Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Landesdisziplinarsenat) - 3 A 10001/13


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 13. November 2012 wird gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 1.000,-- € verhängt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

2

Der zurzeit 60 Jahre alte Beklagte stand seit April 1982 im Polizeidienst des Bundes und steht seit April 1990 im Polizeidienst des klagenden Landes. In dem hier maßgeblichen Zeitraum war er zunächst der Polizeiinspektion Z…, anschließend - mit Wirkung vom 21. Dezember 2009 - der regionalen Kriminalinspektion K… und schließlich - mit Wirkung vom 12. März 2012 – der Kriminalinspektion P… zugeteilt. Seit dem 1. Juni 2011 befindet er sich in Altersteilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Im Jahre 1994 wurde er letztmals befördert und bekleidet seither das Amt eines Kriminalhauptkommissars. Bei seiner letzten dienstlichen (Anlass-)Beurteilung vom 19. Februar 1999 wurden seine Leistungen mit „C“ (normale Leistung) beurteilt. Er ist bislang weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Er ist geschieden und hat zwei Kinder im Alter von 17 bzw. 19 Jahren.

3

Der Beklagte war nach den von ihm vorgelegten Attesten der behandelnden Ärzte und mehreren amtsärztlichen Gutachten - insbesondere von der Zentralen Medizinischen Untersuchungsstelle - seit dem 11. August 2008 bis ins Jahr 2010 hinein dienstunfähig erkrankt.

4

Mit Verfügung vom 20. August 2009 leitete der zuständige Polizeipräsident gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren ein und bestellte einen Ermittlungsführer. Der Beklagte wurde verdächtigt, er sei, obwohl seit fast einem Jahr dienstunfähig erkrankt, regelmäßig einer Tätigkeit als Schiedsrichter im Saarland nachgegangen, für Mannschaftsmeisterschaften im Tennis gemeldet sowie parteipolitisch tätig gewesen. Der Ermittlungsführer belehrte ihn über seine Rechte und wies insbesondere darauf hin, es stehe ihm frei, sich mündlich oder schriftlich zu äußern bzw. nicht auszusagen.

5

Am 11. November 2009 erweiterte der Polizeipräsident das Disziplinarverfahren um den Vorwurf, der Beklagte habe trotz seiner im Jahr 2009 bestehenden Dienstunfähigkeit an sechs Segelregatten teilgenommen. Gleichzeitig ordnete er die Einholung eines fachpsychiatrisch/neurologischen Gutachtens von Prof. Dr. B… an zu der Frage, ob der Beklagte bereits seit dem 11. August 2008 bzw. aktuell dienstunfähig erkrankt sei und ob die von ihm ausgeübten Tätigkeiten im Widerspruch zu seiner Dienstunfähigkeit stünden. Der Beklagte wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, sich dieser fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen; eine Weigerung habe disziplinarrechtliche Konsequenzen.

6

Prof. Dr. B… gelangte in seinem Gutachten vom 9. Dezember 2009 zu dem Ergebnis, der Beklagte sei vom 8. November bis zum 6. Dezember 2008 sowie erneut ab dem 1. März 2009 objektiv voll dienstfähig gewesen. In ergänzenden Stellungnahmen vom 11. Februar 2010, 14. Juni 2010 und 1. Juli 2010 bestätigte er diese Einschätzung.

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Ende Juni 2010 leitete die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen: 6006 Js 10578/10) wegen des Verdachts des Betrugs zu Lasten seines Arbeitgebers durch Vortäuschen einer tatsachlich nicht bestehenden Dienstunfähigkeit ein. Das Landgericht lehnte jedoch durch Beschluss vom 31. Mai 2011 die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da sich nach der Aktenlage nicht belegen lassen werde, dass der Beklagte es zumindest irgendwann einmal für möglich gehalten habe, arbeitsfähig zu sein.

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Im Hinblick auf das genannte Strafverfahren wurde das Disziplinarverfahren zunächst ausgesetzt, am 3. März 2011 jedoch erneut erweitert und teilweise fortgesetzt. Dem Beklagten wurde nun ebenfalls zur Last gelegt, am 16. Februar 2011 im Anschluss an einen Arztbesuch in der Mittagspause nicht mehr zum Dienst erschienen zu sein und sich nicht ordnungsgemäß krankgemeldet zu haben. Anschließend wurde das Verfahren wieder ausgesetzt.

9

Der Beklagte stürzte Ende April 2011 beim Skifahren auf die rechte Schulter und blieb daraufhin unter Vorlage ärztlicher Atteste ab dem 5. Mai 2011 bis zum 7. August 2011 dem Dienst fern und übte seinen Dienst in der Folgezeit nur eingeschränkt aus. Aufgrund einer vom Kläger veranlassten amtsärztlichen Untersuchung teilte das Gesundheitsamt in E… mit Schreiben vom 14. Juli 2011 mit, am Untersuchungstag hätten noch deutliche schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen bestanden. Da eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt urlaubsbedingt bis zum 5. August 2011 nicht möglich sei, werde sich die Beantwortung der Anfrage verzögern. Falls eine frühere Stellungnahme benötigt werde, sei zu empfehlen, andernorts eine fachärztliche orthopädische Stellungnahme einzuholen.

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Der Kläger forderte den Beklagten daraufhin auf, sich einer fachorthopädischen Begutachtung durch Prof. D. S… in H… zu unterziehen. Dieser untersuchte den Beklagten am 2. August 2011 und gelangte in seinem Gutachten vom 18. August 2011 zu der Einschätzung, die erhobenen Befunde könnten die geschilderten stärksten Schmerzen des rechten Schultergelenks nicht ausreichend erklären. Sie stünden auch im Widerspruch zu den ihm überlassenen Aufnahmen einer Observation des Beklagten. Da es sich um ein Symptom einer psychosomatischen Erkrankung handele, solle die Dienstfähigkeit des Beklagten durch ein psychiatrisches Gutachten geklärt werden.

