Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 B 2060/20
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen 18 K 6460/20 gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2020 erhobenen Klage zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, bei dem der Senat nur die dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine andere Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Vollzugsinteresse falle zu Lasten des Antragstellers aus. Die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins unter Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids erweist sich nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig (dazu A.). Es überwiegt auch nicht ausnahmsweise das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers (dazu B.).
5A. Die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins beruht auf § 19 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Erteilung der Fahrberechtigung an Triebfahrzeugführer sowie die Anerkennung von Personen und Stellen für Ausbildung und Prüfung (Triebfahrzeugführerscheinverordnung - TfV). Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 TfV kann die zuständige Behörde - hier das Eisenbahnbundesamt (§ 2 Nr. 4 TfV) - den von ihr erteilten Triebfahrzeugführerschein aussetzen oder entziehen, wenn ein Triebfahrzeugführer die Voraussetzungen für die Erteilung eines Triebfahrzeugführerscheins nicht mehr erfüllt. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TfV erteilt das Eisenbahnbundesamt den Triebfahrzeugführerschein, wenn der Bewerber u. a. seine allgemeinen Fachkenntnisse im Rahmen einer Prüfung nachgewiesen hat, die mindestens die in Anlage 5 der TfV aufgeführten allgemeinen Themen umfasst (Nr. 5) und für seine Tätigkeit zuverlässig ist (Nr. 6). Die erforderliche Zuverlässigkeit ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 TfV insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Bewerber an einer Suchtkrankheit leidet oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat.
6I. Die Normen des § 19 TfV und des § 5 Abs. 1 TfV sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass gegenüber diesen Regelungen keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung i. S. d. Art. 80 Abs. 1 GG und die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht im Übrigen bestehen. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen dringt der Antragsteller nicht durch.
71. Soweit der Antragsteller meint, der Gesetzgeber habe die Voraussetzungen für die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins selbst formulieren müssen, ist darauf zu verweisen, dass die Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes - also auch durch Rechtsverordnung - geregelt werden kann. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt insoweit ebenfalls keine unmittelbare gesetzliche Regelung. Allerdings ist der Gesetzgeber verpflichtet, alle für die Verwirklichung von Grundrechten wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.
8Vgl. grundlegend hierzu BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 -, BVerfGE 98, 218 (251 f.) = juris, Rn. 132 f.
9Ausgehend hiervon bedarf die Ermöglichung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit, wie sie die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins darstellt, der gesetzlichen Ermächtigung. Eine derartige Ermächtigung findet sich in dem zur Umsetzung der Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, ergangenen Sechsten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2497, auf Grund dessen der Eisenbahnaufsicht die Zuständigkeit für die Erteilung, Aussetzung und Entziehung von Triebfahrzeugführerscheinen und die Überwachung des Fortbestehens der Erteilungsvoraussetzungen übertragen (vgl. Art. 1 Nr. 1b bzw. § 5 Abs. 1e Satz 1 Nr. 8 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes - AEG -) und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Ermächtigung verliehen wurde, eine Rechtsverordnung über Erteilung, Aussetzung, Einschränkung und Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins zu erlassen (vgl. Art. 1 Nr. 5a bzw. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AEG). Die näheren, durch die umzusetzende Richtlinie bereits wesentlich vorstrukturierten Einzelheiten für die im Zusammenhang mit dem Triebfahrzeugführerschein zu regelnden Fragen wie etwa die Voraussetzungen für dessen Entziehung durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber überlassen.
102. Auch der weitere Einwand des Antragstellers, es fehle im Hinblick auf die in den §§ 5 Abs. 1 und 19 Abs. 3 Satz 1 TfV geregelten Voraussetzungen für die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins in einer dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot widersprechenden Weise an Bestimmungen über ein gestuftes Verfahren und ein Bewertungssystem für Verfehlungen analog dem Straßenverkehrsrecht, greift nicht durch.
