Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 994/20.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Der von dem Kläger allein gerügte Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt, indem es den von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. Januar 2020 gestellten Antrag, den Termin zur Verhandlung zu verlegen, abgelehnt und in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten mündlich verhandelt hat.
4Das Gericht war nicht gehalten, dem Antrag auf Terminverlegung zu entsprechen.
5Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der gemäß § 173 Satz 1 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, kann ein Termin „aus erheblichen Gründen" aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe" ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa § 87b VwGO) und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen (Konzentrationsgebot, vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 VwGO), und andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) Rechnung zu tragen. Letzteres verlangt, dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern und tatsächliche und rechtliche Argumente im Prozess vortragen zu können. Allerdings ist der Beteiligte gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren das rechtliche Gehör zu verschaffen, sodass letztlich nur eine ihm trotz zumutbarem eigenen Bemühen um die Erlangung rechtlichen Gehörs versagte Möglichkeit zur Äußerung eine Gehörsverletzung darstellt. Deshalb sind eine Verlegung rechtfertigende „erhebliche" Gründe im Sinne des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2017– 2 B 69.16 –, juris, Rn. 7.
7Die Ablehnung eines Verlegungs- oder Vertagungsantrages kann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn die begehrte Änderung des Termins aus erheblichen Gründen geboten ist. Dabei erfordert die prozessuale Mitwirkungspflicht jedes Beteiligten, dass ein entsprechender Antrag unverzüglich gestellt wird, also ohne schuldhaftes Zögern.
8Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. April 2017– 2 B 69.16 –, juris, Rn. 8 und vom 29. April 2004– 3 B 119.03 –, juris, Rn. 4.
9Ein erheblicher Grund i. S. v § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann u. a. darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter erkrankt ist. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Verlegung oder Vertagung des Termins; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. November 2019– 4 A 524/19.A –, juris, Rn. 8, und vom 1. Februar 2018 – 4 A 10/18.A –, juris, Rn. 22, jeweils m. w. N.
11Dem verhinderten Beteiligten obliegt es dabei, die erheblichen (Hinderungs-)gründe, auf die er sich beruft, schlüssig und substantiiert darzulegen, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grunds zu beurteilen und gegebenenfalls eine (weitere) Glaubhaftmachung gemäß 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 2 ZPO zu verlangen.
12Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009– 6 B 32.09 –, juris, Rn. 4, m. w. N.
13Grundsätzlich ist die Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen, aus dem sich die Unmöglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung ergibt. Wird eine Terminverlegung erst unmittelbar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert, dass das Gericht aus den Unterlagen Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Aufhebung oder Verlegung des Termins bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit.
14Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. November 2019 – 4 A 524/19.A –, juris, Rn. 10, vom 1. Februar 2018 – 4 A 10/18.A –, juris, Rn. 24, und vom 5. Juni 2012 – 17 E 196/12 –, juris, Rn. 17, jeweils m. w. N.
15Ausgehend von diesen Grundsätzen kann eine Gehörsverletzung nicht festgestellt werden.
16Das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck, S. 5 ff.) hat den Antrag auf Verlegung des Termins mit der Begründung abgelehnt, erhebliche Gründe, die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 ZPO allein eine Vertagung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Ein ausreichender Grund könne in der unerwarteten Erkrankung eines Beteiligten oder seines Prozessbeteiligten liegen. Die der Einzelrichterin erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2020 vorgelegte, auf den 31. Januar 2020 datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entsprochen und habe keine Rückschlüsse auf eine Verhandlungsunfähigkeit zugelassen.
17Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen des Klägers zeigt nicht auf, dass die Ablehnung des Antrags auf Verlegung des Termins nach Maßgabe der oben dargestellten Grundsätze einen Gehörsverstoß darstellt.
18Der am Freitag, dem 31. Januar 2020 allein mit Verweis auf eine (unbenannte) Erkrankung des Prozessbevollmächtigten gestellte Terminverlegungsantrag enthielt keine Anhaltspunkte, die es dem Verwaltungsgericht ermöglicht hätten, zu prüfen, welcher Art und Schwere die Erkrankung ist und bot damit auch keine Veranlassung, unmittelbar über den Antrag zu entscheiden. Auch für eine diesbezügliche gerichtliche Nachfrage bestand zu diesem Zeitpunkt angesichts der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten, er werde noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übermitteln, kein Anlass. Obwohl der Übersendungsschriftsatz selbst schon von Montag, dem 3. Februar 2020 datiert und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung offensichtlich bereits an diesem Tag vorlag, wurde diese dem Verwaltungsgericht ausweislich des mit dem Zulassungsantrag vorgelegten Sendeberichts – entgegen dem Zulassungsvorbringen – aus allein in der Sphäre des Prozessbevollmächtigten liegenden Gründen erst am Morgen des 5. Februar 2020, dem Tag der mündlichen Verhandlung, übersandt. Wegen der nunmehr eingetretenen – nicht vom Verwaltungsgericht zu vertretenden – Dringlichkeit hätte zu diesem Zeitpunkt allerdings eine Bescheinigung vorgelegt werden müssen, anhand derer das Verwaltungsgericht ohne weitere Nachforschungen hätte beurteilen können, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit bestand. Dies war nicht der Fall. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielt weder eine Diagnose noch konnte ihr sonst eine nähere Begründung dafür entnommen werden, warum dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung krankheitsbedingt nicht möglich war.
19Vgl. dazu, dass ein Attest eines Arztes, mit dem lediglich pauschal „Arbeitsunfähigkeit“ bescheinigt wird“ nicht ausreicht BFH, Beschluss vom 8. September 2015 – XI B 33/15 –, juris, Rn. 13.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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Referenzen
- 17 E 196/12 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 10/18 2x (nicht zugeordnet)
- XI B 33/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 227 Terminsänderung 2x
- 4 A 524/19 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 87b 1x
- VwGO § 87 1x
- VwGO § 173 1x