Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 A 10793/10

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen wasserrechtlichen Bescheid der Beklagten.

2

Er ist Eigentümer des in Neustadt-G... gelegenen Grundstücks O... Weg ... (Flurstück Nr. …./.). Die Beklagte versorgt durch ihre Stadtwerke unter anderem auch den vorgenannten Ortsteil der Stadt Neustadt. Die Stadtwerke betreiben hierzu im etwa 3 bis 4 km östlich des Stadtzentrums gelegenen ehemaligen Wasserschutzgebiet Ordenswald eine Grundwassergewinnung mit insgesamt 9 Tiefwasserbrunnen. Die Brunnen weisen Ausbautiefen zwischen 135 und 150 m auf. Das Trinkwasser wird ausschließlich aus dem Unteren Grundwasserleiter gefördert, der mindestens 30 m unter Gelände gegen Wasserzufluss aus oberflächlichen Schichten abgesperrt ist. Etwa 4 km südöstlich dieser Brunnen liegt das Wassergewinnungsgebiet Benzenloch der Gemeindewerke Haßloch, welches sich etwa 2,5 km nördlich des Ortsbezirks G... befindet.

3

Im August 2005 fragte der Kläger bei der Beklagten nach, ob er für die Bohrung eines privaten Brunnens auf seinem Grundstück einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfe. Nach einem Schriftwechsel mit dem Kläger erließ die Beklagte sodann am 7. November 2005 eine für sofort vollziehbare erklärte Verfügung, mit der sie dem Kläger die Errichtung eines Brunnens für das Zutagefördern von Grundwasser für die Gartenberegnung untersagte. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass die Bohrung eines Brunnens erhebliche Auswirkungen auf den Wasserhaushalt habe, da diese den Eintrag von Schadstoffen in das Grundwasser und deren Übertragung zwischen den Grundwasserschichten ermögliche. Um Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu vermeiden, würden derzeit die Wasserschutzgebiete neu festgelegt. Erst wenn dieses Verfahren abgeschlossen sei, könnten möglicherweise Brunnen auch von Privatpersonen errichtet werden.

4

Nachdem sich der Kläger mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde an die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd - SGD Süd - gewandt hatte, erließ diese unter dem 12. März 2007 eine fachaufsichtliche Weisung, mit der sie der Beklagten aufgab, den an den Kläger gerichteten Bescheid vom 7. November 2005 ohne Geltendmachung von weiteren Kosten unverzüglich aufzuheben. Ferner wurde die Beklagte angewiesen, für die Bearbeitung von Anzeigen nach § 42 Abs. 1 LWG grundsätzlich keine Gebühr zu erheben.

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Unter Bezugnahme auf die vorgenannte fachaufsichtliche Weisung der SGD Süd zeigte der Kläger am 22. März 2007 bei der Beklagten an, dass er in seinem Vorgarten einen Brunnen bohren lassen wolle, und bat um Mitteilung, ob die zwei namentlich bezeichneten Firmen berechtigt seien, ihm mit ihrer Technik den Brunnen zu bohren.

6

Mit „wasserrechtlicher Anordnung“ vom 12. April 2007 hob die Beklagte unter Ziffer I. die Untersagungsverfügung vom 7. November 2005 auf. In Ziffer II. wurde geregelt, dass das zu Tage geförderte Grundwasser nur für den angegebenen Zweck, nämlich zur Gartenberegnung der Parzelle Nr. …./. verwendet werden dürfe. In Ziffer III. Nr. 1 traf die Beklagte folgende Festlegungen:

7

a) Größte Fördermenge:

30 m³/Jahr

b) Beregnungsfläche:

300 m³

c) Größte Brunnentiefe:

12 m   

8

In Nr. 2 wurden zum Bestandteil dieses Bescheides die Angaben vom 22. März 2007, die Flurkarte im Maßstab 1:522 und die Benennung der Bohrfirma - Firma … - erklärt.

9

Die Ziffern IV. und V. des Bescheides enthielten mehrere Nebenbestimmungen zur Brunnenbohrung und zum Brunnenbetrieb. In der Ziffer VI. setzte die Beklagte für die Entscheidung eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 100,00 € fest. In Ziffer VII. wurden mehrere Hinweise gegeben.

