Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 3 A 1059/15
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger steht als Finanzbeamter in Diensten des Beklagten. Im Streitjahr 2010 wurde er nach der Besoldungsgruppe A 13 gD besoldet. Er ist Vater dreier Kinder, geboren am x1. Juli 1995, am x2. März 1998 und am x3. Januar 2000, für die er im Jahre 2010 kindergeldberechtigt war.
3Mit Schreiben vom 30. November 2010 stellte der Kläger beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) den Antrag, ihm für die Jahre ab 2010 einen höheren kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag zu zahlen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe entschieden, dass Beamten mit drei oder mehr Kindern pro Kind monatlich (mindestens) ein Betrag i. H. v. 115 % des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zur Verfügung stehen müsse. Durch den ihm im Jahre 2010 gewährten Familienzuschlag werde dies nicht erreicht. Ursachen dafür seien die steuerliche Belastung und die existenziell notwendige Basiskranken- und -pflegeversicherung. In seine Berechnungen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs stellte der Kläger auch einen Zuschuss von 100,00 € jährlich für Schulbedarf ein. Er ermittelte einen nachzuzahlenden Nettobetrag für das Jahr 2010 i. H. v. 279,92 €.
4Mit Bescheid vom 4. März 2013 lehnte das LBV den Antrag ab. Die Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder seien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG ab dem 1. Januar 2007 pauschal um 50,00 € pro Monat angehoben und fortlaufend angepasst worden. Die Pauschalierung sei zulässig. Auch im Vergleich zu einer „Spitzabrechnung“ werde die amtsangemessene Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle sichergestellt. Lediglich in den obersten Besoldungsgruppen könne sich dem Sinn und Zweck einer Pauschalierung entsprechend betragsmäßig eine geringfügige Abweichung ergeben. Eine weitergehende Anpassung würde dazu führen, dass der höchstrichterlich festgelegte Richtwert der Alimentation für dritte und weitere Kinder insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen in einer nicht mehr vertretbaren Höhe überschritten würde. Der Familienzuschlag sei kindbezogen und werde für Kinder von Bezügeempfängern unterschiedlicher Besoldungsgruppen in gleicher Höhe gezahlt.
5Hiergegen erhob der Kläger unter dem 7. März 2013 Widerspruch. Dem angefochtenen Bescheid lasse sich kein rechnerisches Nachvollziehen der Rechtsprechung des BVerfG entnehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2013 wies das LBV den Widerspruch zurück.
6Der Kläger hat am 23. April 2013 Klage mit der Begründung erhoben, die Größe seines Personalkörpers entbinde den Beklagten nicht von einer individuellen Prüfung der Besoldung des Klägers nach den Vorgaben des BVerfG. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf sei nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage zu ermitteln und umfasse insbesondere Leistungen zur Bildung und Teilhabe sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
7Der Kläger hatte ursprünglich schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
8den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2010 einen Betrag i. H. v. netto 279,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen.
9Aufgrund mehrerer Neuberechnungen und nachdem der Beklagte die Differenz im Nettoeinkommen des Klägers durch das dritte Kind im Jahr 2010 mit 415,90 € monatlich ermittelt hatte, hat der Kläger davon ausgehend seine Unteralimentation für das Jahr 2010 mit netto 329,64 € angegeben.
10Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Selbst wenn bei der Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs sonstige Positionen einbezogen würden, ergebe sich keine Unteralimentation. Kosten der Unterkunft und Heizung seien nicht in den sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf einzustellen. Dies ergebe sich aus § 27a Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
13Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. August 2016 zugelassenen Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Verwaltungsgericht habe erstinstanzlich fehlerhaft den Klageantrag auf den Betrag von 306,29 € beziffert. Zur Auslegung des Klagebegehrens hätte es vielmehr die für das Kalenderjahr 2010 bezifferte Unteralimentation in Höhe von insgesamt netto 329,64 € zugrunde legen müssen. Der von ihm ausgerechnete sozialhilferechtliche monatliche Gesamtbedarf i. H. v. 439,24 € (Januar bis Juni) bzw. 447,50 € (Juli bis Dezember) ergebe sich wie folgt: Durchschnittlicher Regelsatz 269,00 €, Wohnung (11 m² zu 6,46 €) 71,06 €, Zuschlag für Heizung (20 % der Kaltmiete) 14,21 €, Basiskranken- und ‑pflegeversicherung 27,68 (Januar bis Juni) bzw. 34,86 € (Juli bis Dezember). Maßgeblich seien laut BVerfG hiervon 115 %. Die Kosten der Unterkunft und Heizung könnten für jedes Jahr nur aufgrund derjenigen Berechnungsgrundlagen ermittelt werden, die im Streitjahr aktuell vorlägen. Maßgebend sei immer die im Streitjahr aktuell vorliegende letzte Wohngeldstatistik bzw. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS).). Zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zähle auch das Schulbedarfspaket gemäß § 28a SGB XII in Höhe von 100 € jährlich, mithin 8,33 € im Monat.
14Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren zunächst weiter von einer Unteralimentation i. H. v. 329,64 € ausgegangen war, hat er zuletzt beantragt,
15das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, ihm für das Jahr 2010 einen Nettobetrag in Höhe von 358,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen.
16Der Beklagte hat beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe zur Alimentation kinderreicher Beamter seien zwar grundsätzlich nach wie vor heranzuziehen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand seien jedoch immer mehr Parameter aus dieser Berechnungsmethode aufgrund von Änderungen besoldungsrelevanter Gesetze und veränderter Tatsachengrundlage nicht mehr unmittelbar anwendbar, sondern müssten fortentwickelt werden. Eine solche Fortentwicklung sei im Hinblick auf die erfolgten Neuregelungen des Sozialhilferechts im SGB XII vorzunehmen. Beträge zur Kranken- oder Pflegeversicherung seien hingegen nicht in Ansatz zu bringen. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf des dritten Kindes betrage 330,00 € monatlich: 247,00 € durchschnittlicher gewichteter Regelbedarf, 70,00 € Unterkunftskosten sowie 13,00 € durchschnittliche Heizkosten. Der vom BVerfG vorgenommene pauschalierte Zuschlag von 20 % des Regelsatzes für einmalige Leistungen gelte für das Jahr 2010 nicht mehr. Die einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt seien nach den 2005 neugefassten sozialhilferechtlichen Regelungen fast vollständig in die deutlich angehobenen Regelsätze eingearbeitet worden. Bei den monatlichen Unterkunftskosten sei für ein Kind ein Wohnflächenanteil von 12 m² zu je 5,78 € im Monat als angemessen anzusehen. Für die Heizkosten seien 19 % hiervon anzusetzen. Die Mindestalimentation betrage danach 379,50 € (330,00 € × 115 %). Der ermittelte Differenzbetrag zwischen der Alimentation eines Beamten mit zwei Kindern und eines Beamten mit drei Kindern überschreite die Mindestalimentation. Eine Auszehrung der familienneutralen Gehaltsbestandteile des Klägers wegen des Unterhalts für sein drittes Kind finde damit nicht statt.
