Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 12 B 1713/21
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
3Die vom Antragsteller angeführten Gründe, auf deren Überprüfung der beschließende Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben keine Veranlassung, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.
4Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, schülerbezogene Gefährdungsbeurteilungen entsprechend §§ 1-3 DGUV Vorschrift 1 an der Grundschule "E. " in C. zu erstellen (Antrag zu 1.) und die sich aus den Gefährdungsbeurteilungen ergebenden technischen und verhaltensunabhängigen Schutzmaßnahmen auszuwählen, umzusetzen und zu dokumentieren (Antrag zu 2.). Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis des Antragstellers (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) unzulässig. Es sei keine Rechtsverletzung möglich, da es an einer das Begehren stützenden öffentlich-rechtlichen Anspruchsnorm fehle. Eigene Rechte gegenüber den Antragsgegnern könne der Antragsteller insbesondere nicht aus den untergesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften in Gestalt der DGUV Vorschrift 1 ableiten. § 3 DGUV Vorschrift 1 begründe - wie § 5 ArbSchG - die rein öffentlich-rechtliche Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Es sei in diesen Vorschriften darauf verzichtet worden, die Pflichten hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung als Pflichten des Unternehmers gegenüber den Versicherten auszugestalten. § 5 ArbSchG, an den § 3 DGUV Vorschrift 1 anknüpfe, begründe für sich betrachtet also gerade keine Rechte von Arbeitnehmern gegenüber den Arbeitgebern. Hinsichtlich der Verpflichtung, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergebenden Schutzmaßnahmen umzusetzen, fehle es zudem am Rechtsschutzbedürfnis, weil nicht ersichtlich sei, dass die Antragsgegner notwendige Maßnahmen nicht umsetzen würden und unklar sei, ob sich aus der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen ergäben. Der Antrag sei im Übrigen unbegründet, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht seien. Es fehle bereits an einer Anspruchsgrundlage für die Erstellung einer schülerbezogenen Gefährdungsbeurteilung. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner zu 1. nach §§ 1-3 DGUV Vorschrift 1 scheide auch aus, weil dieser gegenüber den Schülern kein Unternehmer sei und die Regelungen der DGUV hinsichtlich des vom Antragsgegner zu 1. zu verantwortenden inneren Schulbereichs nicht anwendbar seien. Regelungen zum inneren Schulbereich - wie zum Lüften und Maskentragen - seien dem Anwendungsbereich der DGUV Vorschrift 1 sachlich entzogen. Die DGUV-Regel 102-601 "Branche Schule" stelle lediglich eine Empfehlung und Hilfestellung dar und stelle insbesondere nicht auf eine Gefährdungsbeurteilung ab. Im Übrigen habe die Grundschule bereits eine schülerbezogene Gefährdungsbeurteilung erstellt, gegen die - insbesondere hinsichtlich "Corona Maßnahmen" - keine Rechtmäßigkeitsbedenken bestünden. Anhaltspunkte für eine Verletzung des weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums der Antragsgegnerin zu 2. bei der Vornahme der Gefährdungsbeurteilung seien nicht ersichtlich. Insbesondere gebe es keinen Anspruch, dass eine Gefährdungsbeurteilung nach den Vorgaben der Schüler gemacht werde. Im Hinblick auf den Anordnungsgrund bleibe unklar, worin wesentliche Nachteile bestünden. Die Verpflichtung zum Lüften und Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung bestehe unabhängig von einer Gefährdungsbeurteilung, da dies unmittelbar durch §§ 1, 2 CoronaBetrVO vom 13. August 2021 verbindlich vorgegeben sei. Auch im Übrigen sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin zu 2. habe eine zuletzt im Juli 2021 aktualisierte Gefährdungsbeurteilung vorgelegt, die Unfallkasse habe die Schule geprüft, am 18. März 2021 einen Ortstermin durchgeführt und Mängel dokumentiert, die in der Folge beseitigt worden seien.
