Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 13 B 1466/21
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. August 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. bis 5. zu 1/8 als Gesamtschuldner, die Antragsteller zu 6. bis 8. zu 1/8 als Gesamtschuldner, die Antragsteller zu 9. bis 11. zu 1/8 als Gesamtschuldner, die Antragsteller zu 12. und 13. zu 1/8 als Gesamtschuldner, der Antragsteller zu 14. zu 1/8 allein, die Antragsteller zu 15. und 16. zu 1/8 als Gesamtschuldner, der Antragsteller zu 17. zu 1/8 allein, die Antragsteller zu 18. und 19. zu 1/8 als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 80.000 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde mit dem wörtlichen Antrag,
3„den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 13. August 2021 aufzuheben und
41. vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, den Erlass der §§ 20 Abs. 8 bis 14 i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 1a (gemeint vermutlich 7a) bis 7d lfSG in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl. 1 S. 148), zuletzt geändert durch Artikel 1 Nr. 14 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBI. 2020, 2397), welche die Antragsteller in deren Grundrechten verletzt, vollziehen zu lassen und auf eine entsprechende Impfung gegen deren Willen hinzuwirken,
52. hilfsweise
6vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, den Erlass der §§ 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG und § 20 Abs. 12 Satz 3 lfSG i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 7b bis 7d IfSG in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBI. 1 S. 148), zuletzt geändert durch Artikel 1 Nr. 14 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBI. 2020, 2397), welche die Antragsteller in deren Grundrechten verletzen, vollziehen zu lassen und auf eine entsprechende Impfung gegen deren Willen hinzuwirken,
73. hilfsweise für den Fall der Ablehnung des Hauptantrages und unabhängig von der Entscheidung über den ersten Hilfsantrag,
8vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass die Antragsgegnerin nur nach folgender Maßgabe berechtigt ist, den Erlass der § 20 Abs. 11 Nr. 1 lfSG i. V. m. § 20 Abs. 9 Satz 1 i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 7a IfSG in der Fassung des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBI. 1 S. 148), zuletzt geändert durch Artikel 1 Nr. 14 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBI. 2020, 2397), vollziehen zu lassen: Auch dem in dieser Norm bezeichneten Personenkreis ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache zur Vorlage des Impfnachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 lfSG Zeit bis zum 31. Juli 2021 einzuräumen.
94. Die §§ 5 und 28a lfSG in der Fassung von Artikel 2 des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBI. I S. 2397) werden bis zur Entscheidung über die Klage in der Hauptsache vorläufig außer Vollzug gesetzt.
105. hilfsweise: § 28a i. V. m. § 5 lfSG wird vorläufig mit der Maßgabe außer Vollzug gesetzt, dass Positiv-Testungen auf das Sars-Covid-19-Virus nur dann bei der Berechnung der Grenzwerte i. S. d. § 28a Abs. 3 lfSG zu berücksichtigen sind, wenn
11- ihnen ein Ct-Wert i. H. v. maximal 30 zu Grunde liegt. Dem Gesetzgeber steht es frei, nach sachgerechter Abwägung diesen Wert anderweitig zu regeln. RKI und Gesundheitsämter haben unverzüglich eine einheitliche Kalibrierung vorzunehmen sowie
12- sichergestellt ist, dass die Testung nur von medizinischem Fachpersonal gemäß Betriebsanleitung des jeweiligen PCR-Tests vorgenommen worden ist,“
13hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
14Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der unter Ziff. 4 gestellte Antrag sei unzulässig. Die begehrte Außervollzugsetzung von Regelungen könne es nicht aussprechen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als subjektives Beanstandungsverfahren grundsätzlich dem Individualrechtsschutz diene. Selbst wenn man zugunsten der Antragsteller annähme, sie begehrten die vorläufige Feststellung, dass die angegriffenen Normen wegen ihrer Verfassungswidrigkeit nicht auf sie angewendet werden könnten, sei dieser Antrag unzulässig. Es fehle an einem konkreten feststellungsfähigen Rechtsverhältnis zwischen der beklagten Bundesrepublik und den Antragstellern. Es bestehe im Regelfall – so auch hier – kein Rechtsverhältnis zwischen Normadressat und Normgeber, sondern, weil nach Art. 30 GG die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder sei und Art. 83 GG ebenso grundsätzlich bestimme, dass die Länder Bundesgesetzes als eigene Angelegenheit ausführten, zwischen Normadressat und Normanwender. Der unter Ziff. 5 gestellte Hilfsantrag sei ebenfalls unzulässig. Der Erlass bzw. die Ergänzung eines förmlichen Gesetzes sei kein zulässiger Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Feststellungsverfahrens. Hinsichtlich der Zulässigkeit der unter Ziff. 1. bis 3. gestellten Haupt- und Hilfsanträge bestünden Bedenken. Die Anträge seien aber jedenfalls unbegründet. Die sich in der Hauptsache stellenden Rechtsfragen könnten im Rahmen des Eilverfahrens nicht in der Weise vertiefend behandelt werden, dass eine zuverlässige Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache möglich erscheine. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20 - bestätige, dass die geltend gemachten Verfassungsverstöße keineswegs offensichtlich oder evident seien. Die deswegen vorzunehmende Folgenabwägung gehe zu Lasten der Antragsteller aus. Das Verwaltungsgericht schließe sich den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im oben bezeichneten Beschluss an, wonach das Interesse der im dortigen Verfahren antragstellenden Eltern, ihre Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, bzw. der antragstellenden Kinder, selbst dort betreut zu werden, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten müsse. Dasselbe gelte, soweit sich die Antragsteller zu 14., 15. und 17. auf einen Eingriff in ihre Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG beriefen.
15Die von den Antragstellern hiergegen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die begehrten einstweiligen Anordnungen zu erlassen.
16Dies gilt sowohl, soweit die Antragsteller sich gegen die Ablehnung ihrer Anträge zu 4. und 5. im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Feststellung einer epidemischen Lage und Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 wenden (A.), als auch gegen die Ablehnung ihrer Anträge zu 1. bis 3. im Zusammenhang mit den Vorschriften zu dem Erfordernis, in bestimmten Bereichen eine Masernschutzimpfung (bzw. eine Immunität gegen Masern oder das Vorliegen einer Kontraindikation gegen eine Impfung) auf- bzw. nachzuweisen (B.).
17A. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Anträge zu 4. und 5. unzulässig sind, haben die Antragsteller mit ihrem Vorbringen nicht erschüttert.
18I. Die Antragsteller rügen, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihr Antrag zu 4. zulässig, weil in der Hauptsache eine Feststellungsklage zulässig sei. Damit ziehen sie die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel, dass das wörtlich geltend gemachte Begehren – die Außervollzugsetzung einer Vorschrift – im Rahmen eines nur dem Individualrechtsschutz dienenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht schon nicht gewährt werden könne. Ihr Verweis darauf, dass in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Gültigkeit einer Norm – anders als im Verfahren nach § 47 VwGO für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle untergesetzlicher landesrechtlicher Normen – nur eine Vorfrage sei, ist zwar zutreffend. Sollte bei der Klärung dieser Vorfrage festgestellt werden, dass die Norm rechtswidrig ist, kann das Verwaltungsgericht diese allerdings nicht – wie von ihnen beantragt – insgesamt außer Vollzug setzen, sondern lediglich eine einstweilige Anordnung mit einer Feststellung zugunsten der Antragsteller des Verfahrens erlassen.
19Soweit die Antragsteller nun erstmals nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geltend machen, sie begehrten auch nur eine „Außervollzugsetzung inter partes“ dürfte sich eine solche Auslegung des Begehrens im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die ansonsten übliche Verwendung des Begriffs der Außervollzugsetzung bei Normenkontrollen nicht aufgedrängt haben. Hierauf kommt es für das vorliegende Beschwerdeverfahren aber auch nicht an, weil das Verwaltungsgericht den Antrag auch für den Fall als unzulässig angesehen hat, dass er als Antrag auf vorläufige Feststellung, dass die Normen wegen ihrer Verfassungswidrigkeit auf die Antragsteller nicht angewendet können, ausgelegt wird.
20Auch diese Annahme haben die Antragsteller mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht erfolgreich in Zweifel gezogen. Sie verweisen darauf, zwischen ihnen und der Antragsgegnerin bestehe durch die Anwendbarkeit der §§ 5, 28a IfSG – anders als das Verwaltungsgericht meine – ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Zwischen Normadressat und Normgeber ist ein solches jedoch nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn die Rechtsnorm unmittelbar Rechte und Pflichten des Normadressaten begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist, und effektiver Rechtsschutz für den Normadressaten nur im Verhältnis zwischen dem Normadressaten und dem Normgeber gewährt werden kann.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn. 28 ff., und vom 23. August 2007 ‑ 7 C 2.07‑, juris, Rn. 21 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. September 2018 - 13 A 1328/15 -, juris, Rn. 32 f., m. w. N.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 1. März 2022 - OVG 9 S 5/22 -, juris, Rn. 15; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 58b; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 45.
22Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt mithin nur dann in Betracht, wenn die Rechtsverordnung unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Leitsatz, Rn. 30, m. w. N.
24Dass es an diesen Voraussetzungen fehlt, weil die Antragsgegnerin als Normgeberin an den Umsetzungsakten nicht beteiligt ist und Betroffene um Rechtsschutz im Verfahren gegen die Umsetzungsakte nachsuchen können (Beschlussabdruck, S. 5), hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
25Vgl. auch Schl.-H. OVG, Beschluss vom 20. Mai 2022 - 3 MB 28/21 ‑, juris, Rn. 17 f., das in einem gegen die Vollzugsbehörde (vgl. Rn. 18) gerichteten Verfahren zwar ein Rechtsverhältnis bejaht, aber ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung mit der Begründung verneint hat, für vorbeugenden Rechtsschutz bestehe kein Raum, weil der Betroffene in zumutbarer Weise auf nachträglichen Rechtsschutz gegen die Umsetzungsakte verwiesen werden könne (Rn. 19).
26II. Aus den dargestellten Gründen hat auch der unter Ziff. 5 gestellte Hilfsantrag keinen Erfolg, selbst wenn man ihn so auslegte, dass die Antragsteller nicht generell eine Modifizierung der Vorschriften verlangen, sondern nur begehren, dass die von ihnen dargestellten Maßgaben ihnen gegenüber Anwendung finden. Denn auch insoweit fehlt es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Verhältnis zur Antragsgegnerin als Normgeberin.
27B. Mit ihrem Beschwerdevorbringen legen die Antragsteller nicht erfolgreich dar, dass die Anträge zu 1. bis 3. zu Unrecht abgelehnt worden sind.
28I. Soweit die Antragsteller hierzu zunächst vortragen, die Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Zulässigkeit ihrer Anträge zu 1. bis 3. seien unberechtigt, kam es hierauf aus der Sicht des Verwaltungsgerichts nicht an, denn es hat die Zulässigkeit der Anträge offengelassen und sich hierauf nicht entscheidungstragend gestützt.
29Ungeachtet dessen ist der Antrag zu 1. unzulässig (1.), der Antrag zu 2. nur hinsichtlich einiger Antragsteller möglicherweise zulässig (2.) und der Antrag zu 3. unzulässig (3.).
301. Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Antrag zu 1. pauschal gegen § 20 Abs. 8 bis 14 i. V. m. §§ 7a Abs. 1a Nr. 1a bis 7d lfSG. Sie begehren die vorläufige Feststellung, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt ist, den Erlass dieser Vorschriften, „welche die Antragsteller in deren Grundrechten verletzen, vollziehen zu lassen und auf eine entsprechende Impfung gegen deren Willen hinzuwirken“.
31Den so formulierten Antrag legt der Senat gemäß der §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO anhand des Rechtsschutzbegehrens der Antragsteller aus. In der Begründung ihrer erstinstanzlich zusammen mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhobenen Klage erläutern die Antragsteller, dass sie sich „gegen die sog. Masernimpflicht, die jedenfalls faktisch (in Deutschland) eine Pflicht zur Dreifach-Impfung (Masern, Röteln, Mumps) darstellt“ wenden. Den Antragstellern sei bekannt, dass zur gleichen Grundthematik zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien. Aus Gründen der Rechtswegerschöpfung sei jedoch eine vorherige Anrufung der Fachgerichte zu empfehlen, jedenfalls aber zulässig.
32Damit geben die Antragsteller zu erkennen, dass sie das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zur verfassungsrechtlichen Klärung der durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) vom 10. Februar 2020 (BGBl. 2020, 148) eingeführten Vorschriften durch die Verwaltungsgerichte bemühen. Da sie von deren Verfassungswidrigkeit ausgehen, ist ihr Antrag zu 1. sinngemäß dahin zu verstehen, gegenüber der Antragsgegnerin als Normgeberin vorläufig festzustellen, dass sie durch die zitierten Vorschriften in ihren Grundrechten verletzt werden.
33Vgl. allgemein auch BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn. 25.
34Der so verstandene Antrag ist jedoch unzulässig. Im Hinblick auf die Vielzahl der in § 20 Abs. 8 bis 14 IfSG i. V. m. §§ 7a Abs. 1a Nr. 1a bis 7d lfSG getroffenen Einzelregelungen bleibt unklar, durch welche konkreten Bestimmungen sich die jeweiligen Antragsteller in ihren Rechten verletzt sehen; sie legen dies nicht näher dar. Dem Antrag fehlt es damit an der erforderlichen Benennung der jeweils streitigen konkreten Rechtsverhältnisse zwischen der Antragsgegnerin als Normgeberin und den jeweiligen Antragstellern. Gegenstand einer Feststellungsklage kann nur ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d. h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, juris, Rn. 24.
362. In Betracht kommt allerdings, dass der hilfsweise gestellte Antrag zu 2. teilweise – dies jedoch auch nur in Bezug auf einige Antragsteller – zulässig ist. Er ist bei sinngemäßer Auslegung so zu verstehen, dass die Antragsteller die Feststellung begehren, dass sie durch § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG und § 20 Abs. 12 Satz 4 (dieser entspricht dem § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG in der im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung) lfSG i. V. m. § 73 Abs. 1a Nr. 7b bis 7d IfSG in ihren Grundrechten verletzt werden.
37Die wesentlichen streitgegenständlichen Regelungen lauten:
38 39„Folgende Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, müssen entweder einen nach den Maßgaben von Satz 2 ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen:
401. Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut werden,
412. Personen, die bereits vier Wochen
42a) in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nummer 4 betreut werden oder
43b) in einer Einrichtung nach § 36 Absatz 1 Nummer 4 untergebracht sind, und
443. Personen, die in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig sind.
45Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Satz 1 gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Satz 1 gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.“
46 47„Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung oder ihrer Tätigkeit folgenden Nachweis vorzulegen:
481. eine Impfdokumentation nach § 22 Absatz 1 und 2 oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Absatz 2 Satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von Absatz 8 Satz 2 ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht,
492. ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder
503. eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach Nummer 1 oder Nummer 2 bereits vorgelegen hat.“
51 52„Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 vorlegt, darf nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1, § 33 Nummer 1 bis 4 oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 beschäftigt werden.“
53 54„Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird.“
55a. Der so verstandene Antrag der Antragsteller ist hinsichtlich der begehrten Feststellung zu § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG unzulässig. Die Regelung, wonach das Gesundheitsamt einer Person, die trotz der Anforderung nach Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach Satz 2 nicht Folge leistet, untersagen kann, dass sie die dem Betrieb einer in Absatz 8 Satz 1 genannten Einrichtung dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung tätig wird, begründet kein Rechtsverhältnis zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin. Wie oben unter A. I. ausgeführt, ist ein solches nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn die Rechtsnorm unmittelbar Rechte und Pflichten des Normadressaten begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist, und deshalb effektiver Rechtsschutz für den Normadressaten nur im Verhältnis zwischen dem Normadressaten und dem Normgeber gewährt werden kann. § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG sieht jedoch gerade eine Konkretisierung bzw. Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vor, weil das Gesundheitsamt zum Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots ermächtigt wird. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht im Hinblick darauf zur Vollzugsbehörde und nicht zur Normgeberin.
56b. Soweit sich das Feststellungsbegehren auf § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG bezieht, ist dieser Antrag bei den Antragstellern zu 1. bis 7., 12. bis 14. und 16. bis 19. ebenfalls unzulässig, weil zwischen ihnen und der Antragsgegnerin auch insoweit kein feststellungsfähiges Rechtverhältnis besteht. § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG ist auf die Antragsteller zu 1. bis 7., 12. bis 14. und 16. bis 19. nicht anwendbar. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach Satz 1 der Vorschrift vorlegt, nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nummer 1 bis 3 IfSG (Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte; die nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtige Kindertagespflege; Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen) betreut oder in Einrichtungen nach § 23 Absatz 3 Satz 1 (Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen), § 33 Nummer 1 bis 4 (die vorgenannten Kinder- und Ausbildungseinrichtungen sowie Heime) oder § 36 Absatz 1 Nummer 4 (Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern) IfSG beschäftigt werden darf. Die Regelung gilt, wie das Zusammenspiel mit § 20 Abs. 10 Satz 1 IfSG zeigt, für Personen, die ab dem 2. März 2020 eine Beschäftigung in einer solchen Einrichtung beginnen wollen oder ab diesem Zeitpunkt einen Betreuungsplatz neu antreten wollen.
57Vgl. zu dem betroffenen Personenkreis für die Nachweispflicht aus § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ebenso: Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 48.
58Denn § 20 Abs. 10 IfSG enthält besondere Vorgaben für Personen, die bereits zum Stichtag 1. März 2020 einen entsprechenden Betreuungsplatz innehatten oder in einer der genannten Einrichtungen tätig waren, und sieht für diese Personen weder selbst ein solches gesetzliches Verbot vor, noch verweist er auf § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG (anders als z. B. auf § 9 Satz 3 IfSG). Daraus folgt, dass – wenn diese Personen aus den Einrichtungen ferngehalten werden sollen – das Gesundheitsamt auf der Grundlage von § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot auszusprechen hat.
59Insoweit sind diejenigen Antragsteller nicht von dieser Regelung beschwert, die seit dem Stichtag bereits eine Kindertageseinrichtung oder Schule besuchen (Antragsteller zu 3. bis 5., 13. und 16.) bzw. deren Eltern, soweit sie nur im Hinblick auf ihr Elternrecht Rechtsschutz suchen (Antragsteller zu 1., 2. und 12.). Ferner ist die Regelung nicht auf diejenigen Personen anwendbar, die bereits zum 1. März 2020 eine Beschäftigung in einer der von der Nachweispflicht erfassten Einrichtungen ausgeübt haben (Antragsteller zu 14. und 17., wobei der im Jahr 1967 geborene Antragsteller zu 17. wegen seines Geburtsdatums und der in § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG getroffenen Stichtagsregelung ohnehin nicht betroffen ist). Die Antragstellerin zu 19. hat zwar nach dem 1. März 2020 einen Betreuungsplatz in einer Schule neu angetreten. Da sie aber schulpflichtig ist, gilt gemäß § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG das Betreuungsverbot aus § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG für sie nicht, so dass weder sie noch ihr Vater, der Antragsteller zu 18., durch diese Regelung berührt werden. Eine Betroffenheit der Antragsteller zu 6. und 7., die nur aus ihrem Elternrecht herzuleiten wäre, scheidet inzwischen aus, weil ihr Sohn, der Antragsteller zu 8., volljährig geworden ist.
60c. Für die Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. kommt jedoch in Betracht, dass durch die Existenz des § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG ein konkretes Rechtsverhältnis zur Normgeberin begründet wird. Denn diese Regelung verhindert ohne weiteren Verwaltungsvollzug, dass der Antragsteller zu 11. einen Betreuungsplatz in einem Kindergarten erhält, wodurch auch das Elternrecht der Antragsteller zu 9. und 10. berührt sein dürfte. Der volljährige Antragsteller zu 8., der eine Berufsschule besuchen möchte, hat aufgrund der Regelung keinen Zugang zur von ihm angestrebten Schulbildung. Der Antragstellerin zu 15. ist aufgrund der Regelung die Aufnahme einer Tätigkeit als Erzieherin in einer von den Regelungen erfassten Einrichtung verwehrt.
61Ob hinsichtlich dieser Antragsteller die Feststellungsanträge deswegen zulässig wären oder ob es nicht dennoch an der Voraussetzung fehlt, dass effektiver Rechtsschutz nur im Verhältnis zum Normgeber erlangt werden kann, weil eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist, und im Übrigen ein Betroffener im Regelfall auch zumutbarerweise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann,
62so käme zum Beispiel bei einem erfolglosen Bemühen um einen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege eine gerichtliche Geltendmachung des Betreuungsanspruchs aus § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII in Betracht, bei der die Anwendbarkeit der Regelungen des Masernschutzgesetzes als Vorfrage zu klären sind, vgl. z. B. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 12 B 1277/21 -, juris, Rn. 18; vgl. zu den Voraussetzungen vorbeugenden Rechtsschutzes: BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1983 - 8 C 43.81 -, juris, Rn. 23, m. w. N.; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 20. Mai 2022 - 3 MB 28/21 -, juris, Rn. 19,
63oder jedenfalls der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage greift, kann allerdings offenbleiben. Denn ihre Anträge wären aus den Gründen zu II. jedenfalls unbegründet.
643. Der hilfsweise gestellte Antrag zu 3. ist unzulässig. Insoweit hätte die begehrte Verlängerung der Frist zur Vorlage des Nachweises nur zur Folge, dass der in § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG vorgesehene Verwaltungsvollzug später beginnen kann. Dieses Begehren kann ebenfalls gegenüber der Vollzugsbehörde geltend gemacht werden und begründet mithin kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin als Normgeberin.
65II. Soweit die Antragsteller rügen, dass das Verwaltungsgericht nur eine offene Folgenabwägung angestellt hat, verhilft dies der Beschwerde in der Sache – die Zulässigkeit des Antrags zu 2. der Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. unterstellt – nicht zum Erfolg.
66Unabhängig davon, dass eine solche Verfahrensrüge für sich genommen nicht zum Erfolg einer Beschwerde gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO führen kann –,
67vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. September 2020 - 1 B 1716/19 -, juris, Rn. 10, m. w. N.; OVG LSA, Beschluss vom 15. Februar 2021 ‑ 2 M 121/20 -, juris, Rn. 14,
68ist hierin nicht ohne Weiteres die gerügte Versagung rechtlichen Gehörs zu sehen. Denn das Verwaltungsgericht ist gerade aufgrund der Vielzahl der geltend gemachten Verfassungsverstöße zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erfolgsaussichten als offen zu bewerten sind.
