Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 4 B 1168/20
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 22.7.2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
3Das Verwaltungsgericht hat den sinngemäßen Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 1576/20 (VG Arnsberg) gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 30.4.2020 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Ziffer 2 anzuordnen,
5im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die von dem Antragsgegner nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO verfügte Gewerbeuntersagung sowie die darüber hinaus nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO verfügte erweiterte Gewerbeuntersagung erwiesen sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsgegner sei gemäß den §§ 35 Abs. 1, 155 Abs. 2 GewO i. V. m. § 2 Abs. 1 GewRV NRW und Nr. 1.17 der Anlage 3 zur GewRV NRW sachlich für die Untersagung der Gewerbeausübung zuständig. Das Finanzamt T. habe mitgeteilt, dass der Antragsteller im Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung erhebliche Steuerrückstände, insbesondere Umsatz- und Lohnsteuerrückstände, aus den Jahren 2018 und 2019 in Höhe von 72.730,51 Euro sowie Umsatzsteuerrückstände aus den Jahren 2013 bis 2016 in Höhe von 193.608,36 Euro schulde, wobei hinsichtlich letzterer ein finanzgerichtliches Verfahren schwebe. Die Befugnis des Finanzamts zur Übermittlung der Steuerrückstände an die Gewerbeaufsichtsbehörde ergebe sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO. In Anbetracht der erheblichen Steuerrückstände und mangels Vorlage eines erfolgversprechenden Sanierungskonzepts erweise sich der Antragsteller als gewerberechtlich unzuverlässig. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Gewerbeuntersagungsverfügung überwiege, weil bei einer vorläufigen Fortführung der gewerblichen Betätigung des Antragstellers entsprechende Rechtsverstöße fortgesetzt würden.
6Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt.
7Ohne Erfolg wendet der Antragsteller zunächst ein, für eine Gewerbeuntersagung, die ihre Ursache in steuerrechtlichen Angelegenheiten finde, sei nicht der Antragsgegner als allgemeine Ordnungsbehörde, sondern die Finanzbehörde zuständig, weil § 361 Abs. 4 AO als speziellere Vorschrift einer Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO vorgehe.
8Nach § 361 Abs. 4 Satz 1 AO wird durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen.
9Diese Vorschrift enthält im Gegensatz zu § 35 GewO,
10vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 19.1.1994 ‒ 1 B 5.94 ‒, GewArch 1995, 115 = juris, Rn. 7,
11keine Ermächtigung zum Erlass einer Gewerbeuntersagung, sondern setzt eine solche für eine Finanzbehörde, deren Verfahren sich nach der Abgabenordnung richtet, wie z. B. § 5 Abs. 4 AlkStG für das Hauptzollamt, § 7 StBerG für die Steuerberaterkammer, voraus. Der Regelungsgehalt des § 361 Abs. 4 AO erschöpft sich für Einsprüche gegen von der Finanzbehörde ausgesprochene Gewerbeuntersagungen in der Ausnahme vom Ausschluss des Suspensiveffekts (Satz 1) und einer Regelung über die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (Satz 2).
12Vgl. Kister, in: Pfirrmann/Rosenke/Wagner, Beck’scher Online-Kommentar Abgabenordnung, 15. Edition, Stand: 15.1.2021, § 361 AO, Rn. 246; Rätke, in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 15. Auflage 2020, § 361, Rn. 88.
13Hieraus lässt sich nicht nachvollziehbar ableiten, Steuerrückstände könnten keine Grundlage für die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit sein, die Voraussetzung einer Gewerbeuntersagung durch die allgemeine Ordnungsbehörde nach den §§ 35, 155 Abs. 2 GewO i. V. m. § 2 Abs. 1 GewRV NRW sowie Nr. 1.17 der Anlage 3 zur GewRV NRW ist. Nach höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung rechtfertigen Steuerrückstände die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn sie sowohl nach ihrer absoluten Höhe als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; zudem ist die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, insoweit von Bedeutung.
14Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.4.1997 – 1 B 81.97 –, GewArch 1999, 72 = juris, Rn. 5, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 18.5.2020 – 4 A 1558/19 –, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
15Der Einwand des Antragstellers, die Steuerbescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb 2013 bis 2015 (Grundlagenbescheid), über den Gewerbesteuermessbetrag 2013 bis 2015 (Grundlagenbescheid) und über die Umsatzsteuer im Zeitraum von 2013 bis 2015 könnten nicht mehr zur Grundlage einer Gewerbeuntersagung gemacht werden, geht ins Leere. Der Antragsgegner hat sich in der Ordnungsverfügung vom 30.4.2020 (Seite 2, fünfter Absatz, bis Seite 3, siebter Absatz) ausschließlich auf nach 2018 angefallene Steuerrückstände bezogen und ein bereits seinerzeit anhängiges Gewerbeuntersagungsverfahren wegen der Rückstände aus den Jahren 2013 bis 2015 am 10.9.2019 eingestellt. Hinsichtlich der neu entstandenen Steuerrückstände hat der Antragsteller weder vorgetragen noch belegt, dass er einen (erfolgreichen) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt habe.