19Mit Urteil vom 7. Juni 2017 hat der Senat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 verurteilt, dem Kläger für das Jahr 2010 einen Nettobetrag in Höhe von 358,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat er ausgeführt:
20Es liege keine unzulässige Klageerweiterung oder teilweise Klagerücknahme vor. Der Kläger sei nicht gehalten gewesen, seinen Klageantrag betragsmäßig zu konkretisieren. Kläger dürften es bei unbezifferten Klageanträgen belassen, wenn sie Ansprüche auf höhere Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder nach Maßgabe des Beschlusses des BVerfG vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, geltend machten. Der Kläger habe ungeachtet eigener Angaben von Beträgen stets verdeutlicht, die konkrete Berechnung sei Sache des Beklagten.
21Die Klage sei begründet. Dem Kläger stehe hinsichtlich des Jahres 2010 ein Anspruch auf Zahlung weiterer Familienzuschläge in der ausgeurteilten Höhe zu. Dieser Anspruch ergebe sich unmittelbar aus der Vollstreckungsanordnung des BVerfG nach § 35 BVerfGG im Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –.
22Hiernach hätten Besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes. Die Rechtsfolge sei in den Gründen so präzisiert, dass der konkrete Nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten Verhältnissen des Einzelfalls berechnet werden könne. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, diese Beträge von sich aus zu gewähren. Auf der Vollstreckungsanordnung beruhe auch die weitere Befugnis der Verwaltungsgerichte, auf der Grundlage dieser Vorgaben zusätzliche Besoldungsanteile über das einfache Gesetz hinaus zu berechnen und in einem Leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen.
23I. Die Vollstreckungsanordnung sei weiterhin anwendbar und nicht erledigt.
241. Der Gesetzgeber habe nicht abweichende Maßstäbe gebildet und Parameter festgelegt, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten bemessen und der Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes ermittelt wird. Vielmehr ergebe sich aus den Ausführungen des LBV im angefochtenen Bescheid, dass die amtsangemessene Alimentation von Beamten mit mehr als zwei Kindern gerade unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG erfolgen solle. Dies habe auch der pauschalen Erhöhung des Familienzuschlags in Nordrhein-Westfalen um monatlich 50,00 € für dritte und weitere Kinder zum 1. Januar 2007 zugrunde gelegen,
25vgl. LT-Drs. 14/5198, S. 32,
26der anschließend nur noch entsprechend der allgemeinen Besoldungsanpassungen fortgeschrieben worden sei. Der Beschluss des BVerfG vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, biete keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der berechnete Betrag könne für bestimmte Besoldungsgruppen unterschritten werden. Die dem jeweiligen Amt angemessene Mindestalimentation stehe auch Beamten in höheren Besoldungsgruppen ungeschmälert zu.
272. Die für die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts maßgeblichen Berechnungsgrundlagen hätten sich ferner nicht derart geändert, dass sie nicht mehr oder nicht mehr sinnvoll angewendet werden könne. Die Vollstreckungsanordnung sei ab 2005 nicht infolge von Änderungen der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen im Zuge der Neuregelung des Sozialhilferechts im SGB XII, das an die Stelle des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) getreten sei, gegenstandslos geworden. Auch für die Jahre ab 2009 sei sie trotz Änderungen im Sozialhilferecht hinsichtlich Leistungen für Bildung und Teilhabe sowie der Übernahme von privaten Kranken- und Pflegeversicherungskosten weiterhin sinn-voll anwendbar.
28II. Bei strikter Anwendung der in ihr in Bezug genommenen Berechnungsmethode, zu deren Modifikation nur der Gesetzgeber oder das BVerfG selbst befugt wären, ergebe sich der ausgeurteilte Nachzahlungsbetrag.
291. Die Differenz zwischen dem Nettoeinkommen, das ein Beamter derselben Besoldungsgruppe wie der Kläger mit zwei Kindern erziele und demjenigen, das er mit drei Kindern habe, belaufe sich nach den vom BVerfG im Beschluss vom 24. November.1998 vorgegebenen Maßstäben für das Jahr 2010 unstrittig auf 415,90 € monatlich. Auch der Senat halte die dazu im erstinstanzlichen Verfahren übersandte Berechnung des LBV für zutreffend.
302. Dieser Betrag liege um monatlich 29,85 € (für das Jahr 2010 insgesamt um 358,20 €) unterhalb des um 15 % erhöhten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs („15 v. H.-Betrag“), den ein Beamter für sein drittes Kind von seinem Dienstherrn mindestens habe beanspruchen können. Dieser Betrag habe sich auf 115 % von 387,61 €, also 445,75 € belaufen.
313. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für dritte (und weitere) Kinder habe für das Jahr 2010 monatlich 387,61 € betragen.
32Grundlage der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs sei nach den Vorgaben des BVerfG der Durchschnittsregelsatz nach § 22 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für das bisherige (alte) Bundesgebiet. Hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher Zuschlag von 20 % zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm pro Kind. Zugrunde zu legen sei insoweit die vom Statistischen Bundesamt in der so genannten 1 %-Gebäude- und Wohnungsstichprobe 1993 ermittelte Durchschnittsmiete in den alten Bundesländern von 9,53 DM je qm, die anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. Schließlich seien die Energiekosten für ein Kind mit 20 % der Kaltmiete zu berücksichtigen.
33Die Parameter dieser 1998 entwickelten Berechnungsmethode seien zum Teil aufgrund von Änderungen besoldungserheblicher Gesetze und veränderter Tatsachengrundlagen im Lichte der Entscheidung fortzuentwickeln. Dies zugrunde gelegt beliefen sich die einzelnen Summanden des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für das dritte Kind im Jahr 2010 auf 247,00 € (Durchschnittsregelsatz), 49,40 € (20 %-Zuschlag zum Regelsatz), 76,01 € (Kosten der Unterkunft) und 15,20 € (Heizkostenzuschlag), deren Summe betrage 387,61 €.
34a) Einer Fortentwicklung bedürfe es insbesondere im Hinblick auf die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neuregelung des Sozialhilferechts (früher BSHG) im SGB XII. Der Regelsatz sei nunmehr den dortigen Regelungen zu entnehmen. Bei Bildung eines gewichteten Durchschnittswertes über die in der Regelsatzverordnung vorgesehenen Altersgruppen ergebe sich ein Monatsbetrag von 247,00 €.
35b) Ausgehend von diesem durchschnittlichen Regelsatz belaufe sich der vorzunehmende Zuschlag in Höhe von 20 % auf monatlich 49,40 €. Hinsichtlich dieses Berechnungsparameters zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt sei für das Jahr 2010 keine Fortentwicklung erforderlich.