69Ob das Verwaltungsgericht die Prüfung auf die deswegen allein durchgeführte Folgenabwägung beschränken durfte oder ob in der vorliegenden Fallkonstellation durch die Anwendung von § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG bereits in einer Weise vollendete Tatsachen geschaffen werden, die es gebieten, vor einer Folgenabwägung zu versuchen, dem verfassungsrechtlichen Gebot der tatsächlichen und rechtlichen Durchdringung des Falls nach Möglichkeit gerecht zu werden,
70vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 -, juris, Rn. 22; BVerwG, Beschluss vom 2. März 2020 - GrSen 1.19 -, juris, Rn. 17, m. w. N.,
71kann offenbleiben.
72Denn die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen aus den nachfolgenden Erwägungen auch bei Vornahme einer näheren Prüfung nicht vor. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der – wie hier – begehrt wird, festzustellen, dass § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG die Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. in ihren Grundrechten verletzt und die damit letztlich darauf gerichtet ist, eine Regelung in einem formellen Gesetz gegenüber diesen Antragstellern nicht anzuwenden, ist an besondere Voraussetzungen geknüpft. Zwar sind die Fachgerichte in Bezug auf ein formelles Gesetz durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung nicht vorweggenommen wird. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würde den Eintritt von Nachteilen während der Durchführung des Hauptsacheverfahrens verhindern.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 - 1 BvR 1028/91 -, juris, Rn. 29; BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5.10 -, juris, Rn. 10.
74Ein solches Vorgehen kann bei formellen Gesetzen aber nur unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 100 Abs. 1 GG erfolgen.
75Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2009 - 16 B 539/09 -, juris, Rn. 34 ff.; in diesem Sinne auch: OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013 - 1 B 1316/12 -, juris, Rn. 8 ff.
76Erforderlich ist mithin, dass das beschließende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschriften überzeugt ist. Dies bedeutet im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass der Grundrechtsverstoß offenkundig ist.
77Vgl. zum Maßstab des Art. 100 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvF 1/20 u. a. -, juris, Rn. 71; zur Notwendigkeit eines „offenkundigen Grundrechtsverstoßes“ für eine Regelung im vorläufigen Rechtsschutz: BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u. a. -, juris, Rn. 59; BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 7 VR 5.10 -, juris, Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 10 ME 207/20 -, juris, Rn. 6 ff.
78Zu einer dem entsprechenden Überzeugung ist der Senat nicht gelangt.
79Vgl. im Ergebnis ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 12 B 1277/21 -, juris, Rn. 18 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 10 ME 207/20 -, juris, Rn. 5 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Juli 2021 - 25 CS 21.1651 - juris, Rn. 10; VG Ansbach, Beschluss vom 5. November 2021 - AN 18 S 21.01884 -, juris, Rn. 29.
80Allerdings dürfte die Annahme des Verwaltungsgerichts für sich genommen nicht tragen, der aufgrund einer Folgenabwägung ergangene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2020 in den Sachen 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20 zur Ablehnung eines Eilantrags gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG gegen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zum Nachweis einer Masernschutzimpfung bestätige, dass die von den Antragstellern geltend gemachten Verfassungsverstöße nicht offensichtlich oder evident seien (VG-Beschlussabdruck, S. 7, erster Absatz). Denn bei der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage von § 32 BVerfGG haben – worauf das Bundesverfassungsgericht in der o. g. Entscheidung auch hinweist – die Gründe, die der Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 und 1 BvR 470/20 -, juris, Rn. 10; näher zum Prüfungsmaßstab: BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 1958 - 2 BvQ 1/58 -, juris, Rn. 19.
82Somit dürfte aus dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht eine Folgenabwägung angestellt hat, lediglich zu schließen sein, dass es die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache nicht als unzulässig oder offensichtlich unbegründet einschätzt.
83Bei der gebotenen eigenständigen Prüfung steht jedenfalls nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass – die Zulässigkeit der Anträge soweit unterstellt – § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG das Recht der Antragsteller zu 8., 11. und 15. auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GG (1.) die Berufsfreiheit der Antragstellerin zu 15. aus Art. 12 Abs. 1 GG (2.) und das Elternrecht der Antragsteller zu 9. und 10. aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (3.) verletzt. Zudem ist nicht offensichtlich, dass ein rechtswidriger Eingriff in die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG vorliegt (4.) oder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen wird (5.).
841. Die Vorschrift des § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG greift in das Recht der Antragsteller zu 8., 11. und 15. auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 GG ein (a). Der Eingriff könnte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, so dass der Senat nicht zu der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung notwendigen Überzeugung gelangt, dass dieses Grundrecht verletzt wird (b.).
85a. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt die körperliche Integrität des Grundrechtsträgers und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht. Es bleibt vom Grundsatz her dem freien Willen der Grundrechtsträger überlassen, ob und welche medizinischen Maßnahmen sie für sich in Anspruch nehmen wollen. Das Selbstbestimmungsrecht umfasst auch – eigenverantwortlich getroffene – medizinisch unvernünftige Entscheidungen. Dieser Gewährleistungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wird durch § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG verkürzt, auch wenn die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit von der Impfentscheidung der Betroffenen als notwendigem Zwischenschritt abhängig ist. Denn aufgrund der mit der Entscheidung gegen eine Impfung verbundenen in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG normierten nachteiligen Konsequenz liegt ein zielgerichteter mittelbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor.
86Vgl. ausführlich für die Impfung gegen SARS-CoV-2: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 ‑ 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 110 ff., m. w. N.
87b. Dieser Eingriff bedarf verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Grundsätzlich können Eingriffe in das hier betroffene Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gerechtfertigt werden; es steht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung setzt voraus, dass die angegriffene Regelung formell (aa) und materiell verfassungsgemäß (bb) ist.
88aa. Die von den Antragstellern vorgetragenen Verfassungsverstöße in formeller Hinsicht liegen nicht in einer Weise auf der Hand, dass der Senat von der Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG überzeugt ist.
89(1) Für den Senat drängt sich zunächst nicht auf, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass der Regelung fehlte. Denn der Bund hat gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren. Diese berechtigt ihn, Maßnahmen gegen die Verbreitung von Masern zu ergreifen, indem er für bestimmte Bereiche eine Pflicht vorsieht, eine Masernschutzimpfung nachzuweisen.
90Dass er hierfür auch Regelungen trifft, die Auswirkungen auf Schulen haben, überschreitet jedenfalls nicht offensichtlich seine Gesetzgebungskompetenz. Nach Art. 70 Abs. 1 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Im Unterschied zu den Ländern bedarf nach dieser Regelung der Bund für ein Gesetzesvorhaben einer ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Befugnis. Für die Frage, ob eine solche Zuweisung besteht, kommt es auf die Gesetzgebungsmaterien an, wie sie insbesondere in Art. 73 (Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes) und 74 GG (Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung) niedergelegt sind. Dabei dürfen die einzelnen Vorschriften eines Gesetzes aber nicht isoliert betrachtet werden. Ausschlaggebend ist vielmehr der Regelungszusammenhang. Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der Bundesgesetzgeber nicht zuständig ist, kann gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint.
91Vgl. BVerfG, Urteile vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 -, juris, Rn. 157, und vom 17. Februar 1998 - 1 BvF 1/91 -, juris, Rn. 86.
92Dies kommt hier für die Regelungen zu Schulen, wie die ihnen gegenüber zu erfüllenden Nachweispflichten, die von ihnen zu erfolgende Benachrichtigung des Gesundheitsamts bei Nichtvorlage des Nachweises, sowie Betreuungs-, Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbote, jedenfalls in Betracht. Denn es handelt sich hierbei um Regelungen, die zwar Schulen betreffen und von ihnen teilweise selbst umzusetzen sind, aber allein einen infektionsschutzrechtlichen Zweck verfolgen und nicht aus schulgestalterischen Erwägungen erlassen worden sind.
93Vgl. auch zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Verbot von Präsenzunterricht durch § 28b Abs. 3 Satz 2 und 3 IfSG während der Corona-Pandemie: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 971/21 u. a. -, juris, Rn. 86 f.
94Daran ändert auch Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG und der Umstand, dass auch Privatschulen durch diese Regelungen Vorgaben gemacht werden, nichts.
95Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt sich im Übrigen auch auf Regelungen der Behördenorganisation und des Verwaltungsverfahrens, wobei es nicht darauf ankommt, ob man diese – auch – in der genannten Sachgesetzgebungskompetenz begründet sieht oder davon ausgeht, dass diese auf Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG beruht, aber akzessorisch zu einer Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes ist.
96Offengelassen: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 3 CN 1.13 -, juris, Rn. 12.
97(2) Soweit die Antragsteller den Umfang der vom Gesundheitsausschuss vorgeschlagenen Änderungen am Beschlussentwurf der Bundesregierung rügen, ist der von ihnen hieraus abgeleitete Verstoß gegen die Regelungen zum Gesetzesinitiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Insbesondere gelten die Grundsätze der von den Antragstellern angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2008 - 2 BvL12/01 - nicht, in der es die Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses aufgezeigt hat. Dessen Vermittlungsvorschlag ist inhaltlich und formal an den durch den Deutschen Bundestag vorgegebenen Rahmen gebunden und durch diejenigen Regelungsgegenstände begrenzt, die bis zur letzten Lesung im Bundestag in das jeweilige Gesetzgebungsverfahren eingeführt waren (Rn. 60 ff.). Vorliegend ist indes nicht der Vermittlungsausschuss, sondern der ständige Gesundheitsausschuss tätig geworden, nachdem diesem die Vorlagen zur Masernimpfpflicht (Drucksachen 19/13452, 19/13826, 19/14061 und 19/9960) nach einer ersten Lesung im Bundestag überwiesen worden sind.
98Vgl. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll Nr. 19/119, S. 14787 A.
99Entgegen der Auffassung der Antragsteller lassen sich die dargestellten Grundsätze zu den Grenzen der Tätigkeit eines Vermittlungsausschusses nicht auf die Tätigkeit der ständigen Fachausschüsse des Bundestags übertragen. Der Vermittlungsausschuss ist gemäß Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG ein aus Mitgliedern des Bundestags und des Bundesrats für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeter Ausschuss, der nur auf Einberufung durch den Bundesrat (Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG) bzw. bei Zustimmungsgesetzen auch durch den Bundestag oder die Bundesregierung (Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG) tätig wird. Im Unterschied dazu haben die ständigen Fachausschüsse des Bundestags als vorbereitende Beschlussorgane die Funktion, dem Bundestag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen (vgl. § 62 Abs. 1 GOBT), was zur Folge hat, dass der Schwerpunkt der Gesetzgebungsarbeit in den Ausschüssen stattfindet.
100Vgl. J. Masing/H. Risse in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band II, 7. Aufl. 2018, Art. 77, Rn. 29; Bryde in v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 77 Rn. 6.
101Häufig werden hier Brücken zwischen den Fraktionen gebaut und die Gesetzesentwürfe mehr oder weniger überarbeitet.
102Vgl. Deutscher Bundestag, Weg der Gesetzgebung, abrufbar unter
103https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/gesetzgebung_neu/gesetzgebung/weg-255468.
104Die Ausschüsse verfügen damit über ein weitreichendes Umgestaltungsrecht.
105Vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 ‑ V ZR 91/03 -, juris, Rn. 15.