10

Der Kläger legte gegen die Ziffer III. bis VII. des Bescheides Widerspruch ein, dem der Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2009 teilweise abhalf, nämlich hinsichtlich der Ziffer III.1a, IV.6, IV.7, IV.9, V.3, V.5, VII.1 und VII.5. Im Übrigen wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.

11

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere vorgetragen, die wasserrechtliche Anordnung der Beklagten stelle eine Umgehung der Vorschrift des § 42 LWG dar, wonach die Anlage von Gartenbrunnen nur anzeigepflichtig, aber nicht genehmigungsbedürftig sei. Eine Untersagungsanordnung komme nur in Betracht, wenn konkrete Umstände des Einzelfalls die Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu besorgen seien. Bloße vorsorgliche Untersagungen wegen allgemeiner Planungen oder nur potentieller Grundwassergefährdungen in bestimmten Gebieten seien nicht zulässig. Er, der Kläger, habe mit der Anzeige vom 22. März 2007 alle Anforderungen aus der Weisung der SGD Süd an die Beklagte erfüllt. Letztere habe weitere Anordnungen nicht treffen dürfen. Zumindest hätte sie ihn, den Kläger, vorher anhören und ihn auf seine eventuelle Kostentragungspflicht hinweisen müssen.

12

Der Kläger hat beantragt,

13

den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 hinsichtlich seiner Ziffern III. bis VI. in Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 3. Juli 2009 aufzuheben.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie hat im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass sie bei der angefochtenen Verfügung von einem erlaubnispflichtigen Tatbestand im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 2 WHG ausgegangen sei. Deshalb habe sie die ausgesprochene Erlaubnis mit den entsprechenden Nebenbestimmungen versehen. Die einzelnen Anordnungen seien rechtmäßig, da sie im Einzelfall dazu gedient hätten, den Abstrom höherer Grundwasserschichten in tiefere zu vermeiden.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. Dezember 2009 den angegriffenen Bescheid der Beklagten in Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Ziffern III. bis VI. aufgehoben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt:

18

Die Benutzung eines Gewässers in Form des Zutageförderns von Grundwasser sei grundsätzlich erlaubnisfrei. Nur ausnahmsweise bedürfe die Wasserbenutzung der Erlaubnis. Erforderlich hierfür sei jedoch ein Antrag. Einen solchen habe der Kläger jedoch nicht gestellt und daher habe dem Kläger auch eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht aufgedrängt werden dürfen. Vorliegend habe die Beklagte unter dem Deckmantel einer „wasserrechtlichen Anordnung“ materiell-rechtlich eine wasserrechtliche Erlaubnis unter Anordnung zahlreicher Nebenbestimmungen erteilt, ohne dass der Kläger zuvor einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Ein solcher Antrag könne auch nicht in der E-Mail des Klägers vom 22. März 2007 gesehen werden. Fehle aber der erforderliche Antrag des Klägers auf Erlass einer wasserrechtlichen Erlaubnis, so sei der gleichwohl ergangene Verwaltungsakt rechtswidrig. Im übrigen werde darauf hingewiesen, dass nach dem angegriffenen Bescheid der Beklagten die Gefahr eines hydraulischen Kurzschlusses zu verneinen sei, wenn in G... die Brunnen nicht tiefer als 12 m abgeteuft würden und die Bohrung von einem qualifizierten Bohrunternehmen als Trockenbohrung durchgeführt werde. Vorliegend beabsichtigte der Kläger jedoch lediglich die Bohrung eines Privatbrunnens durch eine Fachfirma in einer Tiefe von weniger als 10 m für die Beregnung seines knapp 200 m großen Gartens, was er in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2009 nochmals bekräftigt habe. Damit halte er von vorneherein die Bedingungen ein, unter denen die Beklagte eine Gewässergefährdung in Neustadt-G... ausschließe. Eine Erlaubnispflicht sei deshalb nicht gegeben. Es sei daher nicht gerechtfertigt, dem Kläger per Verwaltungsakt und kostenpflichtig etwas aufzugeben, was dieser ohnehin einhalten wolle.

