Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 11 A 2926/18
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin für die Errichtung einer Anlage der Außenwerbung auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 52, keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz bedarf.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin - ein Unternehmen der Außenwerbung - beabsichtigt mit Einverständnis des Grundstückseigentümers die Errichtung einer beleuchteten Werbeanlage mit zwei Werbeflächen auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 52, mit der postalischen Anschrift S.--------straße 1 in O. -V. . Das Grundstück ist mit einer Wohn- und Gewerbeimmobilie bebaut, wird teilweise als Parkplatz genutzt und hat eine Zufahrt zur Bundesstraße 9 (im Folgenden: B 9).
3Das Vorhabengrundstück, über das auch die Zufahrt zu dem rückwärtig gelegenen Grundstück mit Wohnbebauung führt, grenzt in südwestlicher Richtung an die von Nordwesten nach Südosten verlaufende B 9 und in südöstlicher Richtung an die S.--------straße , welche gemeinsam die Ampelkreuzung B 9/S.--------straße /G.-----straße bilden. In nordwestlicher Richtung befindet sich in einem Abstand von ca. 270 m ferner die Ampelkreuzung B 9/O1. Weg/U.-----straße . Anschließend verläuft die B 9 in Richtung der Autobahn 46 (Anschlussstelle O. -V. ). In südöstlicher Richtung nähert sich die B 9 dem Rhein. Nordöstlich und südwestlich der B 9 liegt das Gebiet des O2. Stadtteils V. . Zwischen den vorgenannten Kreuzungen befinden sich auf der nordöstlichen Seite der B 9 neben dem Vorhabengrundstück eine ca. 80 m lange landwirtschaftliche Freifläche, darauf folgend Wohn- und Gewerbebebauung. Die Wohnbebauung verfügt über zwei Zufahrten zur B 9. Jenseits der Kreuzung S.--------straße /G.-----straße liegen auf der nordöstlichen Seite der B 9 zunächst eine Wiese mit einer Werbeanlage, die in einem Abstand von ca. 85 m zu der von der Klägerin geplanten Werbeanlage errichtet ist, sowie darauf folgend fünf über die B 9 erschlossene Wohnhäuser, sowie - in einem Abstand von ca. 80 m bzw. ca. 145 m zu diesen - zwei weitere von landwirtschaftlichen Flächen umrandete Wohnhäuser, die über Zufahrten zur B 9 verfügen. Jenseits der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße liegen auf der nordöstlichen Straßenseite landwirtschaftliche Flächen. Die südwestliche Seite der B 9 ist zwischen den Ampelkreuzungen O1. Weg/U.-----straße und S.--------straße /G.-----straße sowie in einem in südöstlicher Richtung anschließenden Bereich von ca. 340 m und in einem in nordwestlicher Richtung anschließenden Bereich von ca. 390 m durchgehend bebaut. Die Bebauung zwischen den Kreuzungen und im nordwestlich liegenden Bereich sowie auf den ersten ca. 100 m des südöstlich liegenden Bereichs ist nicht über die B 9 erschlossen und durch Baum- und Buschwerk sowie teilweise durch einen Maschendrahtzaun optisch von dieser getrennt. Auf den weiteren ca. 240 m des vorgenannten südöstlich liegenden Bereichs verfügen sieben Grundstücke über Zufahrten zur B 9. Auf der südwestlichen Seite der B 9 verläuft zudem ein Geh- und Radweg, der streckenweise durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn abgegrenzt wird.
4Für die Errichtung der Werbeanlage stellte die Klägerin unter dem 16. Februar 2017 einen Bauantrag bei der Stadt O. , in dem sie u. a. angab, dass die Werbeanlage in einem Abstand von 3,50 m zur Fahrbahnkante der B 9 errichtet werden soll.
5Mit Schreiben vom 8. März 2017 bat die Stadt O. den Beklagten um eine Stellungnahme zu der geplanten Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück V. , Flur 8, Flurstück 52. Das Grundstück liege nach dem Flächennutzungsplan in einem Mischgebiet und sei planungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen.
6Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2017 - sinngemäß - mit, dass das Vorhaben abzulehnen sei, weil der geplanten Errichtung einer Werbeanlage in einem Abstand von etwa 3,50 m vom Fahrbahnrand der B 9, die in diesem Bereich als sog. freie Strecke gelte, § 9 Abs. 6 FStrG entgegenstehe. Zugleich wies er darauf hin, dass nach § 9 Abs. 8 FStrG unter den dort genannten Voraussetzungen Ausnahmen vom Anbauverbot an Bundesstraßen zugelassen werden könnten. Die Klägerin erhalte insofern Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Übermittlung weiterer Unterlagen.
7Mit Schreiben vom 13. April 2017 führte die Klägerin u. a. aus, dass der Vorhabenstandort nicht unter das Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 FStrG falle. Er liege an einer Ortsdurchfahrt, welcher im Bereich des Vorhabengrundstücks Erschließungsfunktion zukomme. Dies ergebe sich daraus, dass neben dem Vorhabengrundstück ein weiteres nordwestlich sowie mehrere südöstlich gelegene Grundstücke über die B 9 erschlossen würden. Zudem befinde sich auf einem südöstlich gelegenen Grundstück bereits eine Werbeanlage.
8Mit Bescheid vom 6. November 2017 lehnte der Beklagte die Erteilung einer straßenrechtlichen Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 6 i. V. m. Abs. 8 FStrG ab.
9Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 5. Dezember 2017 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf den Inhalt des Schreibens vom 13. April 2017 Bezug genommen und ergänzend u. a. ausgeführt: Die bereits vorhandene Fremdwerbeanlage in unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück spreche dafür, dass eine Anbauverbotszone nicht bestehe. Der angegriffene Bescheid sei aufzuheben, weil sie keine Ausnahmegenehmigung beantragt habe und eine solche mangels Anbauverbotszone auch nicht benötige.
10Die Klägerin hat beantragt,
11festzustellen, dass die Klägerin keine Ausnahmegenehmigung des Beklagten gemäß § 9 Abs. 8 FStrG benötigt, um die geplante Werbeanlage am Standort B 9, Grundstück S.--------straße 1 in O. zu errichten,
12hilfsweise,
13den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. November 2017 zu verpflichten, die Genehmigung gemäß § 9 FStrG zu dem vorgenannten Bauvorhaben zu erteilen.
14Der Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Bauvorhaben der Klägerin dem fernstraßenrechtlichen Anbauverbot gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 FStrG unterliege. Der Vorhabenstandort liege außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt der B 9. Für die Annahme einer Erschließungsfunktion reiche nicht aus, dass das Vorhabengrundstück selbst über eine tatsächliche Zufahrtsmöglichkeit verfüge. Vielmehr müsse sich die Erschließungsfunktion auf die gesamte Ortslage beziehen. Der in Rede stehende Bereich der B 9 stelle sich aus der maßgeblichen Sicht des Autofahrers als eine weit einsichtige, breite und zügig befahrbare freie Strecke dar. Trotz vereinzelt vorhandener, das Streckenbild nicht prägender Zufahrten sei die Fernverkehrsfunktion der Bundesstraße in diesem Bereich nicht erkennbar zu Gunsten einer Erschließung der anliegenden Grundstücke eingeschränkt. Die Fahrbahn der Bundesstraße sei fast durchweg durch optische und/oder physische Barrieren von den anliegenden Grundstücken getrennt. Die bereits vorhandene Werbetafel sei ohne seine Beteiligung errichtet worden, eine Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG wäre bei ordnungsgemäßer Beteiligung auch nicht erteilt worden. Für das klägerische Bauvorhaben könne kein Dispens erteilt werden, da weder ersichtlich noch von der Klägerseite vorgetragen sei, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 8 FStrG vorlägen.
17Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage sowohl mit ihrem Haupt- als auch ihrem Hilfsantrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin bedürfe zur Durchführung ihres Vorhabens einer Genehmigung des Beklagten nach § 9 Abs. 8 FStrG, da das Vorhaben dem Verbot des § 9 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6 FStrG unterliege. Es sei bereits fraglich, ob die B 9 im streitgegenständlichen Bereich die geschlossene Ortslage der Gemeinde O. durchquere. Dies könne jedoch dahinstehen, weil der Abschnitt der B 9 nicht der Erschließung der anliegenden Grundstücke diene. Es könne nicht festgestellt werden, dass sich die überörtliche Verkehrsfunktion der Bundestraße zumindest tatsächlich in der Weise geändert habe, dass sie nunmehr in erheblichem Umfang auch eine Erschließungsfunktion wahrnehme. Ferner habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG. Es sei nicht ersichtlich, dass das Anbauverbot zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde, da die Klägerin lediglich die Errichtung einer Werbeanlage auf einem fremden Grundstück beabsichtige.
18Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung führt die Klägerin im Wesentlichen aus, dass dem Vorhaben eine straßenrechtliche Anbauverbotszone nicht entgegenstehe. Im Bereich des Vorhabengrundstücks sei die B 9 als Ortsdurchfahrt mit Erschließungsfunktion zu erkennen. Zwischen der Einmündung U.-----straße und der Einmündung S.--------straße seien neben dem Parkplatz und der Wohn- und Geschäftsnutzung auf dem Vorhabengrundstück auch die Flurstücke 25 und 49 sowie das Wohnhaus auf dem Flurstück 53 - mithin alle östlich der B 9 gelegenen bebauten Grundstücke - unmittelbar oder mittelbar über die B 9 erschlossen. Eine mögliche Bebauung der Freifläche auf dem Flurstück 49 müsste ebenfalls über die B 9 erschlossen werden. Auch der Bereich südlich der Einmündung S.--------straße sei im Rahmen einer einheitlichen Betrachtung zu berücksichtigen. In diesem seien unterbrochen durch vereinzelt auftretende Freiflächen über zehn Nutzungen über die B 9 erschlossen. Ferner sei südlich der Einmündung S.--------straße und unmittelbar angrenzend an die Verkehrsfläche der B 9 eine gleichartige Fremdwerbeanlage auf Monofuß bereits vorhanden und genehmigt. Zudem werde der gesamte Ortsteil O. -V. mittelbar über die S.--------straße erschlossen. Indizierend zu gewichten sei auch der Ausbauzustand der B 9. Im Streckenabschnitt gebe es beidseits der B 9 keine Leitplanken. Auf der Straßenseite des Vorhabengrundstücks befinde sich ein Fußgängertrampelpfad und auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein kombinierter Geh- und Radweg.
19Die Klägerin beantragt,
20das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass die Klägerin für die Errichtung einer Anlage der Außenwerbung auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 52, keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz bedarf,
21hilfsweise,
22das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 6. November 2017 zu verpflichten, der Klägerin eine straßenrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6 i. V. m. Abs. 8 FStrG zur Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 52, zu erteilen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage hat mit ihrem Hauptantrag Erfolg.
28I. Die Klage ist als Feststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
29Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage u. a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
30Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Anbauverbot nach dem Bundesfernstraßengesetz besteht und ob die Klägerin berechtigt ist, die geplante Errichtung einer Werbeanlage ohne Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz durchführen zu können, betrifft ein konkretes Rechtsverhältnis.
31Die Klägerin besitzt auch das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse. Die Klägerin kann ihr Bauvorhaben nicht realisieren, solange der Beklagte vom Bestehen eines Anbauverbots ausgeht und die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz ablehnt.
32Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität i. S. d. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die von der Klägerin erstrebte Feststellung, ihr Vorhaben unterliege nicht dem Anbauverbot, deshalb bedürfe sie keiner Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesfernstraßengesetz, kann im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht in gleicher Weise geklärt werden. Bei einer Anfechtungsklage gegen den die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ablehnenden Bescheid wäre die Entscheidung über die Erlaubnisbedürftigkeit bloße Vorfrage des Aufhebungsanspruchs und erwüchse deshalb nicht in Rechtskraft. Die Erhebung einer Verpflichtungsklage wäre ebenfalls nicht rechtsschutzintensiver, da die Klage im Falle der Verneinung eines Anbauverbots mangels Anspruchs auf Erteilung einer Ausnahme gemäß § 9 Abs. 8 FStrG abgewiesen werden müsste.