11

Am 16. September 2011 wurde das Disziplinarverfahren daraufhin abermals erweitert und fortgesetzt. Dem Beklagten wurde nunmehr auch zur Last gelegt, er sei aufgrund seines Skiunfalls bis zum 7. August 2011 krankgeschrieben worden, bei Beobachtungen im privaten Bereich seien aber keine Beeinträchtigungen erkennbar gewesen. Ebenso hätten bei der amtsärztlichen Untersuchung und der fachorthopädischen Begutachtung durch Professor Dr. S… am 18. August 2011 keine die Dienstunfähigkeit begründenden Beeinträchtigungen festgestellt werden können. Entsprechend dem Vorschlag des orthopädischen Fachgutachters werde durch die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. B… Beweis zu der Frage erhoben, ob der Beklagte nach seinem Skiunfall Ende April 2011 zumindest eingeschränkt dienstfähig gewesen sei. Der Beklagte wurde wiederum darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, sich der erneuten fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

12

In seinem Gutachten vom 31. Oktober 2011 vertrat Prof. Dr. B… die Auffassung, aufgrund des ihm zur Verfügung gestellten Bildmaterials sei der Beklagte jedenfalls ab dem 30. Juni 2011 uneingeschränkt dienstfähig und sich dieses Umstandes auch vollumfänglich bewusst gewesen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. November 2011 führte Prof. Dr. S… daraufhin aus, die am 20. April 2011 erlittene Distorsion der rechten Schulter sei in der Regel nach ca. 8 Wochen ausgeheilt. Das entspreche ungefähr der Einschätzung von Prof. Dr. B…, ab dem 30. Juli 2011 habe Dienstfähigkeit bestanden. Der Beklagte hätte ca. 4 Wochen nach dem Unfall im Innendienst eingesetzt werden können.

13

Der Kläger leitete die Gutachten von Prof. Dr. S… und Prof. Dr. B… dem Gesundheitsamt in E… zur Stellungnahme zu. Die Amtsärztin gelangte in ihrer Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 zu der Einschätzung, aufgrund einer Zusammenschau aller vorliegenden Unterlagen sei der Beklagte seit dem 8. August 2011 bedingt - ohne Schusswaffengebrauch - und aufgrund der durchgeführten Reha-Maßnahme ab dem 26. Oktober 2011 uneingeschränkt dienstfähig gewesen.

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Das in diesem Zusammenhang wegen des Verdachts des Betrugs eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren (Aktenzeichen: 6006 Js 4259/12) stellte die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern mit Verfügung vom 10. August 2012 nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Auf der Grundlage der vorliegenden Befundberichte und der im Ermittlungsverfahren durchgeführten Zeugenvernehmungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte im tatrelevanten Zeitraum ein starkes subjektives Schmerzempfinden im rechten Arm gehabt habe und es ihm daher unmöglich gewesen sei, den Arm in ausreichendem Maß zu heben und zu belasten,.

15

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen im Disziplinarverfahren wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 zur Kenntnis gegeben. Er erhielt Gelegenheit, weitere Ermittlungen zu beantragen und sich abschließend zu äußern. Nachdem der Beklagte die Beteiligung des Personalrats beantragt hatte, verweigerte der Gesamtpersonalrat des Polizeipräsidiums Westpfalz die Zustimmung zur Erhebung einer Disziplinarklage. Im Rahmen des Einigungsverfahrens stimmte der Hauptpersonalrat des Ministeriums des Innern und für Sport jedoch der Erhebung der Disziplinarklage zu.

16

Mit der am 22. Juni 20112 erhobenen Disziplinarklage hat der Kläger dem Beklagten folgende Vorgänge als Dienstvergehen zur Last gelegt:

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1. Trotz einer angezeigten Dienstunfähigkeit sei er im Zeitraum 8. November 2008 bis 20. Dezember 2009 öffentlichen Tätigkeiten nachgegangen, indem er

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a) eine nicht angezeigte Nebentätigkeit als Schiedsrichter des „saarländischen Fußballvereins“ ausgeübt habe,

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b) an acht Segelregatten, unter anderem an den Europameisterschaften in Wien und Weltmeisterschaften in Kanada, teilgenommen habe und

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c) parteipolitische Betätigungen in der Öffentlichkeit ausgeübt habe.

21

2. Trotz einer bestehenden Dienstfähigkeit sei er vom 1. März 2009 bis zum 20. Dezember 2009 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben.

22

3. Trotz einer zumindest eingeschränkt bestehenden Dienstfähigkeit vom 30. Mai 2011 bis zum 7. August 2011 sei er unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben und habe auch in der Folgezeit - bis einschließlich 15. November 2011 (vgl. S. 21 der Disziplinarklageschrift) - seinen Dienst nur eingeschränkt verrichtet, obwohl er bereits uneingeschränkt dienstfähig gewesen sei.