106Dass die Änderungsvorschläge des Gesundheitsausschusses vorliegend so weit gingen, dass diese sich nicht mehr – wie in § 62 Abs. 1 Satz 2 GOBT vorgegeben – auf die überwiesenen Vorlagen oder die mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehende Fragen bezogen haben und die Ergänzung sich damit in der Sache als eine Gesetzesinitiative des Ausschusses darstellte, drängt sich nicht auf. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Vielzahl von Änderungen vorgenommen wurde. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Änderungen im Zusammenhang mit Gesetzgebungsziel und Gesetzgebungsinitiative der Vorlage standen.
107Vgl. hierzu J. Masing/H. Risse in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band II, 7. Aufl. 2018, Art. 77 Rn. 33.
108Es darf insoweit zu keiner „Denaturierung“ der Gesetzesvorlage führen, weil diese in sachlicher und inhaltlicher Hinsicht nicht einmal mehr in ihren Grundzügen erhalten geblieben ist. Die Regelungsidee des Initianten muss gewahrt bleiben.
109Vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 ‑ V ZR 91/03 -, juris, Rn. 15, m. w. N.; Brüning in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 76 Rn. 168 (Stand August 2016).
110Dieser Zusammenhang besteht bei den auf den Gesundheitsausschuss zurückgehenden Änderungen hinsichtlich der Regelungen zur Masernschutzimpfung. Größtenteils dienten die Änderungsvorschläge – wie das Einfügen der Definition des ausreichenden Impfschutzes gegen Masern oder die Ersetzung von Verweisen – der Präzisierung von Vorschriften und der Beseitigung von Unklarheiten, Widersprüchen oder rechtlichen Bedenken.
111Vgl. BT-Drs. Nr. 19/15164, S. 21, 25, 43, 55, 56; s. auch Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Auf. 2021, § 20 Rn. 44.
112(3) Ungeachtet der Frage, ob ein Gesetz als Ganzes zustimmungsbedürftig ist, wenn es auch nur eine Vorschrift enthält, die die Zustimmungsbedürftigkeit anordnet,
113sog. Einheitsthese, vgl. z. B. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvR 3/77 -, juris, Rn. 121; zuletzt allerdings offengelassen: Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris, Rn. 133,
114ist das Gesetz jedenfalls auch nicht deshalb offensichtlich formell verfassungswidrig, weil es der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte, aber nur als Einspruchsgesetz erlassen wurde.
115(i) Eine Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich jedenfalls nicht so offensichtlich aus Art. 74 Abs. 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG, dass der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Masernschutzgesetz formell verfassungswidrig ist. Nach Art. 74 Abs. 2 GG bedürfen Gesetze auf dem Gebiet der Staatshaftung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG der Zustimmung des Bundesrats. Staatshaftung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG meint die Haftung nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder sowie aller anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
116Vgl. St. Oeter, in: v. Mangold/Klein/Stark, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 168.
117Das Masernschutzgesetz dürfte diesem Kompetenztitel mit Blick auf die Neuregelung in § 56 IfSG jedenfalls nicht offensichtlich unterfallen. Es hat sich darauf beschränkt, dem § 56 Abs. 1 IfSG den Satz anzufügen: „Eine Entschädigung nach den Sätzen 1 und 2 erhält nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. Diese Regelung normiert keine Haftung für staatliches Unrecht, sondern schränkt den zuvor geltenden Anwendungsbereich des § 56 IfSG lediglich ein. Dass auch insoweit eine Zustimmungspflicht gilt, erscheint mit Blick auf den Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses, Länderinteressen zu wahren,
118vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1974 ‑ 2 BvF 2/73 u. a. -, juris, Rn. 59,
119jedenfalls nicht zwingend. Im Übrigen ist auch zweifelhaft, ob § 56 IfSG einem klassischerweise dem Staatshaftungsrecht zugehörigen Rechtsinstitut zugeordnet werden kann.
120Vgl. Eckart/Winkelmüller in: BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 1. April 2022, § 56 Rn. 10.
121Entgegen der Auffassung der Antragsteller handelt es sich insbesondere nicht um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Denn Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist eine im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Beziehung eingetretene rechtsgrundlose Vermögensverschiebung.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1995 - 7 C 56.93 -, juris, Rn. 14.
123Eine solche Konstellation liegt § 56 IfSG nicht zugrunde. Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich um eine „Billigkeitsregelung“, die die Betroffenen wirtschaftlich absichern und vor materieller Not schützen soll. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die von § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG erfassten Ausscheider, Ansteckungs-, Krankheitsverdächtigen oder Träger von Krankheitserregern im infektionsschutzrechtlichen Sinne (Handlungs-)„Störer“ sind und als solche nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht einen infolge eines Erwerbstätigkeitsverbots oder einer Absonderung erlittenen Verdienstausfall grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen müssen.
124Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2022 - 3 B 29.21 -, juris, Rn. 17; BGH, Urteile vom 17. März 2022 - III ZR 79/21 -, juris, Rn. 18 f., und vom 30. November 1978 - III ZR 43/77 -, juris, Rn. 22 f .; Kümper in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 3; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Aufl. 2021, § 56 Rn. 1, mit Verweis auf BT-Drs. Nr. 1888, S. 27; Aligbe, Infektionsschutzrecht in Zeiten von Corona, 1. Aufl. 2021, 9. Kapitel, 1. Allgemeines.
125Dieser Umstand, der einige zu der Einschätzung bewegt hat, es handele sich bei der Regelung in § 56 Abs. 1 IfSG um eine Maßnahme der sozialen Sicherung,
126vgl. Kümper in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 56 Rn. 3, m. w. N.; Aligbe, Infektionsschutzrecht in Zeiten von Corona, 1. Aufl. 2021, 9. Kapitel, 1. Allgemeines; in diesem Sinne auch Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466; vgl. mit einer etwas anderen Tendenz allerdings BT-Drs. 14/2530, S. 87; Eckart/Winkelmüller in: BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 1. April 2022, § 56 Rn. 10, der diese Maßnahme nicht als eine Entschädigung im sozialrechtlichen Sinne verstanden wissen will,
127ist jedenfalls ein beachtliches Argument dagegen, dass die Regelungen nach Art. 74 Abs. 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG als Regelungen des „Staatshaftungsrechts“ zustimmungsbedürftig sind.
128(ii) Eine Zustimmungsbedürftigkeit wird nicht durch Art. 74 Abs. 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG ausgelöst. Danach bedürfen Gesetze, die Statusrechte und ‑pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung regeln, der Zustimmung des Bundesrats. Es werden jedoch durch das Masernschutzgesetz lediglich allgemeine Rechtspflichten insbesondere von Landes- oder Gemeindebeamten und keine spezifischen Rechte und Pflichten geregelt, die deren Statusverhältnis beträfen.
129Vgl. zu entsprechenden Regelungen im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfflicht gegen SARS-CoV-2: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 118.
130(iii) Auch aus Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG ergibt sich keine formelle Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Masernschutzimpfung, weil, wie die Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. meinen, neue Zuständigkeiten (z. B. § 20 Abs. 9 Satz 2, Abs. 11 Satz 2 IfSG) begründet würden und ein bestimmtes Verwaltungsverfahren angeordnet werde (z. B. § 20 Abs. 12 Sätze 1, 3, Abs. 9 Sätze 3, 4 IfSG).
131Art. 84 GG bestimmt, dass, wenn die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen – wie hier das Infektionsschutzgesetz – sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln (Satz 1). In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren jedoch ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln (Satz 5). Diese Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrats (Satz 6).
132Vgl. im Übrigen dazu, dass durch die Ersetzung des Zustimmungserfordernisses durch eine Abweichungsbefugnis der Länder die Quote der zustimmungsbedürftigen Gesetze verringert werden sollte: BT-Drs. 16/813, S. 14 (zu Nr. 9).
133Das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrats setzt danach eine bundesgesetzliche Regelung über die Einrichtung und das Verfahren von Landesbehörden voraus. Eine Einrichtungsregelung liegt nicht nur vor, wenn ein Bundesgesetz neue Landesbehörden vorschreibt, sondern auch, wenn es den näheren Aufgabenkreis einer Landesbehörde festlegt. Das Verfahren der Landesbehörden wird dagegen geregelt, wenn das Gesetz verbindlich die Art und Weise sowie die Form der Ausführung eines Bundesgesetzes bestimmt. Das ist auch dann der Fall, wenn materiell-rechtliche Regelungen des Gesetzes nicht lediglich die Verwaltungsbehörden zum Handeln auffordern, sondern zugleich ein bestimmtes verfahrensmäßiges Verwaltungshandeln festlegen.
134Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01, 1 BvR 2/02 -, juris, Rn. 48, m. w. N.
135Ob die angefochtenen Regelungen des Masernschutzgesetzes daran gemessen die Einrichtung von Behörden oder das Verwaltungsverfahren regeln, wofür z. B. bei § 12 Abs. 9 Satz 2 ff. oder § 12 Abs. 12 Satz 2 ff. IfSG jedenfalls einiges sprechen könnte, kann jedoch dahinstehen. Ein Zustimmungserfordernis könnte nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG nur dann bestehen, wenn ein Bundesgesetz das Verwaltungsverfahren „ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder“ geregelt hat. Eine solche Abweichungsfestigkeit setzt jedoch eine ausdrückliche, zumindest aber hinreichend deutliche Regelung voraus. Dies wird dem Anliegen der Föderalismusreform gerecht, „die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen“ (so die Begründung des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 16/813, S. 1).
136Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2016 - 1 BvR 1015/15 -, juris, Rn. 60.
137Einen solchen ausdrücklichen Ausschluss einer Abweichungsmöglichkeit enthält das Masernschutzgesetz jedoch nicht.
138(4) Der geltend gemachte Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedenfalls nicht offensichtlich festzustellen. § 20 Abs. 14 IfSG verweist darauf, dass durch die Abs. 6 bis 12 der Vorschrift das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) eingeschränkt wird. Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt aber nicht auf der Hand, dass ferner ein Verweis auf eine Einschränkung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, 6 Abs. 3 GG, 8 Abs. 2 GG, 11 Abs. 1 GG sowie Art. 13 Abs. 7 GG erforderlich gewesen wäre.
139Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG knüpft an die in Satz 1 in dieser Vorschrift umschriebene Voraussetzung an, dass „ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Für diesen Fall wird bestimmt, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss. Das Zitiergebot dient zur Sicherung derjenigen Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus eingeschränkt werden könnten. Es erfüllt eine Warn- und Besinnungsfunktion. Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, Grundrechtseingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen; auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben.
140Vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 916/11 u. a. -, juris, Rn. 230, m. w. N.
141Ausgehend davon ist bei Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (Freiheit der Person), 11 Abs. 1 (Freizügigkeit) sowie Art. 13 Abs. 7 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) jedenfalls nicht offensichtlich, dass deren Schutzbereich durch die Vorschriften über eine Masernschutzimpfung überhaupt berührt wird.
142Vgl. in diesem Sinne zu den ähnlich ausgestalteten Regelungen zu einem Immunitätsnachweis gegen COVID-19, die unter bestimmten Voraussetzungen z. B. auch zum Erlass eines Betretungsverbots – auch hinsichtlich Arbeitsstätten – ermächtigen (vgl. § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG): BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 97.