5Die gegen diese näher begründeten Feststellungen erhobenen Einwendungen führen zu keiner abweichen Entscheidung. Mit dem Beschwerdevorbringen wird insbesondere nicht aufgezeigt, dass der Antragsteller entgegen den erstinstanzlichen Annahmen gegenüber den Antragsgegnern antragsbefugt ist. Jedenfalls ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch im Hinblick auf die begehrten Maßnahmen zukommt.
6Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Unfallverhütungsvorschriften der §§ 1 bis 3 DGUV Vorschrift 1 regelmäßig keinen subjektiven öffentlichen Anspruch des Versicherten gegenüber dem Unternehmer vermitteln und es deshalb bereits an einer Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog fehlt.
7Die genannten Regelungen, insbesondere auch § 3 DGUV Vorschrift 1, nach der eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen ist, zielen nicht auf Individualinteressen der Versicherten, sondern dienen öffentlichen Interessen und kommen lediglich im Sinne eines Rechtsreflexes auch dem Individualinteresse zugute.
8Vgl. allgemein zu Schutznormtheorie Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 385 f.
9Die hier einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften DGUV §§ 1-3 Vorschrift 1 sind als autonomes Satzungsrecht von den Unfallversicherungsträgern unter Mitwirkung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erlassen worden. Die Unfallverhütungsvorschriften nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII betreffen die Unternehmerpflichten; sie wenden sich unmittelbar an die Unternehmer und begründen eigenständige Pflichten für sie. Auf der Grundlage dieser Unfallverhütungsvorschriften können die Unternehmer zu konkreten Maßnahmen und Verhaltensweisen der Prävention durch die Unfallversicherungsträger verpflichtet werden. Einen Drittschutz beinhaltet dies nicht.
10Vgl. Fels, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 116. EL September 2021, § 15 SGB VII Rn. 2, 5, 17, m. w. N.; OLG Celle, Urteil vom 19. März 2003 - 9 U 223/02 -, juris Rn. 4 f.
11Die Unfallverhütungsvorschriften haben in erster Linie den Zweck, den Unfallversicherungsträger vor den finanziellen Folgen von Arbeitsunfällen zu bewahren, für die er bei Realisierung präventiv abzuwehrender Unfallrisiken durch Gewährung von Unfallversicherungsleistungen einzustehen hat.
12Vgl. OLG Celle, Urteil vom 19. März 2003 - 9 U 223/02 -, juris Rn. 4, m. w. N.
13Soweit in § 2 Abs. 1 Satz 3 DGUV Vorschrift 1 bestimmt ist, dass die in staatlichem Recht bestimmten Maßnahmen auch zum Schutz von Versicherten gelten, die keine Beschäftigten sind, begründet dies ebenfalls keinen subjektiven Anspruch gegenüber den Antragsgegnern. Der Verweis dient nämlich lediglich dazu, unter Vermeidung von Doppelregelungen sicherzustellen, dass sich die Unfallversicherungsträger bei der Erfüllung ihres Präventionsauftrags auch auf staatliche Arbeitsschutzregelungen stützen können und die sich aus dem staatlichen Arbeitsschutzrecht ergebenden Unternehmerpflichten auch auf die anderen Versichertengruppen der Unfallversicherung, die nicht Arbeitnehmer sind, wie etwa Schüler oder Studierende, zu erweitern.
14Vgl. Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1.
15Die Begründung eines subjektiven Rechts gegenüber den Antragsgegnern liegt darin gerade nicht.