23

4. Er habe sich am 16. Februar 2011 nicht ordnungsgemäß krankgemeldet.

24

Der Kläger hat beantragt,

25

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

26

Der Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Durch Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2012 hat das Verwaltungsgericht gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 500,00 € verhängt und die Disziplinarklage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es zusammenfassend: Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensanforderungen gehöre die sich aus § 34 S. 3 des Beamtenstatusgesetzes ergebende Pflicht des Beamten, sein Verhalten so auszurichten, dass es der Achtung und Vertrauen gerecht werde, die sein Beruf erfordere. Nach § 214 des Landesbeamtengesetzes habe der Polizeibeamte zudem die Pflicht, die im Polizeiwesen begründeten besonderen Pflichten und das Ansehen der Polizei zu wahren. Gegen diese Dienstpflichten habe der Beklagte in nicht unerheblicher Weise dadurch verstoßen, dass er während seines Krankenstandes regelmäßig am Wochenende eine Schiedsrichtertätigkeit ausgeübt und auch an Segelregatten im In- und Ausland teilgenommen habe. Demgegenüber sei er vom schwerer wiegenden Vorwurf des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst über zwei längere Zeiträume sowie vom Vorwurf der politischen Betätigung während Zeiten dienstunfähiger Erkrankung freizustellen. Hinsichtlich der vorgehaltenen nicht ordnungsgemäßen Krankmeldung sei allenfalls von einem Bagatellverstoß gegen die Gehorsamspflicht ohne eigenes disziplinarrechtliches Gewicht auszugehen.

29

Zur Begründung seiner fristgerecht eingelegten Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

30

Die beim Beklagten aufgetretene krankhafte Veränderung der Schulter und der deshalb im Mai 2012 erfolgte operative Eingriff belegten nicht seine Dienstunfähigkeit in der Zeit vom 30. Mai bis zum 7. August 2011. Aufgrund der diesbezüglichen Gutachten von Prof. Dr. S… und Prof. Dr. B… sei davon auszugehen, dass der Beklagte ab dem 30. Juni 2011 zumindest eingeschränkt dienstfähig gewesen sei. Die bei den durchgeführten Observationen festgestellten privaten Aktivitäten ließen den Schluss zu, er habe bei den amtsärztlichen bzw. fachärztlichen Untersuchungen massive Beschwerden angegeben, die nicht in dem von ihm beschriebenen Umfang vorgelegen hätten. Das Verwaltungsgericht lasse auch die Frage offen, ob der Beklagte nicht zumindest eingeschränkt dienstfähig gewesen sei und zumindest im Innendienst hätte eingesetzt werden können. Dieser habe seinen behandelnden Arzt zudem nicht korrekt über seine dienstlichen Tätigkeiten informiert. Schließlich habe er unter anderem im Dezember 2011 und im Januar 2012 am Schießtraining teilgenommen, ohne dass es Besonderheiten gegeben oder er sich zu einer Belastung geäußert habe.

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Im Hinblick auf das ansehensschädigende Verhalten des Beklagten, insbesondere die Nebentätigkeit als Schiedsrichter sowie die Teilnahme an acht Segelregatten während seiner angeblichen Dienstunfähigkeit, habe das Verwaltungsgericht die Schwere des Dienstvergehens verkannt. Insbesondere gehe es bei der Tätigkeit als Schiedsrichter nicht lediglich um einen formellen Verstoß gegen die Anzeigepflicht, da die ausgeübte Nebentätigkeit zu widerrufen bzw. abzulehnen gewesen wäre. Die Aktivitäten seien zudem in der Öffentlichkeit und insbesondere im Kollegenkreis bekannt geworden und dort auf Unverständnis gestoßen. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte auch nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens weiterhin seiner Tätigkeit nachgegangen sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch die freiwillige öffentlichkeitswirksame parteipolitische Betätigung, über die sogar in den Medien berichtet worden sei, ansehensschädigend. Es sei auch nicht maßnahmemildernd zu berücksichtigen, dass der Beklagte, nachdem er zum Dienstantritt aufgefordert worden sei, Urlaub in Anspruch genommen habe. Sein Urlaubsantrag sei lediglich die Reaktion auf die Drohung mit dem Verlust der Dienstbezüge infolge unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst gewesen.

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Hinsichtlich des Vorwurfs des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst im Zeitraum vom 1. März bis 20. Dezember 2009 habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass den Amtsärzten und den behandelnden Ärzten die umfangreichen Aktivitäten des Beklagten, insbesondere die durchgeführten Segelregatten und die Schiedsrichtertätigkeit nicht einmal ansatzweise bekannt gewesen seien. Zudem seien die Aussagen von Frau Dr. C… im Rahmen des Strafverfahrens zu relativieren, da sich der Verdacht aufdränge, die gebotene Objektivität sei bei ihr nicht mehr vorhanden gewesen. Schließlich gebe es auch hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die Frage einer eingeschränkten Dienstfähigkeit thematisiert worden sei.

33

Hinsichtlich des Vorwurfs, der Beklagte habe sich am 16. Februar 2011 nicht ordnungsgemäß krankgemeldet, habe das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Umstände dieses Vorwurfs übersehen. Der Beklagte habe den Dienst verlassen, ohne seine Kollegen und Vorgesetzten davon in Kenntnis zu setzen, er gehe nach Hause. An dem betreffenden Tag und dem Folgetag sei vergeblich versucht worden, ihn zu erreichen.

34

Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 13. November 2012 den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

36

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

38

Zur Begründung bekräftigt er die Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil und trägt darüber hinaus im Wesentlichen vor:

39

Die beiden Gutachten von Prof. Dr. S… und Prof. Dr. B… zu den Folgen seiner Schulterverletzung seien nicht amtsärztlich veranlasst gewesen. Ihnen könne daher nicht dasselbe Gewicht zukommen wie den amtsärztlichen Feststellungen. Die aus großer Entfernung gemachten Videoaufnahmen vom Verladen einer Getränkekiste belegten nicht das Anheben des rechten Arms im Schultergelenk bis zu einem Winkel von 160°. Schmerzen seien zudem für Außenstehende - zumal aus großer Entfernung - nicht erkennbar. In den Observationsberichten werde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, sie seien nicht gerichtsverwertbar.

40

Der Kläger selbst habe im Übrigen gegenüber dem Gesundheitsamt die ihm obliegenden Aufgaben beschrieben. Diese Beschreibung sei auch seinem behandelnden Arzt Dr. D… bekannt gewesen.