19

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte nunmehr geltend:

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Die von ihr getroffene Anordnung sei rechtmäßig, soweit sie noch Gegenstand der Klage gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe die Tragweite der hier entscheidungserheblichen Verknüpfungen verkannt. § 42 Abs. 1 Satz 2 LWG erkläre die Bestimmungen des § 20 Abs. 2 und Abs. 3 LWG für entsprechend anwendbar. Nach § 20 Abs. 2 LWG habe der Betroffene mit der Anzeige seines Vorhabens die zu dessen Beurteilung erforderlichen Pläne und Unterlagen beizufügen. Daraus folge, dass die Wasserbehörde auf die Anzeige hin nicht nur das Vorhaben schlechthin zur Kenntnis nehmen solle, sondern darüber hinaus inhaltlich einer wasserrechtlichen Überprüfung zu unterziehen habe. Anderenfalls würde nämlich eine rein laienhafte Mitteilung ohne die erforderlichen Pläne und Unterlagen genügen. Dass dies nicht ausreiche, zeige auch ein Blick auf die ebenfalls entsprechend anwendbare Vorschrift des § 20 Abs. 3 Satz 1 LWG, wonach das Vorhaben zu untersagen sei, wenn eine Verunreinigung oder sonstige Veränderung zu besorgen sei. Satz 2 dieser Bestimmung zeige auch, dass die Behörde die Möglichkeit habe, entweder das Vorhaben vollständig zu untersagen oder einschränkende Anordnungen zu treffen. Hieraus ergebe sich die Rechtsgrundlage für die hier noch streitigen Regelungen hinsichtlich der beabsichtigten Brunnenbohrung. Die diesbezügliche Annahme des Verwaltungsgerichts, sie - die Beklagte - habe mit ihrer Verfügung eine einfache wasserrechtliche Erlaubnis ohne Antrag erteilt, liege neben der Sache. Denn durch die Anzeige würden ohne weiteres die Regelungsalternativen des § 20 Abs. 3 Satz 2 LWG ausgelöst, wenn Gewässergefahren zu besorgen seien. Dazu bedürfe es keines Antrags. Vorliegend habe sie mit der Wahl der zweiten Alternative des § 20 Abs. 3 Satz 2 LWG eine wasserrechtliche Anordnung sui generis als Minusmaßnahme zur möglichen Untersagung getroffen, um mit Hilfe von Vorkehrungen für den Gewässerschutz der an sich gegebenen Gefahr von Verunreinigung oder nachteiligen Veränderungen der Gewässereigenschaften entgegenzuwirken. Solche Maßnahmen seien vorliegend geboten gewesen, weil eine Brunnenbohrung hydraulische Kurzschlüsse mit der Folge des Austausches von schädlichen Einflüssen zwischen zwei Grundwasserleitern verursachen könne. Diese Gefahrenlage habe sie zum Anlass nehmen dürfen, dass Brunnenbohrvorhaben in der wasserrechtlichen Anordnung mit technischen Vorkehrungen zu versehen, um das Schadensrisiko zu minimieren. Dies gelte zunächst für die Festlegung der maximalen Brunnentiefe auf 12 m (s. Ziffer III.1c). Nach den Erkenntnissen der Stadtwerke und der unteren Wasserbehörde werde die Gefahr eines hydraulischen Kurzschlusses für den Bereich des Klägers verneint, wenn die Brunnenbohrung nicht tiefer als 12 m reiche. Dass der Kläger nicht so tief bohren wolle, habe er erstmals im Klageverfahren vorgetragen. Sowohl die Anzeige des Klägers als auch sein weiteres Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren habe eine Beschränkung auf 7 m Bohrtiefe im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erkennen lassen. Das angeordnete Abdichten und Verschließen des Brunnens (s. Ziffer IV.2) stütze sich ebenfalls auf § 20 Abs. 3 Satz 2, 2. Alternative LWG. Die Auswahl- und Verfahrensentscheidung bezüglich der Trockenbohrung und der zu beauftragenden Fachfirma diene dem Schutzzweck des § 20 Abs. 3 LWG. Entsprechendes gelte für das Verbot der Verknüpfung des Brunnens mit der öffentlichen Trinkwasserversorgung (s. Ziffer IV.8) und die verfügten Meldepflichten (s. Ziffern IV.10 und IV.11). Die Rechtfertigung der Gebührenerhebung ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Satz 1 des besonderen Gebührenverzeichnisses und Ziffer 11.1.2.4 der dazu gehörenden Anlage.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 16. Dezember 2009 die Klage abzuweisen.