16Umstände, die trotz der in den neu entstandenen Steuerrückständen zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers im maßgeblichen Erlasszeitpunkt eine andere, positive Prognose in Bezug auf seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit hätten rechtfertigen können, wie etwa Anzeichen für eine Besserung seiner wirtschaftlichen Situation oder die Existenz eines erfolgversprechenden Sanierungskonzepts,
17vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 3.9.2020 – 4 A 2461/19 –, juris, Rn. 9 ff., m. w. N.
18sind nicht ersichtlich.
19Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand des Antragstellers, die Information bzw. Übermittlung der Steuerrückstände durch das Finanzamt an den Antragsgegner verstoße gegen das Steuergeheimnis. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass die Finanzämter die Gewerbebehörden nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO von Steuerrückständen in Kenntnis setzen dürfen, die auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden hindeuten, auch wenn die entsprechenden Festsetzungen noch nicht bestandskräftig geworden sind.
20Vgl. BFH, Urteil vom 29.7.2003 – VII R 39, 43/02 –, BFHE 202, 411 = juris, Rn. 17 ff., m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 19.1.1994 ‒ 1 B 5.94 ‒, GewArch 1995, 115 = juris, Rn. 7, m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 20.3.2019 – 4 B 1844/18 –, juris, Rn. 13 f., und vom 6.12.2016 – 4 A 1425/14 –, juris, Rn. 20 f.
21Insbesondere lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers aus der Verwendung des Begriffs "namentlich" ableiten, dass der Gesetzgeber den Begriff des zwingenden öffentlichen Interesses nicht abschließend definieren, jedoch Anhaltspunkte dafür geben wollte, von welchen Vorstellungen er hinsichtlich des Begriffs des zwingenden öffentlichen Interesses ausgegangen ist.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.5.2008 ‒ 2 BvR 336/07 ‒, NJW 2008, 3489 = juris, Rn. 15, 18; OVG NRW, Urteil vom 6.11.2018 ‒ 15 A 2638/17 ‒, GewArch 2019, 113 = juris, Rn. 83 f.
23Ein solcher Fall ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Offenbarung von erheblichen Steuerrückständen gegenüber den Gewerbebehörden dazu dienen kann, diesen die Erfüllung der ihnen durch § 35 GewO im Interesse des Schutzes der Allgemeinheit auferlegten Aufgabe zu ermöglichen, also bei gegebenem Anlass gegen steuerlich unzuverlässige Gewerbetreibende das Mittel der Gewerbeuntersagung zu verhängen, um so das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs und die ordnungsgemäße Arbeit der Gewerbebehörden zu bewahren. In einem solchen Fall bestünde – wie stets in den Fällen erforderlich, die in den Regelbeispielen nicht genannt sind – ohne eine Offenbarung der Daten die Gefahr, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten.
24Vgl. BFH, Urteile vom 29.7.2003 ‒ VII R 39/02 u. a. ‒, GewArch 2004, 155 = juris, Rn. 18 ff., und vom 10.2.1987 – VII R 77/84 –, BFHE 149, 387 = juris, Rn. 19 ff.; BVerwG, Urteile vom 29.8.2019 ‒ 7 C 33.17 ‒, NVwZ 2020, 1114 = juris, Rn. 22, m. w. N., und vom 2.2.1982 – 1 C 146.80 –, BVerwGE 65, 1 = juris, Rn. 19 f.
25Der Anwendung von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO steht Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (sog. Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) nicht entgegen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c und e DSGVO wird nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSGVO durch Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, festgelegt. Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage ist mit § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gegeben, der durch redaktionelle Änderungen an die maßgeblichen Kriterien des Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 DSGVO angepasst worden ist.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.8.2019 ‒ 7 C 33.17 ‒, NVwZ 2020, 1114 = juris, Rn. 21 ff.; Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 31.5.2017, BT-Drs. 18/12611, S. 80 ff.; Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 vom 1.10.2018, BT-Drs. 19/4674, S. 89, 290; siehe zudem Nr. 11 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) des Bundesministeriums für Finanzen vom 12.1.2018 betreffend die Anpassung an die Datenschutz-Grundverordnung und die datenschutzrechtlichen Neuregelungen der Abgabenordnung mit Wirkung ab dem 25.5.2018.
27Die dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, dem Antragsteller deshalb vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, weil ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung nur anzunehmen ist, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass sich die mit der Gewerbeuntersagung bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren kann. Zwar ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Begründetheit dieser Besorgnis unter Berücksichtigung auch solcher Umstände zu beurteilen, die erst nach dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung eingetreten sind.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.7.2017 – 4 B 592/17 –, juris, Rn. 16 ff., m. w. N.