41

Bei dem von ihm absolvierten Schießtraining sei er, wie die bei diesem Anlass gefertigten Aufzeichnungen zeigten, nicht in der Lage gewesen, die Waffe ordnungsgemäß aus dem eigentlich vorgesehenen Holster zu ziehen. Die Beschwerden hätten sich zudem erst später als besonders schmerzhaft erwiesen, anschließend habe er erneut seinen behandelnden Arzt aufgesucht und sich in Kenntnis des zweiten MRT zur Durchführung einer Operation entschlossen.

42

Im Hinblick auf die Tätigkeit als Schiedsrichter und die Teilnahme an Segelregatten könne nicht von einem schweren Dienstvergehen ausgegangen werden. Da die behandelnden Ärzte ihn ausdrücklich zur Ausübung dieser sportlichen Betätigung ermuntert hätten, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass diese Tätigkeiten das Ansehen des Berufsbeamtentums beeinträchtigen könnten. Angesichts des geringen zeitlichen Umfangs dieser Aktivitäten könnten sie auch nicht mit lang andauernden Nebenbeschäftigungen gleichgestellt werden. Über diese Aktivitäten sei auch lediglich den Fachzeitschriften und in einer Wiesbadener Zeitung berichtet worden. Von einer umfassenden Berichterstattung in den Medien könne daher keine Rede sein.

43

Der Senat hat Beweis erhoben durch die auszugsweise Inaugenscheinnahme der vom Kläger gefertigten Videoaufnahme vom 30. Juni 2011 (Min. 2:00 bis Min. 2.20).

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat gegen den Beklagten wegen des von ihm begangenen Dienstvergehens zu Recht eine Geldbuße verhängt, deren Höhe allerdings auf 1.000,00 € festzusetzen ist.

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Soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen keine Abweichungen von den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergeben, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug genommen und von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 21 LDG i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).

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1. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuchs - StGB - grundsätzlich die Rechtslage zum Tatzeitpunkt maßgeblich ist. Hinsichtlich der vor dem 1. April 2009 begangenen Dienstpflichtverletzungen sind somit die §§ 64 Abs. 1 S. 3, 65 S. 2 und 85 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung vom 14. Juli 1970 (GVBl. S. 241, aufgehoben durch § 145 Abs. 5 Nr. 1 des Landesbeamtengesetzes vom 20. Oktober 2010, GVBl. 319) maßgeblich, da sich aus den am 1. April 2009 in Kraft getretenen §§ 34, 35 S. 2 und 47 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes - BeamtStG - vom 17. Juni 2008 (BGBl. I S. 1010, geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I S. 160) kein für den Beklagten günstigeres Recht ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 -, BVerwGE 136, 173). Das Abstellen auf die genannten Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes durch das Verwaltungsgericht hat sich allerdings in der Sache nicht ausgewirkt.

48

2. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, kann dem Beklagten ein schuldhaftes unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst in der Zeit vom 1. März 2009 bis 20. Dezember 2009 nicht nachgewiesen werden.

49

a) Über die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinaus kann dieser Vorwurf auch aus folgenden Gründen nicht auf das Gutachten von Prof. Dr. B… vom 9. Dezember 2009 und seine ergänzenden Stellungnahmen hierzu gestützt werden:

50

Der Kläger hat den Beklagten in der Ausdehnungsverfügung vom 11. November 2009 ausdrücklich und unter Androhung disziplinarrechtlicher Konsequenzen darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, sich der angeordneten fachärztlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B… zu unterziehen. Dadurch hat er gegen den Grundsatz verstoßen, wonach einem Beamten nicht die aktive Mitwirkung an einer Sachverhaltsaufklärung auferlegt werden darf, die darauf abzielt, ihn eines Dienstvergehens zu überführen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1980 - 1 D 129.79 -, BVerwGE 73, 118; Weiss, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, M § 24 Rn. 117). Aus der an § 52 des Dienstordnungsgesetzes Rheinland-Pfalz - DOG - (vom 20. Juni 1974, GVBl. S. 52) und § 60 der Bundesdisziplinarordnung - BDO - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juli 1967, BGBl. S. 750, 984) angelehnte Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 1 LDG (vgl. LT-Drs. 13/2315, zu § 33 LDG, LT-Drs. 7/1735, zu § 52 DOG), wonach das Verwaltungsgericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beamten die Unterbringung und Untersuchung eines Beamten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer sonstigen geeigneten Krankenanstalt anordnen kann, folgt für den vorliegenden Fall nichts anderes. Weder ging es um eine Untersuchung des psychischen Zustands im Hinblick auf eine Schuld- bzw. Verhandlungsunfähigkeit des Beklagten (vgl. Behnke, Bundesdisziplinarordnung, 2. Aufl. 1970, Rn. 4, 8; Weiss, a.a.O., K § 60 Rn. 1), noch gab es einen entsprechenden Gerichtsbeschluss.

51

Ein Polizeibeamter ist zwar auch nach § 91 Abs. 2 LBG verpflichtet, sich zum Nachweis einer auf Krankheit beruhenden Dienstunfähigkeit amtsärztlich - beziehungsweise, was hier nicht angeordnet wurde, polizeiärztlich (§ 113 Abs. 1 LBG) - untersuchen zu lassen. Bei der am 11. November 2009 angeordneten Begutachtung handelte es sich jedoch weder um eine amtsärztliche bzw. durch einen Amtsarzt angeordnete ergänzende fachärztliche Untersuchung, noch diente sie - vorrangig - dazu, die aktuelle krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit nachzuweisen. Sie verfolgte vielmehr in erster Linie das Ziel, dem Beklagten die Verletzung seiner Dienstpflichten in der Vergangenheit nachzuweisen bzw. den insoweit gehegten Verdacht auszuräumen. Das gilt umso mehr, als die Begutachtung im Rahmen des bereits laufenden Disziplinarverfahrens angeordnet wurde. Für eine Verpflichtung des Beklagten, hieran aktiv mitzuwirken, bietet § 91 Abs. 2 LBG keine Grundlage.