36Der Zuschlag sei für das streitgegenständliche Jahr nicht aufgrund Konsumtion durch den Regelsatz entfallen. Auch wenn nach den 2005 neu gefassten sozialhilferechtlichen Regelungen für volljährige Hilfebedürftige die früheren „einmaligen Leistungen“ zunächst nahezu vollständig in die deutlich angehobenen Regelsätze eingearbeitet worden sein sollten, treffe dies für Kinder und Jugendliche im Jahr 2010 nicht (mehr) zu. Für diese seien über den Wechsel vom BSHG zum SGB XII hinaus einmalige Leistungen vorgesehen für „Erstausstattung bei Geburt“, „Erstausstattungen für die Wohnung“ und „mehrtägige Klassenfahrten“. Mit Wirkung zum 1. Januar 2009 sei zudem für jedes Schuljahr eine zusätzliche Leistung in Höhe von 100,00 € vorgesehen.
37Der Zuschlag in der vom BVerfG vorgesehenen Höhe führe nicht zu einer wegen Verstoßes gegen den Alimentationsgrundsatz verfassungswidrigen Leistung. Der sich für den Zuschlag ergebende monatliche Betrag in Höhe von 49,40 € sei weder deutlich überhöht noch eklatant unzureichend, um in Zusammenschau mit den übrigen Berechnungsparametern den für das BVerfG maßstabsbildenden sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf ordnungsgemäß abzubilden.
38Zusätzlich zum Betrag in Höhe von 100,00 € für jedes Schuljahr seien auch die übrigen genannten Bedarfe nach ihrer Häufigkeit gewichtet pauschaliert abzudecken. Die Größenordnung des 20 %-igen Zuschlages erscheine auch noch vor dem Hintergrund vertretbar, dass anders als 1998 private Kranken- und Pflegeversicherungskosten seit 1. Januar 2009 zwingend in angemessenem Umfang zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zählten, § 32 Abs. 5 Sätze 1 und 4 SGB XII. Verbesserungen im Beihilfebereich für die ganze Familie, die etwaige Mehrkosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung durch das dritte Kind ausgleichen könnten, gebe es in Nordrhein-Westfalen seit 1993 nicht mehr. Die Begründung eines eigenständigen Berechnungsparameters der Bedarfsberechnung für private Kranken- und Pflegeversicherungskosten oder die diesbezügliche Modifizierung der Nettoeinkommensberechnung sei dem Senat, der lediglich die Vollstreckungsanordnung anwende, verwehrt.
39c) Hinzuzurechnen sei des Weiteren ein Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm für das Kind. In Bezug auf die Bruttokaltmiete pro qm sei eine Fortschreibung der Parameter der Vollstreckungsanordnung erforderlich. Die durchschnittliche Bruttokaltmiete pro Monat in den alten Ländern im Jahr 2009 habe sich auf 6,83 € je qm belaufen. Im Jahr 2010 seien die Nettokaltmieten um 1,2 % gestiegen. Diese Werte könnten auch für die Bruttokaltmiete angesetzt werden. Das Elffache der hieraus für 2010 resultierenden monatlichen Bruttokaltmiete je qm von 6,91 € betrage 76,01 € pro Monat.
40d) Der Zuschlag von 20 % der anteiligen Durchschnittsmiete (durchschnittlichen Bruttokaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Heizkosten belaufe sich demzufolge auf 15,20 € pro Monat. Auch hinsichtlich dieses Prozentsatzes sei die Berechnungsvorgabe des BVerfG bindend.
41Auf die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –, juris, das Urteil des Senats vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
42Die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 24. November 1998 sei auch für das Jahr 2009 maßgeblich. Auch in Anbetracht der zum 1. Januar 2005 eingetretenen Änderungen im Recht der sozialen Grundsicherung und der nachfolgenden weiteren gesetzlichen Änderungen seien keine substantiell so wesentlichen Änderungen der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen für die Vollstreckungsanordnung eingetreten, dass diese bezogen auf das Jahr 2010 nicht mehr angewandt werden könnte. Auf Grundlage dieser Vollstreckungsanordnung seien die Gerichte befugt, den Dienstherrn zur Gewährung zusätzlicher Besoldungsbestandteile für Beamte mit mehr als zwei Kindern zu verurteilen.
43Der errechnete durchschnittliche Regelsatz sei allerdings nicht – mehr – um einen durchschnittlichen Zuschlag von 20 v.H. zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt zu ergänzen. Die bis zum 31. Dezember 2004 in § 21 Abs. 1a BSHG normierten einmaligen Leistungen zum Lebensunterhalt seien in die ab dem Jahr 2005 geltenden, deutlich angehobenen und nunmehr bundeseinheitlichen Regelbedarfssätze im Sozialgesetzbuch Zweites Buch und Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch eingearbeitet worden. Diese neuen Regelsätze konsumierten den bisherigen Zuschlag von 20 v.H., der ausschließlich der Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz gedient habe. Die Beibehaltung des Zuschlags könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass seit dem 1. Januar 2009 die privaten Kranken- und Pflegeversicherungskosten zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zählten.
44Im Übrigen bestünden gegen die vom Senat bei seiner Berechnung für das Jahr 2010 angesetzten Beträge keine Bedenken.
45Bei der Ermittlung, ob die einem Beamten für sein drittes Kind gewährten Zuschläge den Abstand von 15 v.H. zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau einhielten, seien von den Nettobezügen die Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankheitskostenversicherung für das dritte Kind abzuziehen. Diese zählten zu den Unterhaltspflichten des Beamten, die der Gesetzgeber bei der Leistung amtsangemessenen Unterhalts gemäß Art. 33 Abs. 5 GG realitätsgerecht zu berücksichtigen habe. Diese Kosten habe der Beamte im Gegensatz zu Empfängern von Leistungen der Grundsicherung selbst zu tragen. Dieser Abzug von den Nettobezügen sei mit der Vollstreckungsanordnung des BVerfG vom 24. November 1998 vereinbar.
46Ob sich das der Klage stattgebende Urteil des Senats aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweise, könne das Bundesverwaltungsgericht nicht entscheiden. Die Sache sei zurückzuverweisen, damit der Senat die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu den durchschnittlichen Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankenkostenversicherung für ein drittes Kind eines beihilfeberechtigten Beamten treffen könne.