29Jedoch ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbingens von einer fortbestehenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers auszugehen, die erwarten lässt, dass er während des Klageverfahrens anfallende Steuern weiterhin nicht entrichten wird und dass bestehende Steuerrückstände weiter anwachsen werden. Es fehlt an jeglichem Vortrag über das Bestehen eines verbindlichen und von allen Gläubigern einschließlich der Finanzverwaltung akzeptierten Tilgungsplans, dem konkrete Ratenzahlungen und insbesondere das Ende der Rückführung der (gesamten) Rückstände zu entnehmen sind, sowie dazu, dass der Schuldner vereinbarten Ratenzahlungen (weiterhin) nachkommt und währenddessen keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet werden (können).
30Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.9.2020 – 4 A 2461/19 –, juris, Rn. 11 f., m. w. N.
31Dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers lässt sich ein derartiges Konzept nicht einmal sinngemäß entnehmen. Die von ihm angeführte Aussetzung der Vollziehung bestimmter Steuerforderungen aus den Jahren 2013 bis 2015 ist bereits deshalb unbeachtlich, weil der Antragsgegner nicht diese Steuerforderungen, sondern die danach neu entstandenen Rückstände aus den Jahren 2018 und 2019 zum Gegenstand seiner Untersagungsverfügung gemacht hat. Die geltend gemachte Überweisung von 50.000,00 Euro an das Finanzamt T. zur Begleichung von Umsatzsteuerforderungen 2018 und 2019 am 8.6.2020 steht ohne konkrete Darlegung zur weiteren Schuldbegleichung der Einschätzung der fortbestehenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit angesichts der Höhe der ab 2018 neu entstandenen Rückstände in Höhe von insgesamt 72.730,51 Euro nicht entgegen. Der Hinweis auf eine weitere Überweisung in Höhe von 20.000,00 Euro unter dem 24.8.2020 an das Finanzamt T. betrifft nicht die Steuerrückstände ab 2018, sondern dient ausweislich des Verwendungszwecks der Umsatzsteuervorauszahlung 2020. Der Verweis des Antragstellers auf ein mögliches Darlehen in Höhe von 100.000,00 Euro ist nicht weiter substantiiert und schon deshalb nicht geeignet, die Besorgnis zu zerstreuen, er werde seinen öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten auch in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht nachkommen. Dem nicht unterschriebenen Schreiben eines schwedischen Unternehmens vom 17.6.2020 lässt sich allenfalls eine vage Absicht einer künftigen Darlehnsgewährung entnehmen. Dass dem Antragsteller mittlerweile ein solches Darlehen gewährt wurde, mit dem er Rückzahlungen hätte leisten können, ergibt sich aus seinem Vorbringen nicht. Obwohl seither einige Monate vergangen sind, ist hierzu nichts Näheres vorgetragen worden.
32Soweit der Antragsteller schließlich ein Überwiegen seiner privaten Interessen gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse annimmt, dringt er hiermit ebenfalls nicht durch. Das private Interesse des Antragstellers an der weiteren gewerblichen Tätigkeit im Rahmen seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG steht hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurück. Ist – wie hier – ein Gewerbetreibender unzuverlässig im Sinne von § 35 Abs. 1 GewO, so ist die nicht im Ermessen der Behörde stehende Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und verhältnismäßig. Dem Schutzzweck der Vorschrift ist dann Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an der Erhaltung seiner Existenzgrundlage zu geben.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2020 – 4 B 680/20 –, Rn. 25 f., m. w. N.
34Auch im Hinblick auf die erweiterte Gewerbeuntersagung ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erforderliche gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit dann gegeben ist, wenn die aufgrund von erheblichen Steuerrückständen anzunehmende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit den Betroffenen für die Ausübung aller Gewerbe als unzuverlässig erscheinen lässt. Die steuerrechtlichen Verpflichtungen, gegen die der Betroffene verstoßen hat, gelten für jeden Gewerbetreibenden und haben nicht nur Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit. Insoweit ist die erweiterte Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich und steht mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 GG in Einklang.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.1982 ‒ 1 C 124.80 ‒, GewArch 1982, 303 f. = juris, Rn. 24, und Beschluss vom 19.1.1994 ‒ 1 B 5.94 ‒, GewArch 1995, 115 f. = juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 6.12.2016 – 4 A 1425/14 –, juris, Rn. 12 f.
36Sofern es dem Antragsteller künftig doch noch gelingen sollte, die Gründe, die die Unzuverlässigkeit begründen, wegfallen zu lassen, kommt eine Wiedergestattung gerade unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit nach § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO auf Antrag in einem gesonderten Wiederaufnahmeverfahren in Betracht.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.5.2020 – 4 B 402/20 –, juris, Rn. 18 f., m. w. N.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
39Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG.
40Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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