Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 6 B 1218/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 5.000,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen sind, veranlassen den Senat nicht zu einer Änderung des angegriffenen Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller gegen die Entlassungsverfügung des Antragsgegners vom 29. Dezember 2020 erhobenen Klage 2 K 495/21 wiederherzustellen und nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO anzuordnen, dass der Antragsteller die Ausbildung für den Laufbahnabschnitt II ab sofort vorläufig weiter absolvieren darf.
3Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Begründung weise den erforderlichen Einzelfallbezug auf. Die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus. Die auf § 23 Abs. 4 BeamtStG gestützte Entlassungsverfügung begegne nach summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es sei ein Ausnahmefall gegeben, der die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf vor Abschluss des Vorbereitungsdienstes rechtfertige. Der Antragsgegner habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Antragsteller am 5. April 2018, 24. April 2019, 8. Mai 2019 und 7. Juni 2019 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben und sich jeweils erst verspätet, zum Teil sogar erst nach Aufforderung, krank gemeldet habe, am 20. November 2018 verspätet zum Unterricht erschienen und mehrfach im Unterricht eingeschlafen sei. Ferner seien am 11. Mai 2018 und am 17. Mai 2019 mit dem Antragsteller persönliche Gespräche geführt worden, in denen er darauf hingewiesen worden sei, dass sein Verhalten inakzeptabel sei und bereits zu Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung geführt habe. Am 17. Mai 2019 sei er auch auf eine mögliche Suchterkrankung (Alkohol, Drogen, Spielsucht) angesprochen worden, die er jedoch bestritten habe. Auf die Notwendigkeit, sich unverzüglich bei der Ausbildungsleitung krank zu melden, sei der Antragsteller schon zu Beginn der Ausbildung belehrt worden. Darüber hinaus habe der Antragsteller nach Darstellung einer Mitstudierenden am 10. Juli 2019 in den Räumen der gemeinsamen Wohngemeinschaft Drogen konsumiert. Nachdem in einem freiwilligen Urintest am 12. Juli 2019 Drogenkonsum (Cannabis) nachgewiesen worden sei, habe der Antragsteller diesen eingeräumt, jedoch bestritten, den Konsum in den Räumen der Wohngemeinschaft getätigt zu haben. Er habe angegeben, bei einem Aufenthalt in Holland Drogen konsumiert zu haben. Die Kammer habe keine durchgreifenden Zweifel daran, dass sich die Geschehnisse so zugetragen hätten, wie vom Antragsgegner angenommen. Dies gelte insbesondere für den - einzig seitens des Antragstellers in Abrede gestellten - Vorwurf, der Cannabiskonsum habe am 10. Juni 2019 in seiner Wohngemeinschaft stattgefunden. Die sich hierauf gründenden Zweifel des Antragsgegners an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für das Amt des Polizeivollzugsbeamten seien berechtigt. Es lägen zahlreiche Verstöße des Antragstellers gegen seine Dienstpflichten, insbesondere seine Pflichten, rechtzeitig zum Dienst zu erscheinen und sich rechtzeitig krank zu melden, vor. Es liege auf der Hand, dass ein solches Verhalten geeignet sei, die Zuverlässigkeit und das Verantwortungsbewusstsein des Betreffenden sowie dessen Ernsthaftigkeit hinsichtlich des Berufs als Polizeivollzugsbeamten in Zweifel zu ziehen. Der Vorwurf wiege besonders schwer, weil die Verstöße gegen die Anwesenheitspflicht und die Pflicht zur rechtzeitigen Krankmeldung trotz mehrfacher persönlicher Gespräche und ausdrücklicher Hinweise auf die möglichen beamtenrechtlichen Konsequenzen begangen worden seien. Der Antragsgegner stütze seine Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers darüber hinaus in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den vom Antragsteller eingeräumten Cannabiskonsum. Von einem Polizeivollzugsbeamten müsse erwartet werden, dass er - auch im privaten Bereich - die mit dem Betäubungsmittelkonsum einhergehenden Sucht- und Gesundheitsgefahren sowie Erscheinungen der Begleitkriminalität bekämpfe und konsequent und unzweifelhaft dafür einstehe. Es spreche nach summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller nicht die erforderliche Besonnenheit und charakterliche Festigkeit gegenüber dem Konsum und dem Umgang mit Betäubungsmitteln habe. Das vom Antragsteller angeführte ehrenamtliche Engagement sowie seine fachlichen Leistungen änderten nichts an der nachdrücklichen Erschütterung des Vertrauens, die die geschilderten Verhaltensweisen während seiner Ausbildungszeit hervorgerufen hätten. Der vorzeitigen Entlassung stehe im Streitfall auch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG nicht entgegen. Auch die weiterhin vorzunehmende Vollzugsfolgenabwägung führe nicht zu einem Überwiegen des Suspensivinteresses des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung. Vor diesem Hintergrund bleibe auch dem weiteren Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO der Erfolg versagt.
