Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 2 A 163/21
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 534,40 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 bis 5 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
31. Das angefochtene Urteil beruht entgegen dem zentralen Einwand des Klägers nicht deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil es nicht auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2020 hätte ergehen dürfen. Der Kläger meint zu Unrecht, dass das Verwaltungsgericht aufgrund seines am Morgen des Terminstages gestellten Terminsverlegungsantrags verpflichtet gewesen wäre, die Sache zu vertagen und einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.
4Nach § 227 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder eine Verhandlung vertagt werden. Diese erheblichen Gründe sind nach § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen glaubhaft zu machen. Danach ist das Verwaltungsgericht hier zu Recht davon ausgegangen, dass erhebliche Gründe eine Vertagung unabhängig davon nicht erfordert haben, ob der Kläger am Terminstag tatsächlich an einer Grippe litt und deshalb arbeitsunfähig war. Denn der Kläger hat seine Verhinderung am Terminstag auf das entsprechende Verlangen des Verwaltungsgerichts vom 24. November 2020 nicht glaubhaft gemacht. Entgegen seiner Auffassung kann insbesondere der Mitteilung vom 24. November 2020 keine Glaubhaftmachung im Sinne einer anwaltlichen Versicherung entnommen werden. Eine solche enthält das Schreiben – aus welchem Grund auch immer – gerade nicht. Unbeschadet dessen hat das Verwaltungsgericht zur Glaubhaftmachung die Vorlage eines ärztlichen Attestes gefordert, was durch eine anwaltliche Versicherung ersichtlich nicht geleistet werden kann.
5Dass eine solche Anforderung grundsätzlich in Betracht kam, begegnet hier auch keinen Bedenken. Soweit der Kläger geltend macht, niemand würde bei einer „normalen Grippe“ einen Arzt aufsuchen bzw. in Pandemiezeiten wäre er nicht in die Praxis gelassen worden, ist dies schon deshalb unerheblich, weil dies zumindest die Glaubhaftmachung der Art der Erkrankung gegenüber dem Gericht vorausgesetzt hätte. Schon hieran fehlt es indes. Aus dem gleichen Grund geht auch der Einwand fehl, er habe mit Grippesymptomen „das Amtsgericht und das Landgericht in Düsseldorf“ ohnehin nicht aufsuchen dürfen. Im Übrigen sind Anhaltspunkte dafür, dass es ihm bei einer tatsächlichen Grippeerkrankung nicht möglich gewesen sein könnte, ein ärztliches Attest hierzu vorzulegen, aber ohnehin auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie nicht zu erkennen, zumal in dieser Zeit etwa Krankschreibungen nicht zwingend einen persönlichen Kontakt mit einem Arzt erfordert haben. Ob dies für die geforderte Glaubhaftmachung nach § 227 ZPO ausgereicht hätte, mag dahinstehen, weil selbst eine solche Bescheinigung nicht beigebracht worden ist. Da der Kläger am 24. November 2020 in der Lage war, Schriftsätze zu fertigen und zu versenden, ist auch auszuschließen, dass er an diesem oder an einem Folgetag zu einem Arztkontakt oder -besuch nicht in der Lage gewesen sein könnte. Anders lässt sich der Vortrag, er habe an einer normalen Grippe gelitten, bei der niemand auf die Idee käme, einen Arzt aufzusuchen, auch nicht verstehen.
6Zu keiner anderen Bewertung führt der Umstand, dass der Kläger mit der Begründung des Zulassungsantrages behauptet, eine Verfügung des erstinstanzlichen Gerichtes vom 24. November 2020 dahingehend, ein ärztliches Attest bis zum 4. Dezember 12:00 Uhr vorzulegen, liege ihm nicht vor. Ob er damit überhaupt einen fehlenden Zugang dieser gerichtlichen Verfügung behaupten will, ist bereits nicht klar. Dass der Umstand, dass ihm die Verfügung nicht vorliegt, zwingend auf einem fehlenden Zugang beruhen müsste, liegt zumindest nicht auf der Hand. Selbst wenn der Kläger indes mit diesem Vortrag einen Zugang in Abrede stellen wollen sollte, wertet das Gericht dies als reine Schutzbehauptung. Das gesamte Verwaltungs- und das erstinstanzliche Verfahren durchzieht wie ein roter Faden, dass der Kläger zufällig und nur alle diejenigen Schriftstücke, die für ihn nachteilig sein könnten, nicht erhalten haben will, während aller sonstiger Schriftverkehr – einschließlich aller förmlichen Zustellungen – ihn problemlos erreicht. Das widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, zumal es sich bei der verwandten Adresse offenbar auch um den Sitz der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers handelt. Vor diesem Hintergrund steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die nicht in Rücklauf geratene gerichtliche Verfügung vom 24. November 2020 den Kläger tatsächlich erreicht hat, auch wenn sie ihm nicht (mehr) vorliegen mag.