33II. Die Klage ist begründet. Das Vorhaben der Klägerin unterliegt nicht dem Anbauverbot nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 FStrG. Die Klägerin bedarf keiner Ausnahme nach § 9 Abs. 8 FStrG.
34Die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anbauverbots nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6 Satz 1 FStrG sind nicht erfüllt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG dürfen längs der Bundesfernstraßen Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 40 m bei Bundesautobahnen und bis zu 20 m bei Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Nach § 9 Abs. 6 Satz 1 FStrG unterliegen Anlagen der Außenwerbung an Bundesfernstraßen dem Anbauverbot unter denselben Voraussetzungen wie Hochbauten.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2012- 9 C 8.11 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 27 = juris, Rn. 11.
36Die von der Klägerin geplante Anlage der Außenwerbung auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 52, soll nicht außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt der B 9 errichtet werden.
371. Das Vorhaben der Klägerin ist - zwischen den Beteiligten unstreitig - die Errichtung einer Anlage der Außenwerbung i. S. d. § 9 Abs. 6 FStrG.
382. Bei dem Teil der B 9, an dem das Vorhabengrundstück liegt, handelt es sich um eine Ortsdurchfahrt, die in der geschlossenen Ortslage liegt.
39Ob dieser Teil der B 9 innerhalb einer nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG festgesetzten Ortsdurchfahrt liegt, ist unerheblich. Der Begriff der Ortsdurchfahrt ist unabhängig von einer erfolgten Festsetzung nach § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG nach materiellen Gesichtspunkten zu ermitteln.
40Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1967‑ IV B 132.65 -, DVBl. 1967, 291 (292); Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 28, m. w. N.
41Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG ist eine Ortsdurchfahrt der Teil einer Bundesstraße, der innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch der Erschließung der anliegenden Grundstücke oder der mehrfachen Verknüpfung des Ortsstraßennetzes dient, wobei für die Beurteilung einer Ortsdurchfahrt i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 FStrG nur die erste Variante relevant ist, also nur die Frage der Erschließungsfunktion.
42Vgl. Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 26; Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 26.
43Der Teil der B 9, an dem sich das Vorhabengrundstück befindet, liegt innerhalb der geschlossenen Ortslage. Als solche ist nach § 5 Abs. 4 Satz 2 FStrG der Teil des Gemeindebezirks anzusehen, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist. Einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nach § 5 Abs. 4 Satz 3 FStrG nicht.
44Die Feststellung dieses erforderlichen Bebauungszusammenhangs ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen.
45Vgl. Netter, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 5 Rn. 25.
46Ob ein Gebiet zusammenhängend bebaut ist, lässt sich nur anhand einer weiträumigen, an objektiven Kriterien ausgerichteten Betrachtung der gesamten durch die Bebauung geprägten Situation in der Umgebung der Bundesfernstraße entscheiden. Bei einem solchen Ansatz ergibt sich die Feststellung des erforderlichen Bebauungszusammenhangs aus der einfachen Gegenüberstellung des örtlichen Bereichs baulicher oder gewerblicher Nutzung und des davon freien, zumeist der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung dienenden Geländes.
47Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. April 1981 - IV C 41.77 -, BVerwGE 62, 143 ff. = juris, Rn. 19 f., und vom 18. März 1983 - 4 C 10.80 -, BVerwGE 67, 79 ff. = juris, Rn. 10 und 14.
48Zur geschlossenen Ortslage kann auch eine Strecke gehören, die aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur einseitig bebaut ist. Ob einseitige Bebauung zu einem Bebauungszusammenhang gehört oder nicht, lässt sich nicht anhand einer „starren Regel“ beurteilen. Einseitige Bebauung kann auch ein Anzeichen für ein Ausdünnen der Bebauung sein.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 10.80 -, BVerwGE 67, 79 ff. = juris, Rn. 11.