11a. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend klargestellt, dass es rechtlich bedenkenfrei ist, wenn die Regelungen insoweit ohne weitergehende Detailregelungen an den Wegfall von Voraussetzungen für die Erteilung des Triebfahrzeugführerscheins wie etwa die Zuverlässigkeit des Triebfahrzeugführers oder dessen Fachkenntnisse anknüpfen. Das Verwaltungsgericht hatte entgegen der mit der Beschwerdebegründung erhobenen Rüge auch keine Veranlassung, sich - über das vorhandene Maß hinaus - mit der vom Antragsteller in der Antragschrift in diesem Zusammenhang ausführlich zitierten Rechtsprechung weitergehend auseinanderzusetzen. Diese Rechtsprechung befasst sich mit Fragen der straßenverkehrsrechtlichen Folgen von Verkehrsverstößen, auf die es im vorliegenden Fall nicht ankommt.
12b. Was die vom Antragsteller insoweit geltenden rechtlichen Besonderheiten wie etwa das in § 4 StVG geregelte Fahreignungs-Bewertungssystem betrifft, so liegt es im Übrigen auf der Hand, dass der Gesetzgeber es aus Praktikabilitätsgründen bei einer in die Millionen gehenden Zahl von Fahrerlaubnisinhaberinnen und -inhabern und einer entsprechenden Vielzahl von in irgendeiner Weise fahrerlaubnisrechtlich zu sanktionierenden Verkehrsverstößen für erforderlich halten durfte, bis ins Einzelne gehende typisierende Regelungen für die Entziehung von Fahrerlaubnissen zu schaffen, um eine gleichmäßige und effiziente Rechtsanwendung zu sichern. Entsprechende Voraussetzungen sind im hier betroffenen Bereich, in denen eine einzige Behörde - nämlich das Eisenbahnbundesamt - nach pflichtgemäßem Ermessen über einzelne Fälle der Aussetzung oder Entziehung von Triebfahrzeugführerscheinen entscheidet, ersichtlich nicht gegeben.
13c. Es unterliegt unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots auch keinen Bedenken, dass die Ermächtigungsnorm in § 19 Abs. 3 Satz 1 TfV mit dem Verweis auf die in § 5 Abs. 1 TfV getroffenen Regelungen auf einen unbestimmten Rechtsbegriff wie den der Zuverlässigkeit zurückgreift. Denn das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Erforderlich ist, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodenlehre hinreichend konkretisieren lassen und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind.
14Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, BVerfGE 133, 277 = juris, Rn. 181, m. w. N.
15Eine derartige Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Zuverlässigkeit“ ist in ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dahingehend erfolgt, dass als zuverlässig gilt, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, dass er seine Tätigkeit künftig ordnungsgemäß ausfüllen wird und dementsprechend als unzuverlässig, wer diese Gewähr nicht bietet.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 ‑ 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1 (1 f.) = juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2020 ‑ 4 A 2461/19 -, juris, Rn. 7.
17d. Soweit angesichts dieser Definition weiterer Klärungsbedarf dahingehend besteht, was im Hinblick auf die hier fragliche Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers als nicht (mehr) ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu gelten hat, ist zunächst ergänzend das in § 5 Abs. 1 Satz 5 TfV genannte Regelbeispiel heranzuziehen, das als Ergebnis einer wertenden Betrachtung des Verordnungsgebers weitere Orientierung für den Anwendungsbereich der in § 19 Abs. 3 Satz 1 TfV getroffenen Regelung gibt.
18aa. Hiernach ist bei der prognostischen Bewertung der Zuverlässigkeit eines Führerscheinbewerbers insbesondere sein Verkehrsverhalten von Bedeutung. Ist dieses durch erhebliche oder wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften geprägt, so gilt der Bewerber als unzuverlässig. Entsprechend erfüllt der Inhaber eines Triebfahrzeugführerscheins die Voraussetzungen für dessen Erteilung nicht mehr, wenn sich derartige Vorfälle nachträglich ereignen. Dabei kann es nach der Formulierung des Regelbeispiels („oder“) keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers sowohl erhebliche als auch wiederholte (nicht erhebliche) Verstöße ausreichen.