52

Es kann hier dahingestellt bleiben, wo genau die Grenze zwischen einer lediglich passiven Duldung einer Begutachtung - etwa durch einen bei der Anhörung des Beamten anwesenden, bloß beobachtenden Sachverständigen - und einer aktiven Mitwirkung an einer Untersuchung liegt. Da eine fachpsychiatrisch/neurologische Untersuchung, wie sie hier angeordnet wurde, typischerweise eine Befragung der zu begutachtenden Person sowie Messungen oder Tests umfassen, musste der Beklagte den Hinweis des Klägers so verstehen, dass er verpflichtet sein sollte, aktiv hieran mitzuwirken.

53

Wegen der Verletzung des Grundsatzes, wonach ein Beamter nicht verpflichtet ist, aktiv am Nachweis einer Dienstpflichtverletzung mitzuwirken, darf das genannte Gutachten von Prof. Dr. B… nebst den ergänzenden Stellungnahmen in zumindest entsprechender Anwendung von § 20 Abs. 3 LDG nicht zum Nachteil des Beklagten verwendet werden.

54

b) Entgegen der Behauptung des Klägers bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Beklagte habe die ihn behandelnden bzw. untersuchenden Ärzte über den Umfang seiner außerdienstlichen Aktivitäten im Unklaren gelassen. So findet sich etwa in den handschriftlichen Notizen von Frau Dr. C… das Wort "Kanada" (s. Ermittlungsakte StA Kaiserslautern, Band 1, nach Bl. 50). Dies zeigt eindeutig, dass sie, anders als der Kläger meint, vom Beklagten nicht nur über unbedeutende Segelaktivitäten, sondern insbesondere auch über seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Kanada informiert worden war. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit ihrer im Rahmen der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft gemachten Angaben zu zweifeln.

55

3. Hinsichtlich des Vorwurfs, der Beklagte sei vom 30. Mai 2011 bis zum 7. August 2011 unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben, schließt sich der Senat ebenfalls den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an. Auch diesbezüglich ist dem Beklagten ein schuldhaftes Fehlverhalten nicht nachzuweisen.

56

a) Die Gutachten von Prof. Dr. S… vom 18. August 2011 - nebst der ergänzenden Stellungnahme vom 21. November 2011 - und Prof. Dr. B… vom 31. Oktober 2011 können aus den oben dargelegten Gründen ebenfalls nicht zum Nachteil des Beklagten verwertet werden. In beiden Fällen hat der Kläger den Beklagten zu Unrecht darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, sich den Untersuchungen zu unterziehen. Dieser Hinweis ist ebenfalls als unzulässige Aufforderung zur aktiven Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung im Hinblick auf eine von ihm begangene Dienstpflichtverletzung zu verstehen.

57

Bei dem Gutachtenauftrag an Prof. Dr. S… vom 15. Juli 2011 ging es nicht nur um den Nachweis der aktuellen Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beklagten, sondern gerade um die Aufklärung einer von ihm in der Vergangenheit begangenen Dienstpflichtverletzung. Das zeigt nicht nur der Umstand, dass der an den Gutachter gerichtete Auftrag unter dem Aktenzeichen des Disziplinarverfahrens erging, sondern auch die Fragestellung, die insbesondere auf die Klärung einer Täuschungsabsicht des Beklagten ausgerichtet war. Ebenso liegt auf der Hand, dass die angeordnete Begutachtung eine aktive Mitwirkung des Beklagten, insbesondere durch die Vorführung von Bewegungen und die Beantwortung von Fragen erforderte.

58

Die vorstehenden Ausführungen gelten aus den oben dargelegten Gründen erst recht bezüglich des im Rahmen des erweiterten Disziplinarverfahrens erstatteten Gutachtens von Professor Dr. B… .

59

Die Begutachtung durch Professor Dr. S… war im Übrigen entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht im Rahmen der zuvor angeordneten amtsärztlichen Untersuchung als erforderlich angesehen worden. Vielmehr hatte das Gesundheitsamt des Saar-Pfalz-Kreises in seinem Schreiben vom 14. Juli 2011 lediglich darauf hingewiesen, die Praxis des behandelnden Facharztes sei urlaubsbedingt bis zum 5. August 2011 geschlossen, so dass derzeit keine Rücksprache möglich sei. Auf die Möglichkeit, eine andere fachärztliche orthopädische Stellungnahme einzuholen, wurde lediglich für den Fall hingewiesen, dass eine frühere Stellungnahme nötig sei. Von einer solchen Eilbedürftigkeit war jedoch in dem an Prof. Dr. S… gerichteten Auftrag zur Begutachtung des Beklagten vom 15. Juli 2011 keine Rede. Der Gutachter untersuchte den Beklagten auch erst am 2. August 2011 und stellte das Gutachten sodann erst am 18. August 2011 fertig, also erst deutlich nach dem Ende des Urlaubs des behandelnden Facharztes. Das Gesundheitsamt hätte somit bereits vor der Erstellung des Gutachtens durch Prof. Dr. S. die von ihm als erforderlich erachtete Rücksprache mit dem Facharzt halten könnten. Folglich ergab sich die Notwendigkeit der angeordneten Begutachtung nicht aus der Mitteilung des Gesundheitsamtes vom 14. Juli 2011.

