzusprechen, sondern allein darauf, dass der Eigentümer dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger keinen Zutritt zu seinem Grundstück gewährt.
10So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin hatte dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger mit E-Mail vom 9.12.2019 auf seine Ankündigung zur Durchführung der Feuerstättenschau am 12.12.2019 mitgeteilt, dass sie den Terminvorschlag nicht nachvollziehen könne und ihn bitte, von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Auch nachdem die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Anhörungsschreiben vom 18.12.2019 – wie auch bereits im Februar 2018 – ausdrücklich auf ihre Verpflichtung als Eigentümerin hingewiesen hatte, dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger die Durchführung der Feuerstättenschau zu ermöglichen, hat sie sich nicht darum bemüht, einen Termin für eine Feuerstättenschau zu vereinbaren. Stattdessen hat sie gegenüber der Antragsgegnerin ausgeführt, der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger sei offensichtlich nicht an einer Zusammenarbeit mit ihr interessiert und befangen, weshalb sie um eine Alternative für ihr Objekt bitte. Auch im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hält die Antragstellerin im Übrigen gerade daran fest, dass es ihr aufgrund des Vorverhaltens des nach § 14 SchfHwG für die Feuerstättenschau zuständigen Schornsteinfegers schlicht unmöglich sei, diesen noch einmal in ihr Haus zu lassen. Dieser Einwand greift nicht durch.
11Zum einen kennt die Rechtsordnung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine "institutionelle Befangenheit" einer Behörde. Zum anderen liegt ‒ unter Berücksichtigung der Doppelstellung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers als Behörde und als eine das Schornsteinfegerhandwerk betreibende Person ‒ auch aus gesetzessystematischen Gründen und im Hinblick auf die Regelungsziele des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine unparteiische Amtsausübung nach § 21 VwVfG NRW zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger in § 18 Abs. 1 SchfHwG die Berufspflicht auferlegt, seine Aufgaben und Befugnisse unparteiisch auszuüben. Ein Verstoß kann mit Aufsichtsmaßnahmen, in schweren Fällen mit der Aufhebung der Bestellung geahndet werden. Nach der gesetzlichen Konzeption wird der Problematik unparteiischer Amtsausübung aber nicht durch den Ausschluss des betroffenen bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers aus dem Verwaltungsverfahren, sondern durch mit disziplinarischen Mitteln durchsetzbare Berufspflichten Rechnung getragen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2015 – 7 C 5.14 –, BVerwGE 153, 367 = juris, Rn. 25 f.
13Hier besteht für eine Besorgnis der Befangenheit kein Anlass, soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, dass es Ende des Jahres 2017 mit dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger mehrere Versuche gegeben habe, einen Termin zu vereinbaren und dieser ihr daraufhin den Vorschlag gemacht habe, einen seiner Angestellten anzurufen, damit dieser „gegen ein großzügiges Trinkgeld“ seinen Urlaub unterbrechen und die Arbeiten wahrnehmen solle. Bei den Arbeiten, auf die sich die Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und dem Bezirksschornsteinfeger 2017 bezieht, handelte es sich um die Durchführung der Kehrarbeiten, die – weil sie keine hoheitlichen Kontrollaufgaben beinhalten – im Wettbewerb innerhalb des Schornsteinfegerhandwerks angeboten werden.
14Vgl. BT Drs 16/9237, S. 20.
15Das Risiko, dass diese Kehrarbeiten durchgeführt werden, ordnet das Gesetz grundsätzlich der Sphäre des Eigentümers zu. Auf eine etwaige Weigerung eines Schornsteinfegers, einen Auftrag zu übernehmen oder einen erteilten Auftrag fristgerecht auszuführen, kann sich der Eigentümer bei dieser Rechtslage jedenfalls so lange nicht berufen, wie er nicht geltend machen kann, alles ihm Zumutbare unternommen zu haben, die notwendigen Arbeiten fristgerecht, notfalls aber auch nachträglich und durch einen anderen im Schornsteinfegerregister ‒ das gemäß § 3 SchfHwG beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle geführt wird und für L. zahlreiche weitere Schornsteinfegerbetriebe nachweist ‒ eingetragenen Schornsteinfegerbetrieb durchführen zu lassen.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.2.2016 – 4 B 1274/15 ‒, GewArch 2016, 310 = juris, Rn. 9 ff., m. w. N.
17Ein gesetzes- oder treuwidriges Verhalten des bevollmächtigten Schornsteinfegers ist der Korrespondenz 2017 in diesem Zusammenhang nicht zu entnehmen.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat geht davon aus, dass die Bedeutung einer Klage gegen die auferlegte Duldung einer Feuerstättenschau für den Betroffenen in gleicher Höhe wie diejenige gegen einen Feuerstättenbescheid zu bemessen ist.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2018 – 4 B 286/18 –, juris, Rn. 11, m. w. N.
21Letztere ist nach § 14b SchfHwG mit einem Streitwert von 500,00 Euro gesetzlich festgelegt. Dieser Wert ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen seiner Vorläufigkeit nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
22NVwZ 2013, Beilage 2/2013, 57 ff.,
23zu halbieren. Daneben ist die denselben Gegenstand betreffende Festsetzung des unmittelbaren Zwangs nicht gesondert zu berücksichtigen. Die Höhe der festgesetzten Gebühren (100 Euro) hat das Verwaltungsgericht nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zutreffend im Eilverfahren mit einem Viertel berücksichtigt.
24Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
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Referenzen
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- VwGO § 152 1x
- VwGO § 80 1x
- 4 B 286/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- SchfHwG § 14 Feuerstättenschau 1x
- VwGO § 146 1x
- SchfHwG § 1 Eigentümerpflichten; Verordnungsermächtigungen 6x
- SchfHwG § 3 Schornsteinfegerregister 1x
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