19bb. In diesem Zusammenhang verweist der Antragsteller allerdings zu Recht darauf, dass nach der Systematik der fraglichen Bestimmungen mit dem als Regelbeispiel für mangelnde Zuverlässigkeit angesprochenen Verstoß gegen „verkehrsrechtliche Vorschriften“ nicht eisenbahnverkehrsrechtliche Verstöße gemeint sein können. Denn der in § 5 TfV angesprochene Bewerber um einen entsprechenden Führerschein kann derartige Verstöße (noch) nicht begangen haben. Hieraus folgt indessen nicht, dass eisenbahnverkehrsrechtliche Verstöße eines Triebfahrzeugführers bei der Beurteilung seiner Zuverlässigkeit außer Ansatz zu bleiben hätten. Denn wenn in Anknüpfung an das entsprechende Regelbeispiel eine Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins bereits bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften möglich ist, dann muss dies erst recht gelten, wenn die Verstöße eisenbahnverkehrsrechtliche Bestimmungen und damit den eigentlichen Bereich der beruflichen Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers betreffen.
20cc. Dieses Verständnis des Regelbeispiels entspricht im Übrigen den Bestimmungen der Richtlinie 2007/59/EG, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/554 der Kommission vom 5. April 2019, deren Maßgaben bei der gebotenen richtlinienkonformen Konkretisierung des Begriffs der Zuverlässigkeit zu beachten sind. Anhang IV der Richtlinie formuliert unter dem Titel „Allgemeine Fachkenntnisse und Anforderungen für die Fahrerlaubnis“ eine Vielzahl von Kompetenzen, die für den Erwerb des Triebfahrzeugführerscheins notwendig sind. Von zentraler Bedeutung sind dabei Kenntnisse und Fähigkeiten, die Voraussetzung für einen sicheren Ablauf des Eisenbahnbetriebs sind wie z. B. das Verstehen der „Grundsätze der Betriebssicherheit“ [Anhang IV Nr. 6 a)] oder der „Bedeutung einer präzisen Ausführung der Aufgaben und einer präzisen Anwendung der Arbeitsmethoden“ [Anhang IV Nr. 1 f)] oder das Kennen der „Grundsätze, Vorschriften und Bestimmungen in Bezug auf die Sicherheit im Eisenbahnbetrieb“ [Anhang IV Nr. 2 a)]. Dem entsprechen die in Anlage 5 der TfV formulierten Ausbildungsziele, dem Auszubildenden Grundkenntnisse „der Eisenbahntechnik, einschließlich der Sicherheitsgrundsätze des Eisenbahnbetriebs“ [Anlage 5 Nr. 1 a)] sowie „der mit dem Eisenbahnbetrieb verbundenen Risiken und der verschiedenen Möglichkeiten zur Risikovermeidung“ [Anlage 5 Nr. 1 b)] zu vermitteln. Die Verhaltensweisen, die sich der Auszubildende auf der Grundlage entsprechender Kompetenzen aneignen soll, um seiner Sicherheitsverantwortung im Bahnbetrieb gerecht zu werden, sind wesentlich für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben eines Triebfahrzeugführers und - hieraus folgend - für seine Zuverlässigkeit. Die Frage, ob ein Triebfahrzeugführer angesichts zu Tage getretener Defizite zukünftig dieser Verantwortung nachkommen wird, ist für die Zuverlässigkeitsprognose deshalb besonders gewichtig. Der zwingend vorauszusetzenden Bereitschaft eines Triebfahrzeugführers, seine Verhaltensweisen im Kernbereich seiner Tätigkeit ‑ beim Führen von Triebfahrzeugen - jederzeit der ihm übertragenen Sicherheitsverantwortung anzupassen, widerspricht ein Verhalten, durch das er seine Gleichgültigkeit gegenüber dieser besonderen Verantwortung dokumentiert. Dies ist etwa der Fall, wenn der Triebfahrzeugführer erheblich oder wiederholt gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Bestimmungen verstößt.