47Im fortgeführten Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht: Der Senat habe seiner Entscheidung im ersten Berufungsverfahren eine unter den Beteiligten unstrittige Netto-Einkommensdifferenz von 415,90 € zugrunde gelegt. Mittlerweile habe das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. – Grundsätze für die Ermittlung der Netto-Einkommensdifferenz aufgestellt, die von denen in der Vollstreckungsanordnung abwichen. Hiernach seien die Kirchensteuer nicht mehr zu berücksichtigen und die Netto-Einkommensdifferenz um die Kosten der Krankenversicherung des dritten Kindes zu mindern. Für letztere habe der Verband der privaten Krankenversicherungen e.V. in Köln – PKV – für 2010 dem Senat im Streitfall einen Monatsbetrag von 32,54 € genannt. Unter Berücksichtigung dessen errechne sich eine Netto-Einkommensdifferenz von 377,60 €.
48Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Beschluss ferner neue Grundsätze für die Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs entwickelt. Wegen der Einzelheiten wird insofern auf den Schriftsatz vom 18. September 2020 – S. 4 f. – verwiesen. Diese Ansätze führten zu einem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf in Höhe von 407,35 €, 115 v.H. hiervon beliefen sich auf 468,45 €.Unter Berücksichtigung dieser Änderungen in den Berechnungsansätzen errechne sich eine monatliche Unteralimentation in Höhe von 90,85 €, die sich zu einem Jahresbetrag von 1.090,20 € aufsummiere.
49Sofern im Streitfall der Entscheidung die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zugrunde zu legen sein sollte, errechne sich unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht im zurückweisenden Urteil aufgestellten Maßgaben eine Unteralimentation in Höhe von monatlich 11,96 € und damit 143,52 € im Jahr.
50Der Abzug der Kostendämpfungspauschale von den Nettobezügen sei durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. – nicht gedeckt. Hiernach seien nur die Kosten der Krankenversicherung in Abzug zu bringen. Beihilfeleistungen habe das Bundesverfassungsgericht nicht unter den Begriff Kosten der Krankenversicherung subsumiert und nicht bei der Ermittlung der Höhe der Unteralimentation eingerechnet. Dem schließe er sich an. Die Kostendämpfungspauschale werde auch nur einbehalten, wenn Beihilfeleistungen erbracht würden. Die vom Beklagten vorgelegten Berechnungen der Jahresnettoalimentation für Beamte seiner Gehaltsgruppe im Jahr 2010 würden mit Ausnahme der Höhe der für Kinder zu berücksichtigenden Krankenversicherungskosten und der Berücksichtigung der Kostendämpfungspauschale unstreitig gestellt.
51Der Kläger beantragt,
52das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. März 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger für das Jahr 2010 einen Nettobetrag i.H.v. 143,52 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. April 2013 zu zahlen.
53Der Beklagte beantragt,
54die Berufung zurückzuweisen.
55Er macht geltend: Das Bundesverwaltungsgericht habe im zurückverweisenden Urteil ausgesprochen, dass der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf im Jahr 2010 nach den im Urteil aufgestellten Maßgaben auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung zu ermitteln sei. Die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 4. Mai 2020 zur Alimentation kinderreicher Familien in NRW entwickelten Anpassungen und Modifikationen der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs seien danach im Streitfall nicht zu berücksichtigen. Hieraus ergebe sich ein monatlicher sozialhilferechtlicher Gesamtbedarf von 343,76 €, das 1,15-fache hiervon betrage 395,32 €.
56Weiter habe das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass von dem der Mindestalimentation gegenüber zu stellenden Nettodifferenzbetrag die Krankenversicherungskosten für das dritte Kind abzuziehen seien. Dem stehe die Vollstreckungsanordnung nicht entgegen, weil deren Vorgaben sich lediglich auf die Bestimmung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs bezögen. Die Krankenversicherungskosten beträfen demgegenüber das verfügbare Nettoeinkommen. Da die Weitergeltung der Vollstreckungsanordnung sich demzufolge lediglich auf die Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs, nicht hingegen auf die Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens beziehe, seien mit Bezug auf letzteres die Konkretisierungen und Modifizierungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur Amtsangemessenheit der Besoldung kinderreicher Richter in NRW in den Jahren 2013 bis 2015 einerseits (– 2 BvL 6/17 u.a. –) und zur (Richter-)Alimentation von 2-Kind-Familien in Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 (– 2 BvL 4/18 –) andererseits aufgestellt habe, auch im Streitfall zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der vom BVerfG vorgenommenen Modifikationen bei der Berechnung der Einkommensdifferenz errechne sich diese auf monatlich 395,74 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 24. September 2020, S. 3 f. nebst Anlage verwiesen. Insbesondere sind hierin berücksichtigt ein Wegfall des Abzugs von Kirchensteuer, ein Abzug von Krankenversicherungskosten sowie ein Abzug der Kostendämpfungspauschale. Dieser Betrag liege um 0,42 € über 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs.
57Sofern man die Krankenversicherungskosten für Kinder in die Berechnung einstelle, die sich aus den vom Senat im Streitfall eingeholten Auskünften ergebe, bleibe die Nettoeinkommensdifferenz um 3,73 € hinter dem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zurück. Er halte jedoch an seiner ursprünglichen Berechnung fest.
58Der Senat hat beim PKV Auskünfte eingeholt über die Höhe der durchschnittlichen Kosten einer dem Beihilfesatz angepassten Krankenkostenversicherung für ein drittes Kind eines beihilfeberechtigten Beamten sowie die Kosten einer derartigen Versicherung im beihilfeadäquaten Basistarif im Jahr 2010. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung des Senats vom 8. Mai 2019 sowie die Schreiben des Verbandes der privaten Krankenversicherungen vom 21. Januar 2020 sowie vom 10. September 2020 verwiesen.
59Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
60Entscheidungsgründe:
61Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
62A. Aus den im Urteil des Senats vom 7. Juni 2017 genannten Gründen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 – unbeanstandet gelassen hat, an denen der Senat festhält und auf die er verweist, liegt ungeachtet der unterschiedlichen Bezifferungen der für richtig gehaltenen zusätzlichen Alimentation durch den Kläger im Laufe des Verfahrens keine unzulässige Klageerweiterung oder teilweise Klagerücknahme vor.
63B. Dem Kläger steht hinsichtlich des Jahres 2010 kein Anspruch auf Zahlung weiterer Familienzuschläge zu.
64I. Als Rechtsgrundlage für die Gewährung über die gesetzlich geregelten Ansprüche hinausgehender (vgl. § 2 Abs. 1 BBesG) Besoldungsleistungen kommt allein die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts nach § 35 BVerfGG im Beschluss vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, Entscheidungsformel zu 2., zweiter Teil, juris, (im Folgenden: Vollstreckungsanordnung) in Betracht.