60

b) Darüber hinaus kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf eine angebliche Diskrepanz zwischen den vom Beklagten geschilderten Beschwerden und dem bei der Observation des Beklagten (am 27. Juni, 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr, 28. Juni, 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr, 29. Juni, 13:30 Uhr bis 17:15 Uhr und 30. Juni 2011, 13:00 Uhr bis 18:00 Uhr) festgestellten Verhalten berufen.

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aa) Soweit in dem schriftlichen Observationsbericht verschiedene Tätigkeiten des Beklagten geschildert werden, sind die Beschreibungen der Bewegungsabläufe und der dabei aufgetretenen Belastungen ungenau und lassen daher, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht den Schluss zu, der Beklagte habe die gegenüber dem Gesundheitsamt, den genannten Gutachtern bzw. den behandelnden Ärzten geäußerten Beschwerden lediglich simuliert.

62

Die am 30. Juni 2011 gefertigte und in der mündlichen Berufungsverhandlung auszugsweise in Augenschein genommene Videoaufnahme lässt hingegen zwar recht genau erkennen, wie der Beklagte beim Tragen eines Getränkekastens mit der linken Hand den rechten Arm mitschwingen lässt und beim Schließen des Kofferraums seines Autos den rechten Arm mit einer flüssigen, zumindest für den medizinischen Laien nicht erkennbar beeinträchtigten Bewegung erheblich über 90 Grad hinaus nach oben hebt.

63

In Kenntnis dieses von Prof. Dr. B… in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2011 (S. 12) exakt beschriebenen Vorgangs ist das Gesundheitsamt in E… jedoch am 5. Dezember 2011 zu der Einschätzung gelangt, der Beklagte sei seit dem 8. August 2011 wieder bedingt - ohne Schusswaffengebrauch - dienstfähig gewesen. Die Amtsärztin war somit der Auffassung, die in der Videoaufnahme festgehaltenen Beobachtungen sprächen nicht entscheidend gegen eine bis zum 7. August 2011 bestehende vollständige und eine darüber hinaus bestehende eingeschränkte Dienstfähigkeit des Beklagten. Da sie sich in ihrer Stellungnahme sowohl mit den genannten Gutachten als auch mit den Praxisaufzeichnungen des behandelnden Orthopäden Dr. D… auseinandersetzt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, sie habe bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beklagten wesentliche Aspekte übersehen. Zudem hat sie - anders als Prof. Dr. S… und Prof. Dr. B…, deren Gutachten ohnehin nicht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt werden dürfen - auch die weitere Entwicklung der Schulterbeschwerden des Beklagten in ihre Beurteilung einbezogen. Angesichts dessen und aufgrund des besonderen Gewichts, das amtsärztlichen Beurteilungen beizumessen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - 2 B 126.09 -, Buchholz 232.0 § 96 BBG 2009 Nr. 1), vermag die Videoaufnahme vom 30. Juni 2011 keine durchgreifenden Bedenken gegen die Richtigkeit der Stellungnahme des Gesundheitsamtes in E… vom 5. Dezember 2011 zu begründen. Diese lässt im Übrigen auch zweifelsfrei erkennen, dass die Amtsärztin sehr wohl zwischen einer lediglich eingeschränkten Dienstfähigkeit und einer vollständigen Dienstunfähigkeit eines Polizeibeamten zu unterscheiden wusste. Daher kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte gegenüber seinem behandelnden Arzt vollständige Angaben zu seinen dienstlichen Aufgaben und der Möglichkeit seines Einsatzes im Innendienst gemacht hatte.

64

bb) Darüber hinaus bestehen gegen die Zulässigkeit der vom Kläger durchgeführten Observation des Beklagten Bedenken, auf die der Senat hinweist, auch wenn es nach den vorstehenden Ausführungen hierauf nicht entscheidend ankommt.

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Im Anschluss an das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83 -, BVerfGE 65, 1) hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Observation zumindest dann, wenn sie eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet bzw. aus sonstigen Gründen einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt, einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedarf (vgl. z.B. Schoreit, Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 163f Rn. 1 ff. m.w.N.).

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Hierauf beruhen etwa die Regelungen in 163f der Strafprozessordnung - StPO - (in der Fassung vom 7. April 1987, BGBl. I S. 1074, 1319, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Januar 2013, BGBl. I S. 89), wonach eine längerfristige Observation (mit einer durchgehenden Dauer von mehr als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen) nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist und nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden darf. Der Landesgesetzgeber hat mit § 28 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetz in der Fassung vom 10. November 1993 (GVBl. S. 595, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011, GVBl. S. 427) ebenfalls eine diesbezügliche Regelung geschaffen. Danach handelt es sich unter anderem bei der längerfristigen Observation (planmäßig angelegte Beobachtung einer Person, die durchgehend länger als 24 Stunden oder über einen Zeitraum von mehr als einer Woche durchgeführt wird, Abs. 2 Nr. 1) und beim verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen sowie zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes (Abs. 2 Nr. 2) um besondere Mittel der verdeckten Datenerhebung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind (Abs. 1 und 3) und grundsätzlich nur durch den Behördenleiter bzw. einen von ihm beauftragen Beamten des höheren Dienstes angeordnet werden können und zu befristen sind; in bestimmten Fällen bedarf es sogar einer gerichtlichen Entscheidung (Abs. 4).

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Der gesetzliche Auftrag zur Durchführung der erforderlichen disziplinarrechtlichen Ermittlungen (§ 27 Abs. 1 S. 1 LDG) ist nach den obigen Darlegungen keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Durchführung von Observationen, welche einen Eingriff in das Recht der betroffenen Person auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Für solche Fälle enthält das Landesdisziplinargesetz auch keine spezielle Ermächtigungsgrundlage (vgl. §§ 27 ff. LDG).

