Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 4717/19.A
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt W. aus S. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
G r ü n d e
2I. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen des allein ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen (1.). Selbst wenn dem Zulassungsvorbringen die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zu entnehmen sein sollte, liegt dieser Zulassungsgrund nicht vor (2.).
41. Die Berufung ist zunächst nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
5Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen ist neben der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage erforderlich, dass der Zulassungsantrag konkret auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Rechts- bzw. Tatsachenfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 3 f., m. w. N.
7Eine Grundsatzrüge, die sich auf tatsächliche Verhältnisse stützt, erfordert überdies die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind. Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 5.
9Es ist nicht Aufgabe des Senats, (neue) Erkenntnisse einzuholen, um die für den Kläger günstigen Gesichtspunkte zusammenzutragen.
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2020– 1 A 1854/19.A –, juris, Rn. 6 f. m. w. N.
11Mit dem Zulassungsvorbringen wirft die Klägerin schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage auf und geht auch nicht auf die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer solchen Frage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ein.
12Selbst wenn der Vortrag der Klägerin dahingehend verstanden würde, dass sie als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwerfen wollte,
13„ob unabhängig von den Umständen der Ausreise einem chinesischen Bürger asylrelevante Verfolgung bei einer Rückkehr droht, wenn sich dieser ausgereiste Bürger gegen die Politik der kommunistischen Partei in China wendet, zum einen durch Praktizierung des christlichen Glaubens und zum anderen durch Nichtakzeptierung des ursprünglichen begrenzten Visumszeitraums“,
14könnte dies nicht zur Zulassung der Berufung führen. Die Klägerin hat weder durch die Vorlage geeigneter Erkenntnisquellen substantiiert, dass die chinesischen Behörden in jedem ausgereisten chinesischen Staatsangehörigen, der den christlichen Glauben praktiziert und den ursprünglichen Visumszeitraum nicht akzeptiert, einen Gegner gegen die Politik der kommunistischen Partei sehen, noch, dass einem Rückkehrer aufgrund der Überschreitung des Visumszeitraums und des Praktizierens des christlichen Glaubens im Ausland – unabhängig von dessen Ausgestaltung im Einzelnen – Verfolgung droht.
152. Soweit die Klägerin vorträgt, ihre Verhaftung am 17. November 2020 sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts wahr gewesen und detailreich geschildert worden, weil sie ihren richtigen Namen nicht angegeben und keine Verknüpfung zu ihren Personenstandsdaten bestanden habe, sei eine Ausreise wie geschildert möglich gewesen, und eine Rückkehrgefährdung bestehe nunmehr auch wegen ihres Auslandsaufenthalts und weil sie ihren Glauben praktiziert habe, rügt sie in der Sache lediglich, das Verwaltungsgericht habe ihren Vortrag unzutreffend gewürdigt.
16Ob das Verwaltungsgericht dem Vortrag der Klägerin und den von ihr beigebrachten Unterlagen die richtige Bedeutung zugemessen und die richtigen Folgerungen daraus gezogen hat, ist jedoch keine Frage des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO, sondern der Tatsachen- und Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1969– 2 BvR 320.69 –, juris, Rn. 9, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juli 2017 – 1 A 1436/17.A –, juris, Rn. 28 ff.
18Etwaige Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung gehören (grundsätzlich) nicht zu den in § 138 VwGO genannten und in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Bezug genommenen Verfahrensfehlern.
19Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995– 9 B 710.94 –, juris, Rn. 4 ff.
20Auch mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte ihrer Ansicht nach bei der Ermittlung der religiösen Überzeugung im Wesentlichen auf den Zeitraum ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik abstellen müssen, wendet sich die Klägerin allein gegen die Würdigung ihres Verfolgungsvorbringens durch das Verwaltungsgericht und damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind jedoch kein Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83b AsylG.
22Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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Referenzen
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- § 80 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 1x
- VwGO § 138 1x
- 1 A 1854/19 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 78 Abs. 3 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 A 1436/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x