143Dass dies anders beurteilt werden müsste, weil auch Kindertagesstätten und Privatschulen von Betretungsverboten umfasst sind, drängt sich jedenfalls nicht auf. Es erscheint vielmehr auch diesbezüglich fragwürdig, ob der Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG, der das Recht schützt, ungehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, überhaupt berührt ist. Dessen Reichweite ist umstritten.
144Vgl. näher zum Streitstand: Epping/Hillgruber in BeckOK GG, Stand 15. Mai 2022, Art. 11 Rn. 11 ff.; Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand November 2021, Art. 11 Rn. 77 f.
145Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Recht der Eltern von Schülern aus Art. 13 GG berührt sein soll. Warum für diese das Schulgebäude als Wohnung i. S. d. Art. 13 GG qualifiziert werden sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Ferner dürfen die Eltern, auch wenn sie selbst keinen Immunschutz gegen Masern aufweisen, Schulen und Kindertageseinrichtungen weiterhin betreten. Denn die entsprechenden Pflichten betreffen – wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – jeweils nur Personen, die in den Einrichtungen betreut werden oder dort tätig sind, nicht aber Personen, die diese zu einem anderen Zweck – wie z. B. zur Teilnahme an einem Elternabend – lediglich besuchen wollen. Soweit Lehrern das Aufsuchen ihrer Arbeitsstätte verwehrt wird, dürfte dies dem sachnäheren Schutz der Berufsfreiheit unterliegen.
146Ein Eingriff in Art. 6 Abs. 3 GG, der bestimmt, dass gegen den Willen Kinder von den Erziehungsberechtigten nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden dürfen, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen, liegt fern.
147Auch inwieweit die Regelungen in die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG eingreifen sollten, erschließt sich für den Senat nicht und wird von den Antragstellern auch nicht näher begründet.
148bb. Auch in materieller Hinsicht ist die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG jedenfalls nicht offenkundig.
149(1) Der Senat vermag dem Vorbringen der Antragsteller nicht zu folgen, wonach eine Verfassungswidrigkeit daraus folgen soll, dass § 20 Abs. 9 Nr. 1 IfSG, auf den § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG Bezug nimmt, auf § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB V verweist.
150§ 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 IfSG sieht vor, dass ein Nachweis über einen ausreichenden Impfschutz – neben anderen Nachweismöglichkeiten – auch durch ein ärztliches Zeugnis in Form einer Dokumentation nach § 26 Abs. 2 Satz 4 SGB V erbracht werden kann. § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB V regelt, dass in der ärztlichen Dokumentation über Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche auf den Impfstatus in Bezug auf Masern hingewiesen werden soll, um einen Nachweis im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG zu ermöglichen. Näheres über unter anderem Inhalt, Art und Umfang dieser Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche regelt gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 SGB V.
151Entgegen der der Argumentation der Antragsteller offenbar zugrundeliegenden Annahme dürfte dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen nicht pauschal, d. h. unabhängig davon, auf welche Befugnisnorm er sich stützt, welches Gehalt und welche Reichweite von ihm erlassene Regelungen haben und wen diese betreffen, die demokratische Legitimation für seine Tätigkeit fehlen.
152Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 - 1 BvR 2056/12 -, juris, Rn. 22.
153Die Antragsteller haben indes nicht dargetan, warum dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen die hinreichende Legitimation konkret für die diesem in § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB V zugewiesene Aufgabe, das Nähere über unter anderem Inhalt, Art und Umfang der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche zu regeln, fehlen soll.
154Ungeachtet dessen erschließt sich aber auch nicht, warum eine etwaige mangelnde Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen, nähere Regelungen zu Art und Umfang von Gesundheitsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen zu treffen, zur Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 9 Satz 1Nr. 1 IfSG führen soll. Denn dieser bestimmt lediglich, dass (neben anderen Nachweismöglichkeiten) auch mit einer Dokumentation einer ärztlichen Untersuchung nach § 26 Abs. 2 Satz 4 SGB V ein Nachweis über das Vorliegen eines Impfschutzes gegen Masern erbracht werden kann.
155(2) Der Senat konnte auch nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass das gesetzliche Betreuungs- und Tätigkeitsverbot, das nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG greift, wenn vor Antritt der Tätigkeit bzw. Aufnahme eines Betreuungsplatzes in einer von den Regelungen erfassten Einrichtung kein ausreichender Schutz gegen Masern nachgewiesen wird, gegen die Grundsätze der sog. Wesentlichkeitsdoktrin verstößt.
156Diese wird aus dem Vorbehalt des Gesetzes hergeleitet, der im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verlangt, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Nach der sog. Wesentlichkeitsdoktrin betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben. Inwieweit es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands ab.
157Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, juris, Rn. 39, und Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, juris, Rn. 67 f., jeweils m. w. N.
158Es liegt jedenfalls nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass der Gesetzgeber – wie die Antragsteller meinen – wesentliche Regelungen im Zusammenhang mit der Masernschutzimpfung nicht selbst getroffen, sondern letztlich der Pharmaindustrie überlassen hat, die die Impfstoffe gegen Masern zur Verfügung stellt. Aus § 20 Abs. 9 Satz 8 IfSG ergibt sich mittelbar, dass der Nachweis der Masernschutzimpfung durch Impfstoffe mit einer Masernkomponente, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, erbracht werden muss. Welche Impfstoffe dies im Einzelnen sind, hat der Gesetzgeber nicht definiert. § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG, wonach ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden, stellt – über die Zulassung des Impfstoffs hinausgehend – keine spezifischen Anforderungen an den konkret zu verwendenden Impfstoff. Der Gesetzgeber hat jedoch mit § 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG zu erkennen gegeben, dass § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG (und damit auch § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG) auch gilt, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten. Aktuell bedeutet dies, dass eine Impfung mit einem sog. Kombinationsimpfstoff zu erfolgen hat. Mit diesem Umstand hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich und in Kenntnis der sich derzeit auf dem Markt befindlichen Kombinationsimpfstoffe gegen Masern-Mumps-Röteln beziehungsweise gegen Masern-Mumps-Röteln-Windpocken auseinandergesetzt.
159Vgl. BT-Drs. 19/13452, S. 28.
160Dies kann allerdings in Zukunft theoretisch dazu führen, dass der für die Masernschutzimpfung vorzuweisende Impfnachweis nur zu erlangen ist, wenn der Pflichtige eine Kombinationsimpfung auch gegen andere Erkrankungen erhalten hat. Je nach Produktionsverhalten der Pharmaindustrie oder Medikamentenzulassung durch die zuständigen Behörden, könnten künftig ausschließlich Impfstoffe zur Verfügung stehen, die neben dem Masernimpfstoff andere Impfstoffe beinhalten als die aktuell vertriebenen MMR-Impfstoffe. Auch wenn gewisse Bedenken bestehen, ob dies mit dem Erfordernis einer Gesetzesgrundlage für Grundrechtsbeschränkungen in Einklang zu bringen ist,
161vgl. zu diesen Bedenken BR-Drs. 358/1/19, 27 (32),
162weil hierdurch faktisch die Impfvorgaben auf andere Erkrankungen erstreckt würden, dürfte dies jedenfalls nicht eindeutig zu verneinen sein. Denn jedenfalls könnte der Gesetzgeber auf eine etwaige Entwicklung bei der Impfstoffherstellung, die seine ursprünglichen Annahmen nicht mehr tragen sollten, noch reagieren, soweit dies verfassungsrechtlich geboten sein sollte.
163Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 ‑ 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 167.
164Diese Option – die insoweit allerdings faktisch mit einer gewissen Pflicht einhergeht die entsprechenden Entwicklungen im Blick zu behalten – könnte möglicherweise ausreichen, um den Vorgaben der sog. Wesentlichkeitsdoktrin zu genügen, weil bei der Vielzahl theoretisch denkbarer Kombinationsimpfstoffe eine vorherige Festlegung möglicher Kombinationspräparate nur schwerlich in Form einer alle Eventualitäten erfassenden gesetzlichen Regelung möglich sein dürfte.
165Vgl. dazu, dass der erforderliche Grad der Bestimmtheit einer gesetzlichen Regelung auch davon abhängt inwieweit der zu regelnde Sachbereich einer genauen begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 126; sowie im Zusammenhang mit den Impfungen gegen SARS-CoV-2 dazu, dass der Gesetzgeber auch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht gehalten ist, zugelassene Impfstoffe selbst zu benennen: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 146; krit. Aligbe in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, § 20 Rn. 206 f.
166Dass der Gesetzgeber sich im Hinblick darauf hätte festlegen müssen, dass die Vorgaben nur gelten, wenn in Zukunft wenigstens eines der derzeit auf dem Markt befindlichen Kombinationspräparate zur Verfügung steht, ist jedenfalls nicht offensichtlich zu bejahen.
167(3) Der Eingriff in das Recht der Antragsteller zu 8., 11. und 15. auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG könnte auch verhältnismäßig sein, so dass der Senat nicht zu der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung notwendigen Überzeugung gelangt ist, dass dieses Grundrecht verletzt wird. Die Regelung in § 20 Abs. 9 Satz 6 lfSG dürfte einen legitimen Zweck verfolgen (i). Gewisse Zweifel an der Eignung (ii), Erforderlichkeit (iii) und Angemessenheit (iv) reichen nicht aus, um die begehrte einstweilige Anordnung auszusprechen.
168(i) Durch gesetzliche Regelungen erfolgende Eingriffe in Grundrechte können lediglich dann gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber damit verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Impfungen gegen Masern in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur das Individuum gegen die Erkrankung schützen, sondern gleichzeitig die Weiterverbreitung der Krankheit in der Bevölkerung verhindern, wenn mit Hilfe der Maßnahmen erreicht wird, dass die Impfquote in der Bevölkerung hoch genug ist. Auf diese Weise will der Gesetzgeber auch Personen schützen, die aus medizinischen Gründen selbst nicht geimpft werden können, bei denen aber schwere klinische Verläufe bei einer Infektion drohen. Ziel des Masernschutzgesetzes ist namentlich der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit, zu dem der Staat prinzipiell auch kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angehalten ist.
169Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20, 1 BvR 470 -, juris, Rn. 15, sowie näher zur Schutzpflicht: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 155.
170Ferner kommt angesichts des in § 1 IfSG definierten Zweck des Gesetzes, übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, als legitimes Ziel die Konkordanz mit den Zielen der WHO, die Masern zu eliminieren, in Betracht.
171Vgl. Zuck, Gesetzlicher Masern-Impfzwang, ZRP 2017, 118, 119.
172Der Gesetzgeber verweist in der Gesetzesbegründung darauf, dass in Deutschland die Masern weiterhin zirkulierten, weil eine Impfquote von 95 %, die dies verhindern würde, bisher nicht erreicht worden sei.
173Vgl. Bundesministerium für Gesundheit, „Masern“, wonach Experten davon ausgehen, dass sich die Masern nicht ausbreiten können, wenn mehr als 95 % der Bürger eine Immunität gegen Masern durch Impfung oder durch eine durchgemachte Erkrankung haben, abrufbar unter:
174https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/m/masern.html; vgl. zur Ermittlung dieses Werts: Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern - Warum können die Masern ausgerottet werden, wenn 95 % in der Bevölkerung immun sind?, Stand 25. Januar 2022, abrufbar unter
175https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html.