50Nach diesen Grundsätzen gehört der die Klägerin betreffende Teil der B 9 zur geschlossenen Ortslage. Der südwestlich der B 9 ab dem Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 360 bis zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 43 (L. Straße 30) gelegene Bereich ist als in überwiegend offener Bauweise zusammenhängend bebaut zu qualifizieren. Auch nordöstlich der B 9 ist ab der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße bis zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 73 (L. Straße 13) eine zusammenhängende Bebauung in teilweise offener und teils geschlossener Bauweise festzustellen, die lediglich durch zwei landwirtschaftliche Freiflächen und eine Rasenfläche unterbrochen wird, welche angesichts der sich in nördlicher Richtung weiter fortsetzenden dichten Bebauung nicht den Bebauungszusammenhang unterbrechen. Dass auf der nordöstlichen Seite der B 9 nach dem Grundstück L. Straße 13 bis in Höhe des Grundstücks L. Straße 30 lediglich zwei bebaute Grundstücke (L. Straße 23 und 27) inmitten von sonst landwirtschaftlich genutzten Freiflächen gelegen sind, spricht angesichts der auf der gegenüberliegenden Seite der B 9 vorhandenen ununterbrochenen Bebauung, die sich in südwestlicher Richtung weiter fortsetzt, nicht für eine Ausdünnung der Bebauung. Gleiches gilt für den lediglich einseitig bebauten Abschnitt zwischen der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße bis in Höhe des Grundstücks Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 360, mit Blick auf die sich ebenfalls in südwestlicher Richtung fortsetzende massive Bebauung.
513. Der Teil der Ortsdurchfahrt der B 9, an dem das Vorhabengrundstück liegt, ist auch zur Erschließung der anliegenden Grundstücke i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FStrG bestimmt. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Vorhandensein der Bundesstraße den anliegenden Grundstücken die Qualität der (verkehrlichen) Erschließung vermittelt, wenn also ihretwegen eine von der Erschließung abhängige Nutzung der anliegenden Grundstücke sowohl tatsächlich möglich als auch rechtlich zulässig ist.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 4. April 1975 - IV C 55.74 -, BVerwGE 48, 123 ff. = juris, Rn. 17, und vom 30. November 1984 - 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21 = juris, Rn. 11.
53Die Ortsdurchfahrt der B 9 vermittelt den in dem Bereich, in dem sich das Vorhabengrundstück befindet, anliegenden Grundstücken die Qualität der (verkehrlichen) Erschließung.
54Die Lage des Vorhabens in einem Gebiet nach § 34 BauGB allein reicht allerdings nicht aus, um die Erschließungsfunktion einer Ortsdurchfahrt zu bejahen. Einer straßenrechtlich nicht zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Bundesfernstraße kann eine Erschließungsfunktion außerhalb einer Festsetzung nach § 9 Abs. 7 FStrG nicht durch die vorhandene oder entstehende Randbebauung „aufgedrängt“ werden.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21 = juris, Rn. 13.
56Ob die Straße zur Erschließung bestimmt ist, ist vorrangig nach straßenrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten. § 9 Abs. 1 FStrG, der sich darin von § 9 Abs. 6 FStrG nicht unterscheidet, schützt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die durch Zufahrten und Zugänge an Bundesstraßen durch Ein- und Abbiegevorgänge beeinträchtigt werden. Mit einer Erschließungsfunktion geht eine Einschränkung der (Fern-)Verkehrsfunktion einher. Daraus folgt aber zugleich, dass, wenn die Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße bereits erkennbar zugunsten der Erschließung der anliegenden Grundstücke faktisch eingeschränkt ist, der innere Grund entfällt, nach wie vor mit Hilfe des Anbauverbots die Sicherheit und die Leichtigkeit des Straßenverkehrs gewährleisten zu wollen. Wenn die zuständige Behörde dieser Entwicklung, welche sich gegenüber der Verkehrsfunktion der Bundesfernstraße nachteilig auswirken kann, nicht entgegentritt, erwächst der Straße auch eine Erschließungsfunktion.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21 = juris, Rn. 12, 14.
