Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 A 1685/20.A
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 14.5.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
1Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
2Die Berufung ist nicht wegen der allein geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers zuzulassen, § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO.
3Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Beteiligtenvorbringens gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.1.2017 – 8 B 16.16 –, Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 = juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 17.12.2019 – 4 A 4236/19 –, juris, Rn. 2, m. w. N.
5Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht kein nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers übergangen. Auf sein auf obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung gestütztes Vorbringen, eine Ersatzzustellung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts sei nicht zulässig gewesen, weil der Postbedienstete offensichtlich nicht versucht habe, den Kläger in dem von ihm in der Gemeinschaftseinrichtung bewohnten Zimmer aufzusuchen, um ihm den Bescheid direkt zu übergeben, musste das Verwaltungsgericht nach seiner Rechtsauffassung nicht näher eingehen. Denn es ist davon ausgegangen, dass die Zustellungsurkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründe, also insbesondere darüber, dass eine persönliche Übergabe des Bescheides in der Wohnung des Klägers, bzw. eine Einlegung in den Briefkasten oder eine Ersatzzustellung in der Gemeinschaftseinrichtung nicht möglich gewesen sei. Einer Literaturmeinung folgend hat es sinngemäß angenommen, es genüge, dass der Zusteller den Adressaten in der Einrichtung nicht angetroffen habe, während grundsätzlich keine Nachforschungen über die Anwesenheit des Adressaten erforderlich seien (vgl. Urteilsabdruck, Seite 5, letzter Absatz, bis Seite 6, vorletzter Absatz).
6Vgl. Häublein/Müller, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 178 Rn. 4.
7Das Gericht ist damit weder in tatsächlicher Hinsicht der letztlich unbelegten und auf bloßen Wahrscheinlichkeiten beruhenden Annahme des Klägers gefolgt, dass dem Zusteller die Zimmernummer des Klägers nicht bekannt gewesen sei und er deshalb nicht versucht haben könne, den Kläger in dem von ihm bewohnten Zimmer aufzusuchen, noch hat es sich der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossen, wonach dies für die Zulässigkeit einer Ersatzzustellung erforderlich sei. Diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts trägt der Neufassung der §§ 178, 181 ZPO (BGBl. I 2005, S. 3202) Rechnung, die von der vom Kläger angeführten Rechtsprechung aus dem Jahr 1999 und früher noch nicht berücksichtigt werden konnte.
8Vgl. hierzu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5.2.1999 – A 9 S 8/99 –, DÖV 1999, 437 = juris, Rn. 5, m. w. N.
9Danach ist eine Ersatzzustellung nach § 181 ZPO durch Niederlegung bereits dann zulässig, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (Ersatzzustellung an den Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung, wenn der Adressat in dieser Einrichtung nicht angetroffen wird) nicht ausführbar ist. Nicht mehr vorausgesetzt ist nun, dass der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebende Adressat auch in seiner Wohnung bzw. seinem Zimmer nicht angetroffen wird.
10Vgl. zur neuen Rechtslage VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.7.2006 – A 9 S 776/06 –, ESVGH 57, 60 = juris, Rn. 9 f.
11Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
12Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 83b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 80 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 138 1x
- VwGO § 108 1x
- VwGO § 154 1x
- 4 A 4236/19 1x (nicht zugeordnet)
- 9 S 8/99 1x (nicht zugeordnet)
- 9 S 776/06 1x (nicht zugeordnet)