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Ob die Grenze, ab der eine spezielle Ermächtigung für eine Observation erforderlich ist, im vorliegenden Fall bereits deshalb überschritten ist, weil sie sich - allerdings mit Unterbrechungen - über mehrere Tage hinzog, ist fraglich. Den Regelungen in § 163f StPO und § 28 POG liegen insoweit anscheinend abweichende Auffassungen zugrunde. Hingegen dürfte die vom Beklagten verdeckt, nämlich durch die Heckscheibe eines Kraftfahrzeugs gefertigte Videoaufnahme bereits als solche einen mehr als unerheblichen Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Diese Auffassung liegt wohl auch der Regelung in § 28 Abs. 2 Nr. 2 POG zugrunde.

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cc) Die Unzulässigkeit der Videoaufnahme stünde ihrer Verwertung zu Lasten des Beklagten allerdings nicht entgegen.

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Ob ein Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein Verwertungsverbot nach sich zieht, ist im Disziplinarverfahren entsprechend den im Strafprozess geltenden Maßstäben nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes hiergegen unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Disziplinarbehörden bzw. -gerichte die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken haben. Daher ist ein Beweisverwertungsverbot nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn es - was hier nicht der Fall ist -ausdrücklich gesetzlich geregelt (z.B. in § 26 Abs. 3 LDG) oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist, wobei es maßgeblich auf das Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes im Hinblick auf die Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter ankommt (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 -, NVwZ 2005, 1175; BVerfG, NJW 2006, 2684 f; BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 2008 - 2 WD 16/07 -, BVerwGE 132, 100; OVG Hamburg, Beschluss vom 03. Juli 2012 - 12 Bf 58/12.F -, NVwZ-RR 2012, 845 BGH, Urteil vom 11. November 1998 - 3 StR 181/98 -, BGHSt 44, 243 [249]). Diese Abwägung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass das berechtigte Interesse des Dienstherrn und der Allgemeinheit an der Ahndung von Dienstvergehen gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Beklagten überwiegt. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

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Der Eingriff in das Recht des Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung wog hier vergleichsweise gering. Seine Beobachtung durch Beamte des Klägers erfolgte zunächst von außerhalb seines Wohngrundstücks und erstreckte sich lediglich auf die von dort einsehbaren Bereiche des Grundstücks bzw. seiner Umgebung. Darüber hinaus wurde der Beklagte bei seiner Fahrt zu einem Arztbesuch bzw. einem daran anschließenden Einkauf in einem Getränkemarkt beobachtet, wobei er sich in einem für jedermann zugänglichen und frei einsehbaren Bereich bewegte. Zudem sind die sich auf jeweils relativ kurze Zeitspannen erstreckenden Beobachtungen auch nicht geeignet, ein umfassendes Persönlichkeitsbild vom Beklagten zu gewinnen. Angesichts dessen ist der durch die Observation verursachten Grundrechtseingriff als nicht besonders schwerwiegend anzusehen.

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Auf der anderen Seite begründete die am 21. Juni 2011 von einem anderen Polizeibeamten mitgeteilte Beobachtung, wonach der Beklagte ein Konzert besucht habe, ohne dass hierbei irgendwelche körperlichen Einschränkungen erkennbar gewesen seien, zumindest einen gewissen Verdacht, er könnte entgegen den vorgelegten ärztlichen Attesten doch dienstfähig gewesen sein und seine gesundheitlichen Einschränkungen wahrheitswidrig vorgespiegelt haben. Da hierin eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung läge, die grundsätzlich geeignet wäre, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn bzw. der Allgemeinheit und dem Beamten zu zerstören (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 1 D 2.05 -, juris), kommt dem Interesse des Klägers und der Allgemeinheit an deren Aufklärung und Ahndung einer solchen Verfehlung ein erhebliches Gewicht zu. Hinter diesem gewichtigen Interesse muss der Anspruch des Beklagten auf Respektierung seines nicht schwerwiegend beeinträchtigten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten.

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c) Entgegen der Auffassung des Klägers spricht der Umstand, dass der Beklagte sich beim Schießtraining im Dezember 2011 und im Januar 2012 nicht über Schmerzen beklagt hat, nicht entscheidend gegen die Annahme, er sei unverschuldet von seiner Dienstunfähigkeit bzw. eingeschränkten Dienstfähigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zum 15. November 2011 ausgegangen. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 war der Beklagte ab dem 26. Oktober 2011 wieder uneingeschränkt dienstfähig. Somit hatte sich sein Zustand sich im Anschluss an die durchgeführte Reha-Maßnahme so stabilisiert, dass die Annahme, er habe an dem Schießtraining ohne unmittelbar auftretende starke Schmerzen teilnehmen können, nachvollziehbar erscheint.

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d) Den vorgelegten Unterlagen lässt sich auch nicht entnehmen, aufgrund welcher Umstände der Beklagte hätte erkennen können oder gar müssen, dass - wie von der Amtsärztin nachträglich festgestellt -, die Einschränkung seiner Dienstfähigkeit bereits mit dem 25. Oktober 2011 endete. Vielmehr durfte er als medizinischer Laie auf die Einschätzung seines behandelnden Arztes vertrauen, wonach weiterhin nur eine eingeschränkte Dienstfähigkeit bestand. Dafür spricht auch der Umstand, dass bei ihm tatsächlich eine Schädigung seine Schulter vorlag, derentwegen er sich schließlich im Frühjahr 2012 einer Operation unterzog. Im Übrigen dürfte es selbst einem Arzt schwerfallen, bei einer mehrerer Monate andauernden Erkrankung den Zeitpunkt, ab dem die Dienstfähigkeit wieder in vollem Umfang hergestellt ist, exakt zu bestimmen. Daher ist dem Beklagten ebenfalls nicht nachzuweisen, dass er vom 26. Oktober 2011 bis zum 15. November 2011 schuldhaft seinen Dienst lediglich eingeschränkt verrichtet hat.