4Diese näher begründeten Erwägungen zieht die Beschwerde nicht durchgreifend in Zweifel.
5Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dem formalen Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. Der Vorwurf des Antragstellers, es fehle an einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung, warum gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse am Vollzug bestehe, trifft nicht zu.
6Das Begründungserfordernis soll neben der Information des Betroffenen und des mit einem eventuellen Aussetzungsantrag befassten Gerichts vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG dazu anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen. Die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung dürfen hierbei aber nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich - in aller Regel - nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf nur formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2020
8- 6 B 1062/20 -, juris Rn. 38.
9Einen in diesem Sinne nur formelhaften Charakter weist die hier gegebene Begründung nicht auf. Der Antragsgegner hat ausgeführt, die Öffentlichkeit habe einen Anspruch darauf, dass nur diejenigen Personen die Ausbildung zur Polizeivollzugsbeamtin bzw. zum Polizeivollzugsbeamten absolvierten, bei denen die erforderliche persönliche und charakterliche Eignung in keiner Weise in Frage stehe. Die Öffentlichkeit erwarte, dass die auszubildenden Polizistinnen und Polizisten dem in sie gesetzten Vertrauen gerecht würden. Zwar liege es im persönlichen Interesse des Antragstellers, den Vorbereitungsdienst fortzusetzen, jedoch könne ein Polizeivollzugsbeamter, der in so hohem Maße unzuverlässig sei und noch während der Ausbildung Betäubungsmittel konsumiere, nicht im Polizeivollzugsdienst verbleiben.
10Diese Begründung erschöpft sich nicht, wie der Antragsteller geltend macht, in einem Verweis auf das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit, dass nur geeignete Personen die Ausbildung zum Polizeivoltzugsbeamten fortführen. Vielmehr hat der Antragsgegner gerade auch die Gesichtspunkte dargelegt, die ihm im vorliegenden Fall Veranlassung gegeben haben, den Eintritt des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage gegen die Entlassungsverfügung auszuschließen, namentlich die u. a. aus dem Betäubungsmittelkonsum während der Ausbildung abgeleitete besondere Unzuverlässigkeit des Antragstellers.
11Fehl geht auch die Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegner hätte detailliert darlegen müssen, in welcher Hinsicht für die zweite Entlassungsverfügung nunmehr ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe, weil eine solche Anordnung für die erste Entlassungsverfügung vom 14. November 2019 - die der Antragsgegner später wegen ihrer formellen Rechtswidrigkeit aufgehoben hat - nicht getroffen worden sei. Zum einen zieht der Antragsteller damit im Wesentlichen die inhaltliche Tragfähigkeit der vom Antragsgegner angegebenen Gründe in Zweifel, die allerdings, wie bereits dargelegt, von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerade nicht vorausgesetzt wird. Zum anderen bedurfte es einer solchen Begründung schon deshalb nicht, weil offensichtlich ist, dass der Antragsgegner zunächst rechtsirrtümlich davon ausging, einer Anordnung der sofortigen Vollziehung bedürfe es mit Blick auf das im Juli 2019 ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht und er im Anschluss an den anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. August 2020 bereits unter dem 18. August 2020 eine entsprechende Anordnung erlassen hat.
12Mit seinem Beschwerdevorbringen setzt der Antragsteller auch den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur materiellen Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung nichts Durchgreifendes entgegen.