23

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

25

Er trägt vor:

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Neben den von der Beklagten benannten Regelungsalternativen gebe es durchaus noch die Möglichkeit, dass die Behörde den Anzeigenden darauf hinweise, dass aus den von ihr angenommenen Gründen der Gefahrenabwehr eine Erlaubnispflicht bestehe und eine Erlaubnis nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden könne. Insoweit greife für das behördliche Handeln das Verwaltungsverfahrensgesetz ein. Nach dessen § 28 sei die Beklagte gehalten gewesen, ihm - dem Kläger - Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Grund, von einer solchen Anhörung abzusehen, habe nicht bestanden. Die Einführung der Anzeigepflicht anstelle der Genehmigungspflicht habe der Verfahrensvereinfachung und der Entbürokratisierung dienen sollen. Für eine grundsätzliche Ausweitung der Genehmigungspflicht der Brunnenbohrung in ihrem Gemeindegebiet stehe der Beklagte der Weg des § 42 Abs. 2 LWG zur Verfügung. Im Übrigen seien auch der Sache nach die von der Beklagten getroffenen Anordnungen nicht gerechtfertigt.

27

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (1 Aktenordner und 1 Hefter) und aus Unterlagen der Stadtwerke der Beklagten bezüglich der Grundwassergewinnung „Ordenswald“ (1 Aktenordner und 1 Heft). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2007 in Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Ziffern III. bis VI. aufgehoben. Bezüglich der darin getroffenen „Anordnungen“ fehlt es nämlich an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage.

30

Allerdings hätte im Zeitpunkt des Erlasses des hier angegriffenen Bescheides eine wasserrechtliche Anordnung durchaus - wie im vorliegenden Fall im Vorspann des Bescheides vom 12. April 2007 geschehen - auf § 33 Abs. 1 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden alten Fassung (entspricht nunmehr § 46 WHG n.F.) i.V.m. §§ 42 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 Landeswassergesetz - LWG - gestützt werden können, auch wenn das Vorhaben gemäß § 33 Abs. 1 WHG i.V.m. § 42 Abs. 1 LWG nicht erlaubnispflichtig war. Diese Verfahrensweise hätte aber vorausgesetzt, dass überhaupt eine wasserrechtliche Anordnung im Sinne von § 20 Abs. 3 LWG vorliegt. Dies ist aber nicht der Fall.

31

Nach § 20 Abs. 3 S. 1 LWG ist das Vorhaben zu untersagen, wenn die Verunreinigung eines Gewässers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu besorgen ist. Eine solche Untersagung der Maßnahme oder auch nur eine als Minus zur Untersagung mögliche Anordnung ist mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 12. April 2007 indes nicht ausgesprochen worden. Zwar trägt der Bescheid die Überschrift „wasserrechtliche Anordnung“ und nennt - wie bereits oben ausgeführt - im Vorspann die entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für eine solche Anordnung. Gleichwohl ergibt eine an Form, Wortlaut sowie Sinn und Zweck orientierte verständige Auslegung des Bescheides, dass es sich bei der in Rede stehenden Bescheid nicht um eine wasserrechtlichen Anordnung, sondern - wie bereits vom Verwaltungsgericht angenommen - um eine „verkappte“ wasserrechtliche Erlaubnis nach § 7 WHG i.V.m. § 26, 27 Abs. 1 LWG handelt.

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Gegen die Annahme, dass hier eine Anordnung nach § 20 Abs. 3 LWG ergangen ist, spricht zunächst, dass die Behörde mit dem Bescheid eine von der beabsichtigten Maßnahme ausgehende Gefahr für das Grundwasser oder eine sonstige, wie auch immer geartete Gefahr, die mit der Anordnung bekämpft werden soll, nicht benannt hat. An dem für die wasserrechtliche Anordnung typischen Zweiklang „Erkenntnis einer Gefahr und nachfolgender behördlicher Eingriff“ fehlt es daher völlig.