65Danach haben Besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßgabe der Gründe zu C. III. 3. errechnet. Die Rechtsfolge ist in den Gründen zu C. III. 3. (a. a. O., juris, Rn. 57 ff.) in Form von Berechnungsvorgaben so präzisiert, dass der konkrete Nachzahlungsbetrag abhängig von den tatbestandsrelevanten Verhältnissen des Einzelfalls (im Wesentlichen der Besoldungsgruppe und der Zahl der Kinder) grundsätzlich ohne weiteres – mit Ausnahme gewisser Unschärfen bei den sonstigen Eingangsdaten – berechnet werden kann. Auf der Vollstreckungsanordnung beruht auch die weitere Befugnis der Verwaltungsgerichte, auf der Grundlage dieser Vorgaben zusätzliche Besoldungsanteile über das einfache Gesetz hinaus zu berechnen und in einem Leistungsurteil unmittelbar zuzusprechen.
66Die Vollstreckungsanordnung ist weiterhin anwendbar und nicht erledigt. Das ergibt sich für das vorliegende Verfahren bereits aus der Bindungswirkung, die dem zurückverweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 – gemäß § 144 Abs. 6 VwGO zukommt. Hiernach hat der Senat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Diese Bindungswirkung umfasst die für die aufhebende Entscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren.
67BVerwG, Beschlüsse vom 14.07.2020 – 2 B 23.20 –, juris Rn. 8, und vom 29.04.2019 – 2 B 25.18 –, juris Rn. 9, 13 = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 83, m. w. N.
68Die zurückverweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beruht unter anderem darauf, dass die Klage nicht von vornherein abzuweisen ist, ohne dass es weiterer tatsächlicher Feststellungen des Senats bedürfte. Dies wäre indes der Fall gewesen, wenn die Vollstreckungsanordnung für das Streitjahr 2010 nicht mehr anwendbar, sondern erledigt wäre. Demzufolge steht für den Streitfall mit Bindungswirkung für den Senat fest, dass dies nicht der Fall ist. Daher kann dahinstehen, ob sich möglicherweise aus der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Besoldung von kinderreichen Richtern und Staatsanwälten in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 bis 2015 im Beschluss vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris, Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung ergeben. Derartiges käme aus Sicht des Senats etwa in Betracht hinsichtlich der Notwendigkeit, bei der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation von Beamten mit drei (und mehr) Kindern in Anlehnung an den sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf möglicherweise auch einmalige Beihilfen, die Grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den Regelsätzen gewährt werden, zu berücksichtigen.
69Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. -, juris Rn. 55 ff., 78 f.
70II. Bei strikter Anwendung der in der Vollstreckungsanordnung festgelegten Berechnungsmethode ergibt sich, dass dem Kläger wegen seines Rechts auf verfassungsgemäße Alimentation im Hinblick auf den Bedarf seines dritten Kindes im Jahr 2010 kein Anspruch auf über die bereits ausgezahlte Besoldung hinausgehende Zahlungen zusteht.
711. Für die Ermittlung, ob die Besoldung eines Beamten mit mehr als zwei Kindern den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt, den zusätzlichen Bedarf, der ihm für sein drittes und weitere Kinder entsteht, zu decken, ohne ihm zuzumuten, für deren Unterhalt auf die familienneutrale Bestandteile seines Gehalts zurückzugreifen –
72vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 39, 55 –,
73ist nach den Berechnungsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 (unter C. III. 3, juris, Rn. 57 f.) vom sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für ein Kind auszugehen. Dieser ist um einen Betrag von 15 v.H. zu erhöhen, um den verfassungsgebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs und dem dem Beamten (und seiner Familie) geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden zu lassen.
74Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 57.
75Dieser durch die zusätzliche Alimentation für einen Beamten mit mehr als zwei Kindern zu deckende Betrag in Höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für ein (drittes) Kind – vom Bundesverfassungsgericht als "15 v.H.-Betrag" bezeichnet –
76vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 59 –
77belief sich im Jahre 2010 auf (338,21 € x 1,15 =) 388,94 €.
782. Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für dritte und weitere Kinder betrug für das Jahr 2010 monatlich 338,21 €.
79Für seine Berechnung hat das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen vorgegeben, dass sich dieser zunächst durch Bildung eines Durchschnittsregelsatzes nach § 22 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) für das bisherige (alte) Bundesgebiet ergebe. Hinzuzurechnen sei ein durchschnittlicher Zuschlag von 20 % zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm pro Kind. Zugrunde zu legen sei insoweit die vom Statistischen Bundesamt in der so genannten 1 %-Gebäude- und Wohnungsstichprobe 1993 ermittelte Durchschnittsmiete in den alten Bundesländern von 9,53 DM je qm, die anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes zurückgerechnet und fortgeschrieben worden sei. Schließlich seien die Energiekosten für ein Kind mit 20 % der Kaltmiete zu berücksichtigen.
80Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 58.
81Mit zunehmendem zeitlichen Abstand können immer mehr Parameter dieser 1998 entwickelten Berechnungsmethode aufgrund von Änderungen besoldungserheblicher Gesetze und veränderter Tatsachengrundlagen nicht mehr unmittelbar angewandt werden, sondern müssen im Lichte der Entscheidung fortentwickelt werden.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.05.2010 – 2 C 10.10 –, juris Rn. 17 m. w. N.
83Die einzelnen Summanden des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs (338,21 €) für das dritte und weitere Kinder im Jahr 2010 belaufen sich auf 247,00 € (Durchschnittsregelsatz, s. u. a]), 76,01 € (Kosten der Unterkunft, s. u. b]) und 15,20 € (Heizkostenzuschlag, s. u. c]); der in der Vollstreckungsanordnung noch vorgesehene 20-%-Zuschlag zum Regelsatz ist nicht in die Berechnung einzustellen, s. u. d). Auch die Kosten für die Deckung weiterer Bedarfe, insbesondere eines zusätzlichen Bedarfs für schulbezogene Aufwendungen, können in die Berechnung nicht eingestellt werden, s.u. e).
84a) Einer Fortentwicklung bedarf es insbesondere im Hinblick auf die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neuregelung des Sozialhilferechts (früher BSHG) im SGB XII. Der Regelsatz ist nunmehr den dortigen Regelungen zu entnehmen.
85Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris Rn. 61 ff.
86Stattdessen auf das Erwerbsfähige betreffende – mithin grundsätzlich ebenfalls erwerbsfähigen Besoldungsempfängern eventuell näherstehende – gänzlich neugeschaffene Referenzsystem des SGB II abzustellen, überschritte den Rahmen einer bloßen Fortschreibung der Vollstreckungsanordnung und bliebe dem Bundesverfassungsgerichts vorbehalten. Dessen Befassung ist aber wegen des praktischen Gleichlaufs der Leistungshöhen in SGB II und XII nicht geboten. Im Streitfall verbietet sie sich zudem wegen der Bindungswirkung des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –.
