Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 3158/20.A
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus P. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2I. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
4Die Berufung ist weder wegen eines Verfahrensmangels (dazu 1.), noch wegen ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit (dazu 2.) oder der – sinngemäß geltend gemachten – Divergenz (dazu 3.) zuzulassen.
51. Die Berufung ist zunächst nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
6a) Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es in Abwesenheit der Klägerin mündlich über die Klage verhandelt und diese abgewiesen hat.
7Die Möglichkeit der Teilnahme eines Beteiligten an der mündlichen Verhandlung trägt dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung. Hat der Beteiligte einen Prozessbevollmächtigten, der ihn in dem Termin vertreten kann, ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör regelmäßig genügt, wenn dieser an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann. Dies war vorliegend der Fall. Die über ihren Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß zum Termin geladene Klägerin hatte über ihren im Termin anwesenden Prozessbevollmächtigten Gelegenheit, die aus ihrer Sicht maßgeblichen Tatsachen vorzutragen.
8Einen darüber hinausgehenden generellen Anspruch auf eine persönliche Anhörung anwaltlich vertretener Kläger sieht die Prozessordnung auch im Asylrechtsstreit nicht vor. Das Unterbleiben einer persönlichen Anhörung kann allerdings je nach den Umständen des Einzelfalles verfahrensfehlerhaft sein, wenn es für die Entscheidung nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf den persönlichen Eindruck von dem Asylbewerber ankommt, etwa weil das Gericht auf seine Glaubwürdigkeit oder die Glaubhaftigkeit seiner Angaben abstellt
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2007 – 10 B 74.07 –, juris, Rn. 8.
10Voraussetzung einer begründeten Gehörsrüge ist ferner die (erfolglose) Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
11Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. August 2008 – 1 B 3.08 –, juris, Rn. 9.
12Gemessen hieran liegt ein Gehörsverstoß nicht vor.
13aa) Besondere Umstände dafür, dass im Falle der Klägerin eine persönliche Anhörung hätte stattfinden müssen, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf.
14Das Verwaltungsgericht hat zunächst ausdrücklich ausgeführt, der Klägerin könne unabhängig von der Überzeugungskraft ihres Vorbringens, keine Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden. Es sei Nichts dafür ersichtlich, dass die angolanische Regierung nicht willens oder in der Lage sei, Schutz vor der geltend gemachten Verfolgung durch Private zu bieten (Urteilsabdruck, S. 6).
15Im Hinblick auf die Gewährung subsidiären Schutzes hat das das Verwaltungsgericht zwar auf die (mangelnde) Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags abgestellt. Insoweit ist jedoch zum einen weder dargelegt noch sonst ersichtlich, warum das Verwaltungsgericht für die Wertung, der bisherige Vortrag der Klägerin sei nicht glaubhaft, zwingend eines persönlichen Eindrucks bedurft hätte Zum anderen ist dem Zulassungsvorbringen auch nicht – wie erforderlich – zu entnehmen, was die Klägerin bei einer Anhörung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte.
16bb) Im Übrigen hat weder die Klägerin die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens beantragt noch hat der im Termin anwesende Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Vertagung des Termins gestellt. Auch in dem Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 wird lediglich für den Fall, dass das Gericht es für erforderlich halte, gebeten, ggf. einen weiteren Termin zur Anhörung zu bestimmen. Dies war nicht als Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu verstehen, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin später ausdrücklich klargestellt hat.
17Mit dem Zulassungsantrag ist auch nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht von einem erheblichen Grund für eine Vertagung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 ZPO) hätte ausgehen müssen. Auch mit dem Zulassungsvorbringen wird nicht näher erläutert, aus welchen Gründen die Klägerin zu spät zu ihrem Termin kam.
18b) Die Berufung ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens, § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
19Der behauptete Verfahrensmangel ist bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Es ist schon nicht dargelegt, welche Zugangsbeschränkungen bestanden. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der ausweislich des Protokolls an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, wurde offensichtlich Zutritt gewährt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass anderen Personen, die der mündlichen Verhandlung hätten beiwohnen wollen, abgewiesen worden wären.
20Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag, der Klägerin sei der Zutritt verweigert worden. Öffentlichkeit im Sinne von § 138 Nr. 5 VwGO sind nicht die Verfahrensbeteiligten. Werden diese an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert, ist der Anwendungsbereich des § 138 Nr. 5 VwGO nicht eröffnet.
21Vgl. Kuhlmann, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 138, Rn. 41.
22Nach dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12. Oktober 2020 war der Termin im Übrigen schon beendet, als die Klägerin das Verwaltungsgericht erreicht hatte.
232. Soweit die Klägerin rügt, es sei unberücksichtigt geblieben, dass in Angola Frauen keinen behördlichen Schutz gegen eine Verfolgung durch Private erlangen können, macht sie lediglich (ernstliche) Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltend, die keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.
243. Selbst wenn man die Rüge der Klägerin, in Bezug auf einen staatlichen Schutz gegen eine Verfolgung durch Private sei die obergerichtliche Rechtsprechung nicht hinreichend berücksichtigt worden, sinngemäß als Rüge einer Divergenz gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG auffassen wollte, wäre auch dieser Zulassungsgrund nicht gegeben.
25Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG setzt voraus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellten eben solchen Rechtssatz abweicht.
26Vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 158; OVG NRW, Beschlüsse vom 10. Dezember 2020 – 1 A 3911/18.A –, juris, Rn. 50 und vom 22. April 2020 – 1 A 1406/18.A –, juris, Rn. 32.
27Gemessen hieran ist eine Divergenz nicht dargelegt. Das Zulassungsvorbringen benennt keinen abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz eines divergenzfähigen Gerichts, von dem das Verwaltungsgericht in einem ebensolchen Satz abgewichen wäre. Auch dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2014 – 1 A 1139/13.A – lässt sich nicht allgemein entnehmen, dass der angolanische Staat generell nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz gegen eine Verfolgung durch Private zu bieten. In dem dortigen Fall ging es um Misshandlungen einer jungen Frau durch einen hohen Militärangehörigen.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Februar 2014 – 1 A 1139/13.A –, Rn. 54 ff.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
30Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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