16In diesem Zusammenhang führt auch der Verweis des Antragstellers auf § 17 Abs. 2 ArbSchG nicht weiter. Danach können sich Beschäftigte an die zuständige Behörde wenden, wenn sie auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht abhilft. Die Regelung des § 17 Abs. 2 ArbSchG dürfte nicht von der Bezugnahme in § 2 Abs. 1 Satz 3 DGUV Vorschrift 1 erfasst sein. Sie zählt nicht zu den dort genannten "in staatlichem Recht bestimmten Maßnahmen", weil die Möglichkeit, sich an staatliche Stellen zu wenden, offensichtlich keine staatliche Arbeitsschutzvorschrift darstellt. Ungeachtet dessen würde dies keine taugliche Anspruchsgrundlage für die hier begehrten Maßnahmen darstellen, die über die reine Anrufung der Antragsgegner (an die Behörde "wenden") erheblich hinausgehen. Letztlich wäre der Anspruch nicht gegen die Antragsgegner zu richten, sondern allenfalls gegen die zuständige (Aufsichts-)Behörde.
17Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Hinweis des Antragstellers auf § 22 Abs. 3 ArbSchG. Diese Regelung ist von der Bezugnahme in § 2 Abs. 1 Satz 3 DGUV Vorschrift 1 nicht erfasst. Im Übrigen vermittelt sie ihrem Wesen nach keinen Drittschutz. Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Kommentierung von Arndt-Zygar/Busch zu § 22 ArbSchG (in: Kohte/Faber/Feldhoff, Gesamtes Arbeitsschutzrecht, 2. Auflage 2018) geltend macht, dass nach der zitierten Auffassung die Beschäftigten "grundsätzlich einen im Wege der Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verfolgbaren Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Arbeitsschutzbehörden über ihr Einschreiten haben", führt dies hier schon deswegen nicht weiter, weil diese hier nicht Antragsgegner sind.
18Soweit der Antragsteller auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 - verweist, folgt daraus zunächst nichts Abweichendes. Nach der dort verfahrensgegenständlichen Norm des § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 3 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1, der zudem für die Ermittlung der Gefährdungen auf § 5 Abs. 2 und 3 ArbSchG verweist. Unabhängig davon, inwieweit die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 ArbSchG auf die Regelung aus in § 3 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 übertragbar ist, übersieht der Antragsteller, dass das Bundesarbeitsgericht einen Individualschutz der Regelung des § 5 Abs. 1 ArbSchG gerade verneint. Sie vermittele dem Arbeitnehmer keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber. Es handele sich vielmehr lediglich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers.
19Vgl. BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn 11.
20Unfallverhütungsvorschriften können allerdings den vertraglichen Pflichtenkreis des Arbeitgebers konkretisieren, wenn und soweit sie nach ihrem Inhalt geeignet sind, den Gegenstand einer (arbeits-)vertraglichen Vereinbarung zu bilden.
21Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. November 2012 - 26 K 4829/11 -, juris Rn. 67 f.; LAG Schl.-Holst., Urteil vom 23.11.2006 - 6 Sa 339/05 -, juris, m. w. N.
22In diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht für die hier interessierende Regelung des § 5 Abs. 1 ArbSchG im Grundsatz einen privatrechtlichen Erfüllungsanspruch bejaht, der aufgrund einer Transformation des § 5 Abs. 1 ArbSchG durch § 618 Abs. 1 BGB besteht. Die Systematik des Arbeitsschutzgesetzes stehe einem privatrechtlichen Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nicht entgegen.
23Vgl. BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn. 12 ff., 27.
24In diesem Zusammenhang sprechen gewichtige Gründe dafür, dass jedenfalls im Grundsatz eine solche "Transformation" auch mit Blick auf die - im Rahmen des hier interessierenden Unfallschutzes im weitesten Sinn mit einem Arbeitsverhältnis vergleichbaren - Rechtsverhältnisse zwischen Schülerinnen und Schülern und dem Land NRW bzw. dem jeweiligen Schulträger in Betracht kommt. Dabei dürfte insbesondere die aus § 34 f. SchulG NRW folgende Schulpflicht von Bedeutung sein.