58Entscheidend für die Funktion der Bundesstraße sind die tatsächlichen Verhältnisse,
59vgl. Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 28,
60und die Frage, ob die vorhandene Straße den bebauten Grundstücken die Qualität der verkehrlichen Erschließung vermittelt. Tatsächliche Umstände von indizierendem Gewicht sind neben der vorhandenen Bebauung auch der Ausbauzustand der Bundesfernstraße und die Zugänglichkeit zu den anliegenden Grundstücken. Hierzu zählen etwa Zufahrten oder Zugänge. Der Ausbau von Geh- und Fahrradwegen dürfte bedeutsam sein. Andererseits können Leitplanken die Zugänglichkeit ausschließen. Ähnliches gilt für Grünstreifen, Zäune und Buschwerk,
61vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21 = juris, Rn. 15,
62und separierende Einrichtungen wie Lärmschutzwände. Nicht getrennte Geh- und Radwege legen die Erschließungsfunktion nahe.
63Vgl. Engelbrecht, Die Errichtung von Werbeanlagen an öffentlichen Straßen, DÖV 2012, 876 (877).
64Tatsächliche Gegebenheiten können den Eindruck vermitteln, dass auch innerhalb der geschlossenen Ortslage und trotz eines Bebauungszusammenhangs i. S. v. § 34 BauGB nach wie vor eine „freie Strecke“ besteht. Indiz für eine fehlende Erschließungsfunktion kann auch sein, dass die anliegenden Grundstücke bereits rückwärtig durch andere Straßen erschlossen sind.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1984‑ 4 C 2.82 -, Buchholz 407.4 § 9 FStrG Nr. 21 = juris, Rn. 15; Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 29.
66Erschließungsfunktion hat die Bundesstraße allerdings auch dann, wenn der Anschluss an sie „mittelbar“ vorhanden ist, also in der Weise, dass die Bundesstraße selbst die für (rückwärtige) Grundstücke nächste öffentliche Erschließungsanlage ist und Zufahrt oder Zugang zu ihr über andere Grundstücke oder über Privatwege erfolgt.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1977 - IV C 47.75 -, BVerwGE 54, 328 ff. = juris, Rn. 34; Bender, in: Müller/Schulz, FStrG, Kommentar, 2. Auflage 2013, § 9 Rn. 44; Grupp, in: Marschall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 9 Rn. 5.
68Gemessen an diesen Grundsätzen ist angesichts der tatsächlichen Verhältnisse die Erschließungsfunktion der B 9 für den Bereich von der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße bis in Höhe des Grundstückes L. Straße 30 zu bejahen. Die Verkehrsfunktion der Straße ist hier zugunsten einer Erschließungsfunktion soweit eingeschränkt, dass der Grund des Anbauverbots, die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, entfallen ist.
69Es steht anhand des von den Beteiligten zu den Akten gereichten und des zudem im Internet zugänglichen Kartenmaterials sowie der in den Akten befindlichen Lichtbilder zur Überzeugung des erkennenden Senats fest (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO), dass die Straße im Bereich von der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße bis in Höhe des Grundstückes L. Straße 30 zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmt ist.
70Auf diesen Streckenabschnitt ist hier maßgeblich abzustellen, weil im weiteren Verlauf der B 9 in nordwestlicher und südöstlicher Richtung die Bebauungs- und Erschließungssituation abweicht, so dass insoweit jeweils eine Zäsur vorliegt.
71Nordwestlich der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße befindet sich in beiden Richtungen unmittelbar an der B 9 keine Bebauung mehr, die über diese erschlossen wird. Stattdessen verläuft die B 9 bis zur Autobahnanschlussstelle O. -V. entlang von der Straße abgerückter und optisch durch Baum- und Buschwerk abgegrenzter Gewerbebebauung auf der südwestlichen Seite sowie landwirtschaftlicher Freiflächen auf der nordöstlichen Seite. Zudem weicht der Ausbauzustand der B 9 mit jeweils zweispurigen Fahrstreifen von dem im maßgeblichen Streckenabschnitt ab.