21e. Angesichts dieser rechtlichen Vorgaben bestehen - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch unter dem Gesichtspunkt mangelnder Vorhersehbarkeit der Rechtsfolgen des Verhaltens des Triebfahrzeugführers keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber den fraglichen Ermächtigungsnormen.
22II. Ausgehend hiervon hat der Antragsteller die zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für eine Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins gemäß § 19 Abs. 3 TfV lägen vor, denn der Antragsteller erfülle nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung die Voraussetzungen für die Erteilung eines Triebfahrzeugführerscheins nicht mehr, mit seinem Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht ist entgegen den Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren zu Recht davon ausgegangen, der Antragsteller sei nicht (mehr) zuverlässig (dazu 1.) und verfüge jedenfalls nicht mehr über die erforderlichen Fachkenntnisse (dazu 2.).
231. Dem Antragsteller fehlt die für die Erteilung eines Triebfahrzeugführers erforderliche Zuverlässigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TfV. Eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Antragstellers ergibt, dass er die Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers in Zukunft nicht (mehr) ordnungsgemäß ausüben wird.
24a. Der Antragsteller hat sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - durch erhebliche und/oder wiederholte Verstöße gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Geschwindigkeitsregelungen als unzuverlässig erwiesen.
25aa. Die vom Antragsteller eingeräumte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h um 17 km/h während der Zugfahrt DGS 49077 am 30. August 2020 stellt sich als ein solcher erheblicher Verstoß gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Vorschriften dar.
26(1) Eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung ist schon angesichts des vom Antragsteller geführten Gefahrgut transportierenden Güterzugs nicht unerheblich und ‑ entgegen der Auffassung des Antragstellers - erst recht nicht mit der Situation bei Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften mit Kraftfahrzeugen vergleichbar. Denn Fahrzeuge, die unter diese Vorschriften fallen, haben offensichtlich allein wegen der bewegten geringfügigeren Masse ein anderes Beschleunigungs- und Bremsverhalten als ein Güterzug.
27(2) Der Antragsteller kann auch nicht damit gehört werden, diese Geschwindigkeitsüberschreitung sei „allenfalls kurzzeitig“ erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Erläuterungen der Antragsgegnerin in nachvollziehbarer Weise dargelegt, warum eine nur kurzzeitige Geschwindigkeitsüberschreitung von 17 km/h mit einem Güterzug schon mit Blick auf die Gesetze der Physik denklogisch ausgeschlossen ist. Abgesehen davon belegt die von der Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2021 im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren übersandte Auswertung der elektronischen Fahrtenregistrierung der Zugfahrt am 30. August 2020, dass der Antragsteller die zulässige Höchstgeschwindigkeit während der Fahrt an zahlreichen und langen Abschnitten und damit ersichtlich nicht „allenfalls kurzzeitig“ überschritten hat.
28bb. Auch bei der während der Zugfahrt am 13. April 2019 mehrfach festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h bis 30 km/h handelt es sich jeweils um erhebliche Verstöße gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Geschwindigkeitsregelungen.
29cc. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bedarf es keiner abschließenden Feststellung, ob auch die am 30. August 2020 bei der oben bereits aufgeführten Zugfahrt vom Antragsteller im Bereich der Weiche 35 in Niederlahnstein begangene Geschwindigkeitsüberschreitung erheblich gewesen ist. Sollte dort - wie die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Verfügung des Verwaltungsgerichts im Hauptsacheverfahren in ihrem Schreiben vom 11. Februar 2021 ausgeführt hat - tatsächlich als zulässige Höchstgeschwindigkeit 40 km/h signalisiert gewesen sein, steht die Erheblichkeit des Verstoßes angesichts einer Geschwindigkeitsüberschreitung von dann 22 km/h außer Frage. Aber selbst wenn der Vortrag des Antragstellers zutreffen sollte, dass in diesem Bereich für den von ihm geführten Zug 60 km/h angeordnet waren, hätte er auch diese Höchstgeschwindigkeit überschritten. Denn im Bereich der Weiche ist nach den Feststellungen der Antragsgegnerin für den vom Antragsteller geführten Zug eine Geschwindigkeit von 62 km/h dokumentiert, die durch den unsubstantiierten Einwand des Antragstellers, diese Aufzeichnung sei ungenau, schon nicht in Frage gestellt ist und zudem durch die mit dem Schreiben vom 11. Februar 2021 im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren übersandte Auswertung der Fahrt bestätigt wird. Damit steht fest, dass der Antragsteller jedenfalls wiederholt eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat.
