Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 B 1039/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner Änderung der angefochtenen Entscheidung.
3Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seiner unter dem Aktenzeichen 1 K 2114/19 anhängigen Klage gegen die von der Antragsgegnerin am 4. Juni 2019 erteilte Baugenehmigung anzuordnen,
5im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, bei der allein möglichen summarischen Prüfung lasse sich zwar nicht feststellen, ob die angefochtene Baugenehmigung Rechte des Antragstellers verletze, jedoch drohten ihm bis zum Abschluss des Klageverfahrens keine so gewichtigen Nachteile, dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfalle. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers ergebe sich jedenfalls nicht aus einer fehlenden Erschließung des Vorhabengrundstücks. Eine solche könne nur dann nachbarrechtlich relevant sein, wenn aufgrund der Baugenehmigung zu befürchten wäre, dass sein Grundstück mit einem Notwegerecht (§ 917 BGB) belastet würde. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Dabei könne dahinstehen, ob die vollständige bauplanungsrechtliche Erschließung des auf den Flurstücken 0000, 0001, 0002 und 0003 geplanten Bauvorhabens der Beigeladenen bereits über die Zuwegungsbaulast auf dem nicht im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstück 0004 gesichert sei. Es sei allerdings zweifelhaft, ob diese östliche Zufahrt angesichts der Größe und der Anordnung des geplanten Gebäudes die Zufahrt zu den nördlich geplanten Stellplätzen ermögliche. Die Zufahrt zu diesen Stellplätzen könne jedoch über die für das im Eigentum des Antragstellers stehende Flurstück 0005 eingetragene Baulast gesichert erfolgen. Ebenfalls offenbleiben könne angesichts dessen, ob auch die auf diesem Grundstück lastende eingetragene Grunddienstbarkeit die baurechtliche Erschließung gewährleiste. Die Grunddienstbarkeit sei zwar nicht auf einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Vorhaben beschränkt, sondern erfasse zweifelsfrei auch die Zufahrt zu Stellplätzen für ein Wohngebäude. Problematisch könne allerdings sein, dass sie ausdrücklich nur die Flurstücke 0000, 0001 und 0006 betreffe, nicht jedoch auch die Flurstücke 0002 und 0003, die für das Vorhaben ebenfalls in Anspruch genommen würden. Bei der gebotenen Auslegung gälten diese Bedenken aber nicht für die eingetragene Baulast. Diese sei insbesondere grundstücks- und nicht vorhabenbezogen zu verstehen. Aus ihrem Text und der gleichlautenden Eintragungsbewilligung lasse sich keine Einschränkung auf ein konkretes Vorhaben ableiten. Eine solche ergebe sich namentlich nicht daraus, dass das im Jahr 2009 genehmigte Vorhaben „Neubau der Stellplatzanlage“ als „Anlass der Eintragung“ auf Seite 1 des Vordrucks erwähnt sei. Es könne zwar sein, dass der damalige Eigentümer des Flurstücks 0005 bei Abgabe der Verpflichtungserklärung vor allem die Errichtung einer Stellplatzfläche gegebenenfalls für ein Altenzentrum im Sinn gehabt habe. Aus diesem Anlass bzw. dieser Motivation habe die Bauaufsichtsbehörde allerdings nicht darauf schließen können oder gar müssen, dass er entgegen der weiten Formulierung seiner Verpflichtungserklärung eine anderweitige Nutzung der Zuwegungsbaulast dauerhaft habe ausschließen wollen. Aus den für das Bauvorhaben erteilten geringfügigen Befreiungen hinsichtlich der Geschoßflächenzahl und der Drempelhöhe resultiere ebenfalls keine Rechtsverletzung des Klägers. Demgegenüber könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zulasten des auf dem Grundstück des Antragstellers betriebenen Imbisses verletzt sei. Die Antragsgegnerin habe im Baugenehmigungsverfahren nicht einmal eine überschlägige Berechnung der auf das Baugrundstück einwirkenden Lärmbelastungen vorgenommen, die nach den nicht in Abrede gestellten Angaben des Antragstellers vor allem in den Abendstunden ab 21:00 Uhr durch den ausgelösten Pkw-Verkehr bestünden. Allerdings sei eine solche Feststellung unwahrscheinlich, weil der – gebietsfremde – Gaststättenbetrieb auf die sonstigen in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen seinerseits Rücksicht zu nehmen habe. Jedenfalls im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes könne - auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Interessenbewertung nach § 212a Abs. 1 BauGB - deshalb nicht angenommen werden, dass das Vorhaben, das die Festsetzungen des Bebauungsplanes im Wesentlichen einhalte, hier unzulässig wäre.
6Diesen im Einzelnen jeweils detailliert weiter begründeten Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt die Beschwerde nichts Durchgreifendes entgegen, das zu einer anderen Interessenbewertung führen könnte.