72. Die weiteren Ausführungen des Klägers, mit denen er die „Rechtswidrigkeit“ des Urteils bzw. des Gerichtsbescheides vom 30. April 2020 geltend macht und damit der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung vorbringt, vermögen solche schon im Ansatz nicht zu begründen. Das gilt schon deshalb, weil sie inhaltlich und im Gedankengang kaum verständlich sind und sich mit der eingehenden - und der Rechtsprechung unter anderem des beschließenden Senats entsprechenden,
8etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Februar 2021 - 2 A 513/20 -, juris Rn. 10 ff., vom 9. Dezember 2020 – 2 A 1127/20 -, juris Rn. 6, und vom 16. November 2020 - 2 A 1398/20 -, jeweils m. w. N. -
9Begründung des Verwaltungsgerichts dazu, dass von einem Zugang der der angegriffenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 13. September 2018 zugrunde liegenden (vier) Festsetzungsbescheide auszugehen sei, nicht einmal ansatzweise auseinandersetzen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hinweist, ihm sei der Inhalt der Verwaltungsvorgänge des Beigeladenen nicht bekannt und er könne dazu deshalb nicht vortragen, kann er sich hierauf schon deshalb nicht berufen, weil es ihm freigestanden hätte, Einsicht in diese bereits unter dem 11. Dezember 2019 übersandten Akten zu nehmen. Von einem Akteneinsichtsgesuch hat er indes auch nach Erlass des Gerichtsbescheides, der die nunmehr kritisierten Feststellungen bereits enthielt, abgesehen, ohne dass hierfür ein Grund geltend gemacht oder ersichtlich wäre. Im Hinblick auf die vom Kläger insoweit vorgebrachten fehlenden Kenntnisse sei lediglich darauf hingewiesen, dass zu den fraglichen Bescheiden - den Anforderungen des § 41 Abs. 2 VwVfG entsprechend,
10vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 2021 - 2 A 513/20 -, juris Rn. 8; Tegethoff, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG-Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 41 Rn. 39b -
11jeweils ein Postauslieferungsdatum in den Akten vermerkt ist und die Zustellung dieser Bescheide hier nicht in Rede steht; vielmehr reichte deren (einfache) Bekanntgabe aus. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden ist es auch lebensfremd anzunehmen, dass alle vier Bescheide dem Kläger nicht zugegangen sein könnten, obwohl sie an seine melderechtliche Anschrift korrekt adressiert waren.
12Vgl. zu solchen Fallgestaltungen nur OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Februar 2021 - 2 A 513/20 -, juris Rn. 10 ff., vom 9. Dezember 2020 - 2 A 1127/20 -, juris Rn. 6, und vom 16. November 2020 - 2 A 1398/20 -, jeweils m. w. N.
13Dass die Postauslieferung bei dem Kläger derart unzuverlässig ist, dass auch mit einem solchen gehäuften Verlust von Briefen gerechnet werden könnte, schließt der Senat nicht zuletzt deshalb aus, weil der Kläger unter dieser Anschrift auch sein Rechtsanwaltsbüro betreibt, sodass ihm gehäufte Nichtzugänge von Post in jedem Fall hätten auffallen müssen. Solches behauptet der Kläger indes nicht. Warum ausgerechnet Schreiben des Beigeladenen (selektiv) durch die Post nicht eingeworfen werden sollten, ist demgegenüber nicht zu erklären. Hinzu kommt, dass von den zahlreich versandten Bescheiden des Beigeladenen tatsächlich zwei im Laufe von fünf Jahren in Rücklauf geraten sind. In beiden Fällen hat der Beigeladene durch eine Meldeanfrage ermitteln können, dass der Kläger tatsächlich verzogen war. Für den hier in Rede stehenden Zeitraum und die vom Kläger auch im hiesigen Verfahren angegebene Adresse gilt dies indes gerade nicht.
143. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte oder dass das Verwaltungsgericht von einer Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2002 - 5 B 443/99 - abgewichen sein könnte, wobei letzteres von vornherein den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht begründete, weil es sich nicht um eine Entscheidung des dem VG Düsseldorf übergeordneten Oberverwaltungsgerichts handelt. Unabhängig davon steht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weder im rechtlichen Ausgangspunkt noch in der Subsumtion zu dem genannten Urteil in Widerspruch. Vielmehr hat dieses in der genannten Entscheidung ausdrücklich verlangt, dass das Bestreiten des Postzugangs „plausibel“ sein müsse; davon kann hier aber – wie ausgeführt – gerade keine Rede sein. Eine rechtsgrundsätzlich klärungsfähige und –bedürftige Rechtsfrage lässt sich dem Zulassungsvorbringen im Übrigen weder ausdrücklich noch der Sache nach entnehmen.
15Vor diesem Hintergrund mag dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Zulässigkeit der Klage ausgegangen ist. Ein Feststellungsinteresse bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse hat der Kläger - soweit ersichtlich - selbst nicht geltend gemacht. Ob gleichwohl ein Rehabilitationsinteresse, auf das das Verwaltungsgericht insoweit abgestellt hat besteht, ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger erst die 3. Pfändungs- und Einziehungsverfügung angegriffen hat, zumindest fraglich. Inwieweit der Kläger mit der begehrten Feststellung seine Kreditwürdigkeit messbar verbessern könnte, erscheint daher ebenso ungeklärt wie die Frage, ob mit einer entsprechenden Feststellung tatsächlich die durch den Erlass des Vollstreckungsaktes vom Verwaltungsgericht angenommenen negativen Auswirkungen auf die Kreditgewährung beseitigt werden könnten.
16Vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Urteil vom 20. Januar 2021 - 2 A 1480/20 -, juris Rn. 55.
17Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, nachdem dieser im Zulassungsverfahren keinen Sachantrag gestellt und sich zur Sache auch nicht eingelassen hat.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG und folgt – auch in der Begründung – der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
19Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das angegriffene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 152 1x
- ZPO § 227 Terminsänderung 3x
- VwGO § 124a 1x
- 5 B 443/99 1x (nicht zugeordnet)
- 2 A 513/20 3x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 41 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes 1x
- 2 A 1480/20 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 2 A 1398/20 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 3 1x
- VwGO § 162 1x
- §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 173 1x
- 2 A 1127/20 2x (nicht zugeordnet)