30b. Das Verwaltungsgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, die Antragsgegnerin habe auch die Signalverfehlung am 13. April 2019 in B. als erheblichen Verstoß gegen eisenbahnverkehrsrechtliche Regelungen qualifizieren dürfen. Denn die Vorbeifahrt an einem haltzeigenden Einfahrsignal ist als gefährliches Ereignis i. S. d. § 2 Abs. 21 AEG zu qualifizieren, weil sie zu einem Unfall führen kann.
31c. Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte die Antragsgegnerin sowohl die erheblichen Geschwindigkeitsverstöße am 13. April 2019 als auch die am gleichen Tag begangene Signalverfehlung mit in die Bewertung über seine Zuverlässigkeit einstellen. Durch das im Jahr 2019 diesbezüglich von der Antragsgegnerin eingeleitete und später eingestellte Verfahren zur Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins des Antragstellers ist sein Fehlverhalten weder „verbraucht“ noch liegt es mit eineinhalb Jahren zu lange zurück, als dass es bei der Gesamtwürdigung der Zuverlässigkeit der Person des Antragstellers nicht mehr berücksichtigt werden könnte.
32aa. Der vom Antragsteller angeführte Grundsatz, dass niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden darf, gilt für den Bereich der „allgemeinen Strafgesetze“ (Art. 103 Abs. 3 GG). Hierzu zählen - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - Maßnahmen nach der Triebfahrzeugführerscheinverordnung ersichtlich nicht. Abgesehen davon ist eine mehrfache Verwertung festgestellten rechtswidrigen Verhaltens schon dann erlaubt, wenn ein strafgerichtliches und ein behördliches (Präventiv-)Verfahren nebeneinander vorgesehen sind.
33Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 1966 ‑ 1 BvR 173/63 -, BVerfGE 20, 365 (372 f.) = juris, Rn. 20.
34Für nebeneinanderstehende Verwaltungsverfahren gilt dies erst recht.
35bb. Angesichts der hohen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein eines Triebfahrzeugführers liegen die Vorfälle vom 13. April 2019, die mithin erst im letzten Jahr vor der maßgeblichen Bewertung der Zuverlässigkeit des Antragstellers stattgefunden haben, nicht so weit in der Vergangenheit, als dass ihre Einbeziehung in die für die Prognose seiner zukünftigen Zuverlässigkeit anzustellende Gesamtwürdigung nicht mehr angemessen wäre. Das Verwaltungsgericht hat auch überzeugend und vom Antragsteller nicht substantiiert angegriffen dargelegt, dass er durch sein späteres Verhalten gezeigt habe, dass er nicht lediglich in Ausnahmesituationen - wie er es hinsichtlich der Vorfälle vom 13. April 2019 geltend gemacht hatte ‑, sondern auch ohne äußere beeinträchtigende Faktoren bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Triebfahrzeugführer eisenbahnverkehrsrechtliche Regelungen missachte.
36d. Auch die Wahl der falschen Zugart M bei der Zugfahrt am 30. August 2020 durch den Antragsteller rechtfertigt den Rückschluss auf seine Unzuverlässigkeit.