72Auch südöstlich des Grundstücks L. Straße 30 ist eine abweichende Bebauungs- und Erschließungssituation zu erkennen. Die B 9 entfernt sich von der sich in südlicher Richtung weiter erstreckenden Gewerbebebauung O. -V1. und verläuft in einem Abstand von zunächst ca. 100 m bis später über 200 m an dieser vorbei. Dabei vermittelt die Bundesstraße nur einzelnen- von land- und forstwirtschaftlichen Flächen umsäumten - bebauten Grundstücken eine Erschließung.
73Die Verkehrsfunktion der B 9 ist im Abschnitt von der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße bis in Höhe des Grundstückes L. Straße 30 in beträchtlichem Maße zugunsten einer Erschließungsfunktion eingeschränkt. Insgesamt sind auf der Fahrbahnseite, an der das Vorhabengrundstück liegt, auf einer Strecke von ca. 430 m neben dem Vorhabengrundstück selbst acht weitere Grundstücke unmittelbar sowie ein neuntes Grundstück mittelbar über die B 9 erschlossen, auf der gegenüberliegenden Seite sieben unmittelbar. Hierbei handelt es sich im Einzelnen auf der Seite des Vorhabengrundstücks um folgende Zufahrten: eine Einfahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 1, Flurstück 53 (L. Straße 27), eine ca. 20 m breite Zufahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 1, Flurstück 75 (L. Straße 23), eine ca. 35 m breite Zufahrt zu den drei Grundstücken Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstücke 11, 90 und 73 (L. Straße 7, 9, 11 und 13), eine Einfahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 10 (L. Straße 5), eine ca. 16 m breite Zufahrt zum Vorhabengrundstück, über das zugleich mittelbar das Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 53 (C. Straße 383) erschlossen wird, sowie zwei Zufahrten links und rechts der Wohnbebauung auf den Grundstücken Gemarkung V. , Flur 8, Flurstücke 25, 48 (C. Straße 401) und 49 (C. Straße 401A). Auf der gegenüberliegenden Seite bestehen eine Einfahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 43 (L. Straße 30), eine Zufahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 267 (L. Straße 24), eine ca. 50 m breite Zufahrt, die den drei Grundstücken Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstücke 38, 39, und 40 (L. Straße 14, 16 und 18) zur Erschließung dient, eine – möglicherweise nicht mehr genutzte – Zufahrt zum Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 37 und eine Zufahrt zur vorderseitigen Bebauung des Grundstücks Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 35 (L. Straße 2). Mit Ausnahme des Vorhabengrundstücks selbst, welches zusätzlich auch über die S.--------straße erschlossen wird, werden alle vorgenannten Grundstücke ausschließlich über die B 9 erschlossen.
74Der Ausbauzustand der B 9 im Bereich zwischen der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße und dem Grundstück L. Straße 30 spricht ebenfalls für ihre Erschließungsfunktion. Die Fahrstreifen der B 9 sind in diesem Abschnitt - ausgenommen vorhandene Abbiegespuren - durchgängig jeweils einspurig ausgebaut und nicht durch einen Mittelstreifen getrennt. Erst nördlich der Kreuzung O1. Weg/U.-----straße und damit außerhalb des zu betrachtenden Bereichs verbreitert sich die B 9 hin zu einem zweispurigen Ausbau beider Fahrstreifen. Nur auf einer Strecke von ca. 15 m des insgesamt ca. 630 m langen Bereichs ist einseitig eine Leitplanke vorhanden. Die vorhandene Bebauung auf der Seite des Vorhabengrundstücks ist überwiegend in geringem Abstand zur B 9 errichtet. Auf der südwestlichen Seite gilt dies gleichfalls für die Bebauung zwischen den Grundstücken L. Straße 30 und L. Straße 2. Lediglich im weiteren Verlauf der Straße bis hin zur Kreuzung O1. Weg/U.-----straße ist die auf südwestlicher Seite gelegene Bebauung von der B 9 abgerückt und optisch durch Baum- und Buschwerk sowie teilweise durch einen Maschendrahtzaun und einen partiell durch Grünstreifen von der Fahrbahn abgegrenzten Geh- und Radweg von der B 9 getrennt.