176Masern gehörten zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen und seien anders als verbreitet angenommen keine harmlose Erkrankung, sondern verliefen schwer und zögen Komplikationen und Folgeerkrankungen nach sich. Dies begründe eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit, der mit den Regelungen aus dem sog. Masernschutzgesetz begegnet werden müsse. Ziel des Gesetzes sei es dabei, einen individuellen Schutz insbesondere von vulnerablen Personen sowie einen ausreichender Gemeinschaftsschutz vor Maserninfektionen zu erreichen. Der Fokus liege hierbei insbesondere bei Personen, die regelmäßig in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen mit anderen Personen in Kontakt kommen. Damit würden vor allem auch jene Personen von einem Gemeinschaftsschutz profitieren, die auf Grund ihrer gesundheitlichen Verfassung eine Schutzimpfung nicht in Anspruch nehmen können. Durch eine deutliche Steigerung der Impfquoten in Deutschland könne mittelfristig auch die Elimination der Masern in Deutschland und das von der WHO vorgegebene globale Ziel der Masernelimination erreicht werden.
177Vgl. BT-Drs. Nr. 19/13452, S. 1.
178Diese Erwägungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Masern sind hochansteckend. Faktisch alle nicht immunen Menschen erkranken nach Exposition.
179Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 5, abrufbar unter
180https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile.
181Masern stellen keine harmlose Infektionskrankheit dar. Als Komplikationen können Mittelohr-, Lungen- oder Gehirnentzündungen auftreten.
182Vgl. Robert Koch-Institut, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019, S. 172.
183Eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Spätfolge der Masern ist die subakute sklerosierende Panenzephalitits (SSPE). Diese wird nach WHO-Angaben bei vier bis elf von 100.000 Masern-Fällen beobachtet und tritt durchschnittlich etwa 7 Jahre nach einer akuten Masern-Infektion auf, bei Kindern ist dieses Risiko erhöht.
184Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 6, abrufbar unter
185https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile.
186Im Jahr 2019 mussten in Deutschland 35 % der an Masern Erkrankten hospitalisiert werden, eine Person ist an einer akuten Maserninfektion verstorben.
187Vgl. Robert Koch-Institut, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019, S. 175.
188In den 1950er und 1960er Jahren, d. h. vor Einführung der Masernschutzimpfung, starben jährlich in Deutschland noch zwischen 50 und 470 Menschen an Masern.
189Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 6, abrufbar unter
190https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile.
191Maserninfektionen sind – wie die Gesetzesbegründung zutreffend ausführt – in Deutschland nicht eliminiert. Für das Jahr 2019 wurden 514 Masernfälle festgestellt, womit eine Maserninzidenz von 0,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner/Jahr vorlag. Diese lag deutlich über der von der Weltgesundheitsorganisation vorgegebenen Indikatorinzidenz von < 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner/Jahr, die diese als erfolgreichen Schritt in Richtung einer Elimination der Masern definiert hatte. Betroffen waren insbesondere Kinder in den ersten Lebensjahren und damit eine Altersgruppe, die von Komplikationen besonders betroffen ist. Die Inzidenz bei Kindern unter 12 Monaten zeigt, dass der Gemeinschaftsschutz nicht ausreicht, um eine Ausbreitung der Masern in dieser Altersgruppe zu verhindern und diejenigen wirksam zu schützen, die selbst (noch) nicht geimpft werden können.
192Vgl. Robert Koch-Institut, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2019, S. 172, 178, abrufbar unter
193https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuch_2019.pdf?__blob=publicationFile.
194Denn die Impfungen sind für Kinder frühestens ab dem 9. Lebensmonat zugelassen, also erst einige Monate nachdem ihr natürlicher Immunschutz nachgelassen hat.
195Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern – Für wen sind Maserninfektionen besonders gefährlich?, abrufbar unter
196https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html.
197In den Jahren vor 2019 schwankte die Zahl der übermittelten Fälle teils erheblich, diese lagen jedoch jeweils deutlich über dem historischen Tiefstand von 123 Masernfällen im Jahr 2004.
198Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern – Wie häufig treten Masernerkrankungen in Deutschland auf?, Stand 28. Februar 2022, abrufbar unter
199https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html
200(ii) § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG dürfte jedenfalls zur Verfolgung des Zwecks, einen individuellen Schutz insbesondere von vulnerablen Personen vor Maserninfektionen zu erreichen, auch geeignet sein.
201Für die Eignung genügt bereits die Möglichkeit, durch die Regelung den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele der Norm zu erreichen. Dieser Spielraum reicht nicht stets gleich weit. Insoweit hängt sein Umfang vielmehr einzelfallbezogen etwa von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Für Letzteres können auch das vom Eingriff betroffene Recht und das Eingriffsgewicht eine Rolle spielen. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Erfolgt aber der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
202Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 166.
203Es spricht viel dafür, dass § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks, vulnerable Personen zu schützen, unter Zugrundelegung dieses Maßstabs geeignet ist. Die Masernschutzimpfung weist eine hohe Impfeffektivität auf (95 bis 100 % bei der auch vom Gesetzgeber vorgesehenen zweifachen Impfung) und vermittelt einen lebenslangen Schutz.
204Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 9 f.
205Die Vorgaben zu Masernschutzimpfungen hat der Gesetzgeber insbesondere für Bereiche vorgesehen, die von Masernausbrüchen überproportional häufig betroffen sind. Viele Ausbrüche mit mehreren Erkrankten ereignen sich in medizinischen Einrichtungen oder Betreuungseinrichtungen.
206Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 8, abrufbar unterhttps://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile.
207Die Erzielung einer hohen Impfquote in diesen Bereichen bzw. das Fernhalten nicht geimpfter Personen aus diesen Einrichtungen dürfte damit der Reduzierung von Infektionen dienen.
208Von entsprechenden Vorgaben in Einrichtungen der Kinderbetreuung dürften insbesondere junge Kinder profitieren, die aufgrund ihres Alters noch nicht geimpft sind, aber bei Infektionen ein besonders hohes Risiko haben, Komplikationen zu erleiden. Die Vorgaben für das Personal in medizinischen Einrichtungen dürften insbesondere dort behandelte vulnerable Personen – wie etwa Neu- oder Frühgeborene – vor Infektionen schützen. So wurden in der Vergangenheit Masernausbrüche in medizinischen Einrichtungen beobachtet, bei denen als Auslöser das medizinische Personal identifiziert wurde.
209Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 8, abrufbar unter
210https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile..
211Offen ist hingegen, ob die vorhandenen Impflücken in der Bevölkerung mit der Beschränkung auf die Pflichtimpfung von Betreuern und Betreuten in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG und von Personen, die in einer medizinischen Einrichtung nach § 23 Absatz 3 Satz 1 IfSG Tätigkeiten mit Kontakt zu Patienten ausüben, auch in dem Umfang geschlossen werden können, dass die entsprechende der WHO-Vorgabe angestrebte Immunisierung von 95 % der Gesamtbevölkerung erreicht werden kann. Angesichts der konstatierten Impflücken bei nach 1970 geborenen Erwachsenen könnte es näherer Aufklärung bedürfen, ob allein eine Impfpflicht für die in den genannten Bereichen tätigen Erwachsenen ausreicht, um eine 95-prozentige Immunisierung der Gesamtbevölkerung zu erreichen.
212Vgl. diesbezüglich zweifelnd BR-Drs. 358/1/19, 27 (31), Stellungnahme des Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht eV (DIJuF) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/13452).
213(iii) Offen ist ferner, ob § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG als Maßnahme zum Schutz insbesondere vulnerabler Personen auch erforderlich ist.
214Grundrechtseingriffe dürfen nicht weitergehen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
215Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 202 ff.
216Fraglich ist schon, ob die Annahme zutrifft, dass mildere Maßnahmen, wie Informationskampagnen oder die Ausweitung von Impfangeboten, den verfolgten Zweck nicht in gleicher Weise erreichen würden.
217Vgl. die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats „Impfen als Pflicht“ vom 27. Juni 2019, abrufbar unter
218https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-impfen-als-pflicht.pdf
219Zwar ist zu berücksichtigen, dass durch solche Maßnahmen Personen nicht zum Impfen bewegt werden, die – wie z. B. die Antragsteller – eine Masernschutzimpfung grundsätzlich ablehnen. Allerdings folgt daraus nicht zwangsläufig, dass eine Impfberatung als milderes Mittel tatsächlich nicht genügt. Zwar haben laut Gesetzentwurf die bisherigen Maßnahmen einer Impfberatungspflicht noch nicht zu einem relevanten Rückgang der Maserninfektion geführt (BT-Drs. 19/13452, 2). Ob dies aber an Umsetzungsdefiziten bei der Durchführung der Impfberatung liegt und ob bei der beratenen Personengruppe die erforderlichen Impfquoten infolge der Beratung tatsächlich nicht erreicht werden, ist nicht abschließend geklärt. Laut Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) liegen die Impfquoten bei Kindern mit knapp über 97 % bei der ersten Masernimpfung sogar oberhalb der von der WHO empfohlenen Durchimpfungsrate von 95 % und lediglich die Quoten der zweiten Impfung mit knapp 93 % gerade unterhalb der empfohlenen Impfquote. Gerade im Hinblick auf das Fehlen nur eines kleinen Teils und nur der zweiten Impfung lässt sich aber vermuten, dass es sich größtenteils nicht um kategorische „Impfgegner“ handelt und bereits das Erreichen der „Impfvergesser“ ausreichen könnte, um die erforderlichen Impfquoten zu erreichen. Der verhältnismäßig besonders schwere Eingriff in die Impfentscheidung von tatsächlichen „Impfgegnern“ könnte vermieden werden, wenn durch das Erreichen der „Impfvergesser“ bereits das Gesetzesziel erreicht werden könnte.
220Vgl. Stellungnahme des Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht eV (DIJuF) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/13452).
221Auch ist zu erwägen, ob evtl. zeitweise Betreuungsverbote in Kitas und Schulen für nicht immunisierte Kinder (z. B. nach dem Auftreten von Masernfällen) eine Alternative darstellen, mit der das verfolgte Ziel zwar nicht in gleichem, aber möglicherweise ausreichendem Maße erreicht würde.
222Vgl. zu dieser Option: Stellungnahme des Deutschen Ethikrats „Impfen als Pflicht“ vom 27. Juni 2019 (Empfehlung Nr. 11), abrufbar unter
223https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-impfen-als-pflicht.pdf.
224Diese Bedenken, ob die Regelung erforderlich ist, sind allerdings nicht so schwerwiegend, dass der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Erforderlichkeit zu verneinen ist. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber, wie ausgeführt, eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahmen zukommt. Zum anderen ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch „Impfvergesser“ effizienter zur Durchführung der fehlenden Impfung angehalten werden, wenn die in den gesetzlichen Regelungen vorgesehenen Konsequenzen – wie das in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG geregelte Betreuungs- und Tätigkeitsverbot – drohen.
225(iii) Nicht offensichtlich zu bejahen ist weiter die Frage, ob die Regelung in § 12 Abs. 9 Satz 6 IfSG angemessen ist. Sie ist jedoch nach Prüfung des Senats jedenfalls nicht offensichtlich unangemessen.
226Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Normgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird ein Handeln des Normgebers umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Normgebers. Die gerichtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Normgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
227Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u. a. -, juris, Rn. 216 f.
228Es steht nicht zur notwendigen Überzeugung des Senats fest, dass der Gesetzgeber offensichtlich den ihm danach zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten und gegen das Übermaßverbot verstoßen hat.
