Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 7 B 726/20.NE
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller zu 1. bis 3. tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zu 1/3.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der Antrag, mit dem die Antragsteller begehren, den Bebauungsplan Nr. 154 " Am I.-weg " der Antragsgegnerin für die Dauer des Hauptsacheverfahrens - 7 D 91/19.NE - außer Vollzug zu setzen, hat keinen Erfolg.
3Er ist unbegründet.
4Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
5Schwere Nachteile im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO, die die Antragsteller infolge des Planvollzugs treffen könnten, haben sie nicht geltend gemacht, solche schweren Nachteile vermag der Senat im Übrigen auch nicht zu erkennen.
6Das Erfordernis eines schweren Nachteils bindet die Aussetzung des Vollzugs einer Norm an erheblich strengere Voraussetzungen als sie sonst für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verlangt werden. Eine Außervollzugsetzung zur Abwehr eines schweren Nachteils ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichsam unabweisbar erscheinen lassen.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.4.2019 - 7 B 1489/18.NE -, juris, m. w. N.
8Ebenso wenig ist hinreichend aufgezeigt oder zu ersehen, dass eine einstweilige Anordnung aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten wäre.
9Ob durchgreifende Mängel des angegriffenen Plans vorliegen, wird abschließend im Hauptsacheverfahren - 7 D 91/19.NE - zu klären sein. Offensichtliche Mängel sind dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen.
10Dass die Erforderlichkeit der Planung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB nicht gegeben sein könnte, ist nicht ersichtlich. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB setzt der Bauleitplanung nur eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.2015 - 4 CN 4.14 -, BRS 83 Nr. 8 = BauR 2015, 1620.
12Ein derartiger Missgriff ist nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat in der Planbegründung hinreichend aufgezeigt, dass neben der Entwicklung einer neuen, leistungsgerechten Verkehrsanbindung zwischen den Ortsteilen Feldmark und Lackhausen ein weiteres Ziel des Bebauungsplanverfahrens die verträgliche städtebauliche Weiterentwicklung von Wohnbauflächen sowie die Bereitstellung notwendiger Kita-Plätze sei (Seite 3, 4 der Planbegründung). Die Antragsgegnerin hat auch eine umfassende Prüfung alternativer Standorte vorgenommen (Seite 6, 7 der Planbegründung). Soweit die Antragsteller einwenden, die Trassenführung der Verbindungsstraße durch das Plangebiet sei nicht erforderlich, insbesondere fehle es an der Einstellung alternativer Straßenführungen, ist nicht offensichtlich, dass sich eine andere als die hier gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere Variante hätte aufdrängen müssen.
13Vgl. zum Prüfungsmaßstab VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.5.2019 - 8 S 2431/17 -, BauR 2019, 1564, m.w.N.
14Im Gegenteil hat die Antragsgegnerin in der Planbegründung (Seite 12 ff.) ausführlich dargelegt, warum die Linienführung der Verbindungsstraße aus ihrer Sicht alternativlos sei. Auch ist nicht offensichtlich, dass die Verbindungsstraße - entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin zu dem prognostizierten Verkehrsaufkommen von maximal 5.100 Fahrzeugen pro Tag (Seite 14 der Planbegründung) - überdimensioniert sein könnte. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller handelt es sich bei dem ausgewiesenen Wohngebiet aufgrund des Umfangs der durch § 1 der textlichen Festsetzungen i. V. m. § 4 BauNVO zugelassenen Nutzungen auch der Sache nach um ein allgemeines Wohngebiet.
15Ebenso wenig führt das Vorbringen zu einem offensichtlichen Mangel der Bewältigung eines planbedingten Lärmkonflikts.
16Insbesondere ist im Rahmen der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht erkennbar, dass im Plangebiet die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht berücksichtigt worden wären. Der Bebauungsplan setzt die von dem Gutachten empfohlenen aktiven (§§ 29, 30 der textlichen Festsetzungen) und passiven (§§ 31 - 33 der textlichen Festsetzungen) Lärmschutzmaßnahmen fest, so dass nach dem Ergebnis des Gutachtens sowohl in den Innenräumen der geplanten Wohngebäude als auch den rückwärtigen Außenbereichen hinreichender Lärmschutz gewahrt sein dürfte.
17Auch die weiter geltend gemachten Mängel (keine ordnungsgemäße Offenlage, Feldhamstervorkommen, fehlende Erforderlichkeit der Versickerungsflächen, Notwendigkeit der Planung von Mehrfamilienhäusern, unterlassene Information der Bundesnetzagentur, Nichtberücksichtigung der Rechte des Bergwerkeigentümers aus § 8 Abs. 1 Nrn. 1-4 BBergG u.a.) sind einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
18Angesichts dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen die gegenläufigen Interessen so deutlich überwiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten wäre.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; der Senat legt einen Betrag von 10.000 Euro zugrunde, der mit Blick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbieren ist.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Referenzen
- BauNVO § 4 Allgemeine Wohngebiete 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 123 1x
- §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- 8 S 2431/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 47 2x
- 7 D 91/19 2x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 1489/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 159 1x