37aa. Im Rahmen der Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB), einem durch Gleismagnete gesteuerten System zur Verhinderung von Signal-Missachtungen und Geschwindigkeitsüberschreitungen, kommt der Wahl der richtigen Zugart, die an Hand vorgegebener Parameter wie Bremsstellung und Bremshundertstel dem unterschiedlichen Bremsvermögen von Zügen Rechnung trägt, eine entscheidende Bedeutung zu. Sie wirkt sich u. a. auf die jeweils vorgegebene Höchstgeschwindigkeit sowie die maximalen Geschwindigkeiten aus, die vor den Signalen innerhalb vorgegebener Zeiträume bzw. Wegstrecken nach dem Passieren der dort angebrachten Gleismagnete noch gefahren werden dürfen. Es ist besonders wichtig, dass die Einstellung der Zugart korrekt vorgenommen wird, weil ansonsten die Bremsleistung nicht mehr ausreichen könnte, um den Zug rechtzeitig vor einem Gefahrenpunkt zum Halten zu bringen. Dem entspricht, dass - wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat - die gewählte Zugart dem Triebfahrzeugführer während der gesamten Zugfahrt durch Leuchtanzeigen signalisiert wird. Zudem erkennt der Triebfahrzeugführer die gewählte Zugart auf Grund spezifischer Fahrt-Charakteristika ‑ wie etwa der nach dem Passieren eines 1000Hz Magneten vorgegebenen Länge des Zeitraums zur Absenkung der Fahrtgeschwindigkeit auf die noch zulässige Maximalgeschwindigkeit (in 38 sec auf 55 km/h bei Zugart U, in 29 sec auf 70 km/h bei Zugart M), da andernfalls eine automatische Bremsung erfolgt.
38Vgl. dazu Norbert Speiser, Die grundsätzliche Funktionsweise der punktförmigen Zugbeeinflussung PZB 90, Bahnpraxis 3/2011, S. 3 ff.
39bb. Die Zugart U, die nach den dem Antragsteller vor Fahrtantritt am 30. August 2020 bekannt gegebenen Parametern von ihm zwingend hätte eingestellt werden müssen, gewährleistet eine besonders restriktive Überwachung. Dieser entzog sich der Antragsteller durch die Wahl der Zugart M und deren Beibehaltung während der gesamten Fahrt an dem betreffenden Tag. Es kann dahinstehen, ob die Wahl dieser Zugart zunächst irrtümlich oder vorsätzlich erfolgte. Denn es erscheint angesichts der jederzeitigen Erkennbarkeit des Wahlfehlers an Hand der oben dargelegten Merkmale ausgeschlossen, dass der Antragsteller einen etwaigen Irrtum während des Fahrtverlaufs nicht hätte erkennen und korrigieren können. Eine derartige Verhaltensweise ist mit der sicherheitsrelevanten Verantwortung eines Triebfahrzeugführers nicht zu vereinbaren. Dabei wiegt besonders schwer, dass der Antragsteller mit dem Transport von Gefahrgütern betraut war und ihn deshalb eine nochmals gesteigerte Verantwortung für einen sicheren Verlauf der Zugfahrt traf.
40e. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht die Einbeziehung des durch den Antragsteller aufgenommenen und veröffentlichten Videos während einer Zugfahrt bei einer Geschwindigkeit von etwa 90 km/h - also einer zurückgelegten Strecke von 25 m/sec - in die Bewertung seiner Zuverlässigkeit als zulässig angesehen. Mit dieser Videoaufnahme hat er ein Verhalten gezeigt, das ebenfalls auf einen gravierenden Mangel an Sicherheitsverantwortung schließen lässt. Auch ohne das vom Antragsteller vermisste ausdrückliche Verbot entsprechender Tätigkeiten sollte sich einem Triebfahrzeugführer, der mit den Grundsätzen der Betriebssicherheit vertraut sein und die mit dem Eisenbahnbetrieb verbundenen Risiken kennen muss, unschwer erschließen, dass er beim Führen eines Zugs jegliche sachfremde Nebentätigkeit zu unterlassen hat, die - wie das Anfertigen von „Selfie-Videos“ mit dem Handy - geeignet ist, ihn von seiner Hauptaufgabe abzulenken.