229Die durch die beanstandete Vorschrift begründeten Pflichten, eine Masernschutzimpfung in bestimmten Bereichen auf- bzw. nachzuweisen, stellt für den Einzelnen einen nicht unerheblichen Eingriff in dessen körperliche Unversehrtheit dar. Das Einbringen eines Stoffes in den Körper setzt zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts betreffend den eigenen Körper grundsätzlich die Einwilligung der Betroffenen (bzw. ihrer Sorgeberechtigten) voraus. Die Impfung löst konkrete körperliche Reaktionen aus, die sich als Immunantwort auf die Verabreichung des Impfstoffs darstellen. Übliche Impfreaktionen bei einer Masernschutzimpfung sind Rötung, Schwellung oder Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Allgemeinsymptome, wie Mattigkeit, Unwohlsein, Unruhe, Schwellung der regionalen (der Einstichstelle naheliegenden) Lymphknoten; im gleichen Sinne zu deutende Symptome einer „Impfkrankheit“ können ein bis drei Wochen nach der Verabreichung von sog. Lebendimpfstoffen auftreten: z. B. eine leichte Parotisschwellung (Schwellung der Ohrspeicheldrüse), kurzzeitige Gelenkschmerzen oder ein flüchtiges Exanthem nach der Masern-, Mumps-, Röteln- oder Varizellen-Impfung. Es handelt sich hierbei um vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen. Sie sind im Allgemeinen mild und stellen in der Regel keinen Anlass zur Sorge dar. Schwere unerwünschte Nebenwirkungen der Impfungen sind selten. Das Risiko der durch MMR-Impfstoffe verursachten Fieberkrämpfe, wird auf einen pro 1.150 bis 1.700 verabreichte Dosen geschätzt. Bei der MMR-Impfung kann bei etwa drei von 100.000 Geimpften eine idiopathische Thrombozytopenie (Abfall der Thrombozyten (Blutplättchen)) auftreten, die in aller Regel selbstlimitierend ist. Das Risiko nach der Impfung ist jedoch geringer als bei einer natürlichen Infektion mit Masernviren. Bei einem bis vier Fällen von einer Million Geimpften kam es nach der Impfung zu einer Anaphylaxie (akute allergische Reaktion).
230Vgl. Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern – Was versteht man unter üblichen Impfreaktionen? Stand 20. April 2020; Welche Nebenwirkungen können nach MMR-Impfungen auftreten? Stand 4. Juni 2020, abrufbar unter
231https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html;jsessionid=AE815BEEACE60BDBC923985843293590.internet062.
232Die Impfstoffe unterliegen einer fortlaufenden Überprüfung, so dass nicht davon auszugehen ist, dass es unerwünschte Nebenwirkungen in größerem Ausmaß als bekannt gibt. Denn diese sind meldepflichtig. Das Paul-Ehrlich-Institut unterhält eine Datenbank, die Verdachtsfälle im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen umfasst.
233Vgl. z. B. Paul-Ehrlich-Institut, Berichtete Verdachtsfälle von Impfreaktionen und Impfkomplikationen für das 2. Halbjahr 2021, abrufbar unter
234https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/arzneimittelsicherheit/pharmakovigilanz/listen-impfreaktionen/liste-impfreaktionen-bewertung-2021-2-halbjahr.pdf?__blob=publicationFile&v=3; siehe auch die Übersicht zu Studien von Impfnebenwirkungen bei Masern aus dem Jahr 2019: Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Dokumentation - Nebenwirkung der in Deutschland gängigen Masernimpfstoffe, WD 9 - 3000 - 068/19, abrufbar unter
235https://www.bundestag.de/resource/blob/662794/a3a7916fe1f2c45093168e1a578c2427/WD-9-068-19-pdf-data.pdf.
236Etwas abgemildert wird der aufgezeigte Eingriff in die körperliche Unversehrtheit wiederum dadurch, dass die Vorschriften keinen unmittelbaren, hoheitlich durchsetzbaren Impfzwang statuieren. Betroffene müssen die Impfung vor Aufnahme einer Beschäftigung oder der Inanspruchnahme einer Betreuung in bestimmten Einrichtungen nachweisen, d. h. sie können sich dem grundsätzlich entziehen, wenn sie auf die Beschäftigung oder ihre Betreuungsplatz in der Einrichtung verzichten.
237Nichtsdestotrotz hat der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ein nicht unerhebliches Gewicht dadurch, dass erhebliche Konsequenzen drohen, wenn die Betroffenen der Nachweispflicht nicht nachkommen. So ist die Aufnahme einer berufliche Tätigkeit bei einer Verweigerung in bestimmten Einrichtungen nicht möglich, was Art. 12 Abs. 1 GG berührt (vgl. dazu auch 2.). Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter können nicht in entsprechenden Einrichtungen betreut werden, womit nicht nur ihre Rechte insbesondere auf entsprechende Förderung eingeschränkt werden, sondern mittelbar in das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen wird (vgl. dazu auch 3.). Nicht mehr schulpflichtige Schüler – wie der Antragsteller zu 8. – können ihre Schullaufbahn nicht mehr in der gewünschten Weise fortsetzen.
238Der Eingriff wird zudem (quasi als Beifang) dadurch ausgeweitet, dass er sich auch auf eine Impfung gegen Mumps und Röteln erstreckt, ohne dass insoweit die Grundrechtsbeschränkung ausdrücklich geregelt wird.
239Vgl. zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken BR-Drs. 358/1/19, 27 (32).
240Es liegt jedoch nicht auf der Hand, dass der Gesetzgeber dem Gesundheitsschutz insbesondere vulnerabler Personengruppen zu Unrecht den Vorzug gegeben hat. So ist zunächst nicht offensichtlich, dass in Abwägung der Schutzpflicht des Staates mit dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen die angegriffenen Regelungen schon allein wegen der bezogen auf die Gesamtbevölkerung nur geringen Zahl an Masernerkrankungen und des deshalb (gegenwärtig) wohl bloß abstrakten Risikos, an Masern zu erkranken,
241vgl. Zuck, Gesetzlicher Masern-Impfzwang, ZRP 2017, 118,119),
242unangemessen sind. Denn von den sehr seltenen Masernfällen sind häufig auch Personen betroffen, die sich nicht selbst durch eine Impfung gegen eine Maserninfektion schützen können, wie z. B. Kinder unter 9 Monaten, Personen, bei denen eine Masernschutzimpfung medizinisch kontraindiziert ist oder solche, die auf die Impfung nicht reagieren. Aufgrund der hohen Infektiösität des Masernvirus können diese Personen sich auch nicht durch eigene Vorsichtsmaßnahmen effektiv vor einer Ansteckung schützen. Ihnen droht bei einer Infektion die Gefahr von erheblichen Komplikationen, die in sehr seltenen Fällen zum Tode führen können. Dieses Risiko ist zwar statistisch äußerst gering, aber für den Einzelnen Betroffenen schwerwiegend und aufgrund der Verfügbarkeit einer effektiven Masernimpfung, die bei Erreichen einer hinreichenden Impfquote einen Gemeinschaftsschutz vermitteln würde, wohl vermeidbar. Insoweit erscheint jedenfalls offen, ob eine Vielzahl von Personen zu Impfungen durch die hier in Rede stehende gesetzliche Regelung angehalten werden dürfen, um wenige Einzelne zu schützen. Dafür könnte jedenfalls sprechen, dass schwerwiegende Komplikationen von Masernschutzimpfungen trotz der hohen Zahl der Impfungen äußerst selten sind. Zudem ist aus der Empfehlung dieser Impfung durch die STIKO zu schließen, dass der Nutzen dieser Impfung das ihr innewohnende Risiko überwiegt, mögen dabei auch epidemiologische Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
243Vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017 - XII ZB 157/16 -, juris, Rn. 25, und Urteil vom 15. Februar 2000 - VI ZR 48/99 -, juris, Rn. 25; siehe dazu, dass die STIKO bei der Erarbeitung von Impfempfehlungen in erster Linie eine medizinisch-epidemiologische Nutzen-Risiko-Bewertung auf Basis der bestverfügbaren Evidenz durchführt: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2022 in Epidemiologisches Bulletin Nr. 4/2022, S. 4, abrufbar unter
244https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/04_22.pdf?__blob=publicationFile.
245Ferner kommt – bei entsprechender Eignung (siehe oben) – in Betracht, dass die Vorgaben auch im Hinblick auf das im Einklang mit der WHO verfolgte Ziel, die Masern zu eliminieren, gerechtfertigt sein könnten. Dabei dürfte zu berücksichtigen sein, dass das Erreichen eines wirksamen Gemeinschaftsschutzes in Deutschland verhinderte, dass von hier aus Maserninfektionen in andere Länder hineingetragen werden, in denen das Gesundheitssystem mit größeren Masernausbrüchen ggf. überfordert wäre.
246Vgl. in diesem Zusammenhang zum Höchststand der weltweiten Todesfälle an Masern seit 23 Jahren im Jahr 2020: Unicef, Weltweit 207.500 Todesfälle durch Masern, 12. November 2020, abrufbar unter
247https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/2020/masern-todesfaelle/230166.
2482. Auch die Berufsfreiheit der Antragstellerin zu 15. aus Art. 12 Abs. 1 GG wird durch § 12 Abs. 9 Satz 6 IfSG jedenfalls nicht offensichtlich verletzt.
249Art. 12 Abs. 1 GG schützt insbesondere vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind, indem sie eine Berufstätigkeit unmittelbar unterbinden oder beschränken. Als Eingriffe in die Berufsfreiheit sind danach etwa Vorschriften anzusehen, die eine berufliche Tätigkeit grundsätzlich verbieten und nur unter dem Vorbehalt behördlicher Einzelzulassung erlauben. Das in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG geregelte Beschäftigungsverbot, das bei fehlendem Nachweis von Gesetzes wegen eintritt, schränkt die Möglichkeiten der Berufsausübung für die Antragstellerin zu 15. erheblich ein, da sie in einer Vielzahl von Einrichtungen nicht tätig werden kann. Diese Regelung hat eine objektiv berufsregelnde Tendenz. Zwar werden die in den genannten Einrichtungen ausgeübten Tätigkeiten ohne Rücksicht darauf erfasst, ob sie berufsmäßig durchgeführt und übertragen werden. Dementsprechend sind nicht nur Berufstätige Adressaten, sondern zum Beispiel auch ehrenamtlich dort Tätige. Die angegriffenen Regelungen betreffen aber im Schwerpunkt Tätigkeiten, die typischerweise beruflich ausgeübt werden.
250Dieser Eingriff hat erhebliches Gewicht. Die Antragstellerin zu 15. ist mit dem Problem konfrontiert, dass ihre berufliche Qualifikation im Wesentlichen darauf zugeschnitten ist, in Einrichtungen tätig zu werden, in denen ein Masernimpfschutz benötigt wird.
251Dennoch kommt in Betracht, dass dieser Eingriff in die Berufsfreiheit zum Schutz der Gesundheit insbesondere vulnerabler Personen vor einer Maserninfektion aus den oben gemachten Ausführungen gerechtfertigt sein könnte. Bei Erziehern dürfte zudem einiges dafür sprechen, dass die auch generell bestehende Pflicht, dass Beschäftigte für ihre eigene sowie die Sicherheit derjenigen Personen sorgen müssen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind (vgl. § 15 Abs. 1 ArbSchG), gegenüber den von ihnen betreuten bzw. unterrichteten Kindern (und Jugendlichen) besonderes Gewicht hat.