33

Dafür, dass mit dem Bescheid vom 12. April 2007 vielmehr der Sache nach eine Erlaubnis erteilt wurde, spricht, dass die überwiegende Anzahl der erlassenen „Anordnungen“ unter der Überschrift „Nebenbestimmung“ (s. Ziffer IV. „Nebenbestimmungen zur Brunnenbohrung“; Ziffer V. „Nebenbestimmungen zum Brunnenbetrieb“) stehen. Zwar sind Nebenbestimmungen typischerweise akzessorisch zu einem vorausgehenden Haupt-Verwaltungsakt und ein solcher Haupt-Verwaltungsakt ist hier im Bescheid nicht ausdrücklich formuliert worden. Die Regelungen in Ziffer II. (Verwendung des zutage geförderten Grundwassers nur zur Gartenberegnung) und Ziffer III. Nr. 1 (Festlegung der Bezugsfläche und größten Brunnentiefe) können nämlich nicht als ein solcher Haupt-Verwaltungsakt angesehen werden, da sie sich selbst materiell-rechtlich gesehen nur als Nebenbestimmungen zu einer Erlaubnis darstellen. Die vorgenannten Regelungen geben aber nur dann Sinn, wenn man sie auf die mit dem Bescheid erteilte „unausgesprochene“ wasserrechtliche Erlaubnis zur Brunnenbohrung bezieht, da es für die bloße Bestätigung des Eingangs einer Anzeige solcher Nebenbestimmungen nicht bedurfte. Für diese Sichtweise sprechen insbesondere die Formulierungen der Nebenbestimmungen. Denn diese Nebenbestimmungen können von dem Adressaten des Bescheides nur so verstanden werden, dass die Behörde mit der Durchführung des angezeigten Vorhabens einverstanden ist, sofern die den beigefügten präventiven Regelungen beachtet werden.

34

Hinzu kommt, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 16. Dezember 2009 ausdrücklich vorgetragen hat, es liege ein erlaubnispflichtiger Tatbestand nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WHG vor und die ausgesprochene Erlaubnis (i.e. der Bescheid vom 12. April 2007) sei mit den entsprechenden Nebenbestimmungen versehen worden (s. Sitzungsprotokoll der Vorinstanz auf Bl. 39 der Gerichtsakte).

35

Handelt es sich bei dem Bescheid vom 12. April 2007 aber um eine „verkappte“ wasserrechtliche Erlaubnis mit Nebenbestimmungen, dann fehlt es hierzu an dem erforderlichen Antrag des Klägers im Sinne von § 22 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, sodass bereits aus diesem Grunde die „aufgedrängte Erlaubnis“ auf die Anfechtung des Klägers hin aufzuheben ist. Diesbezüglich wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

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Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte und von einer Anordnung nach § 20 Abs. 3 Satz 2 VwGO ausginge oder eine Umdeutung der „verkappten“ Erlaubnis in eine derartige Anordnung in Betracht ziehen würde, wäre der angefochtene Bescheid dennoch aufzuheben, weil die Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung der vorgenannten Art nicht gegeben sind. Nach der vorstehend erwähnten Bestimmung ist das Vorhaben zu untersagen oder sind entsprechende Anordnungen zu treffen, wenn die Verunreinigung eines Gewässers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu besorgen ist. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn konkret die Besorgnis bestünde, dass infolge der Brunnenbohrung die Sperrschicht zwischen dem ersten und zweiten Grundwasserstockwerk durchstoßen würde und dadurch ein hydraulischer Kurzschluss entstünde. Eine solche Gefahr sieht die obere Wasserbehörde indes nicht (vgl. ihre fachtechnische Stellungnahme vom 12. März 2007 - Bl. 72/73 der Verwaltungsakten -). Selbst die Beklagte geht davon aus, dass eine solche Besorgnis nicht besteht, wenn in Neustadt-G... die Brunnen nicht tiefer als 12 m abgeteuft werden und die Bohrung von einem qualifizierten Bohrunternehmen als Trockenbohrung durchgeführt wird. Dies hat sie in ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 13. Juli 2010 nochmals bestätigt (s. Bl. 144 der Gerichtsakte). Von daher gesehen ist durch die vom Kläger beabsichtigte Brunnenbohrung, die sogar unter 10 m bleiben soll, eine Verunreinigung oder sonstige nachteilige Veränderung des Grundwassers nicht zu besorgen.