13Mit dem Einwand, sein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst sei auf gesundheitliche Probleme zurückzuführen und daher nicht als schuldhafte Dienstpflichtverletzung zu werten, wiederholt er lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller die darin liegende Verletzung seiner Dienstpflichten, selbst wenn sie auf eine Erkrankung zurückzuführen gewesen sein sollten, jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, weil er sich über einen erheblichen Zeitraum (April 2018 bis Mai 2019) keine ärztliche Hilfe gesucht hat. Zutreffend ist überdies die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass die Dienstpflichtverletzungen tatsächlich kausal auf die ihm im Mai 2019 attestierten Schlafstörungen zurückzuführen gewesen seien, weil sich den vorgelegten Attesten ein solcher Zusammenhang nicht entnehmen lasse und auch sonst nicht naheliegend sei. Diesen Ausführungen setzt die Beschwerde nichts entgegen.
14Entsprechendes gilt für die Rüge, der beim Antragsteller durchgeführte Urintest auf Betäubungsmittel sei lediglich „schwach positiv“ bzw. „nicht eindeutig negativ“ gewesen und wegen der geringen Verlässlichkeit derartiger Tests nicht belastbar. Hierzu hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller den Cannabiskonsum sowohl außergerichtlich als auch im gerichtlichen Verfahren eingeräumt hat. Insoweit kommt es auf das Ergebnis des Urintests nicht entscheidungserheblich an. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang weiter moniert, es hätten keine weitergehenden Ermittlungen bzw. Untersuchungen stattgefunden, um ihn vor den in der Folge geäußerten falschen Vermutungen eines länger andauernden Drogenkonsums zu bewahren, ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Verdacht zwar im Verwaltungsverfahren geäußert, jedoch in der Entlassungsverfügung ausdrücklich nicht aufrechterhalten worden ist (vgl. Bl. 253 des Verwaltungsvorgangs). Auch hierauf hatte bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen.
15Soweit sich der Antragsteller gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, es spreche nach Aktenlage ganz Überwiegendes dafür, dass der Cannabiskonsum wie von der Zeugin geschildert am 10. Juli 2019 in der Wohngemeinschaft stattgefunden habe, vermag er mit seinem Beschwerdevorbringen die im Einzelnen begründeten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Glaubhaftigkeit der Aussage und zur Glaubwürdigkeit der Zeugin (Beschlussabdruck S. 6) nicht durchgreifend zu erschüttern. Dieses erschöpft sich in der bereits erstinstanzlich vorgebrachten und auch im Beschwerdeverfahren nicht näher erläuterten oder substantiierten Behauptung, die Zeugin habe ihre eigene Ausbildung aufgrund nicht erbrachter Teilleistungen kurze Zeit nach ihrer Aussage abbrechen müssen und deshalb aufgrund eines Neidgefühls gegenüber anderen „erfolgreicheren Mitstudierenden“ wie dem Antragsteller gehandelt, was, wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, von vornherein nicht naheliegend erscheint. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller mit der Entlassungsverfügung lediglich den von ihm eingeräumten Cannabiskonsum als solchen vorgeworfen hat. Zwar hat er im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung die Angaben der Zeugin zu Zeit und Ort des Konsums wiedergegeben und dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Angaben der Zeugin für „grundsätzlich glaubhaft“ erachte. Im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung hat er aber ausschließlich auf „den Drogenkonsum“ als solchen bzw. den vom Antragsteller „selbst eingeräumten Drogenkonsum“ abgestellt und deutlich gemacht, dass bereits hierdurch das Vertrauen, der Antragsteller werde keinerlei Drogen konsumieren und jederzeit uneingeschränkt in der Lage sein, polizeilichen Dienst zu versehen, so nachhaltig erschüttert sei, dass er es nicht für vertretbar erachte, ihn seine Ausbildung fortsetzen zu lassen (Vgl. Bl. 253/254 des Verwaltungsvorgangs). Auf Zeit und Ort des als solchen vom Antragsteller zugegebenen Betäubungsmittelkonsums kam es danach nicht entscheidungserheblich an.