75Dem Fahrenden erscheint die B 9 in diesem Bereich gleichwohl aufgrund der auf der gegenüberliegenden Seite vorhandenen straßennahen Bebauung und der Ampelanlagen an den nur ca. 270 m voneinander entfernten Kreuzungen O1. Weg/U.-----straße und S.--------straße /G.-----straße , die einen zügigen Verkehr verhindern und zudem wechselseitig im jeweils anderen Kreuzungsbereich - für den in Richtung Nordwesten Fahrenden insbesondere auch wegen des großen Vorwegweisers - wahrnehmbar sind, nicht als „freie Strecke“. Dieser Eindruck verstärkt sich noch dadurch, dass ein überwiegender Teil der Zufahrten im maßgeblichen Bereich eine Breite aufweist, die abseits der Nutzung für Ein- und Ausfahrtsvorgänge auf die dadurch erschlossenen Grundstücke auch ein Halten und jederzeitiges Wiedereinfädeln in den fließenden Verkehr ermöglicht und damit eine hohe Zugänglichkeit der Straße generiert. Gleiches gilt insbesondere auch für den auf Höhe des Vorhabengrundstücks vorhandenen Haltestreifen, der teilweise als Bushaltefläche dient, sowie die in Gegenrichtung vorhandenen Unterbrechungen des Grünstreifens zwischen Fahrbahn und Geh- und Radweg.
76Nicht zuletzt spricht auch die auf dem Grundstück Gemarkung O3. , Flur 3, Flurstück 205 bereits errichtete Fremdwerbeanlage mit zwei Werbeflächen, die in exponierter Lage auf einer Wiese unmittelbar im Kreuzungsbereich S.--------straße /G.-----straße stehend von beiden Fahrseiten der B 9 gut wahrnehmbar ist, aus Sicht des Fahrenden dafür, dass er sich nicht auf einer „freien Strecke“ befindet, auf der er einer derartigen potentiellen Ablenkung gerade nicht ausgesetzt würde.
77Die landwirtschaftlich genutzte Freifläche auf dem Grundstück Gemarkung V. , Flur 8, Flurstück 27, die auf einer Strecke von ca. 80 m die straßennahe Bebauung auf der nordöstlichen Seite der B 9 unterbricht, vermag keine Zäsur im Hinblick auf den Erschließungsbereich zu begründen. Die für das Passieren dieser Strecke benötigte Zeit - angesichts deren Länge lediglich wenige Sekunden - ist zu kurz, um dem Fahrenden den Eindruck einer „freien Strecke“ zu vermitteln, zumal in beiden Fahrtrichtungen bereits die Fortsetzung der straßennahen Bebauung sowie die vorgenannten Ampelkreuzungen zu erblicken sind.
78Selbst wenn entgegen den vorgenannten Ausführungen in dem Bereich der landwirtschaftlichen Freifläche eine Zäsur im Hinblick auf die Erschließungsfunktion der B 9 zu sehen sein sollte, wäre jedenfalls das Vorhabengrundstück selbst mit der sodann letzten Zufahrt in nordwestlicher Richtung noch vom Erschließungsbereich der B 9 umfasst. Denn für den Umfang des Erschließungsbereichs kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an,
79vgl. Engelbrecht, Die Errichtung von Werbeanlagen an öffentlichen Straßen, DÖV 2012, 876 (877),
80und bei der Untersuchung der Erschließungsfunktion sind jeweils die erste und letzte Erschließungsanlage entscheidend.
81Vgl. Fickert, Straßenrecht in Nordrhein‑Westfalen, Kommentar, 3. Auflage 1989, § 5 Rn. 20, m. w. N.
82Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
83Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
84Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- FStrG § 9 Bauliche Anlagen an Bundesfernstraßen 17x
- VwGO § 108 1x
- § 34 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- FStrG § 5 Träger der Straßenbaulast 4x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VwGO § 43 1x