252Vgl. in diesem Sinne für das Personal in Heil- und Pflegeberufen: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 265.
2533. Auch eine Verletzung des Elternrechts der Antragsteller zu 9. und 10. aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht fest. Zwar wird in dieses Grundrecht eingegriffen (a), es kommt aber jedenfalls in Betracht, dass dieser Eingriff gerechtfertigt sein könnte (b).
254a. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Das Elternrecht umfasst den gesamten Bereich der Personen- und Vermögenssorge, wozu auch die Sorge für die Gesundheit des Kindes gehört.
255Vgl. Uhle in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand 15. Mai 2022, Art. 6 Rn. 54.
256Sie können grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen.
257Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Januar 2003 - 2 BvR 716/02 -, FamRZ 2003, 296, 299.
258In dieses Recht dürfte § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG mittelbar eingreifen, weil die Entscheidung der Eltern gegen eine Masernschutzimpfung der Kinder – jedenfalls wenn diese im Kindergartenalter sind – erhebliche Konsequenzen nach sich zieht wie die Tatsache, dass diese dann nicht mehr in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege betreut und gefördert werden können. Die Entscheidung, ob Kinder einen Kindergarten besuchen, obliegt den Eltern.
259Vgl. Uhle in Epping/Hillgruber BeckOK GG, Stand 15. Mai 2022, Art. 6 Rn. 54.
260Grundsätzlich haben Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres ansonsten auch einen Anspruch (vgl. § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII) auf Betreuung in einer Tageseinrichtung (oder in der Kindertagespflege).
261b. Der Senat ist jedoch nicht zu der erforderlichen Überzeugung gelangt, dass dieser Eingriff offensichtlich nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch wenn das Elternrecht keinem allgemeinen Gesetzesvorbehalt unterliegt,
262vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 -, juris, Rn. 98,
263gilt es nicht unbeschränkt. Zum einen muss das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein. Wenn Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, greift das Wächteramt des Staates nach Art. 6 Abs. 2 GG ein; der Staat ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen.
264Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1982 - 1 BvR 188/80 -, NJW 1982, 1379.
265Zum anderen unterliegt das Recht verfassungsimmanenten Schranken.
266Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 -, juris, Rn. 98.
267Im vorliegenden Fall erscheint es zwar nicht unbedingt naheliegend, dass der Eingriff in das Elternrecht zum Wohl der Kinder, deren Eltern eine Masernschutzimpfung ablehnen, gerechtfertigt sein könnte. Denn insoweit dürfte die Entscheidung der Eltern, ihr Kind nicht gegen Masern impfen zu lassen, keine Kindeswohlgefährdung darstellen, die zu einem staatlichen Eingreifen zwingt. Auch wenn die Eltern bei der Risiko-/Nutzenabwägung bei der Masernschutzimpfung individuell zu einem anderen Ergebnis kommen als die STIKO in ihrer Impfempfehlung –
268Die STIKO empfiehlt die Masern-Impfung als MMR-Kombinationsimpfung mit insgesamt zwei Impfstoffdosen für alle Kinder. Babys und Kleinkinder sollen die erste MMR-Impfung im Alter von 11-14 Monaten erhalten. Die zweite Impfung sollte frühestens 4 Wochen nach der ersten Impfung, im Alter von 15 bis23 Monaten durchgeführt werden. Eine Impfung <11 Monaten ist unter bestimmten Bedingungen möglich, siehe Robert Koch-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schutzimpfung gegen Masern, Wem wird die Impfung gegen Masern von der STIKO empfohlen?, Stand: 4. November 2021, abrufbar unter:
269https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html#:~:text=Wann%20sollen%20die%20Impfungen%20gegen,der%20ersten%20MMR%2DImpfung%20erfolgen. –
270dürfte dies wegen der verhältnismäßig geringen Gefahr, dass ihr Kind mit schweren Komplikationen an Masern erkrankt, von ihrem Elternrecht gedeckt sein.
271Allerdings kommt in Betracht, dass der Eingriff zum Schutz von Leben und Gesundheit insbesondere von vulnerablen Personen aus den oben gemachten Erwägungen gerechtfertigt ist und das Elternrecht hinter diesen Verfassungsgütern zurücktreten muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Tageseinrichtungen oder der Kindertagespflege regelmäßig sehr günstige Bedingungen für die Verbreitung von Infektionskrankheiten herrschen. Vor diesem Hintergrund scheint es jedenfalls nicht von vornherein unverhältnismäßig, dass die Eltern durch eine Impfung ihrer Kinder dafür Sorge tragen müssen, dass eine potentiell gefährliche Infektionskrankheit durch ihr Kind nicht in eine solche Einrichtungen hereingetragen wird und sich dort unter Umständen verbreiten kann.
2724. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass durch die Regelungen zur Masernschutzimpfung die Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. aus Art. 4 Abs. 1 GG verletzt wird. Denn sie legen ihre eigenen religiösen, weltanschaulichen oder gewissensbezogenen Überzeugungen nicht nachvollziehbar und durch Tatsachen gestützt in einer Weise dar, dass überprüft werden könnte, ob und inwieweit der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG in Bezug auf die Ablehnung einer Masernschutzimpfung überhaupt eröffnet ist.
273Vgl. hierzu auch: BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, juris, Rn. 94.
274Allein der pauschale Verweis auf die Stellungnahme von Dr. Elisabeth Leutner aus November 2017 „Impfstoffe und Abtreibung“ mit Verweis auf die Nutzung von humanen fetalen Zellen bei der Impfstoffproduktion dürfte hierfür nicht ausreichen.
2755. Auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht offensichtlich verletzt.
276Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Allerdings liegt eine typisierende Gruppenbildung nur vor, wenn die tatsächlichen Anknüpfungspunkte im Normzweck angelegt sind. Sie ist außerdem nur zulässig, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären.
277Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98 -, juris, Rn. 62 f.
278Gemessen an diesem Maßstab dürfte die Differenzierung, wonach die Pflicht, in bestimmten Einrichtungen eine Impfung gegen Masern aufweisen zu müssen, nur Personen betrifft, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, gerechtfertigt sein. Nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts aus einer Seroprävalenzstudie im Zeitraum von 2008 bis 2011 weisen 95,5 % bis 99,3 % vor 1970 geborenen Erwachsenen eine Immunität gegen Masern auf, die in der Regel auf einer durchgemachten Wildvirusinfektion beruht. Bei den späteren Geburtsjahrgängen nimmt jedoch der Anteil der gegen Masern Immunen ab. Dies hat seine Ursache darin, dass 1970 die MMR-Impfung in die deutschen Impfempfehlungen für Kinder aufgenommen wurde, womit die Zahl der Maserninfektionen drastisch zurückgegangen ist. Da damit die Wahrscheinlichkeit sank, sich mit dem Masernvirus zu infizieren, ging in der Folge auch der Anteil der Erwachsenen zurück, die durch eine natürliche Infektion eine Immunität gegen Masern erworben haben. Dies trifft auch auf medizinisches Personal und in Gemeinschaftseinrichtungen tätige Personen zu.
279Vgl. Mitteilung der Ständigen Impfkommission beim RKI, Empfehlung und wissenschaftliche Begründung für die Angleichung der beruflich indizierten Masern-Mumps-Röteln-(MMR-) und Varizellen-Impfung, Epidemiologisches Bulletin Nr. 2/2020, S. 12 und 13, abrufbar unter
280https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/02_20.pdf?__blob=publicationFile.
281Diese Umstände dürften die vorgenommene Differenzierung nach dem Geburtsjahrgang rechtfertigen und den o. g. Vorgaben genügen. Es handelt sich im Ergebnis um eine bevorzugende Typisierung, bei der dem Gesetzgeber eine größerer Gestaltungsfreiheit zukommt als bei einer benachteiligenden Typisierung.
282Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 -, juris, Rn. 42.
283Denn die Regelung führt dazu, dass einige Personen den Nachweispflichten nicht unterfallen, obwohl sie über keinen Immunschutz verfügen (nach den Feststellungen des Robert Koch-Instituts zwischen 0,7 bis 4,5 % der vor dem Stichtag geborenen Personen). Die nach dem Stichtag geborenen Personen werden indes nicht benachteiligt. Denn wenn sie über einen Immunschutz verfügen, weil sie geimpft worden sind, können sie dies problemlos nachweisen. Auch wenn sie aber – was nach den oben wiedergegeben Feststellungen des Robert Koch-Instituts allerdings eher selten vorkommen sollte – immun sind, obwohl sie nach dem Stichtag geboren wurden und nicht geimpft sind, dürften sie in der Regel durch die Vorschriften nicht zu einer Impfung gedrängt werden. Ihnen dürfte es möglich sein, ihren Immunschutz durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG). Dieses kann der Arzt auf der Grundlage ausstellen, dass ihm eine frühere Masernerkrankung der Person bekannt ist oder wenn eine serologische Titerbestimmung einen ausreichenden Immunschutz gegen Masern ergeben hat.
284Vgl. BT-Drs. 19/13452, S. 29.; siehe auch Gebhard in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 20 Rn. 44.
285Die aus der Differenzierung folgende Bevorzugung einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Personen dürfte im Ergebnis voraussichtlich gerechtfertigt sein. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber mit dem Geburtsdatum an ein Merkmal anknüpft, dass die Betroffenen nicht beeinflussen können. Denn im Hinblick darauf, dass die Regelungen – wie oben ausgeführt – nicht unerheblich in Grundrechte der Betroffenen eingreifen, dürfte der Gesetzgeber gehalten zu sein, solche Vorgaben nur zu machen, wenn diese einen positiven Effekt auf die Erreichung des von ihm verfolgten Ziels haben. Dass er davon ausgeht, dass dies bei Impfungen der vor dem 31. Dezember 1970 geborenen Personen nicht der Fall ist, ist nicht zu beanstanden. Denn diese sind zu einem so hohen Prozentanteil gegen Masern immun, der – bezöge er sich auf die gesamte Bevölkerung – bereits einen wirksamen Gemeinschaftsschutz vermitteln würde. Dies wird entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht durch einen Zuzug einer Vielzahl von vor 1970 geborenen Personen aus dem Ausland durchgreifend in Frage gestellt. Insoweit liegt nahe, dass auch die meisten dieser Personen Maserninfektionen mit dem Wildvirus durchgemacht haben. Bevor Masernschutzimpfungen verfügbar waren, hat sich nahezu jedes Kind mit Masern angesteckt. Die Erstzulassung eines Masernimpfstoffs erfolgte 1963. Zu einem massiven Rückgang der Maserninfektionen kam es dann Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre.
286Vgl. Centers for Disease Control an Prevention (CDC), Measles Prevention: Recommendations of the Immunization Practices Advisory Committee (ACIP), 29. Dezember 1989, abrufbar unter
287https://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/00041753.htm.
288III. Da der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass § 20 Abs. 9 Satz 6 die Antragsteller zu 8. bis 11. und 15. in ihren Grundrechten verletzt, liegt der für einen Erfolg des Antrags erforderliche Anordnungsanspruch nicht vor. Auf eine Folgenabwägung kommt es insoweit nicht mehr an, so dass die Rügen hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Folgenabwägung der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen können.
289Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs.1 ZPO sowie § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei der Senat sich den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Bemessung des Streitwerts anschließt.
290Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
291Schildwächter Dr. Strauch Linßen
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