87In Nordrhein-Westfalen war der Regelsatz für die Zeit ab dem 1. Juli 2009, mithin auch für das Jahr 2010, in verschiedenen Bedarfsstufen in der Verordnung über die Regelsätze der Sozialhilfe vom 9. Juni 2009 (GV. NRW. 2009, S. 335) geregelt: 215,00 € monatlich bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, 251,00 € monatlich vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und 287,00 € monatlich vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Dies entspricht der damaligen Regelsatzhöhe in den übrigen westlichen Bundesländern.
88Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris Rn. 105 f.
89Es ist ein Durchschnittswert über alle (zwei bzw. drei) Altersgruppen zu bilden, wobei eine Gewichtung nach der Zahl der von der jeweiligen Altersgruppe umfassten Lebensjahre zu erfolgen hat.
90Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris Rn. 103.
91Dies ergibt monatlich gerundet 247,00 € ([6 x 215 + 8 x 251 + 4 x 287] / 18).
92b) Hinzuzurechnen ist ein Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm für das Kind. Anders als die Beteiligten meinen, sind insofern nicht 12 qm anzusetzen. Der Wert von 11 qm pro Kind ist in der Vollstreckungsanordnung bindend vorgegeben.
93Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 58; BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19, 20.
94Eine Fortschreibung der Parameter der Vollstreckungsanordnung ist mithin lediglich in Bezug auf die Bruttokaltmiete pro qm erforderlich. Im Jahr 2009 betrug die durchschnittliche monatliche Bruttokaltmiete pro Quadratmeter in den alten Ländern 6,83 €.
95Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2010, BT-Drs. 17/6280, S. 16; BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 35.17 –, juris Rn. 19.
96Im Jahr 2010 stiegen die Nettokaltmieten um 1,2 %.
97Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drs. 18/6540, S. 31.
98Diese Werte können auch für die Bruttokaltmieten angesetzt werden, da die kalten Betriebskosten in diesen Jahren in ähnlicher Größenordnung stiegen.
99Vgl. Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drs. 18/6540, S. 39.
100Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Bruttokaltmiete pro Monat in den alten Ländern je qm für das Jahr 2010 in Höhe von 6,91 €.
101Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19.
102Das Elffache dieses Werts beläuft sich auf 76,01 € pro Monat. Der Senat sieht – anders als der Kläger – keinen Anlass, spätere Erkenntnisse über die tatsächliche Bruttokaltmiete im streitgegenständlichen Jahr auszublenden, nur weil sie erst nach Ablauf dieses Jahres veröffentlicht wurden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bei Ausspruch der Vollstreckungsanordnung auf nachträgliche Erkenntnisse aus den Jahren 1993 und 1997 abgestellt, obwohl es über die Besoldung für die Jahre ab 1988 zu entscheiden hatte.
103Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 1 und 58.
104c) Der Zuschlag von 20 % der anteiligen Durchschnittsmiete (durchschnittlichen Bruttokaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Heizkosten entspricht mithin 15,20 € pro Monat. Hinsichtlich des Prozentsatzes ist die Berechnungsvorgabe des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls bindend.
105Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 19, 20.
106d) Der nach der Vollstreckungsanordnung noch hinzuzurechnende Zuschlag in Höhe von 20 % des Regelsatzes ist im Streitjahr 2010 nicht mehr zu berücksichtigen. Das ergibt sich für den Streitfall mit bindender Wirkung aus dem zurückverweisenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2019 – 2 C 28.17 –. Der Frage, ob die Vollstreckungsanordnung nach Wegfall dieses Zuschlages ungeachtet der gesetzlich vorgesehenen einmaligen Leistungen, die Grundsicherungsempfängern zusätzlich zu den Regelsätzen gewährt werden, noch geeignet ist, die Leistung einer amtsangemessenen Alimentation zu gewährleisten, hat der Senat, wie ausgeführt, wegen der Bindungswirkung dieses Urteils nicht nachzugehen.
107e) Dem Senat ist es auch verwehrt, im Hinblick auf die Grundsicherungsleistungsempfängern seit dem Jahr 2009 zusätzlich gewährten Leistungen in Höhe von 100 € pro Schuljahr für Schulbedarf einen eigenständigen Berechnungsparameter in die Bedarfsberechnung einzubeziehen, wie dies die Verfahrensbeteiligten hinsichtlich eines Betrags von 5,55 € – übereinstimmend – für richtig halten. Den Verwaltungsgerichten ist es wegen der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) grundsätzlich verwehrt, Beamten gesetzlich nicht vorgesehene Besoldungsleistungen zuzusprechen. Eine Ausnahme hiervon bilden, wie ausgeführt, Besoldungsleistungen auf Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Befugnis bindet das Bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich an seine – oben dargestellte und zugrunde gelegte – Berechnungsmethode gemäß C. III. 3. der Gründe des Beschlusses vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –.
108Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, Nr. 2 des Entscheidungsausspruchs, juris.
109Zu einer Modifikation dieser Berechnungsmethode wären nur der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht selbst befugt.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34.02 –, juris Rn. 30 = BVerwGE 121, 91.
111Eine solche ist, wie ausgeführt, nicht erfolgt. Insbesondere betreffen die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 entweder nicht das beklagte Land – 2 BvL 4/18 –, oder aber nicht das Streitjahr – 2 BvL 6/17 u.a. –. Auch den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im zurückverweisenden Urteil zu der im Hinblick auf die gebotene Durchschnittsbetrachtung zutreffenden Berechnung des monatlichen Durchschnittswerts der Grundsicherungsempfängern für ihre Schulkinder für jedes Schuljahr gewährten Leistung für die Schule i.H.v. 100 €, die "zu beachten" seien –,
112vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 16 –,
113vermag der Senat keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von über die gesetzlichen Regelungen und die in der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts hinausgehenden Besoldungsleistungen zu entnehmen.
1143. Diesem 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs entsprechend den Berechnungsvorgaben in der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts ist gegenüberzustellen der "durchschnittliche Nettomehrbetrag …, den der Beamte für sein drittes und jedes weitere Kind erhält".
115vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris Rn. 59.
116a) Auch für die Berechnung dieses "Nettomehrbetrages" sind in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 – 2 BvL 16/91 u.a. – unter C. III. 2. der Gründe Hinweise enthalten. Auf diese erstreckt sich die Bindung der Verwaltungsgerichte an die Vorgaben der Vollstreckungsanordnung unter Nr. 2 des Entscheidungstenors indes nicht.
117Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 29.
118Demzufolge ist Raum dafür, die diesbezüglichen Modifikationen zu berücksichtigen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung, insbesondere den Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur (Staatsanwalts- und Richter-) Besoldung in Berlin in den Jahren 2009 bis 2015 –
119BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris –
120und zur Besoldung kinderreicher Staatsanwälte und Richter in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2013 bis 2015 –
121BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris –
122entwickelt hat.