16Die erneute Behauptung des Antragstellers, es habe sich bei dem Cannabiskonsum um ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Verhalten gehandelt, rechtfertigt ebenfalls nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat insoweit bereits in nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass der Antragsteller keinerlei Umstände substantiiert dargelegt hat, aus denen sich ergeben könnte, dass es sich um eine einmalige Versuchssituation im Sinne einer Augenblickstat gehandelt oder dass er sich in einer besonderen Ausnahmesituation befunden hätte. Derartiges lässt sich auch dem Beschwerdevorbringen, das sich in dem Hinweis erschöpft, der Konsum habe „auf Veranlassung eines Freundes“ stattgefunden, nicht entnehmen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der im Betäubungsmittelkonsum liegende Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG im Kontext des nur wenige Wochen zuvor erfolgten persönlichen Gesprächs mit dem Ausbildungsleiter zu ebendiesem Thema und der zuvor begangenen zahlreichen Verstöße gegen die Dienstpflichten durch unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst zu betrachten ist und sich in das dadurch entstandene Bild von der fehlenden Zuverlässigkeit des Antragstellers einfügt. In diesem Sinne kann von einem einmaligen und persönlichkeitsfremden Verhalten keine Rede sein.
17Anders als der Antragsteller meint, hat der Antragsgegner bei der Bewertung des Cannabiskonsums auch keine allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe verletzt. Es kann daher dahinstehen, ob dieser erst mit Schriftsatz vom 7. September 2021 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erhobene Einwand überhaupt berücksichtigungsfähig ist. Der Versuch des Antragstellers, den im Betäubungsmittelkonsum liegenden Verstoß gegen seine Wohlverhaltenspflicht als einmaliges privates „kiffen“ zu bagatellisieren, von dem die Öffentlichkeit keine Kenntnis erlangt und der auch keine Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Dienstausübung gehabt habe, weil er in der Folgewoche lediglich an einem fachpraktischen Ausbildungsabschnitt am LAFP NRW in T. teilgenommen habe, geht fehl. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf abgestellt, dass durch den Betäubungsmittelkonsum - ungeachtet einer im konkreten Fall gegebenen Beeinträchtigung der Dienstausübung - jedenfalls das Vertrauen, dass der Antragsteller keinerlei Drogen konsumiert und jederzeit uneingeschränkt in der Lage ist, polizeilichen Dienst zu versehen, nachhaltig erschüttert ist. Überdies kommt es im Hinblick auf das schützenswerte Gut des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit nicht allein darauf an, ob die Öffentlichkeit von einem Fehlverhalten oder Dienstvergehen eines Kommissaranwärters im Einzelfall bereits Kenntnis erlangt hat, sondern auch darauf, ob das Ansehen der Polizei Schaden nähme, wenn die Öffentlichkeit davon Kenntnis erlangen würde, dass der Beamte trotz dieses Verhaltens weiter beschäftigt würde. Die Annahme des Antragsgegners, dass ein solcher Ansehensverlust vorliegend droht, ist mit Blick auf die wiederholten Dienstpflichtverletzungen des Antragstellers, die von seiner Unbelehrbarkeit trotz gegenteiliger Beteuerungen und mehrfacher eindringlicher Appelle seiner Dienstvorgesetzen zeugen, sowie dem Betäubungsmittelkonsum während der Ausbildung rechtlich nicht zu beanstanden.
18Der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf steht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht ein vermeintlicher Vorrang des Disziplinarrechts entgegen. Gleiches gilt für die Beschränkungen, die sich für die Entlassung aus einem Beamtenverhältnis auf Probe aus § 23 Abs. 3 BeamtStG ergeben. Gründe im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG, die die Entlassung von Beamten auf Probe rechtfertigen, können zwar auch für die Entlassung von Beamten auf Widerruf herangezogen werden, sind hierbei jedoch nicht unbedingt erforderlich.
19Vgl. Brockhaus in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht - Kommentar, Stand: Juli 2021, § 23 BeamtStG Rn. 165.
20Im Übrigen ist § 5 Abs. 3 LDG zu entnehmen, dass Disziplinarmaßnahmen im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Widerruf nur eingeschränkt in Betracht kommen und sich die Entlassung wegen eines Dienstvergehens nach § 23 Abs. 4 BeamtStG richtet.
21Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Antragstellers, es sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass er in allen bisherigen Ausbildungsstationen nicht nur seine fachliche, sondern auch seine charakterliche und persönliche Eignung unter Beweis gestellt habe, dass er in den absolvierten Modulen gute Bewertungen erhalten habe und er seit vielen Jahren außergewöhnliches soziales Engagement und Verantwortungsbereitschaft im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten etwa im Sportverein oder bei der L. Tafel zeige. Hierzu haben sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass weder eine etwaige fachliche Kompetenz noch soziales Engagement im außerdienstlichen Bereich den Vertrauensverlust auszugleichen vermögen, der durch die Verletzung seiner Dienstpflichten und den Konsum von Betäubungsmitteln während der Ausbildung entstanden ist.
22Die Beschwerde zieht auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Entlassung des Antragstellers sei mit § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG vereinbar, nicht durchgreifend in Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat hierzu unter Berufung auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ausgeführt, dass eine Entlassung nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG u. a. dann gerechtfertigt sein kann, wenn begründete Zweifel an der gesundheitlichen oder persönlichen Eignung des Beamten gegeben sind.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 B 47.09 -, juris Rn. 6 und Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267 = juris Rn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 - 6 B 1551/18 -, juris Rn. 20 m w. N.
24Handelt es sich um einen Vorbereitungsdienst, der - wie hier - keine allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, sondern mit dem der Staat für seinen eigenen Bedarf ausbildet, darf der Dienstherr dabei die persönliche Eignung an den Maßstäben messen, die er für die Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit zugrunde legt.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2019 ‑ 6 B 1551/18 -, juris Rn. 22.
26Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, es lägen berechtigte Zweifel an der charakterlichen und damit persönlichen Eignung des Antragstellers vor, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe bzw. Lebenszeit entgegenstehen würden, und die daher seine Entlassung auch schon vor der Beendigung des Vorbereitungsdienstes rechtfertigten, nicht zu beanstanden. Dass der Antragsteller, wie er geltend macht, im weiteren Verlauf der Ausbildung Gelegenheit hätte, sein Verhalten sowie seine Persönlichkeit weiter zu entwickeln und zu stärken und seine persönliche Eignung weiter geprüft werden könnte, steht seiner vorzeitigen Entlassung mit Blick auf die bereits im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorliegenden begründeten Zweifel an seiner persönlichen Eignung nicht entgegen.
27Das Verwaltungsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass vorliegend ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung besteht. Der (auch) in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand der Beschwerde, die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung sei widersprüchlich, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der ersten Entlassungsverfügung gerade nicht angeordnet und ihn nach der Aufhebung der ersten Entlassungsverfügung ab Herbst 2020 sogar weiter ausgebildet habe, verfängt nicht. Wie bereits dargelegt, war die ursprüngliche Nichtanordnung der sofortigen Vollziehung lediglich auf einen Rechtsirrtum des Antragsgegners zurückzuführen und die Korrektur der Folgen dieses Irrtums durch die erst später getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung schon deshalb nicht widersprüchlich. Auch bei der weiteren Ausbildung des Antragstellers ab Herbst 2020 handelte es sich lediglich um die Umsetzung der rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die erste Entlassungsverfügung aufgrund ihrer formellen Rechtswidrigkeit und der nachfolgenden Aufhebung der Verfügung ergaben, während zeitgleich das Verwaltungsverfahren zur Entlassung des Antragstellers fortgeführt wurde. Diesen Umständen lässt sich daher, anders als der Antragsteller offenbar meint, nicht entnehmen, dass der Antragsgegner es erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Entlassungsverfügung vom 29. Dezember 2020 für erforderlich erachtete, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung von der weiteren Ausbildung auszuschließen.
28Auch den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses, wonach der Antragsteller durch sein Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn in seine persönliche Integrität als Polizeivollzugsbeamter erschüttert habe, eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers vor dem Hintergrund der bestehenden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung auch seine Zuverlässigkeit bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten in Zweifel ziehen und dies gegenüber der Allgemeinheit einen nicht hinzunehmenden fortwirkenden Verlust des Vertrauens und des Ansehens gegenüber der Landespolizei erwarten lassen würde, setzt die Beschwerde nichts Überzeugendes entgegen. Dies gilt, wie oben bereits dargelegt, insbesondere hinsichtlich des Einwands des Antragstellers, die Öffentlichkeit habe von seinem Drogenkonsum keine Kenntnis erlangt und dieser habe auch nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Dienstausübung geführt.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG.
30Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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