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4. Hinsichtlich der parteipolitischen Betätigung des Beklagten während der Zeit seines krankheitsbedingten Fernbleibens vom Dienst ist er aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen von dem Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung freizustellen. Zwar hat der Vertreter des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung erneut seine gegenteilige Auffassung dargelegt. Hieraus ergeben sich jedoch keine neuen Gesichtspunkte, so dass von weiteren Ausführungen zu diesem Punkt abgesehen wird.

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5. Der Senat schließt sich ebenfalls den Ausführungen des Verwaltungsgerichts an, wonach der Beklagte im Zusammenhang mit der Krankmeldung am 16. Februar 2011 allenfalls eine Bagatellverfehlung ohne eigenes disziplinarrechtliches Gewicht begangen hat. Soweit der Vertreter des Klägers in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt hat, man habe, nachdem man den Beklagten telefonisch erreicht habe, einen Streifenwagen von K… nach E… zur Wohnung des Beklagten geschickt, weist der Senat darauf hin, dass es ausgereicht hätte, die der Wohnung des Beklagten nächstgelegene Polizeidienststelle zu bitten, dort nach dem Rechten zu sehen.

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6. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, hat der Beklagte jedoch eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen, indem er während der Zeit vom 8. November 2008 bis zum 20. Dezember 2009 einer anzeigepflichtigen, von ihm aber nicht angezeigten Nebentätigkeit als Schiedsrichter des saarländischen Fußballverbandes nachging sowie an acht Segelregatten teilnahm, obwohl er während dieses Zeitraums aus gesundheitlichen Gründen dem Dienst fernblieb. Der Senat schließt sich auch insoweit grundsätzlich den Ausführungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil an. Allerdings ist das Unterlassen der Anzeige der Schiedsrichtertätigkeit nicht als bloß formaler Verstoß zu qualifizieren. Indem der Beklagte die erforderliche Anzeige dieser Nebentätigkeit unterließ, machte er es nämlich dem Kläger unmöglich, frühzeitig gegen diese ansehensschädigende Betätigung während der Zeit der Dienstunfähigkeit einzuschreiten. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte diese Tätigkeit - was er nicht bestreitet - fortsetzte und vom 6. September 2009 bis zum 29. November 2009 bei weiteren 14 Fußballspielen eingesetzt wurde (vgl. den Einsatzplan Blatt 54 f. der Ermittlungsakte), obwohl ihm bereits am 25. August 2009 die Einleitungsverfügung vom 20. August 2009 zugestellt worden war (s. Blatt 5 der Disziplinarakte), worin ihm gerade diese Tätigkeit vorgeworfen wurde. Aufgrund dessen musste ihm bewusst sein, dass die Fortsetzung seiner Schiedsrichtertätigkeit mit den ihm obliegenden Dienstpflichten nicht zu vereinbaren war.

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7. Die vom Verwaltungsgericht verhängte Geldbuße in Höhe von 500,00 € wird dem Gewicht des Dienstvergehens, auf das nach § 11 Abs. 1 LDG maßgeblich abzustellen ist, nicht völlig gerecht. Wie dargelegt, kommt der Ausübung der nicht angezeigten Schiedsrichtertätigkeit und ihrer Fortsetzung nach der Bekanntgabe der Einleitungsverfügung ein größeres disziplinares Gewicht zu als das, welches der Maßnahmebemessung vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegt wurde. Dem ist unter Berücksichtigung der anderen im verwaltungsgerichtlichen Urteil zutreffend dargelegten Aspekte und des Eindrucks, den der Senat vom Beklagten gewonnen hat, durch die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € Rechnung zu tragen. Diese Disziplinarmaßnahme ist erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Beklagten seine Verfehlung nachdrücklich vor Augen zu führen und ihn für die Zukunft zu einem Verhalten im Einklang mit seinen Dienstpflichten anzuhalten.

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Anders als der Kläger meint, ist bei der Maßnahmebemessung sehr wohl zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er, obwohl er der Auffassung war, dienstunfähig erkrankt gewesen zu sein, einen Urlaubsantrag „unter Vorbehalt“ stellte, um dem Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst zu entgehen. In diesem Verhalten kommt nämlich die Bereitschaft zum Ausdruck, der Auffassung des Dienstherrn zumindest vorläufig zu folgen und die Durchsetzung der eigenen, für zutreffend gehaltenen Auffassung bis zur Klärung der Frage nach seiner Dienstfähigkeit zurückzustellen.

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Darüber hinaus haben das Auftreten die Äußerungen des Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung dem Senat den Eindruck vermittelt, dass er sich aufgrund seiner damaligen psychischen Verfassung und des Zuspruchs seiner behandelnden Ärztin der Tragweite seiner außerdienstlichen Aktivitäten zunächst nicht bewusst war, sein Fehlverhalten mittlerweile jedoch erkannt hat und es aufrichtig bedauert. Daher ist davon auszugehen, dass er der Konsequenzen erneuter Dienstpflichtverletzungen bewusst ist und sich daher um ein ordnungsgemäßes Verhalten bemühen wird.

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8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 99 Abs. 1 S. 2 LDG. Da nur ein geringer Teil der dem Beklagten vom Kläger zur Last gelegten Verfehlungen die Grundlage für die verhängte Disziplinarmaßnahme bildet, entspricht die bereits im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochene Kostenteilung auch für das Berufungsverfahren der Billigkeit. Die Erhöhung der Geldbuße gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Gewichtung.

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