412. Wird - entgegen dem offensichtlichen Anschein - zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen, dass er das oben dargelegte Fehlverhalten nicht als solches erkannt hat, so verfügt er jedenfalls nicht (mehr) über die erforderlichen Fachkenntnisse, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TfV zur Erteilung eines Triebfahrzeugführerscheins erforderlich und nachzuweisen sind. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt und gilt im Hinblick auf die verbleibenden oben aufgezeigten Regelverstöße auch dann, wenn ausgehend von dem Beschwerdevorbringen zu Gunsten des Antragstellers angenommen wird, dass ihm die am 13. April 2019 begangenen Verfehlungen wegen der nachgewiesenen Nachschulung nicht mehr entgegen gehalten werden können.
42III. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen auch fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass sie dem Antragsteller den Triebfahrzeugführerschein entzogen hat. Die Entziehung verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
431. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins sei zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels, die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu gewährleisten, geeignet.
44a. Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung meint, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, aus welchen Gründen nicht auch eine Maßnahme nach § 19 Abs. 4 TfV in Betracht gezogen worden wäre, ist dem entgegenzuhalten, dass eine darauf gestützte Maßnahme zur Erreichung des mit der Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins angestrebten Ziels schon nicht geeignet gewesen wäre. Denn § 19 Abs. 4 TfV, wonach die zuständige Behörde den ausstellenden Unternehmer auffordert, eine Überprüfung der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 TfV durchzuführen oder eine Maßnahme nach § 12 Abs. 2 TfV zu ergreifen, regelt allein die Ausstellung bzw. Entziehung oder Aussetzung von Zusatzbescheinigungen und nicht die Erlaubnis zum Führen von Triebfahrzeugen selbst. Die durch Zusatzbescheinigungen nachgewiesenen Kenntnisse unterscheiden sich aber von den allgemeinen Kenntnissen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 TfV; zudem kann die Ausstellung neuer oder die Entziehung oder Aussetzung vorhandener Zusatzbescheinigungen den die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründenden Verfehlungen schon nicht Rechnung tragen.
45b. Auch eine Maßnahme nach § 19 Abs. 5 Satz 1 TfV wäre - anders als der Antragsteller meint - nicht in Betracht gekommen. Danach kann das Eisenbahnbundesamt das Führen eines Triebfahrzeugs unverzüglich untersagen, wenn der Triebfahrzeugführer die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs erheblich gefährdet. Eine solche Maßnahme bezieht sich auf die Anordnung einer Untersagung, die wegen einer aktuellen erheblichen Gefährdung der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs durch den Triebfahrzeugführer kurzfristig notwendig werden kann und betrifft damit einen ganz anderen Sachverhalt als die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung auf der Grundlage des § 19 Abs. 3 TfV.
46c. Die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins nach § 19 Abs. 3 Satz 1 1 Alt. TfV wäre nicht in gleicher Weise geeignet gewesen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Angesichts der Tragweite seines Fehlverhaltens bzw. des Umfangs der mangelnden Fachkenntnisse ist nicht ersichtlich, dass eine Aussetzung des Führerscheins geeignet gewesen wäre, dem Antragsteller einen gangbaren Weg zur Behebung seiner Eignungs- und/oder Kenntnismängel zu weisen.