123b) Unter Berücksichtigung dieser Modifikationen errechnet sich der "Nettomehrbetrag", der einem Beamten in der (damaligen) Besoldungsgruppe des Klägers mit drei Kindern im Vergleich zu einem ebensolchen mit zwei Kindern für den Unterhalt seines dritten Kindes zur Verfügung stand, bei der insoweit gebotenen pauschalisierenden und typisierenden Berechnung im Jahre 2010 auf einen Betrag von 391,59 €.
124Dieser Betrag ergibt sich aus der vom Beklagten auf Bitte des Senats mit Schriftsatz vom 29. September 2020 vorgelegten Alternativberechnung.
125aa) In dieser Berechnung hat der Beklagte abweichend von den Berechnungshinweisen des Bundesverfassungsgerichts unter C. III. 2. der Gründe des Beschlusses vom 24. November 1998 – 2 BvL 26/21 –, juris Rn. 56, keinen Abzug von Kirchensteuer vorgenommen. Dies trägt der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, das zugrunde legt, der Gesetzgeber gehe seit dem Jahr 2005 nicht mehr davon aus, dass eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer Kirchensteuer erhebenden Kirche angehöre.
126Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn 70.
127bb) In der Berechnung hat der Beklagte die Nettoeinkünfte der verglichenen Beamten jeweils um die (Mindest-)Kosten einer beihilfekonformen privaten Kranken- (und Pflege-)versicherung für diese und ihre Familie reduziert. Auch dieses Vorgehen entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 28 m. w. N.
129Soweit es um das Erfordernis eines Abzugs der Krankenversicherungskosten für ein drittes Kind eines Beamten bei der Ermittlung des ihm verbleibenden "Nettomehrbetrages" geht, steht dieses im Streitfall zudem aufgrund der Bindungswirkung des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts fest. Die Zurückverweisung erfolgte, weil der Senat Feststellungen über diese Kosten bislang nicht getroffen hatte, und zu dem Zweck, diese Kosten nunmehr konkret zu ermitteln.
130cc) Die vom Beklagten vorgelegte Alternativberechnung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der vorgenannten Maßgaben unstreitig gestellt. Auch der Senat hat keinen Anlass, hieran insoweit zu zweifeln. Zwischen den Beteiligten umstritten sind lediglich die Fragen, mit welchem Betrag die für die zwei bzw. drei Kinder des Beamten zu berücksichtigenden Krankenversicherungskosten einzustellen sind und ob in die Berechnung des "Nettomehrbetrags" auch die in unterschiedlicher Höhe von Beihilfeleistungen des Dienstherrn an Beamte der (ehemaligen) Besoldungsgruppe des Klägers mit zwei (180 €) und drei Kindern (120 €) jährlich in Abzug gebrachte Kostendämpfungspauschale einzustellen ist.
131dd) Bei die Berechnung für das Jahr 2010 zu berücksichtigen sind – wie in der vom Beklagten vorgelegten Alternativberechnung geschehen – durchschnittliche Kosten für eine mit den Beihilferegelungen in Nordrhein-Westfalen konforme Krankenversicherung eines Kindes und Minderjährigen in Höhe von monatlich 32,54 €. Das ergibt sich aus den vom Senat eingeholten Auskünften des PKV vom 21. Januar 2020 und 10. September 2020. Hierbei handelt es sich nach dessen Angaben um einen aus den dort vorliegenden Angaben extrapolierten Durchschnittswert der in der "Versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten Kinder. Dieser sei für die Kinder (geschlechtsübergreifend) von der Geburt bis zum 25 Lebensjahr gleich.
132Die Kosten einer Versicherung nach dem beihilfekonformen Basistarif, den private Krankenversicherungen seit dem 1. Januar 2009 anzubieten verpflichtet sind, beliefen sich unter Zugrundelegung der Angaben des PKV, nach denen die einzelnen Versicherungsunternehmen auf Grundlage einer branchenweiten Kalkulation, die schon im Jahr 2009 zu einem Betrag von monatlich 56,48 € geführt habe, und unter Berücksichtigung ihrer unternehmensindividuellen Kostensätze Beiträge mit einer Streuung von bis zu 3 € erhoben hätten, – u.a. – im dem Streitjahr vorangegangenen Jahr 2009 auf monatlich zwischen 53,48 € und 59,48 €. Der Senat hat keinen Anhalt für die Annahme, die Beträge hätten sich im Folgejahr vermindert. Im Gegenteil geht er aufgrund eigener Erfahrung mit Beiträgen für private Krankenversicherungen davon aus, dass diese Beiträge im Streitjahr gleich geblieben sind oder sich geringfügig erhöht haben. Demgemäß können sie im vorliegenden Zusammenhang außer Acht bleiben.
133Der Senat sieht sich durch die konkreten Maßgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in dem zurückverweisenden Urteil hinsichtlich der Ermittlungsweise der von den Nettobezügen abzuziehenden Krankenversicherungskosten gemacht hat, nicht gehindert, die vom PKV genannten durchschnittlichen Krankenversicherungskosten zugrunde zu legen, ohne etwa weitere Ermittlungen nach den "günstigsten am Markt erreichbaren Möglichkeiten zur privaten Krankenversicherung eines Kindes" anzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht selbst weist darauf hin, dass nach der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts "bei der Berechnung der Durchschnitt maßgeblich ist",–
134vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 30, mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. – BVerfGE 99, 300, 323; vgl. jetzt auch BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 66.
135Diesem Ansatz und der Verpflichtung, bei der Bemessung der Alimentation die dem Beamten entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen –
136vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 26, mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, BVerfGE 99, 300, 314 f., sowie Urteil vom 06.03.2007 – 2 BvR 556/04 –, BVerfGE 117, 330, 351 –
137widerspräche es, einer Berechnung der Mindestalimentation (zwingend) die Annahme zugrunde zu legen, ein Beamter werde für die Krankenversicherung seines neugeborenen Kindes Ausschau nach der günstigsten am Markt befindlichen Versicherungsmöglichkeit halten – anstatt das Kind dort gegen Krankheit zu versichern, wo er selbst und ggf. seine Ehefrau und die beiden älteren Kinder krankenversichert sind. Dem trägt die Berücksichtigung des vom PKV genannten Durchschnittswertes der Kosten der in der "Versicherungswirklichkeit" wirklich versicherten Kinder Rechnung. Eine Bindung des Senats gemäß § 144 Abs. 6 VwGO an die hinsichtlich der weiteren Sachaufklärung vom Bundesverwaltungsgericht erteilten, die Entscheidung nicht tragenden Empfehlungen und Hinweise für die weitere Behandlung der Rechtssache nach Zurückverweisung (sog. "Segelhinweise") besteht nicht.
138Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.04.2016 – 6 C 5.15 –, juris Rn. 16 = BVerwGE 155, 58, und vom 25.05.1984 – 8 C 108.82 –, juris Rn. 27 = NJW 1985, 393 m. w. Hinw.; Beschluss vom 29.04.2019 – 2 B 25.18 –, juris Rn. 12 = Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 83; OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2000 – 21 A 3523/99.A –, juris Rn. 14; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.09.1997 – A 16 S 2354/97 –, juris Rn. 5.
139Da die Versicherungskosten nach den Angaben des PKV in den Altersstufen bis 25 Jahren gleich sind, kann auf sich beruhen, ob in eine ansonsten gebotene Durchschnittsbildung die Jahrgänge bis zum 25. Lebensjahr einzustellen sind –
140so BVerwG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 C 28.17 –, juris Rn. 30 –
141oder lediglich bis zum 18. Lebensjahr –
142vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 44.
143Der Senat sieht keine Veranlassung, statt der ihm auf seine Auskunft hin vom PKV genannten durchschnittlichen Kosten einer beihilfekonformen Krankenversicherung des Kindes eines nordrhein-westfälischen Beamten in Höhe von 32,54 € den Wert von 27 € zugrunde zu legen, der sich aus einer Tabelle über "Kosten für private Krankenversicherung ohne Wahlleistungen (also BEG-berücksichtigungsfähiger Anteil)" mit dem Stand 12.12.2018 ergibt, die der PKV mit Schreiben vom 18. Januar 2019 dem Bundesverfassungsgericht zum Verfahren 2 BvL 4/18 übersandt hat, wie dies der Beklagte für "sachgerecht" hält. Diese Zahlenangaben stammen von derselben Auskunftsquelle wie die im Streitfall eingeholten. Sie betreffen ein anderes Bundesland (Berlin). Im Übrigen sind sie einer Auskunft entnommen, die älter ist als die dem Senat vorliegende. Schließlich beruhen sie nach dem Anschreiben des PKV vom 18. Januar 2019 an das Bundesverfassungsgericht auf einem von diesem übersandten Schreiben und telefonischen Besprechungen, über die nichts bekannt ist. Der Senat vermag keine überzeugenden Gründe zu erkennen, warum diese Angaben den Vorrang gegenüber den Zahlen verdienten, die er selbst eingeholt hat. Hieran ändert es nichts, dass das Bundesverfassungsgericht selbst in einem zwar das Land Nordrhein-Westfalen, jedoch abweichende Jahre, betreffenden Verfahren auf die ihm für das Land Berlin vorliegenden Zahlenwerte zurückgegriffen hat.
144Abgesehen hiervon wäre der Berufung auch bei Zugrundelegung der dem Bundesverfassungsgericht in dem das Land Berlin betreffenden Verfahren genannten Krankenversicherungskosten eines Kindes bzw. Minderjährigen im Jahr 2010 kein Erfolg beschieden. In diesem Fall erhöhte sich der "Nettomehrbetrag" nach den vom Beklagten vorgelegten Berechnungen (Fassungen vom 23. und 28. September 2020) noch von 391,59 € auf 395,74 €.
145ee) Zutreffend hat der Beklagte in seine Berechnungen des "Nettomehrbetrages" auch die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a Beihilfeverordnung NRW (BVO NRW) eingestellt. Die hiergegen gerichtete Kritik des Klägers greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte dem Kläger eine Alimentation zu gewähren, die es ihm ermöglicht, den anzuerkennenden Unterhalt für sein drittes Kind – in Höhe das 1,15-fachen des hierfür gesetzlich vorgesehenen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs – ohne Zugriff auf nicht familienbezogene Bezügebestandteile zu decken. Für die Alimentation ist anerkannt, dass Einschnitte im Bereich der Beihilfe für Beamte im Krankheitsfall in Form des Abzugs eines jährlichen Selbstbehalts wie der nordrhein-westfälischen Kostendämpfungspauschale als Minderung einer anderweitigen Alimentationsleistung in die Beurteilung der Amtsangemessenheit einzubeziehen sind.
146Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris Rn. 133, 153; BVerwG, Beschluss vom 22.09.2017 – 2 C 56.16 u.a. –, juris Rn. 102, 105
147Hiervon ausgehend ist es zwingend, die Auswirkung der in § 12a Abs. 1 und Abs. 5 BVO NRW getroffenen Regelung, dass grundsätzlich eine Kostendämpfungspauschale in Höhe von 300 € in Ansatz zu bringen ist, diese sich jedoch um 60 € für jedes zu berücksichtigende Kind vermindert, so dass ein Beamter mit drei Kindern im Vergleich mit einem Beamten mit zwei Kindern den letztgenannten Betrag mehr zur Verfügung hat, in die Berechnung des "Nettomehrbetrages", der gerade dieser Vergleich zugrunde liegt, einzubeziehen.
148Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2011 – 2 C 51.08 –, juris Rn. 12, das ausdrücklich darauf hinweist, die Verringerung der Kostendämpfungspauschale je Kind stelle für Beamte eine Entlastung dar.
149Insofern ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass eine Kostendämpfungspauschale nur anfällt, wenn der Beamte Beihilfeleistungen tatsächlich in Anspruch nimmt. Bei der im vorliegenden Zusammenhang gebotenen realitätsgerechten Betrachtung ist davon auszugehen, dass ein Vier-Personen-Haushalt mit zwei ebenso wie ein Fünf-Personen-Haushalt mit drei Kindern typischerweise in jedem Kalenderjahr ärztliche Behandlungen in einem solchen Umfang in Anspruch nehmen, dass die zu gewährende Beihilfe 180 € bzw. 120 € (§ 12a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BVO NRW) übersteigt. Der Einbeziehung der Kostendämpfungspauschale steht ferner nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht diese in dem Beschluss vom 4. Mai 2020 unterlassen hat. Es ist einer Berücksichtigung nicht entgegengetreten, sondern konnte die Frage offen lassen, weil es für die Entscheidung hierauf nicht ankam.
150Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 6/17 u.a. –, juris Rn. 84; ebenso im Beschluss vom 04.05.2020 – 2 BvL 4/18 –, juris Rn. 148.
1514. Der demzufolge einem Beamten der (damaligen) Besoldungsgruppe des Klägers bei pauschalisierender und typisierender Betrachtung für den Unterhalt seines dritten Kindes im Jahr 2010 zur Verfügung stehende "Nettomehrbetrag" in Höhe von 391,59 € reichte aus, um den Bedarf für sein drittes Kind in Höhe des 1,15-fachen des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs, der sich nach obenstehenden Ausführungen auf 388,94 € belief, zu decken.
152C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
153Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
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Referenzen
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- BVerfGG § 35 2x
- VwGO § 144 4x
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- BBesG § 2 Regelung durch Gesetz 2x
- § 12a Abs. 1 und Abs. 5 BVO 1x (nicht zugeordnet)
- § 12a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
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- Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 4 S 1094/15 2x
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