25Aber auch für den Fall, dass auf dieser Grundlage ein subjektiver Anspruch von Schülerinnen und Schülern im Grundsatz zu bejahen ist, vermag dies dem Antrag des Antragstellers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dabei lässt der Senat offen, ob die begehrten Maßnahmen dem sogenannten inneren oder äußeren Schulverhältnis zuzurechnen sind. Dies bedarf hier keiner abschließenden Klärung.
26Denn § 5 Abs. 1 ArbSchG eröffnet für den Arbeitgeber einen Handlungs- und damit einen Beurteilungsspielraum, der hier nicht überschritten ist. Die Norm ist eine ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift. Sie enthält keine zwingenden Vorgaben, wie die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Der Arbeitnehmer kann demgemäß lediglich die ordnungsgemäße Ausfüllung des Beurteilungsspielraums verlangen bzw. eine fehlerfreie Ermessensausübung beanspruchen.
27Vgl. BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn. 29 f. m. w. N. auf die Rechtsprechung des BAG.
28Das steht letztlich auch einem Anspruch auf eine sich ausschließlich an vom (jeweiligen) Antragsteller vorgegebenen Kriterien und Beurteilungsmethoden orientierenden Gefährdungsbeurteilung entgegen.
29Vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 12. August 2008 - 9 AZR 1117/06 -, juris Rn. 28.
30Im Hinblick auf die mit § 5 Abs. 1 ArbSchG korrespondierende bzw. auf § 5 Abs. 2 und 3 ArbSchG verweisende Regelung in § 3 DGUV Vorschrift 1 können die vorstehenden Grundsätze, wie vom Verwaltungsgericht bereits festgestellt, entsprechend herangezogen werden.
31Danach bestehen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine Anhaltspunkte dafür, dass der Handlungsspielraum bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung über- bzw. unterschritten worden wäre. Insbesondere liegt unstreitig eine Gefährdungsbeurteilung vor, die auch regelmäßig aktualisiert wird. Bedenken folgen insbesondere nicht aus den verschiedenen vom Antragsteller allgemein im Hinblick auf die Gefährdungsbeurteilung der Grundschule "E. " gerügten Punkten, etwa dass lediglich eine Beschreibung der Arbeitsbereiche, nicht aber der konkreten Tätigkeiten erfolge, die Beschreibung der Gefährdungen in Frageform erfolge etc. Einen Anspruch auf eine sich an bestimmten Kriterien orientierende Gefährdungsbeurteilung besteht - wie dargestellt - nicht. Aber auch hinsichtlich der hier letztlich verfahrensgegenständlichen Frage der Raumlufttemperatur - Anlass des einstweiligen Rechtsschutzantrags ist ausdrücklich, dass der Antragsteller "im Unterricht nicht mehr frieren muss" - ist keine Überschreitung des Spielraums anzunehmen. Die Gefährdungsbeurteilung befasst sich gerade auch mit der Raumlufttemperatur. Der Antragsteller führt selbst aus, dass unter dem Punkt "Raumlufttemperatur" formuliert sei "Ist sichergestellt, dass die Raumtemperatur von 20° C jederzeit sichergestellt werden kann?". Nicht beanspruchen kann der Antragsteller - wie er mit der Beschwerde aber weiter geltend macht -, dass in der Gefährdungsbeurteilung selbst konkrete Maßnahmen benannt werden und auch sonst dokumentiert wird, wie dieses Ziel erreicht werden soll, und was passiert, wenn es nicht erreicht wird. Dies gilt auch deswegen, weil es angesichts des Pandemiegeschehens zur Corona-ArbSchV eine Ergänzung der DGUV "Ergänzungen zum SARS-CoV-2 - Schutzstandard Schule" gibt, die bereits umfangreiche Vorgaben zur Lüftung macht und dabei auch die Winterzeit/Witterung berücksichtigt (vgl. dort Seite 9).