37

Eine andere Beurteilung im Hinblick auf eine Anordnungsmöglichkeit gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 LWG lässt sich auch nicht aus dem Hinweis der Beklagten herleiten, die erforderlichen Angaben (unter anderem über die Bohrtiefe) hätten im Erlasszeitpunkt des Bescheides gefehlt und seien erst im Klageverfahren vorgetragen worden.

38

Diese Überlegung der Beklagten ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend, denn der Kläger war gemäß § 42 LWG i.V.m. § 20 Abs. 1, 2 LWG verpflichtet gewesen, das Vorhaben rechtzeitig vor Beginn der Maßnahme anzuzeigen. Diese Verpflichtung umfasst die Pflicht, die für die Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Angaben zu machen und die erforderlichen Pläne und Unterlagen, wie z.B. zur geplanten Bohrtiefe, zur bohrtechnischen Ausführung etc. beizufügen. Falls die der Anzeige beigefügten Angaben bzw. die vorzulegenden Unterlagen nicht ausreichend sind, muss die Behörde den Bürger darauf hinweisen und mitteilen, dass ohne vorherige ausreichende Angaben bzw. ohne vorherige Vorlage entsprechender Unterlagen mit dem Vorhaben nicht begonnen werden darf. Solange die erforderlichen Angaben und Unterlagen nicht vorhanden sind, liegt keine ordnungsgemäße Anzeige vor, sodass die Frist des § 20 Abs. 3 LWG nicht zu laufen beginnt.

39

Wenn eine ordnungsgemäße vorherige Anzeige nicht vorliegt, ist die Behörde aber nicht -dies verkennt die Beklagte- ohne weiteres berechtigt, das Vorhaben zu untersagen oder Anordnungen zu treffen. Wasserrechtliche Anordnungen sind, wie ausgeführt, nach § 42 LWG i.V.m. § 20 Abs. 3 LWG nur dann möglich wenn Verunreinigungen oder nachteilige Auswirkungen auf das Grundwasser im Sinne dieser Vorschrift zu besorgen sind. Diese Voraussetzung ist aber nicht schon in jedem Falle dann erfüllt, wenn einer Anzeige nicht die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind. Nur wenn derjenige, der ein Vorhaben anzeigt, auch auf Anforderung durch die Behörde nicht die notwendigen Angaben macht und zudem abzusehen ist, dass er ohne vorherige ordnungsgemäße Anzeige mit den Arbeiten zur Ausführung des Vorhabens beginnen will, kann die Behörde berechtigt sein, die Durchführung des Vorhabens - zumindest vorläufig - zu untersagen.

40

Durch diese Verfahrensweise wird die der Beklagten als untere Wasserbehörde obliegende Aufsichtsfunktion auch nicht unzumutbar erschwert. Denn ein späteres Einschreiten aufgrund wasserrechtlicher konkreter Gefahren aus wasserpolizeilichen Gründen bleibt jederzeit möglich. Nur ist dies keine präventive Untersagung (wie sie in § 20 Abs. 3 LWG vorgesehen ist), sondern vielmehr ein repressives wasserpolizeiliches Einschreiten aufgrund konkreter Gewässergefährdung. Sollte eine ausreichende Anzeige eingereicht worden sein, so bleibt es der Behörde unbenommen mit der Bestätigung des Eingangs dieser Anzeige entsprechende Hinweise mit präventivem Charakter zu geben, die sie im vorliegenden Fall bereits in Form von (hier unzulässigen) Nebenbestimmungen gekleidet hatte.

41

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

42

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

43

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

44

Beschluss

45

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).

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