472. Die Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins ist auch erforderlich.
48Das für die Antragsgegnerin handelnde Eisenbahnbundesamt hat von dem milderen Mittel einer Aussetzung des Führerscheins zu Recht keinen Gebrauch gemacht. Die in dem angefochtenen Bescheid insoweit dargelegten Gründe sind tragfähig und überzeugend. Die dem Antragsteller im Jahre 2019 wegen der Signalverfehlung angedrohte Aussetzung des Führerscheins hat ihr Ziel offensichtlich verfehlt. Wie die bereits im folgenden Jahr anlässlich der Fahrt am 30. August 2020 begangenen Verstöße und Fahrfehler sowie die erst nachträglich bekannt gewordene Videoaufnahme zeigen, mangelt es dem Antragsteller grundlegend an der Bereitschaft, sich Verhaltensweisen anzueignen, die mit der einem Triebfahrzeugführer zukommenden Sicherheitsverantwortung vereinbar sind. Zumindest aber fehlen ihm elementare Fachkenntnisse in einem derartigen Umfang, dass die Behebung des Mangels im Rahmen einer Nachschulung ausgeschlossen erscheint. In dieser Situation hat es das Eisenbahnbundesamt im Interesse der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu Recht für erforderlich gehalten, den Antragsteller unter Entziehung des ihm erteilten Triebfahrzeugführerscheins auf dessen Neuerteilung nach Ablauf einer Sperrfrist von sechs Monaten zu verweisen.
493. Die Entziehung des Treibfahrzeugführerscheins durch die Antragsgegnerin ist schließlich auch angemessen. Denn mit Blick auf das Fehlen der ihm für die Ausübung der Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers erforderlichen Zuverlässigkeit und der dafür notwendigen Fachkenntnisse muss sein Interesse an der weiteren Berufsausübung als Triebfahrzeugführer zurücktreten, um die am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Personen und Sachgüter zu schützen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Eingriff in sein Grundrecht auf freie Berufsausübung nicht endgültig ist. Er kann den Triebfahrzeugführerschein nach einer Sperrzeit von sechs Monaten erneut beantragen.
50B. Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt auch nicht ausnahmsweise das öffentliche Vollzugsinteresse.
51Art. 12 Abs. 1 GG erlaubt einen Eingriff in die Berufsfreiheit schon vor Rechtskraft des Hauptverfahrens als Präventivmaßnahme zwar nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hierbei können es überwiegende öffentliche Belange ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug der Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptverfahrens ausschließen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.
52Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 ‑ 1 BvR 2157/07 -, NJW 2008, 1369 (1369 f.) = juris, Rn. 22.
53Nach diesen Grundsätzen muss das Interesse des Antragstellers an der weiteren Berufsausübung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung seines Triebfahrzeugführerscheins zurücktreten. Eine weitere Berufungsausübung des Antragstellers kann angesichts der überragenden Rechts- und Sachgüter, deren Gefährdung durch die zu Tage getretene Unzuverlässigkeit und/oder die mangelnden Fachkenntnisse des Antragstellers zu befürchten ist, nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren hingenommen werden.
54C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
55Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat berücksichtigt bei der Festsetzung Nr. 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Bedeutung des Triebfahrzeugführerscheins für die Berufsausübung des Antragstellers hält der Senat den dort vorgesehenen zweifachen Auffangwert für die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, also 10.000,- Euro, für angemessener als die vom Verwaltungsgericht bei seiner Festsetzung in Anlehnung an Nr. 26.2 des Streitwertkatalogs berücksichtigten 20.000,- Euro, die im Falle einer Erlaubnis für einen Berufsflugzeugführer mindestens zugrunde zu legen sind. Anders als das Verwaltungsgericht geht der Senat allerdings nicht von einer Halbierung des maßgeblichen Werts aus; denn die unanfechtbare Entscheidung des Senats nimmt bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache insoweit vorweg, als dass der Antragsteller seinen Beruf jedenfalls mindestens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht ausüben kann (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs).
56Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Referenzen
- TfV § 5 Voraussetzungen 11x
- TfV § 19 Kontrollen durch die zuständige Behörde 10x
- §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- StVG § 4 Fahreignungs-Bewertungssystem 1x
- VwGO § 146 1x
- VwGO § 80 2x
- TfV § 2 Begriffsbestimmungen 1x
- § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AEG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 21 AEG 1x (nicht zugeordnet)
- TfV § 12 Überwachung der Triebfahrzeugführer 1x
- VwGO § 154 1x
- 18 K 6460/20 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1640/97 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1215/07 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 2461/19 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 173/63 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2157/07 1x (nicht zugeordnet)