7Es beschränkt sich letztlich auf die Behauptung, die Baulast sei allein deshalb vorhabenbezogen, weil sie im Zusammenhang mit einem konkreten Vorhaben bestellt worden sei, ohne sich mit der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichts, warum dies im konkreten Fall nicht ausschlaggebend ist, auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang beruft sich der Antragsteller zu Unrecht auf eine entsprechende Rechtsprechung des beschließenden Gerichts, „wonach eine einmal in Zusammenhang mit einem konkreten Bauvorhaben bestellte Baulast nicht der Absicherung eines anderen Bauvorhabens dienen kann“. Eine solche Rechtsprechung, für die der Antragsteller selbst keinen Beleg anführt, gibt es so nicht. Vielmehr hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts,
8vgl. insbesondere OVG NRW, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – 2 A 953/20 -, juris Rn. 17 ff., und Urteil vom 21. November 2017 - 2 A 1393/16 -, NVwZ-RR 2018, 422 = juris Rn. 61 ff., jeweils m. w. N.; siehe auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. Oktober 2000 - 8 S 1445/00 -, BauR 2001, 759 = juris Rn. 48,
9zugrunde gelegt, dass der Inhalt der hier in Rede stehenden Baulast durch Auslegung des Textes der Eintragung und unter Hinzuziehung der Baulastübernahmeerklärung des Rechtsvorgängers des Antragstellers zu ermitteln ist, und hat daraus deren Regelungsgehalt in ohne weiteres nachvollziehbarer Weise abgeleitet. Dabei hat es zu Recht nicht allein auf den formularmäßigen Eingangstext, der als „Anlass“ der Eintragung eine Pkw-Stellplatzanlage mit elf Stellplätzen nennt, abgestellt und dies auch begründet. Hierauf geht das Zulassungsvorbringen nicht weiter ein, insbesondere nicht darauf, dass ein konkretes Vorhaben oder ein konkretes Baugenehmigungsverfahren weder im Fließtext der Baulastübernahmeerklärung noch im Text der Baulast selbst erwähnt werden; allein im beigefügten Lageplan werden die begünstigten Flurstücke mit der neutralen Beschreibung „neue Parkplatzanlage“ belegt. Woraus der Antragsteller schließt, die textliche Erläuterung der Baulasterklärung gehe nur von einer Stellplatzanlage aus, ist deshalb ohne – hier fehlende – Erläuterung unverständlich. Das gilt erst recht für seine Annahme, die Stellplatzanlage bzw. die Baulast hätten offensichtlich allein dazu gedient, den durch die Errichtung eines Alten- und Pflegeheims geschaffenen Stellplatzbedarf zu decken. Ein solches Projekt ist in der gesamten Genehmigungsakte zur Erteilung der Baugenehmigung vom 4. Mai 2009 nicht erwähnt, die Genehmigung ist vielmehr ausdrücklich für eine „private Parkplatzanlage“ beantragt und erteilt worden.
10Angesichts dessen ist das hier genehmigte Vorhaben im Übrigen von der erteilten Baulast selbst unter der Annahme eines wie auch immer gearteten Vorhabenbezugs gedeckt, weil das genehmigte Vorhaben nur noch neun private Stellplätze umfasst und damit hinter dem von der Baulast ermöglichten Nutzungsumfang des Grundstücks der Beigeladenen zurückbleibt.
11Vgl. in diesem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 1997 - 7 B 1974/97 -, juris Rn. 16, sowie Urteile vom 15. Mai 1992 - 11 A 890/91 -, juris Rn. 38, und Urteil vom 21. November 2017 - 2 A 1393/16 -, NVwZ-RR 2018, 422 = juris Rn. 104.
12Vor diesem Hintergrund kommt es auf die bereits vom Verwaltungsgericht offengelassene Frage, ob auch die für das Grundstück des Antragstellers eingetragene Grunddienstbarkeit eine hinreichende Erschließung des Vorhabens der Beigeladenen sichert, weiterhin nicht an.
13Zur Problematik allgemein Beck-OK BauO NRW, 7. Edition, § 4 Rn. 31 ff.
14In diesem Zusammenhang weist der Senat lediglich darauf hin, dass eine Verletzung von Rechten des Antragstellers selbst dann nicht vorläge, wenn die bestehende Grunddienstbarkeit die baurechtliche Erschließung nicht hinreichend gewährleistete. Denn das Erfordernis der gesicherten Erschließung besteht, worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse. Eine subjektive Rechtsposition käme nur in Betracht, wenn der Antragsteller befürchten müsste, dass sein Eigentum durch ein Notwegerecht belastet würde. Das stünde hier aber nicht in Rede, nachdem er aufgrund der eingetragenen Grunddienstbarkeit den Beigeladenen zivilrechtlich ein Wegerecht eingeräumt hat, selbst wenn dieses für eine gesicherte Erschließung im Sinne von §§ 4 Abs. 1 BauO NRW, 30 ff. BauGB nicht ausreichte.
15Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Antragsteller auch die im Beschwerdeverfahren etwaig entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese im Beschwerdeverfahren keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
- BGB § 917 Notweg 1x
- 8 S 1445/00 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 152 1x
- 2 A 1393/16 2x (nicht zugeordnet)
- 7 B 1974/97 1x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen 1x
- VwGO § 154 1x
- 1 K 2114/19 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 4 Abs. 1 BauO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- VwGO § 146 1x
- 2 A 953/20 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- § 212a Abs. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 890/91 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)