32Vor diesem Hintergrund dringt der Antragsteller auch mit seinem weiteren Antrag, technische und verhaltensunabhängige Schutzmaßnahmen auszuwählen, umzusetzen und zu dokumentieren, nicht durch. Ein Anspruch auf (weitere) konkrete Maßnahmen besteht insoweit nicht. Es ist zwar zutreffend, dass nach den "Technischen Regeln für Arbeitsstätten" ASR A3.5 die Mindestwerte der Lufttemperatur in Arbeitsräumen bei leichter sitzender Tätigkeit bei 20 Grad Celsius liegen (vgl. Ziffer 4.2 Abs. 2). Mit der Ergänzung der DGUV "Ergänzungen zum SARS-CoV-2 - Schutzstandard Schule" kommt aber letztlich ebenso zum Ausdruck, dass den Gesundheitsgefahren, die durch eine kalte Raumluft im Unterrichtsraum bestehen, das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 - insbesondere bei mangelnder Raumlüftung - gegenübersteht und die daraus jeweils folgenden Gefährdungen gegeneinander abgewogen werden müssen. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass diese Abwägung (einseitig) zugunsten der Einhaltung einer Raumtemperatur von 20 Grad Celsius und damit zu Lasten des Infektionsschutzes gehen müsste. Dass die Einhaltung der Raumlufttemperatur angesichts der zum Infektionsschutz vorgesehenen Lüftungsintervalle (alle 20 Minuten Stoßlüftung, im Winter für eine Dauer von 3 Minuten) durch (weitere) technische Maßnahmen, etwa durch zusätzliche Heizungen oder Luftreinigungsgeräte (anstelle Lüften) sichergestellt werden könnte oder insoweit das Ermessen auf verpflichtende technische Maßnahmen verengt wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. In den Ergänzungen zum SARS-CoV-2 - Schutzstandard Schule werden mobile Luftreinigungsgeräte im Übrigen allenfalls als Ergänzung zum aktiven Lüften angesehen, keinesfalls als Ersatz. Ungeachtet dessen sehen auch die ASR A3.5 Ausnahmen von den darin geregelten Mindesttemperaturen vor, wenn die Mindestwerte bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten nicht erreicht werden. Alternativ werden in solchen Fallkonstellationen ausdrücklich auch "personenbezogene Maßnahmen (z. B. geeignete Kleidung)" als zulässig angesehen (vgl. Ziffer 4.2 Abs. 2). Dass in der vom Antragsteller besuchten Schule die genannten Vorgaben der Ergänzungen zum SARS-CoV-2 - Schutzstandard Schule nicht eingehalten werden, ist nicht ersichtlich und wird auch seitens der Beschwerde nicht geltend gemacht.
33Entgegen der Auffassung der Beschwerde haben mit der fehlenden individuellen Anspruchsberechtigung Kindergärten, Schulen, Universitäten, Behindertenwerkstätten usw. in Bezug auf die Sicherheit der Versicherten, die nicht Beschäftigte sind, auch nicht eine Art "Freifahrtschein". Die Verneinung eines subjektiven öffentlichen Rechts oder Anspruchs auf bestimmte Maßnahmen innerhalb des Handlungsspielraums der Schulleitung bzw. Schulsachkostenträger bedeutet nicht, dass die Regelungen von den genannten Institutionen bzw. den insoweit verantwortlichen Trägern nicht eingehalten werden müssten. Im Übrigen sind bei arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren die Unfallversicherungsträger aufgrund ihres gesetzlichen Auftrags, etwa aufgrund der §§ 14 ff. SGB VII, zum Handeln verpflichtet. Im Rahmen dieser Zuständigkeit kommen ihnen bzw. den Aufsichtspersonen auf der Grundlage der §§ 14, 15, 19 SGB VII umfassende Befugnisse zur Abwendung von Gesundheitsgefahren zu. Zuwiderhandlungen betreffend die Unfallverhütungsvorschriften nach § 15 Abs. 1 oder 2 SGB VII oder Anordnungen nach § 19 Abs. 1 SGB VII stellen zudem nach § 209 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VII eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden (Absatz 3, Halbs.1).
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
35Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
36Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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